„Nach lebhafter Diskussion gemeinsam beschlossen“: Andrea Gau über die Pläne der Chefjuroren für die Saison 2013/14

Datum: 11. Dezember 2013
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature

Beim diesjährigen Saison-Kick-Off des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) gab es ein Novum: Da aus jeder ZEIT DEBATTE der Saison, ausgenommen der Süddeutschen Meisterschaft, sowie den meisten bereits feststehenden Turnieren der Freien Debattierliga mindestens ein Vertreter des Chefjuroren-Panels anwesend war, wurde eine Diskussionsrunde zwischen ihnen eingerichtet. Sie sollte nicht nur Erfahrungsaustausch zum Ziel haben, sondern sich ganz konkret damit beschäftigen, wie die Qualität und die Organisation des Jurierens über die Saison hinweg verbessert werden kann. Auch auf der Achten Minute präsentierten im Vorfeld des Kick-Offs bereits einige Gastautoren ihre Ideen dazu, darunter Anna Mattes, Jonathan Scholbach und Christian Landrock. In Marburg wurde gemeinsam überlegt, wie die Chefjuroren (CJ) der anstehenden Turniersaison konkret zur Verbesserung des Jurierqualität beitragen können.

Aus durchaus lebhafter Diskussion gingen schließlich einige Vorschläge hervor, die im Anschluss an das Treffen per E-Mail mit den damals bekannten, aber beim Kick-Off nicht anwesenden Chefjuroren noch einmal diskutiert und später gemeinsam beschlossen wurden. Auf der ZEIT DEBATTE in Frankfurt im November wurden mittlerweile bereits einige dieser Vorschläge in die Praxis umgesetzt; weitere Turniere sollen folgen.

Dieser Artikel soll nun die Ergebnisse der Diskussion zusammenfassen und die Vorschläge vorstellen, auf die die Chefjuroren sich geeinigt haben. Es bleibt anzumerken, dass keiner der unten genannten Punkte die Autonomie der einzelnen Chefjuroren-Panels in Frage stellen soll; was davon in welcher Weise umgesetzt wird, bleibt den Chefjuroren der jeweiligen Turniere vollständig selbst überlassen.

1. Weitergabe des schriftlichen Jurorenfeedbacks

(c) Manuel Adams

(c) Manuel Adams

Zwar sammeln die CJ über die Dauer eines Turniers hinweg, insbesondere bei ZEIT DEBATTEN, eine geraume Menge an Juroren-Bewertungsbögen, doch dieses Wissen wurde bisher ausschließlich als Informationsgewinn für das Chefjuroren-Panel genutzt. Es erscheint uns sinnvoll, in Zukunft die Bewertungsbögen nach dem Ende des Turniers nicht einfach wegzuwerfen, sondern sie an die betroffenen Juroren weiterzureichen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich anhand der darauf vermerkten Hinweise zu hinterfragen und zu verbessern. Da das Feedbackverhalten dadurch nicht zu verfälscht werden soll, werden die Bögen durch Abtrennung des Teamnamens und der Rundenzahl anonymisiert; die Platzierung des Teams in der jeweiligen Runde bleibt jedoch sichtbar. Um dieses Lernziel sowie gleichzeitig einen größeren Informationsgewinn für die CJ zu erreichen, sollen die Teams in Zukunft außerdem stärker dazu angehalten werden, nicht nur die vorgegebenen Kästchen anzukreuzen, sondern ausformuliertes Feedback zu geben.

2. Bessere Auswertung des Turnierfeedbacks

Uns allen erschien es erstrebenswert, insbesondere auf größeren Turnieren die Auswertung des schriftlichen Feedbacks zu professionalisieren, um zu vermeiden, dass der Großteil davon aufgrund von fehlender Zeit unter dem Radar läuft. Dies könnte einerseits durch eine Person geschehen, die allein für diese Aufgabe abgestellt wird, und/oder durch ein Programm, das die eingegebenen Daten statistisch auswertet. An einem solchen Programm wird zurzeit gearbeitet; beim Tilbury House IV soll es einen ersten Versuch damit geben.

