Welche Startplatzregelung für ZEIT DEBATTEN ist gerecht? – Ein Kommentar von Lennart Lokstein

Datum: 16. April 2014
Redakteur:
Kategorie: Mittwochs-Feature, VDCH, ZEIT DEBATTE

Vor mittlerweile einer Woche wurde die Teilnehmerliste für die diesjährige ZEIT DEBATTE Mainz neu ausgelost, weil im ersten Durchlauf eine Empfehlung des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH), die bei den übrigen Turnieren angewandt wurde, nicht berücksichtigt worden war. Laut der gängigen Regelung werden die Ausrichter von ZEIT DEBATTEN (ZD), Regionalmeisterschaften und der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft (DDM) bei der Verlosung von Zweitplätzen bevorzugt.
Zum Zeitpunkt der Verlosung hatten wir von der Streitkultur e.V., den Instruktionen der Ausrichter folgend, bereits ein zweites Team aufgestellt, da nach der ersten Auslosung Tübingen einen der ersten fünf Plätze auf der Warteliste erhalten hatte. Nach der erneuten Auslosung, der zufolge Tübingen nicht länger unter den ersten fünf rangierte, musste ich beim Clubabend diesem Team die neue Situation erklären. Dabei monierten verschiedene Alumni unseres Clubs, dass die Anwendung dieser Regel unsinnig sei. Nach mehreren Tagen Recherchearbeit teile ich diese Einstellung mittlerweile und glaube, dass das VDCH-Land sich dringend einer Diskussion stellen muss. Die entscheidende Frage lautet: Wollen wir Vorteile für Ausrichter und wenn ja, was ist gerecht?

Der Stand der Regeln

Um das zu erklären, möchte ich mit einem Auszug aus der aktuellen Empfehlung des VDCH-Vorstands an ZD-Ausrichter bezüglich der Teamplatzvergabe einsteigen. Sie findet sich im DebattierWiki des Verbandes unter ZEIT DEBATTEN: Teilnahmeregeln und Anmeldeverfahren:

„[…] 3. Nach dieser Woche [der Anmeldeeröffnung] bekommt zunächst jeder Club einen Startplatz zugewiesen, unabhängig davon, wie viele Teams er gemeldet hat. Sollte die Zahl der Clubs die Zahl der Startplätze des Turniers überschreiten, werden die Plätze ausgelost.

4. Danach sind alle zweiten gemeldeten Teams in einem Topf, aus ihm werden die restlichen Turnierplätze per Los bestimmt. Dabei sind die Ausrichter von ZEIT DEBATTEN, Regios und DDM der laufenden Saison mit Priorität zu behandeln, in dem sie zuerst gezogen werden. Das gleiche Verfahren wird danach für alle drittten, vierten, etc. Teams angewendet.“

Auf den ersten Blick scheint die Empfehlung völlig klare Anweisungen zu geben. Doch wie ist sie entstanden? Im Laufe der VDCH-Geschichte gab es nahezu jährlich Änderungen an den Teilnehmerbestimmungen. Die Verlosungsregelung, wie wir sie oben sehen können, stammt dabei aus einer Zeit, in der die Ausrichter an ihren eigenen Turnieren nicht teilnehmen konnten. In dieser Zeit galt es als große Ehre, ein Turnier überhaupt richten zu dürfen – die Erlaubnis, selbst antreten zu dürfen, wurde in den letzten Jahren eingeführt, für die DDM sogar erst auf der letzten VDCH-MV im August 2013.
Trotzdem wollte man die Ausrichter ursprünglich für das „Opfer“ entschädigen, an einem Turnier nicht teilnehmen zu können, indem sie auf den übrigen Turnieren im Zweifelsfall eher Zweit-, Dritt- oder sogar Viertteamplätze bekamen. Statistisch sollten sich damit die Teilnahmen pro Club zwischen Ausrichtern und Nicht-Ausrichtern in etwa ausgleichen.

ZEIT DEBATTE Wien 2010 Finale Tom-Michael Hesse (am Pult) (c) Jakob Reiter (creative commons)

Das  Finale der ZEIT DEBATTE Wien 2010 (c) Jakob Reiter

Heute jedoch haben sich zwei Dinge geändert:

1. Die Teilnahme am eigenen Turnier wird von manchen Ausrichtern explizit gewünscht, im Falle der DDM 2014 sogar zur Bedingung für das Ausrichten des Turniers gemacht.

