Unter Freunden und freiem Himmel – Nicolas Garz über das Freundschaftsturnier in Hannover

Datum: 12. August 2015
Redakteur:
Kategorie: Mittwochs-Feature, Turniere

Es ist ein sonniger Start in die Debattiersaison, ein freundschaftlicher, ein fröhlicher. Am Ende sitzen wir in der Abendsonne, auf dem Campus der Hannoveraner Uni. Leicht riecht es schon nach Grillkohle und Bratwurst, aber erst muss die Frage geklärt werden, ob die Atombombe über Japan fallen soll.

Aber eines nach dem Anderen. Nach und nach finden sich zwölf Teams am Samstagmorgen, den 1. August, zum Freundschaftsturnier des Debattierclubs Hannover ein. Einige sehen noch müde aus und stürzen sich sogleich auf die Kaffeekannen, andere in die quatschende Menge von Rednern, und wiederum Andere lassen den Tag und das Turnier ganz langsam auf sich zukommen, in stiller Beobachtung und gespannter Erwartung.

Fiese Trolle und schnittige Schulden

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Freundschaftsturnier des Debattierclubs Hannover. (c) DC Hannover

Dann geht es in die erste Runde. Schon jetzt ein beinah zeitloser Klassiker, so bitter das klingt: „Sollten wir die europäische Austeritätspolitik abschaffen?“ Gleich mal so ein Wirtschaftskracher zum Anfang, das macht munter! Die beiden Chefjuroren Nicolas Friebe und Leonardo Martínez González stellen über das gesamte Turnier hinweg interessante, ausgewogene und teilweise kontroverse Themen, bei denen man sein gesamtes Können und seine Leidenschaft unter Beweis stellen muss.

Denn nachdem rettende Schirme und schnittige Schulden abgefrühstückt wurden, geht es um unser Allerheiligstes, das Internet, und die Möglichkeit, sich dort anonym zu bewegen, egal ob man nun ein politischer Aktivist, ein gemeiner Troll oder nur ein Fan ungewöhnlicher Fußvorlieben ist. Die Regierung will weniger Mobbing und daher keine Anonymität, die Opposition weniger Kontrolle und daher anonym bleiben, und alle streiten eifrig darüber, was das eigentlich ist, dieses Internet, eine neue Spielwiese der Neugierigen, eine fünfte Gewalt oder ein Dark Room für menschliche Abgründe.

Was heißt denn hier Kultur?

Genauso spannend bleibt es, aber zugleich angenehm entspannt. Ein Freundschaftsturnier ist ja dafür da, dass man sich in einer lockeren Atmosphäre besser kennen lernt. Man sieht viele neue Gesichter, denn viele der Teilnehmer sind Anfänger, die erst seit wenigen Monaten debattieren. Und freilich ist da ein Thema wie „Braucht Deutschland eine Leitkultur?“ eine harte Nuss, bei denen viele „Hääähs“ in den Gesichtern kleben: Was ist denn das überhaupt, eine Leitkultur, und bedeutet die Wagner und Weißwurst oder doch nur Grundgesetz, und was machen wir dann mit denen, die sich nicht von unserer Kultur leiten lassen wollen?

Heiß geht es her in den Räumen und draußen ist es auch noch angenehm warm, also zieht es uns hinaus in die langsam untergehende Sonne. Der Finalbreak wird verkündet: Potsblitz Potsdam (Clara Hülskemper, Markus Kollberg, Mandy Schäfer) sowie mein Team, House of Garz (mit Sibylla Jenner und Julian Staudt), ziehen ins Finale ein, dazu die freien Redner Jan Schattner, Johannes Meiborg und Barbara Schunicht. Und nun schmeißt Jan Riemer, dem an dieser Stelle für die hervorragende Organisation des Turniers gedankt sein soll, den Grill an und der entspannte Teil des Turniers beginnt, zumindest für die Allermeisten.

Der letzte Takt

Aber eben nicht für alle. Denn nun geht es um die Bombe: „Es ist Juli 1945. Du bist Präsident der USA Harry S. Truman. Solltest du den Einsatz der Atombombe in Japan befehlen?“ Im ersten Moment denken wir nur, krass! Aber dann beginnt die Vorbereitung, und die Argumente purzeln nur so hervor, und schon steigt das Finale unter freiem Himmel: Da wird auf hanseatischer Regierungsseite die Sicherheit und die künftige Vormachtstellung der USA beschworen, die nur durch den Einsatz der Bombe als äußerstes Mittel gesichert sei. Und die Potsdamer Opposition kämpft leidenschaftlich dagegen an, für die moralische Kraft und Stärke einer Supermacht, die sich gegen den Abwurf entscheidet.

Es wird intensiv gefochten in dieser Debatte, aber niemals unfair, es wird hitzig und kontrovers, aber niemals polemisch, und am Ende kommt es zu einer sehr knappen Entscheidung der Jury für einen knappen Sieg meines Hamburger Teams. Aber damit ist das letzte Wort auf diesem Turnier selbstverständlich noch nicht gesprochen. Noch gibt es einen lauen Sommerabend, noch läuft der Grill auf Hochtouren und die Post-Final-Debatten, die nach dem letzten Takt der Schlussrede erst so richtig an Fahrt aufnehmen, sowieso.

Nicolas Garz/ama

Mittwochs-Feature

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de

Nicolas Garz lebt und debattiert in Hamburg. Er war Finalist der ZEIT DEBATTE Heidelberg 2014 und Halbfinalist der Deutschsprachigen Meisterschaft 2014 in Berlin.

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