Vom Slippery Slope bis zur Blackbox – Andrea Gau über Fehler bei der Themensetzung

Datum: 4. November 2015
Redakteur:
Kategorie: Jurier-Think Tank, Jurieren, Mittwochs-Feature

Bei dem vorliegenden Mittwochs-Feature handelt es sich um die verschriftlichte Version des ersten Teils von Andrea Gaus Vortrag zur Themensetzung auf dem 1. Jurier-Think-Tank. Die darauffolgenden Teile über die Setzung einer Gesamtheit von Themen als „Set“ auf einem Turnier sowie Anmerkungen zur Setzung kreativer Themen werden in den kommenden Tagen auf der Achten Minute und dem Blog zur Jurierqualität veröffentlicht.

Was sind gute Themen? Diese Frage lässt sich im luftleeren Raum wohl genauso wenig beantworten wie die Frage danach, wie eine gute Rede oder eine gute Jurierung aussieht. Natürlich kann man Kriterien aufstellen, an denen die Güte von Themen gemessen werden kann. Die ersten zwei ergeben sich dabei relativ simpel aus dem Sportcharakter des Debattierens: Zur Ermöglichung eines fairen Wettstreits müssen Themen für beide Seiten ausgeglichen sein sowie über ausreichende innere Tiefe verfügen. Wie diese relativ technischen Anforderungen sichergestellt werden, dafür gibt es von Fact Sheets bis zu einer eigenen Debatte der Chefjuroren unterschiedliche Vorschläge; sicher ist jedoch, dass beide Aspekte für jedes Thema bewusst überprüft werden müssen.

Die zwei anderen Kriterien sind nicht so sehr die Pflicht, als vielmehr die Kür der Themensetzung: Gute Themen sollten, wenn nicht neu, so zumindest nicht bereits jedem Debattierer bereits als Debattenthema vertraut sein, also einen gewissen Grad an Originalität aufweisen. Darüber hinaus sollten sie im Idealfall sowohl Anfängern einen Zugang als auch für Fortgeschrittene eine Herausforderung bieten, also allen Teilnehmern die Möglichkeit zu sportlicher Weiterentwicklung ermöglichen.

10517282_10152225957302584_7986358160374857774_o

Andrea Gau auf der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2014 in Berlin. (c) Henrik Maedler

Es ist also relativ leicht, positiv zu beschreiben, welche Voraussetzungen ein gutes Thema erfüllen sollte. Leider bleiben positive Definitionen – wie auch bei der Frage, was eine gute Rede oder eine gute Jurierung kennzeichnet – immer vage und helfen nur bedingt dabei, tatsächlich ein Thema zu entwickeln, da ein solches als Ausgangspunkt natürlich erst einmal eine Idee erfordert, ohne die das Wissen um Kriterien sinnlos ist. Jedoch hilft abseits positiver Beschreibungen oft eher das Bewusstsein möglicher Probleme, eine bereits bestehende Idee zu verbessern. Beim Reden lernen führt das Wissen, dass eine Rede ohne angekündigte Struktur den Zuhörer verwirren kann, zwar nicht unbedingt dazu, dass die ideale Struktur gefunden wird – es kann aber Fehler und somit eine Unübersichtlichkeit der Rede vermeiden.

Ich möchte darum an dieser Stelle auf einige Fehler in der Themenstellung eingehen, die ich in Fallgruppen eingeteilt habe, wobei ich mich auf die vier meiner Meinung nach bedeutsamsten beschränkt habe; die hier genannten Fehler sollen die Grundlage für die Ausarbeitung weiterer Probleme darstellen. Dabei möchte ich voranschicken, dass keines dieser Probleme ein tatsächliches Ausschlusskriterium ist; jede kann mit dem nötigen Fingerspitzengefühl oder abgestimmt auf das Turnierpublikum versucht werden. Man sollte sich dieser Fallstricke jedoch bewusst sein.

Ich habe mich entschlossen, zur Illustration der Fallgruppen ausschließlich tatsächlich auf Turnieren gestellte Themen zu verwenden. Sollten Chefjuroren hier ihren eigenen Themen begegnen, so ist dies nicht herabsetzend gemeint und wird bitte auch nicht so verstanden – auch meine eigenen Themen sind vertreten. In die meisten der unten genannten Probleme ist sicher auch aufgrund der fehlenden Wissensvermittlung praktisch jeder Chefjuror (CJ) schon einmal hineingestolpert.

  1. Das Thema sollte keinen offensichtlichen Slippery Slope enthalten.

DHW Boxen in der Öffentlichkeit verbieten. / DHW Motorrad fahren verbieten. / DHW XYZ als Religionsgemeinschaft zulassen.*

(* Der besseren Lesbarkeit halber wird vorliegend nur die BPS-Version der Themenformulierung verwendet. Die OPD-Version ist mitgemeint.)