2. Die Anzahl der Clubs im VDCH-Land ist beständig gestiegen. Als Folge davon erhalten Clubs nahezu niemals mehr dritte Teams für ZEIT DEBATTEN, und auch das zweite Team ist, wie man in Mainz sehen kann, schon die Ausnahme. Vor diesem Hintergrund ist also die bevorzugte Vergabe von Zweitteamplätzen wesentlich mehr wert, als zu Zeiten, in denen über die Hälfte der Clubs ein zweites Team erhalten konnte.

Ein ungerechtfertigter Vorteil für Turnierausrichter

Der erste Aspekt führt dazu, dass meines Erachtens die Sonderstellung für Ausrichter, auf der die Empfehlung des VDCH fußt, nicht mehr gegeben ist. Wer auf seinem eigenen Turnier antritt, muss nicht für einen Verzicht entschädigt werden. Der zweite Aspekt führt dazu, dass Ausrichter, selbst wenn sie an ihrem eigenen Turnier nicht teilnehmen, vermutlich mittlerweile über eine Saison hinweg mehr Teams auf die VDCH-Turniere schicken können als andere Clubs, was in einem deutlichen Widerspruch zu der Grundforderung des VDCH nach einer gleichmäßigen Platzvergabe steht.
Beides miteinander kombiniert, lässt mich die bisherige Saison im Bezug auf eine Platzvergabe im Sinne der Gleichberechtigung sehr kritisch sehen und folgende Schlüsse ziehen: Wenn wir uns weiterhin auf das oberste Prinzip der gleichmäßigen Vergabe berufen wollen, dann müssen wir den zweiten Aspekt genau überprüfen, da hier im Laufe der Zeit aus einem ehemals winzigen Ausgleich ein massiver Vorteil geworden ist. Außerdem müssen wir uns fragen, was wir den Ausrichtern für ihre Arbeit schulden und welche Anreize wir setzen wollen. Denn hier haben sich die Zeiten ebenfalls geändert – während manche Clubs noch alten Idealen folgen und es als Ehre ansehen, ein VDCH-Turnier ausrichten zu dürfen, sehen manche es daneben zusätzlich auch als Arbeit an und als ein Turnier, auf das sie selbst nicht verzichten wollen. Vor diesem Hintergrund muss es also nicht unbedingt falsch sein, dass Ausrichter neben der bloßen Ehre auch Vorteile erhalten, wenn sie die Arbeit übernehmen, die mit einem Turnier einhergeht.

Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden, kommt man zu einer unterschiedlichen Einstellung gegenüber der VDCH-Empfehlung. Ich persönlich denke, dass das Prinzip der gleichmäßigen Vergabe das einzige sein kann, das unserem Anspruch als wettbewerbsorientierten Akteuren gerecht werden kann. Nur wenn jeder Club gleiche Chancen hat, an Turnieren teilzunehmen, hat er gleiche Chancen, sie zu gewinnen. Aus diesem Grund lehne ich starke Vorteile für Ausrichter prinzipiell ab.