3. Aufstiegschancen neuer Juroren verbessern

Als einer der Gründe für die abnehmende Jurierbereitschaft schien uns, dass unerfahrene Juroren, die vorher keine bekannten Redner waren, oft wenig Chancen haben, auf sich aufmerksam zu machen, selbst wenn sie gut jurieren oder Potential dafür haben. Während bekannte Gesichter am Anfang oft höchstens beweisen müssen, dass sie keine schlechten Juroren sind, haben unbekannte Juroren wenig Chancen, aufzufallen, hauptzujurieren und über den Break zu kommen – und selbst wenn die Chefjuroren auf einem Turnier auf sie aufmerksam geworden sind, geht dieses Wissen wahrscheinlich nach dem Ende des Turniers verloren, was dazu führt, dass sie auf dem nächsten Turnier wieder bei Null ansetzen müssen. Wir glauben, dass dieses System neue Juroren demotiviert und dass durch eine Zusammenarbeit der CJ über die Saison hier größere Fairness hergestellt werden und das Potential neuer Juroren besser ausgeschöpft werden kann.

Nach verschiedenen diskutierten Lösungsansätzen sieht unser Vorschlag dazu folgendermaßen aus: Es wird ein Google-Doc erstellt werden, das von den Chefjuroren der Saison eingesehen und bearbeitet werden kann. In diesem kann über die Saison hinweg nach Turnieren von den Chefjuroren eingetragen werden, welche neuen bzw. unbekannten Juroren ihnen entweder persönlich oder durch Feedback positiv aufgefallen sind. Angegeben werden soll dafür, wie der Entwicklungsstand des Jurors eingeschätzt wird und welche Fähigkeiten an ihm positiv aufgefallen sind. Diese Liste würde dann über die Saison kontinuierlich ergänzt.

Es ist uns dabei wichtig, klarzustellen, dass diese Liste nicht zu einem eventuell negativen „Tracking“ unerfahrener Juroren über die Saison führen soll – eine Eintragung soll nur eine Chance darstellen, positiv aufzufallen. Wer also einen der bereits aufgeführten Juroren auf seinem Turnier ebenfalls positiv beurteilt, kann neben dessen Namen einen weiteren Vermerk dazu machen;  es sollen aber keine negativen Vermerke neben die Namen geschrieben werden. Diese Liste könnte – ohne den Anspruch auf Ausschließlichkeit zu erheben – es Chefjuroren leichter machen, ihnen unbekannte Juroren besser einzuschätzen, bzw. ihr Augenmerk auf Juroren zu richten, die von anderen bereits als talentiert eingeschätzt wurden. Sie führt möglicherweise dazu, dass nicht nur die üblichen Verdächtigen als Break- bzw. Hauptjuroren gesetzt werden; sie könnte eventuell auch eine Entscheidungsgrundlage für  lobende Erwähnungen am Ende der Saison oder die Vergabe eines Nachwuchsjurorenpreises dienen.

4. Mentorenprogramme

Eine weitere Empfehlung insbesondere für größere Turniere mit längerer Vorlaufzeit ist, den Pilotversuch der Deutschen Meisterschaft (DDM) 2009 wieder aufzunehmen und Mentorenprogramme anzubieten, die insbesondere unerfahrenen und nicht so gut vernetzten Juroren die Möglichkeit bieten, einen erfahrenen Juror als Ansprechpartner zugewiesen zu bekommen. An ihn können sie sich über das Turnier hinweg für Fragen und Austausch wenden – ohne dabei das Gefühl haben zu müssen, jemandem die Zeit zu stehlen. Mentoren und Mentees sollten, wenn möglich, über das Turnier hinweg mindestens einmal, besser zweimal zusammen jurieren. Die Organisation und Setzung sind dabei ein natürlich ein erhöhter Aufwand für die CJ, der sich deswegen für größere Turniere mit längerer Vorlaufzeit besonders anbietet. Auf der ZEIT DEBATTE in Frankfurt wurde bereits eine alternative Verfahrensweise erprobt, die sich besonders für kleinere Turniere eignen könnte: Ohne organisatorischen Vorlauf wird im Rahmen des Jurorenbriefings danach gefragt, welche Juroren wenig oder keine Erfahrung mit Turnierjurierung in dem jeweiligen Format haben, um ihnen daraufhin einen erfahrenen Juror zuzuweisen, an den sie sich wenden können.