Gemeinsamkeit der Themen: Innerhalb dieser Themen geht es um die Legalisierung bzw. Kriminalisierung einer bestimmten Beschäftigung /eines bestimmten Gegenstandes. Oft geht es um eine bestimmte Art selbstgefährdenden Verhaltens mit gesellschaftlichen Auswirkungen. Dieses lässt sich jedoch bezüglich der Eigenschaften, die ein Verbot oder eine Legalisierung begründen würden, nur sehr schwer oder mit sehr schwachen Begründungen von anderen Beschäftigungen/Sachen mit ähnlichen Eigenschaften qualitativ abgrenzen (Boxen zu anderen Kampfsportarten, Motorradfahren zu anderen Selbstgefährdungen innerhalb des Verkehrs). Die Abgrenzung erfolgt hauptsächlich über die Quantität („brutaler als Karate“) oder die Popularität („erfolgreicher als Karate“).

Problem: Ein gestelltes Thema gibt den (ersten) Regierungen den Arbeitsauftrag, zu erklären, warum genau der konkrete Vorschlag das Thema ist; sie sollen in ihrer Problembeschreibung Gründe benennen, warum genau diese bestimmte Sache im Thema benannt ist. U.a. daran, wie exakt genau dieser Auftrag von der Regierung erfüllt wird, zeigt sich deren Qualität. Es muss daher möglich sein, die Sache, die in der Motion benannt ist, mit überzeugenden Gründen qualitativ gegen andere Dinge mit ähnlichen Eigenschaften abzugrenzen, damit die Debatte möglichst „scharf gestellt“ auf das Thema geführt werden kann.

Meistens ist ein solches Thema kein Todesstoß für die Debatte; die Frage der Gegenseite „Warum verbieten/erlauben Sie XYZ nicht auch?“ lässt sich relativ leicht mit der (uninspirierten) Antwort kontern „Werden wir/ Das hier ist nur der erste Schritt.“ Dennoch ist die Möglichkeit der Redner eingeschränkt, genau auf das Thema einzugehen. Damit wird insbesondere guten Teams die Chance genommen, ihre Exzellenz dadurch zu beweisen, ganz genau auf das Thema zugeschnitten zu debattieren. Oft werfen darüber hinaus gerade unerfahrene Juroren den Regierungsteams vor, keine überzeugende Antwort auf die Frage gefunden zu haben, warum es ausgerechnet um den bezeichneten Gegenstand ging.

Lösungsvorschlag: Bei Themen, in denen es darum geht, etwas zu legalisieren oder zu kriminalisieren („erlauben bzw. verbieten“), sollte im Vornherein immer gefragt werden: Drängt sich die Frage „Warum dann nicht diese und diese Sache auch? Gibt es einen wirklich einleuchtenden Grund, warum es genau um diese Sache geht?“ auf? Ist dies nicht der Fall, sollte man sich überlegen, das Thema von Anfang an zu erweitern oder einen besser abgrenzbaren Gegenstand zu verwenden.

  1. „Leere“ Blackbox-Debatten

DHW Geo-Engineering erlauben. / DHW Fracking erlauben. / DHW das Klonen von Stammzellen erlauben.

Gemeinsamkeit der Themen: Jede dieser Debatten hat die Nutzung einer naturwissenschaftlichen Neuerung zum Gegenstand, bei der sich das Verhältnis von Nutzen und Schaden im Moment zumindest gefühlt noch nicht langfristig absehen lässt.

Problem: Jede dieser Debatten wird in unteren bis mittleren Räumen völlig gleich aussehen. Die eine Seite wird behaupten: „Wir retten mit diesem Vorschlag die Welt.“, die andere Seite: „Mit diesem Vorschlag geht die Welt unter.“ Grund dafür ist, dass sich das Wissen über naturwissenschaftliche Prozesse ohne Fachkenntnis noch wesentlich schlechter als z. Bsp. in Wirtschaftsdebatten rein logisch herleiten lässt. Nur eine absolute Minderzahl der Debattierer hat echtes Wissen über die realistischen Risiken und Nutzen, die sich durch eine bestimmte technische Neuerung ergeben. Die Debatte verlangt jedoch genau nach einer solchen Abwägung. Daher wird fast immer der größtmögliche Nutzen bzw. der größtmögliche Schaden konstruiert, da das Unwissen über mögliche Folgen der einzige Ansatzpunkt ist.