Eine Überarbeitung der Regeln ist nötig

Trotzdem denke ich, dass Ausrichter für ihre Mühen belohnt werden sollten – nicht nur mit der Ehre, sondern vielleicht auch mit einem kleinen Vorteil als Bonus, wenn sie das Turnier so gut wie möglich ausrichten und sich voll in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Eine Bevorzugung von Ausrichtern, die nicht an ihrem eigenen Turnier teilnehmen, sondern dabei alle Ressourcen in die Organisation stecken, scheint mir daher gerecht zu sein. Vielleicht ist hier der aktuelle Bonus mittlerweile zu stark geworden, gerechter wäre eine abgeschwächte Form im Sinne von „sie rücken nach der Verlosung jeweils X (zum Beispiel fünf) Plätze über Nicht-Ausrichter nach oben“. Was für solche Ausrichter ein gerechter Vorteil ist, werden die Clubs auf der diesjährigen Mitgliederversammlung (MV) des VDCH klären müssen. Die alte Legitimität der Besserstellung von Ausrichtern besteht hier nach wie vor, die Regelungen könnten aber überarbeitet werden.
Es gibt jedoch auch Ausrichter, die bislang an jedem Turnier teilgenommen haben und dies weiter vorhaben, das eigene Turnier eingeschlossen. Das wäre in der aktuellen Saison etwa die Berlin Debating Union e.V. (BDU). In diesem Fall ist die bevorzugte Platzvergabe nicht legitim, trotzdem wurden auf jeder bisherigen ZEIT DEBATTE der Saison die Vorteile auf die BDU angewandt. Da der VDCH bislang jedoch keinerlei Prinzipienänderung beschlossen hat, nach der Ausrichter massive Vorteile bekommen sollen, erscheint mir diese Vergabepraxis nicht gerechtfertigt. Ebenso scheint es mir ungerecht zu sein, dass beispielsweise der DC Münster e.V., der bei seinem eigenen Turnier nicht antritt, auf der aktuellen Nachrückliste für die ZD Mainz erst nach der BDU ein zweites Team bekommen würde.
Sollte das VDCH-Land zukünftig weiterhin Ausrichterprivilegien vor den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Vergabe stellen wollen, so müsste die MV das dieses Jahr legitimieren. Jeder Club sollte sich dazu eine Meinung bilden – ich hoffe auch, dass es bereits hier zu einer Diskussion kommt. Seitens Tübingens ist dazu bereits ein Antrag in Arbeit, um die Vorteile gerechter zu verteilen.

Mainz sollte nochmals neu losen

Was aber die laufende Saison angeht, so haben wir bislang eine ungerechte Bevorzugung erlebt. Ein Turnier steht noch aus – die ZEIT DEBATTE Mainz. Dort wurde bereits eine Verlosung wiederholt, um eine gerechte Vergabe im Sinne der Richtlinien zu erreichen. Kritisch betrachtet, wurde diese nicht erreicht, stattdessen die ursprünglichen Clubs um zugesicherte Teams gebracht. Mathematisch gesehen, hätte man auch die Ausrichter einfach nach oben ziehen können. Ich möchte daher – im Sinne einer gerechten Vergabepraxis – die Ausrichter in Mainz bitten, ein drittes Mal zu losen und dabei nur diejenigen Ausrichter zu bevorzugen, die tatsächlich nicht auf ihrem Turnier antreten. Die Saison wurde bislang verzerrt, aber wir können zumindest hier noch dafür sorgen, dass sie es nicht noch weiter wird!

Lennart Lokstein/kem/hug

Mittwochs-Feature

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Lennart Lokstein ist Vorsitzender des Tübinger Debattierclubs Streitkultur e.V. 2013 war er Sieger des Gutenberg-Cups und des Anfängerturniers in Mainz. Er wurde als Bester Finalredner des Streitkultur-Cups 2013 ausgezeichnet. An der Eberhard Karls-Universität Tübingen studiert er Allgemeine Rhetorik und Philosophie.

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17 Kommentare zu “Welche Startplatzregelung für ZEIT DEBATTEN ist gerecht? – Ein Kommentar von Lennart Lokstein”

  1. Jonas G. (Münster) sagt:

    „Ein drittes Mal zu losen und dabei nur diejenigen Ausrichter zu bevorzugen, die tatsächlich nicht auf ihrem Turnier antreten.“
    Dazu kann ich nur sagen: Was du hier forderst entspricht, wie du ja selber schon in deinem Text erkannt hast, nicht den von der VDCH-MV beschlossenen Regelungen.
    Ich kann nachvollziehen, dass es euch sehr getroffen hat, dass ihr bei Auslosung Nummer 2 so viel Pech hattet. Von den Mainzern jetzt aber im Gegenzug Regelbruch zu fordern, weil es „richtig“ ist ist aber definitiv nicht der richtige Weg damit umzugehen.