5. Feedback zwischen Juroren institutionalisieren

Da das persönliche Feedback von Juroren an die Redner und Feedback an Juroren nach Jurorendiskussion sehr unregelmäßig und meistens nur in eine Richtung (von erfahren zu unerfahren) erfolgt, könnte es helfen, dies fest in den Turnierverlauf einzubetten. Eine obligatorische Feedbackrunde für die Juroren von etwa 5 Minuten würde erfolgen, während die Setzung noch vorbereitet werden muss, und würde so nicht zu einem Zeitverlust führen. Gleichzeitig könnte sie durch ihre Institutionalisierung eventuell auch unerfahrenen Juroren die Angst nehmen, ihre Meinung und Verbesserungsvorschläge gegenüber erfahrenen Juroren zu äußern, und könnte dem Feedback „in die andere Richtung“ den manchmal vorhandenen herablassenden Charakter nehmen.

Die oben genannten Vorschläge können natürlich nicht im luftleeren Raum stehen. Um über die Saison Vor- und Nachteile auszuwerten, sind wir auf das Feedback von Rednern und Juroren angewiesen und möchten euch ermutigen, dies nicht nur unter diesem Artikel, sondern über die gesamte Saison hinweg an uns zu richten, damit nach der DDM eine Auswertung erfolgen kann.

Andrea Gau/kem

Mittwochs-Feature

Das Mittwochs-Feature: jeden Mittwoch ab 9.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

Andrea Gau ist Siegerin zahlreicher Turniere, darunter die Mitteldeutsche Meisterschaft 2012, die Nordostdeutsche Meisterschaft 2007 sowie die ZEIT DEBATTEN Magdeburg 2012 und Aachen 2013. Sie war außerdem Chefjurorin zahlreicher Turniere, darunter die Deutsche Debattiermeisterschaft 2013 sowie die ZEIT DEBATTEN Marburg 2013 und Tübingen 2010. Sie war Vorstandsmitglied des Debattierclubs Johannes Gutenberg e.V. Mainz in der Amtszeit 2011/12 sowie der Berlin Debating Union 2007/08. Derzeit studiert sie Rechtswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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3 Kommentare zu “„Nach lebhafter Diskussion gemeinsam beschlossen“: Andrea Gau über die Pläne der Chefjuroren für die Saison 2013/14”

  1. Alex L. (DD) sagt:

    Super Sache! Gerade der dritte Punkt scheint mir eine gute Idee zu sein, um unbekannten Juroren mehr Erfolgserlebnisse zu geben.

  2. Lennart Lokstein sagt:

    Ich glaube, der 1. Punkt wird trotz Anonymisierung unweigerlich zu schlechterem Feedback auf den Bögen führen. Ich debattiere seit nicht einmal einem Jahr und kann mich bereits an zwei Jurierungen erinnern, bei denen Dinge so massiv schiefliefen, dass ich ziemlich genau das weitergeben habe (und zwar nicht unbedingt bei neuen Juroren). Würde ich wissen, dass dieses Feedback an die Juroren zurückkommt, dann würde ich dieses Feedback niemals geben, einfach um persönliche Animositäten zu vermeiden. Genau solche Dinge sind aber für Finaljurierungen entscheidend zu wissen.
    Bitte baut auf dem abtrennbaren Teil unbedingt noch einen nicht-weitergereichten Part für solche Fälle ein!

Kommentare sind geschlossen.

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