Debatten über naturwissenschaftliche Neuerungen haben durchaus ihre Berechtigung, nicht zuletzt, weil auch debattierende Naturwissenschaftler zu ihrem Recht kommen sollen. Schwierigkeiten stellen sich hier vor allem in Breakrunden, weil überwiegend das Team gewinnt, das über genug Fachkenntnis verfügt, um ohne große argumentative Leistung glaubhaft das Weltuntergangs- bzw. Weltrettungsszenario der Gegenseite zu entkräften.

Lösungsvorschlag: Eine sehr gute Lösung ist es, aus statt einer reinen Debatte um Schaden und Nutzen einer technischen Neuerung eine Debatte zu wählen, in der sich eine technische Neuerung auf Werteentscheidungen der Gesellschaft auswirkt, also gesellschaftliche Implikationen hat: die klassische Bioethik-Debatte. Wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass das gewählte Thema nicht nur Argumente über naturwissenschaftliche Zusammenhänge bzw. Nutzen und Risiken beinhaltet. Wirkt sich die neue Möglichkeit deutlich auf den gesellschaftlichen Wertekonsens aus (Beispiel: DHW PID erlauben.“), ergibt sich für alle Teilnehmer der Debatte eine genauere Vorstellung von Gefahren und Risiken, weil sie nicht nur rein naturwissenschaftlich, sondern auch gesellschaftlich begründet sind. Natürlich hat für sich genommen jede naturwissenschaftliche Neuerung eine gesellschaftliche Bedeutung, sei es auch nur der Umgang mit Fortschritt; je deutlicher diese spezielle Auswirkung jedoch ist, desto besser verläuft gewöhnlich die Debatte.

  1. Parallele Burden of proofs im Thema

„DHW die Immunität von Politikern und Diplomaten aufheben.“ / „DHG Frauen und Kinder sollten zuerst gerettet werden.“

Gemeinsamkeiten der Themen: Die im Thema beinhaltete Maßnahme bezieht sich explizit auf mehrere unterschiedliche Betroffenengruppen. Auf den ersten Blick wirkt es so, als könne man den Sinn der Maßnahme für beide Gruppen zusammen erklären. Bei genauerer Analyse zeigt sich jedoch, dass bezüglich der Maßnahme für beide Betroffenengruppen unterschiedliche Begründungsansätze erforderlich sind, weil für jede der beiden Gruppen in Bezug auf die Motion ein anderes Problem existiert.

Problem: In schlechten Räumen wird diese Debatte verworren ablaufen, weil beide Gruppen nicht klar getrennt werden und so kaum eine überzeugende Begründung für die Maßnahme gefunden werden kann. In guten Räumen laufen zwei Debatten parallel ab: eine für jede der Betroffenengruppen, was zu mangelnder Tiefe und Schwierigkeiten in der Interaktion und im Debattenfokus führt.

Lösungsvorschlag: Immer, wenn mehrere Betroffenengruppen ins Thema aufgenommen werden (in geringerem Maße kann sich das Problem auch stellen, wenn man eine Betroffenengruppe benennt, die in der Realität extrem heterogen ist), sollte genau geprüft werden, ob wirklich für beide Personengruppen dieselbe Begründung gewählt werden kann. Ist dies nicht der Fall, sollte das Thema auf die Gruppe beschränkt werden, die das anvisierte Problem besser verkörpert.

  1. Themenüberladung  

Dieses Haus glaubt, Angeklagte sollten bei ihrer Gerichtsverhandlung zwischen einer Jury und einem Richter wählen können. / Dieses Haus unterstützt die gezielte Tötung iranischer Nuklearwissenschaftler. / Sollen die christlichen Kirchen Gemeindemitglieder Beugestrafen unterwerfen, wenn diese gegen die Aufnahme von Flüchtlingen demonstrieren?

Gemeinsamkeiten der Themen: Die Themen verbinden allesamt zwei oder mehr sehr schwierige Clashes: ein sehr kontroverses Ziel, einen sehr kontroversen Akteur, eine sehr kontroverse Maßnahme oder ein sehr kontroverses Problem.

Problem: Viele vorgegebene kontroverse Clashes in der Themenstellung wirken sich überproportional auf die Regierung(en) aus. Grund dafür ist, dass die Regierung das Team ist, das den berühmten „Case“ konstruieren muss, während die Opposition auf diesen „nur“ reagieren muss. Die Regierung muss eine erste Rede und eine Teamline konstruieren, die alle Einzelheiten des gestellten Themas stimmig integriert und als aufeinander aufbauend darstellt.