    Ansonsten halte ich es allerdings grundsätzlich für eine gute Idee den Ausrichter Bonus nur für Clubs gelten zu lassen, die auf ihrem eigenen Turnier nicht antreten, wir können das gerne im August in Würzburg diskutieren 🙂

  2. Sabrina Effenberger sagt:

    Ich denke, dass der Vorteil für Ausrichter auch ganz anders begründet werden kann – und dann richtig und absolut verständlich ist. Es mag sein, dass inzwischen Clubs eigene Teams auf ihren Turnieren starten lassen. Positiv oder negativ sei mal dahingestellt, der status quo sieht so aus.
    Aber was bedeutet es eigentlich wirklich, ein Turnier auszurichten? Der größte Nachteil besteht nicht darin, auf dem eigenen Turnier kein Team stellen zu können. Wie Lennart schon gesagt hat, ist es heute fast gang und gebe. Dafür müssen wir heute kaum noch jemanden entschädigen. Aber was die Clubs wirklich auf sich nehmen, ist etwas ganz anderes: Die Organisation eines großen und aufwendigen Turnieres.
    Da wollen Caterer bestellt werden, Hotelzimmer gebucht, Transfers organisiert und Juroren motiviert werden. Da muss man sich mit der Uni, mit Geldgebern und mit Sonderwünschen arrangieren und verwendet unglaublich viel Zeit und Kraft in etwas, das hinter nur UNS, den Debattierern nützt.
    Unser Hobby lebt davon, dass andere den Zeitverlust und den Aufwand auf sich nehmen, um uns ein schönes Wochenende zu gestalten.
    Wenn sie dafür mit einem Teamplatz mehr belohnt werden, ist das nur gerechtfertigt. Es soll schließlich auch ein Anreiz sein, ein eigenes Turnier zu organisieren und sich damit aktiv in die Debattierszene einzubringen. Ausrichter großer Turniere bekommen schon deutlich weniger zurück, als sie vielleicht investieren müssen. Da sollten sie wenigstens größere Chancen auf einen Teamplatz haben – und mal ehrlich: keiner von uns bricht sich einen Zacken aus der Krone, wenn er nur ein statt zwei Teams schicken darf. Zumindest das Erste bleibt ja weiterhin zugesichert.

  3. Leo V. sagt:

    Meiner Meinung nach ist der Aspekt des Anreizes deutlich relevanter als der des Ausgleichs „verlorener“ Turnierteilnahmen. Die Regelung wurde meines Wissens auch genau eingeführt, weil es Jahr für Jahr ziemlich schwierig ist, Ausrichter für unsere Turnierserie zu finden, die die von Sabrina beschriebenen Nachteile auf sich nehmen.

  4. Nicolas (MZ) sagt:

    Hallo zusammen,

    ich stimme dem Artikel im Ganzen zu und halte den Vorschlag für gut, Ausrichter, welche nicht an ihren eigenen Turnieren teilnehmen, zu privilegieren was die Startplatzvergabe auf anderen Turnieren anbelangt.

  5. Sascha (M to the Z) sagt:

    Ich stimme Nicolas zu, der dem Artikel zustimmt. Das Selbst-teilnehmen an besonders prestigereichen Turnieren wie den ZDn (inklusive der DDM) finde ich generell sowieso eher bedenklich, zugleich sind Sabrinas Punkte des zeitlichen wie nervlichen Monsteraufwands einer Turnierorga durchaus berechtigte Einwände. Man müsste (im Sinne Leos) schauen, ob das Angebot an Turnieren enorm geringer wird, wenn die Organisatoren nicht mehr bevorzugt werden, sollten sie beim eigenen Turnier antreten. Wenn dies der Fall ist, sollte man sich in meinen Augen nochmal intensiver mit der Frage beschäftigen, ob eine Teilnahme am eigenen Turnier generell als wünschenswert betrachtet werden sollte.

    So long

    Sascha

  6. Beim Arbeitsaufwandsargument stellt sich die Frage, ob eine Regionalmeisterschaft, die genauso bevorzugt behandelt wird, wirklich ein deutlich größerer Aufwand als ein FDL Turnier darstellt.
    Das öffentliche Finale seit diesem Jahr hat natürlich eine neue Schwierigkeit eingebracht, dennoch wird einem durch jede Menge Sponsorengeld und die Vergleichsweise kleine Teilnehmerzahl geholfen.
    Bei den Regios haben wir auch nicht das Problem des Ausrichtermangels, wie man an den verschiedenen Kampfabstimmungen sehen konnte.
    Lieber Gruß

  7. Allison Jones sagt:

    Auch ich stimme Lennarts Artikel vollständig zu – wir haben nur aus Gründen der Gerechtigkeit neu gelost, da Mainz in dieser Saison bereits von der Empfehlung profitiert hat und wir die anderen Ausrichter in diesem Sinne kaum benachteiligen konnten.

    Soweit ich mich zurück erinnere, haben wir uns bei der Entscheidung im Sommer, eine ZD auszurichten, nicht daran orientiert, ob wir auf den anderen Turnieren mit unseren Teams bevorzugt werden. Das war bei Beginn der Saison in Frankfurt einfach ein angenehmer Nebeneffekt. Vielmehr wollten wir in Mainz einfach mal wieder eine ZD ausrichten 😉

    Wie Sascha bereits schrieb, glaube ich daher, dass wir erst schauen sollten, ob wir keine Ausrichter mehr finden, wenn die Regel geändert wird. Sollte das nicht so sein, plädiere ich für die Chancengleichheit aller Clubs und ein offenes Losen der Nachrückerliste.

  8. Und am besten Losen wir nur noch in Anwesenheit eines Notars 😉 Mal ernsthaft: Ich finde es gut, dass es die Diskussion gibt, aber ich finde, dass dies auf der VDCH-MV beschlossen werden sollte und nicht einzelne Clubs (in diesem Fall wir) alleine entscheiden sollten, ob sie sich über den Wortlaut einer VDCH-Regel hin weg setzen sollten oder nicht, auch wenn die Prämissen dieser Regel womöglich heute nicht mehr gegeben sind. Denn das man das Ganze so und so sehen kann, wird an den bisherigen Kommentaren ja deutlich. Das sollten die Clubs daher gemeinsam entscheiden, aber eben vor allem für die Zukunft und nicht rückwirkend zu Lasten mancher Clubs, die sich eben Stand jetzt durch aus mit einigem Recht auf diese Regel berufen können.

  9. Lennart Lokstein sagt:

    Lieber Jonas,
    so leid es mir tut, aber ich fordere keinen Bruch mit von der MV beschlossenen Regelungen, sondern dass die Empfehlung (man beachte den Unterschied) gemäß ihrem ursprünglichen Sinn betrachtet wird. Von einem Regelbruch kann hier auf beiden Ebenenen also wohl kaum gesprochen werden. Wenn du meintest, dass die Praxis, die Vorteile jedem zu geben in dieser Saison umgangssprachlich „die Regel“ war, so war Ungerechtigkeit „die Regel“ und damit breche ich gerne. Ebenso fordere ich von Mainz keine Neuverlosung, weil bei uns Leute traurig sind, sondern aufgrund der oben angeführten Prinzipien – die 1. Neuverlosung von Mainz hat lediglich dafür gesorgt, dass das überhaupt auffiel.

    Was Leo und Sabrina ansprechen ist der ebenfalls genannte Punkt des Ausrichter-Anreizes. Genau hier müssen wir uns ja fragen: Wie viel ist fair? Ich glaube, ein leichter Vorteil wäre schon bei Verzicht auf Teilnahme am eigenen Turnier statistisch nach der Zweitvergabebevorzugung immer noch gegeben. Hier müssen wir das Ende der Saison abwarten, um signifikante Ergebnisse statistisch zeigen zu können aber ich bin mir recht sicher, dass uns das, gegeben wir gleichen Anmeldelisten und vergebene Plätze ab, gelingen dürfte.
    Was hier aber bislang verschwiegen wurde, sind das Prestige und die mediale Aufmerksamkeit, die einem Club zuteil werden, wenn er ein solches Turnier ausrichtet. Und wie Konrad bereits gezeigt hat kann der Aufwand je nach Turnier auch gering sein. Natürlich ist er teilweise auch sehr groß – aber genau so wird es dann auch die Anerkennung sein.