Wenn man das Thema „überlädt“, also mit sehr vielen Einzelheiten spickt, oder im Thema ein extrem kontroverses Problem mit einer extrem kontroversen Lösung verbindet, so wird die Konstruktion des Cases, und damit die Aufgabe der Regierung, schwieriger; der erste Redner der Regierung muss sowohl erklären, warum das nicht intuitives Problem existiert, als auch, warum die unkonventionelle Lösung dieses Problem löst oder der merkwürdige Akteur der richtige ist, um die Maßnahme durchzuführen. Diese „Konstruktionsarbeit“ ist zeitraubend, verlangt bessere Abstimmung der Teammitglieder aufeinander und ist anfällig für Angriffe von der anderen Seite, da die argumentativen Schritte aufeinander aufbauen. Die Opposition dagegen kann sich aussuchen, was sie angreifen möchte – und durch eine geschickte Wahl ihrer Angriffspunkte unter Umständen einen Großteil der ersten Rede der Regierung aus der Debatte „schneiden“, indem sie zum Beispiel der zeitintensiven Problembeschreibung zustimmt. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Debatte zerfasert, weil ihr der Fokus fehlt.

Lösungsvorschlag: Diese Art von Themen kann eine interessante Herausforderung darstellen. Sie sollten jedoch primär für erfahrene Teams und außerhalb von Breakrunden gestellt werden oder so in einen Turnierverlauf integriert werden, dass bei zwei Themen dieser Art jedes Team einmal den Regierungs- und einmal den Oppositionsposten übernimmt.

  1. Fehler bei der Themenformulierung

Aus der Formulierung eines Themas muss sich nicht nur inhaltlich, sondern auch wörtlich deutlich ergeben, was die Debatte sein soll. Praktische Erfahrung zeigt, dass jeder Fehler in der Themenformulierung sich auf das Turnier auswirkt: Im besten Fall in Form von Nachfragen durch die Teams nach der Themenverkündung; im schlimmsten Fall durch Debatten, in denen Regierung und Opposition das Thema unterschiedlich verstanden haben. Das Potenzial für solche Fehler kann durch einige einfache Vorsichtsmaßnahmen minimiert werden.

1. Check jedes Fachbegriffs

Jeder Fachbegriff, mit dem die Chefjuroren nicht professionell vertraut sind, muss (und sei es durch googeln) darauf kontrolliert werden, ob er die richtige Bedeutung transportiert. Sinn dahinter ist nicht nur, eine gemeinsame Grundlage aller Teams für die Debatte zu schaffen, sondern auch, Debattierer der jeweiligen Fachrichtung nicht durch die unpräzise Verwendung von Fachbegriffen zu verwirren.

2. Semantische Ungenauigkeiten verbessern

Öfter als man vermutet, gibt es Satzkonstruktionen, in denen sich ein Wort auf zwei mögliche Satzglieder beziehen kann oder im Kontext mehrere Bedeutungen haben hat. Die Unklarheiten, die sich daraus ergeben, sind durch einen Check des Themas mit einem Unbeteiligten (eventuell dem Tabmaster des Vertrauens) gut zu beseitigen.

3. Aus dem Thema bzw. aus einem Factsheet sollte sich ergeben, was der Unterschied zum Status Quo sein soll.

Oft ergibt sich der Status Quo bereits logisch aus der vorgeschlagenen Änderung oder dem vorauszusetzenden Allgemeinwissen der Teilnehmer. Wenn sich jedoch realistische Zweifel daran ergeben oder der Status Quo eine Komplexität aufweist, die für die Debatte relevant ist, sollte man sichergehen, diesen durch einen Einschub ins Thema oder ein Factsheet noch einmal klarzustellen.

4. Aus der Formulierung muss die angedachte Debatte möglichst klar hervorgehen.

Dieser letzte Punkt fasst im Grunde die Herausforderung des Themensetzens in seiner Gänze zusammen: Sie besteht darin, den Blick von außen auf ein Thema zu behalten, das im Rahmen des Themensetzungsprozesses von jeder Seite begutachtet wurde: Muss dieses Wort in der Formulierung geändert werden? Ist dieser Fachbegriff zutreffend? Bietet das Problem genug inhaltliche Tiefe? Dieser Prozess führt dazu, dass es leicht ist, zu glauben, man kenne „sein“ Thema so in- und auswendig, dass für Missverständnisse und Überraschungen kein Platz mehr ist. Oft ist dieser Eindruck falsch – wenn nicht ganz bewusst der Blick darauf bewahrt wird, wie das Thema auf Debattierer wirken wird, die es vorher noch niemals gesehen haben.