  10. Jonas Huggins sagt:

    Ich kann dem Kerngedanken des Artikels folgen: Eine Neuformulierung der Ausrichterprivilegien bei der Startplatzvergabe auf der MV ist sinnvoll. Wichtig ist jedoch, dass wir uns transparent an vereinbarte Regeln halten und sie im Zweifelsfall auf der MV ändern, sie jedoch nicht mit Verweis auf zweifelhafte Grundgedanken beginnen, anders zu interpretieren. Der Gleichbehandlungsgrundsatz klingt zwar ganz gut, in den Regeln steht er aber nicht drin.
    Wenn die Ausrichterprivilegien verändert werden, halte ich es auch für nachvollziehbar, Ausrichtern ihre Privilegien ganz zu streichen, wenn sie auf ihren eigenen Turnieren antreten. Ganz entschieden wehren möchte ich mich jedoch gegen den Vorwurf, bei eigenen Turnieren anzutreten bedeute, sich nicht „voll im Dienste der Gemeinschaft“ zu stellen und nicht für „die Ehre“ Turniere auszurichten. Es ist nun einmal Realität, dass manchen Clubs gut fünfmal so viel Humankapital zur Verfügung steht wie den meisten anderen Clubs. Da ist die Ausrichtung selbst der DDM bei gleichzeitiger Teilnahme ohne jede Einschränkung realisierbar.
    Und die Teilnahme am eigenen Turnier halte ich nicht nur für möglich, sondern auch voll und ganz gerechtfertigt. Man darf nämlich nicht vergessen, dass mitgliedsstarke Clubs eher weniger Teamplätze pro Mitglied erhalten. Bei der BDU sind mittlerweile vor ZEIT DEBATTEN Ausscheidungsdebatten die Regel geworden.
    Das sollte in der Fairnessdebatte berücksichtigt werden. Ich finde es falsch, Clubs dafür zu benachteiligen, dass sie an eigenen Turnieren teilnehmen, solange sie ihre Turniere gut ausrichten. Wenn allein das Ausrichten honoriert werden soll, muss das auch diesen großen Clubs zugute kommen.

  11. Christian L. sagt:

    Das Vorhaben von Lennart, dass man überlegen sollte einem Club, der auf einem von ihm ausgerichteten VDCH-Turnier selber antritt, das Privileg auf anderen VDCH-Turnieren bevorzugt zu werden, teile ich. So wäre ein Ausgleich zwischen Belohnung für wichtige Turniere und der aktuellen Entwicklung, dass es mehr aktive Clubs gibt, Folge geleistet.
    Der Einwand von Jonas auf Berliner Seite ist berechtigt, trifft in der Realität aber laut meiner Kenntnis nur auf die BDU zu.
    Jetzt zum Punkt über die Ehre und Prestige in der Debattierszene ein VDCH-Turnier auszurichten: Ich halte dies eher für ein schwaches und lebensfernes Argument. In vielen Clubs gibt es nur wenige Debattierer, die sich wirklich mit Leib und Seele diesem Sport verpflichtet haben, täglich auf die Achte Minute schauen und zu sovielen Turnieren wie möglich reisen. Daneben gibt es viele, die ab und an zu Turnieren fahren und das eher so nebenher machen und schließlich eine dritte Gruppe, die diesen Sport nur aus Spaß und als kleines Training begreifen. Jede dieser Positionen ist richtig und macht eine Clubgemeinschaft lebendig.
    Ein großes Turnier wie eine ZEIT DEBATTE, eine DDM oder eine Region (die auch schon früher ordentlich Arbeit gemacht hat wenn man sie richtig aufzieht) zu organisieren ist eine komplexe Aufgabe, braucht eine lange Vorbereitungszeit und sollte von mehreren Leuten organisiert werden. Im Turnier selber benötigt man ebenfalls mind. zehn Helfer, um einen gewissen Standart herzustellen. Demzufolge kann ein Turnier nicht nur durch die Handvoll von „harten Debattierern“ organisiert und durchgeführt werden. Gerade (jüngere) Clubs mit vielen unerfahrenen Mitgliedern haben hier Probleme, weil sie kaum praktische Erfahrungswerte aufweisen und noch kein Netzwerk aufgebaut haben.
    Wenn man nun mit den Mitgliedern darüber spricht ein VDCH-Turnier auszurichten, dann stößt der Verweis auf die Aussicht auf Ruhm und Ehre in der Debattierszene eher auf verhaltenes Echo. Denn viele Mitglieder haben noch andere Tätigkeiten neben dem Debattieren: sie studieren (dank der Bologna-Reform zählen ja leider ziemlich viele Leistungen während des Studiums), sind in anderen Vereinen organisiert, sind im StuRa, in Parteien oder haben noch ein anderes Privatleben. Die Durchführung eines Turniers kostet Zeit, Mühe und man muss viele Opfer bringen. Außerdem stellt sich die Frage was die Ehre einem normalen Mitglied eher nützt. Das Schulterklopfen eines VDCH-Präsidenten (vergib mir bitte, Florian) hilft einem normalen Clubmitglied auch nicht weiter.
    Deshalb braucht es konkrete Belohnungsmechanismen.

  12. Jonathan Scholbach sagt:

    Die Fairness-Frage ist hier, wie so oft, in Wirklichkeit eine Interessenfrage. Wer durch die Regel benachteiligt wird, findet sie unfair, sonst fair. Ich sehe es wie Leo und Alison: Wir sollten schauen, ob wir ohne das Privileg genug Ausrichter finden. Wir sind in der komfortablen Situation, das wir das sogar schon gemacht haben, und diesen Anreiz in Reaktion auf den Ausrichtermangel installiert haben. Das kann man unfair finden, aber wenn es sonst zu wenige Ausrichter gibt, dann muss man entweder andere Anreize vorschlagen, die man für gerechter hält – oder der status quo ist die gerechteste Lösung, in der noch Turniere zustande kommen.

    Jonas hat übrigens völlig recht, wenn er das in der Szene weit verbreitete Narrativ von „selbst antreten = schlechter Gastgeber“ mit sachlichen Argumengen beleuchtet.

  13. Kai aus Berlin sagt:

    Ich stimme Jonas uneingeschränkt zu. BDU Mitglieder sind den Startplatzzugang bei Zeitdebatten nach einer Logik der gleichen Chance sogar relativ stark benachteiligt. Daneben ich würde sogar so weit gehen zu sagen, selbst wenn wir genug Ausrichter fänden, könnte die Regel weiterhin sinnvoll sein, besonders da sie zu Kampfabstimmungen führt. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Wenn ein Club dafür sorgt, dass bis zu 80 Teams auf einem Turnier antreten können ist es vielleicht kein zu hoher Preis ihm 5 Teamplätze zurückzugeben.
    Mal abgesehen von der Tatsache, dass Berlin üblicherweise Turniere ohne Zeitförderung organisiert (Berlin IV, Punk), die von der Größe her mit Zeitdebatten und Regios vergleichbar sind und damit von der Bonusregel in den letzten Jahren eher benachteiligt wurde. Zudem richten wir dieses Jahr für den gleichen „Bonus“ zusammen mit der Streitkultur Berlin ein wenigstens doppelt so großes Turnier aus (und jeder der sich mit Turnierorga auskennt weiß, dass Probleme mit Teilnehmerzahl nicht linear anwachsen).

  14. Jörn (Bremen) sagt:

    Zeitweise gab es einmal die Regel, dass die Ausrichter eines Regios mit einem zweiten Startplatz bei der DDM dafür entschädigt wurden, dass sie selbst nicht auf einem Regio einen zusätzlichen Startplatz gewinnen konnten. Analog dazu schlage ich folgende Regel vor: Wer auf seiner eigenen ZD nicht antritt, erhält auf einer(!) anderen ZD einen zweiten Startplatz.

  15. Lennart Lokstein sagt:

    Was Kai anspricht ist ein interessanter Gedanke im Kern, nämlich, soweit ich sehe, dass Clubs nach Anzahl der (aktiven) Mitglieder Plätze bekommen sollten. Dieses Konzept halte ich nicht für praktikabel, aus folgenden Gründen:
    1. Bekommen damit kleinere Clubs weniger Startplätze. Gerade diese Startplätze benötigt man aber, um als Club überhaupt einmal größer werden zu können – wenn von den 10 Leuten in meinem Club nur manchmal 2 auf Turniere fahren dürfen, macht das Debattieren dort nicht unbedingt Sinn. Wenn aber diese Clubs nicht erfahrener werden, werden sie auch nie Turniere ausrichten, und gerade weil die Szene wächst, benötigen wir mehr Turniere, was erfreulicherweise z.B. Bayreuth diese Saison nun auch macht.