Der letzte Blick auf ein Thema, bevor es den Teilnehmern vorgelegt wird, sollte daher von der Frage begleitet sein, ob das Thema eine sinnvolle Arbeitsanweisung für die Debatte darstellt. Wäre das Führen der vorgestellten Debatte eine Aufgabe, die der CJ an einen Teilnehmer delegiert, hätte dieser dann die Chance, ohne weitere Informationen zu verstehen, wie das Endergebnis aussehen soll? Hat er eventuell zu wenig oder verwirrend viele Informationen bekommen? Verlangt man von ihm, die Gedanken der CJ zu lesen, oder stellt man ihm eine angemessene Herausforderung? Hat man unnötig kompliziert ausgedrückt, was vereinfacht hätte beschrieben werden können? Auch hier bietet es sich an, im Zweifelsfall das Thema zur Sicherheit noch einmal einem Unbeteiligten oder einem Tabraumbewohner vorzulegen.

Andrea Gau/ama

Mittwochs-FeatureDas Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

Andrea Gau war Chefjurorin zahlreicher Turniere, darunter die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft 2013 und 2014 sowie die ZEIT DEBATTE Wien 2014, Marburg 2013 und Tübingen 2010. Sie ist mehrfache Turniersiegerin, etwa der ZEIT DEBATTEN Magdeburg 2012 und Aachen 2013. Sie war Vorstandsmitglied des Debattierclubs Johannes Gutenberg e.V. Mainz in der Amtszeit 2011/12 sowie der Berlin Debating Union 2007/08. Derzeit studiert sie Rechtswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

 

Print Friendly, PDF & Email
Schlagworte: , ,

13 Kommentare zu “Vom Slippery Slope bis zur Blackbox – Andrea Gau über Fehler bei der Themensetzung”

  1. Daniil sagt:

    Wer Andreas Vortrag gerne in Gänze sehen und hören möchte (Dauer: 28 Min), kann dies auf dem einschlägigen Kanal tun, wo sowohl der Vortrag selbst als auch die dazugehörige Diskussion zur Verfügung gestellt sind:

    https://www.youtube.com/watch?v=nO7RAXX27yI

  2. Jonathan Scholbach sagt:

    Der Artikel sollte Pflichtlektüre für alle Chefjuries werden.

    Die Typologie von Fehlern, die Du aufmachst, ist ein großer Gewinn, weil sie lehrbar macht, was man falsch machen kann. Die Typen, die Du in Deiner CJ-Erfahrung destilliert hast, sind sehr aussagekräftig und die relevanten. Vielen Dank für diese Arbeit!

    Ich möchte nur noch einen weiteren Typus erwähnen: Motions, die kein Problem lösen. Sie geben der (ersten) Regierung das Problem, dass sie eine wesentliche Beweislast nicht erfüllen kann – dass es notwendig ist, etwas zu ändern. (Erste) Regierungen müssen dann erst lange nach einem Problem suchen und erkennen, dass es keins gibt. Sie müssen dann den Job der Chefjury machen und explizit erklären, dass eine Symboldebatte geführt wird.
    Beispiele dafür sind in meinen Augen „Sollte Strafgefangenen das Wahlrecht entzogen werden?“ und „DHW nationale Herkunftsbezeichnungen auf Produkten (wie „Made in Bulgaria“, „Made in Spain“, etc.) durch „Made in the EU“ ersetzen.
    Bei „DHW Motorradfahren verbieten“ bin ich nicht sicher, ob das ein gutes Beispiel für „offensichtliche slippery slope“ ist. Wir haben das ja gerade in Göttingen debattiert, und man kann eine Abgrenzung über die unnötige (da durch Motorradfahren durch Autofahren substituierbar) Fremdgefährdung aufmachen. Aber das ist wirklich nur eine Kleinigkeit.

  3. Nadine Bernhardt sagt:

    Danke für diesen großartigen Artikel. Ich denke, wenn diese Kriterien regelmäßig überprüft werden, auf eine jedem Chefjuror entgegen kommende Art und Weise, kann sich Debattierdeutschland auf tolle Turniere freuen.

  4. Robert P aus P sagt:

    Danke für diesen tollen Artikel / Vortrag! Ich finde gerade die sehr konkreten Empfehlungen sehr hilfreich und musste nebenbei öfter lächel, weil man natürlich einige der Themen kennt.

    Bei einer Sache möchte ich widersprechen:.“[…] in Wirtschaftsdebatten rein logisch herleiten lässt.“ Rein logisch lässt sich, gerade in Wirtschaftsdebatten, realitätsferner Bullshit herleiten (gibt eine ganze Lehre an Universitäten, die das gerne macht ;-)). Das Problem sind hier nicht nur andere Teams, sondern auch Juroren, die keine Ahnung von Wirtschaft haben und dann eben gerade schön logisch Hergeleitetes glauben. Meiner Erfahrung nach laufen viele Wirtschaftsdebatten ähnlich ab: a) einer hat Ahnung von Wirtschaft, kann das zeigen und dann alles behaupten, was er möchte oder b) eine realitätsferne Prämisse wird gekauft und etwas Realitätsfernes als gewinnender Case geglaubt.