    Desweiteren glaube ich nicht, dass es auch nur irgendwie annäherend möglich ist, fair zu messen, wer nun wirklich wie viele aktive Leute hat. Wir waren bei unserem Debattenabend gestern drei Debatten parallel und insgesamt ca. 35 Anwesende. Ist das unsere Aktivenzahl? Von diesen Leuten kommen aber nur 25 relativ regelmäßig, der Rest gemeinsam mit einem in diesem Fall nicht anwesenden Rest abwechselnd mal vorbei. Heißt das wir haben 50 Aktive? In jedem Fall bleibt aber die Frage: Wer misst das? Behaupten, er habe viele, kann jeder. Für Turniervergaben ist dies also kein möglicher Indikator.

    Für den Fall Berlin lässt sich weiter sagen, dass es dort bereits zwei Debattierclubs gibt. Damit erhält die Stadt als solche bereits mehr Plätze als andere – was ich in Ordnung finde, solange die Clubs nicht verschmelzen. Denn im Zweifelsfall können auch beide Clubs, wie oben genannt, dann dazu beitragen, dass die Turnierszene um mehr Turniere bereichert wird.

    Kampfabstimmungen hatten wir bereits, als noch nicht klar war, dass man als Ausrichter auch diese Vorzüge bekommen sollte, auf der MV letzten Jahres. Es ist zwar nicht falsch, dass es diese vermutlich weiter geben wird, eine notwendige Bedingung ist das aber offensichtlich nicht.

    Beim Vorschlag, Turnierplätze nach der Größe eigens ausgerichteter Turniere zu vergeben, sehe ich ebenfalls einen Ansatz, der mich bedenklich stimmt. Auch in Tübingen richten wir Turniere aus, die größer sind als Regios – für Einsteiger und 30€ günstiger. Sollten wir dafür mehr Teamplätze bekommen? Ich denke nicht, obwohl die Betreuung gerade unerfahrener Debattanten vermutlich noch einmal anspruchsvoller ist, als die erfahrener. Nach dieser Vorstellung hätte jeder Ansprüche dafür, dass er irgendetwas macht. Ich finde das falsch – als gemeinnütziger Verein und ältester Debattierverein Deutschlands sieht sich zumindest Streitkultur e.V. seit jeher in einer Vorreiterrolle und wir halten es für richtig, ohne großartige Gegenleistung die Debattierkultur zu fördern und verbreiten. Das ganze als eine Art Markt zu sehen, in dem wer viel bietet auch viel bekommen sollte, widerstrebt diesem aufklärerischen Ideal. Vermutlich treffen hier einfach verschiedene Clubphilosophien aufeinander, aber zumindest wer ebenfalls diesem Ideal folgt, sollte kein Denken in „Was habe ich davon?“ an den Tag legen.

  16. Kai aus Berlin sagt:

    Lennart verstehe ich das richtig, dass du der BDU vorwirfst, sie würde die DDM ausrichten, damit sie mehr Teamplätze bei den Zeitdebatten bekommt und bezeichnest das als BDU-Clubphilosophie oder habe ich dich missverstanden?

  17. Lennart Lokstein sagt:

    Nein, da missverstehst du mich. Ich wollte nur herausstellen, dass ich es für richtiger halte, neuen Clubs genauso Teilnahmemöglichkeiten zu bieten wie allen anderen, unabhängig davon, was sie ausrichten.
    Ich glaube die Gedankenmodelle dahinter sind „Wer-viel-macht-der-bekommt-auch-viel“ gegenüber „Wer-viel-kann-der-macht-auch-viel“. Ich halte die letztere Position des Förderns für wesentlich edler und richtiger als die des Forderns. Das Fordern wäre hier das von dir vorgeschlagene Modell der Vergabe von Teamplätzen allgemein korrelierend mit dem Ausrichten von Turnieren.
    Selbstverständlich kann man auch die andere Position vertreten. Ich glaube aber, langfristig hat die Debattierszene auf jeden Fall mehr davon, wenn die Clubs weiter fördern, statt zu fordern. Nur wenn viele neue Clubs erfahrener werden bekommen wir langfristig mehr Turniere – denn ich glaube sowohl die BDU als auch die Streitkultur sind mit dem Turnierausrichten mittlerweile schon recht gut ausgelastet, wohingegen neue Clubs schlagartig weitere Turnierkapazitäten freilegen könnten.

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