    Daher würde ich Wirtschaftsdebatten ohne Einschränkung zu den Blackbox-Debatten zählen und deren Probleme und Lösungsvorschläge ernst nehmen.

  5. Peter G. sagt:

    Schöner Artikel!
    Auch für Clubvorstände mehr als interessant, nicht nur Chefjujoren sollten das lesen!
    @Jonathan: Ganz privat verspreche ich dir, dass man Motorradfahren nicht durch Autofahren substituieren kann 😉 Davon aber mal völlig abgesehen: Den Juror will ich sehen, der einkauft, dass ein Motorrad eine höhere FREMDgefährdung aufweist, als ein Auto. Das Beispiel ist schon völlig korrekt…

  6. Daniil sagt:

    Mit der Veröffentlichung von Andreas Vortrag ist auch gleichzeitig der Schlusspunkt in der Nachbereitung des 1. Jurier-Think-Tanks gesetzt. Es finden sich nun alle (verschriftlichten) Beiträge in gekürzter Form auf der Achten Minute. Außerdem sind alle Beiträge (in voller Länge) sowie die Powerpoint Präsentationen und Videos auf einen Blick auf dem Blog für Jurierqualität (http://jurierqualitaet.blogspot.de) abgespeichert.

    Ich möchte mich an dieser Stelle – ganz sicher auch im Namen von Patrick – noch einmal ganz herzlich bei allen Bedanken, die zu diesem Projekt beigetragen haben. Ohne alle einzeln erwähnen zu können geht ein großer Dank an die finanziellen (und ideellen!) Unterstützer von der DDG und den VDCH-Vorstand sowie an den DCBG Marburg und seine wunderbare Präsidentin Sabrina für die (herausragende!) Durchführung vor Ort. Danke auch an die Achte Minute Redaktion für die enge Kooperation bei der Veröffentlichung sowie an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die die Veranstaltung bereichert haben. Vor allem aber natürlich vielen Dank an das historische Panel sowie an alle Referentinnen und Referenten, die sich beworben haben und ihre Ideen in Vorträgen und Artikeln verarbeitet haben. Wenn das kein AM-Kommentar wäre, sondern ein Turnier, gäbe es sicher Standing Ovations für euch!

  7. Lennart Lokstein sagt:

    Bin ich der einzige, der den Seitenhieb auf die ZD Göttingen bemerkt hat? :’D

  8. Jonathan Scholbach sagt:

    Bist Du der einzige, der kein Interesse an der Frage hat, wie zukünftige Themen besser werden, und der vergangene Fehler lieber dazu nutzt, um auf alten Kamellen rumzukauen?

  9. Nicolas F. (Göttingen) sagt:

    Ich sehe weder Seitenhiebe und noch viel weniger Fehler ! 🙂

  10. Andrea G. (Mainz) sagt:

    Das vermutlich angesprochene Beispiel habe ich, wie aus der Videoaufnahme vom Think Tank im Juni zu sehen, bereits Monate vor der ZD Göttingen zur Illustration verwendet. Mit ein bisschen Goodwill könnte man also auf die Idee kommen, dass es sich hier nicht um einen Seitenhieb handelt, sondern einfach um eine Niederschrift des Vortrags.

  11. Witthaut sagt:

    Huhu! Ich schließe mich allen positiven Kommentaren an und danke sehr für diesen Artikel!!!

    Dennoch würde ich gerne eine Sache im Detail diskutieren – wobei ich dem Artikel nicht widerspreche, sondern nur Gedanken hinzufügen möchte -, denn ich glaube mit den anzusprechenden Punkten gibt es ein generelles Problem. Es geht um die Blackbox-Debatten:

    1.) „Jede dieser Debatten wird in unteren bis mittleren Räumen völlig gleich aussehen. Die eine Seite wird behaupten: „Wir retten mit diesem Vorschlag die Welt.“, die andere Seite: „Mit diesem Vorschlag geht die Welt unter.“ Grund dafür ist, dass sich das Wissen über naturwissenschaftliche Prozesse ohne Fachkenntnis noch wesentlich schlechter als z. Bsp. in Wirtschaftsdebatten rein logisch herleiten lässt. Nur eine absolute Minderzahl der Debattierer hat echtes Wissen über die realistischen Risiken und Nutzen, die sich durch eine bestimmte technische Neuerung ergeben. Die Debatte verlangt jedoch genau nach einer solchen Abwägung. Daher wird fast immer der größtmögliche Nutzen bzw. der größtmögliche Schaden konstruiert, da das Unwissen über mögliche Folgen der einzige Ansatzpunkt ist.“

    Ich glaube, dass der Ansatz „Debattierer wissen über ein Gebiet zu wenig“ als Handlungsmaxime der falsche ist. Dazu muss ich größer ausholen:

    Die Mehrzahl der Debattierer sind Geistes- oder Sozialwissenschaftler. Daher hat sich ein Debattierhabitus entwickelt, als Vorbereitung die Zeitungsrubriken „Politik“, „Gesellschaft“ und vll auch „Wirtschaft“ zu lesen. Jedoch werden in allen überregionalen Zeitungen auch Rubriken wie „Forschung“ oder „Technik“ gesetzt. Die Möglichkeit sich vollumfänglich über verschiedene Mechaniken zu informieren ist gegeben. Außerdem halte ich die Hürde

    Naturwissenschaftliche Themen sind allein daher eine Rarität, weil der relative Anteil naturwissenschaftlicher Debattierer sehr gering ist und folglich auch der relative Anteil naturwissenschaftlich sozialisierter Chefjuroren sehr gering ist. Themen entstammen – nicht nur, aber – zumeist aus der Wahrnehmung der Welt der ernannten Chefjuroren. Es ist schlicht unwahrscheinlicher, dass ein Historiker intensiv über Fracking nachdenkt, als über Parallelen zwischen dem Eisernen Vorhang und der heutigen Ost-Politik. Das darf aber keine Begründung dafür sein, dass spezielle Themengebiete eher ausgeklammert werden. Zudem ist auch in anderen Bereichen oftmals Fachwissen gefragt, um alle Dimensionen eines Themas erörtern zu können (ein kleines Augenzwinkern an dieser Stelle an alle Juristen 🙂 ).

    Debattieren strebt eigentlich dem Humboldtsches Bildungsideal nach. Es geht um die umfängliche Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. Dazu gehören aber nun mal auch naturwissenschaftlichen Phänomene und Techniken. Deswegen ist auch die Begründung „Debatten über naturwissenschaftliche Neuerungen haben durchaus ihre Berechtigung, nicht zuletzt, weil auch debattierende Naturwissenschaftler zu ihrem Recht kommen sollen.“ richtig aber eigentlich nicht weitgehend genug. Vielmehr müsste hier stehen: „Debatten über naturwissenschaftliche Neuerungen haben durchaus ihre Berechtigung, sie sind ein essentieller Baustein des Verständnis von Debattieren.“

    2.) „Wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass das gewählte Thema nicht nur Argumente über naturwissenschaftliche Zusammenhänge bzw. Nutzen und Risiken beinhaltet. Wirkt sich die neue Möglichkeit deutlich auf den gesellschaftlichen Wertekonsens aus (Beispiel: DHW PID erlauben.“), ergibt sich für alle Teilnehmer der Debatte eine genauere Vorstellung von Gefahren und Risiken, weil sie nicht nur rein naturwissenschaftlich, sondern auch gesellschaftlich begründet sind.

    Der Vorschlag von Andrea ist richtig. Wie wird er jedoch erreicht? Mir ist nicht aus der Begründung schlüssig, warum „DHW PID erlauben“ automatisch eine andere Dimension von gesellschaftlicher Relevanz erfasst als „DHW würde das Klonen von Stammzellen erlauben“. Aber selbst bei den kritischeren Beispielen, wie „Fracking“ und „Geo-Engineering“ ist die weitergehende gesellschaftliche Frage zwar keine bioethische aber eine a) Umweltpolitische Frage und b) vertikale gesellschaftlich-übergreifende Frage. Aus der Argumentation erschleicht sich bei mir der Eindruck, man könne gar nicht auf diese Fragen kommen, jedoch habe ich immer in Debatten um die konkrete Themen erlebt, dass die Ebene der gesellschaftlichen Auswirkungen immer getroffen wurde.

    3.) „je deutlicher diese spezielle Auswirkung jedoch ist, desto besser verläuft gewöhnlich die Debatte.“

    Ich glaube, dass dieses Zitat der Lösungsvorschlag ist. Eine Möglichkeit also mit technischen Themen umzugehen, wäre eine Maßnahme eine konkrete Zielsetzung anzubinden. Vergleichsweise gut hat das der Masters Cup dieses Jahr gemacht, der die Frage des Climate-Engineerings wie folgt formuliert hat: DHG, die Antwort auf Klimawandel ist Climate-Engineering. Eine andere Möglichkeit war die ZEIT DEBATTE Aachen, die damals PID mit der Zielsetzung verknüpft hat, tauben Eltern die Möglichkeit zu geben, taube Kinder zu gebären. Ich glaube der konkrete Einsatz der technischen Maßnahme in der Motion führt zu klareren Debatten, in der das technische Know-How weiter in den Hintergrund gerät.

    Zusammenfassend:

    – Nur weil es wenige naturwissenschaftliche Debattierer gibt, heißt das nicht, dass ihr den Forschungsbereich der Zeitung auslassen könnt!
    – Weitere Dimensionen von naturwissenschaftlichen Themen sind nicht nur bioethische Fragen sondern gehen weit darüber hinaus!
    – Setzt Zielformulierungen in die Motions, um klarere Debatten zu schaffen!

    LG mit der Hoffnung auf eine kleine Nebenschauplatzdiskussionen,
    Willy

  12. Leonardo M (HH) sagt:

    Danke Willy, dass du meine Gedanken aussprichst (besser als ich es selbst könnte).

    Als Wirtschaftsmathematiker mit Amateurinteresse für Naturwissenschaften spüre ich eine gewisse Ironie, wenn „Wirtschaftsthemen“ eher unbeliebt in der Szene sind, es aber in Ordnung ist, Themen zu stellen, in denen es z.B. um Gerichte, Richter oder andere Elemente der Rechtswissenschaften geht. Auch bei solchen Themen laufen 80% der Debatten schief, weil keiner den Unterschied zwischen Strafrecht und Zivilrecht kennt, oder weil sich die Debattanten unter dem Begriff „Rechtspositivismus“ nur einen Haufen heiterer, optimistischer Anwälte vorstellen können. Der kollektive Facepalm von Mmes Schunicht, Gau und der anderen Juristinnen ähnelt meinen eigenen, wenn ich in einer schlechten Zinspolitik-Debatte sitze.

    Natürlich plädiere ich nicht für eine Abschaffung von Rechtsthemen, weil sogar ich mittlerwile eine oder zwei Sachen von den Debatten mitgenommen habe. Themen können eine bildende Funktion haben und die Debattanten dazu zwingen, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die sie andernfalls ignorieren würden. Ja, viele Zeitungen haben Wirtschaftsressorts, aber einige Debattierer würden beim Lesen solcher Texte sogar in einem startenden Flugzeug mit weinenden Kindern einschlafen. Noch schlimmer ist es mit den Naturwissenschaften: Eilmeldung, nicht alle Menschen auf der Erde haben Hawkings „A Brief History of Time“ gelesen.
    Deswegen ist dieses Feingefühl gefragt, Themen so zu stellen, dass sie nicht nur mit Fachwissen gewinnbar sind. Da schließe ich mich Willy und Andrea an.

    Beste Grüße aus dem Norden,
    Leonardo

  13. Robert P aus P sagt:

    Lieber Leonardo,

    zumindest mich missverstehst du. Ich finde es sehr einseitig jetzt nur auf das Wissen der Debattanten einzugehen, gerade bei Wirtschaftsdebatten. Wer keine Ahnung hat wird dann verlieren. Es ist doch aber illusorisch zu denken, viele Debattierer haben von dem Thema keine Ahnung, die Juroren aber schon. Ich gehe jetzt mal ganz pauschal davon aus, das das Allgemeinwissen der Juroren nicht signifikant höher ist, als das der Redner (also zumindest meine Allgemeinbildung steigt dann nicht jedes mal sprunghaft an).

    Und hier wird der schaden jedoch sofort ungleich höher. Dann verlieren unter Umständen Teams, die einfach richtig lagen (und das hab ich oben beschrieben).

    Daher reicht mir hier nicht als Begründung zu sagen, dann müssen die Redner eben den Wirtschaftsteil lesen. Ich stimme dir zu, wer ein blinden Fleck hat verliert dort eben. Solange aber Juroren nicht alles wissen und es eventuell Bereiche gibt, wo das Wissen von sehr vielen sehr gering ist, dann finde ich schon, wir sollten darüber nachdenken, ob (oder wie) wir solche Themen stellen wollen. Daher stimme ich Andrea zu bei Ihrer Analyse und würde das eben nur auch auf Wirtschaftsthemen ausweiten.

Kommentare sind geschlossen.

Folge der Achten Minute





RSS Feed Artikel, RSS Feed Kommentare
Hilfe zur Mobilversion

Credits

Powered by WordPress.

Unsere Sponsoren

Hauptsponsor
Medienpartner