Motion Debriefings: was sie sollen und können

Datum: 22. November 2017
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature

Motion Debriefings – ein Trend aus dem internationalen Debattieren – wurden unlängst auch auf dem Schwarzwaldcup in Freiburg eingeführt. Über die Hintergründe informieren die Chefjuroren nun im Mittwochs-Feature.

Auf einigen internationalen Turnieren werden neuerdings sogenannte Motion Debriefings (Themennachbesprechungen) veranstaltet: Nach jeder Runde skizzieren die ChefjurorInnen kurz mögliche Argumentationslinien für das soeben debattierte Thema. Danach haben TeilnehmerInnen die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Wir haben kürzlich auf dem Schwarzwaldcup — wohl erstmalig im deutschsprachigen Debattieren — solche Nachbesprechungen durchgeführt und wollen mit diesem Artikel einerseits das Konzept vorstellen, andererseits um Feedback dazu bitten.

Themennachbesprechungen haben zwei wesentliche Vorteile:

  1. Die RednerInnen werden eventuell auf Argumentationslinien gestoßen, an die sie nicht gedacht hatten. Das hebt die Qualität künftiger Debatten zu ähnlichen Themen.
  2. Falls die RednerInnen den Eindruck hatten, das Thema habe eine klare Schlagseite, wird dieser durch die Nachbesprechung im Optimalfall zerstreut. Im weniger optimalen Fall fördert eine Frage ein starkes Argument zutage, an das die ChefjurorInnen nicht gedacht hatten — dann haben immerhin die Teams die Genugtuung, nicht alleine an ihrer Niederlage Schuld zu sein.
Die Chefjury des Schwarzwaldcups 2017: Marius Hobbhahn, Samuel Scheuer, Jannis Limperg (v.l.n.r.) - © Debattierclub Freiburg

Die Chefjury des Schwarzwaldcups 2017: Marius Hobbhahn, Samuel Scheuer, Jannis Limperg (v.l.n.r.) – © Debattierclub Freiburg

Natürlich sollten die Nachbesprechungen nicht mit zu hohen Erwartungen überladen werden. Insbesondere sind sie keine Darstellung einer optimalen Debatte, denn diese kann in verschiedenen Räumen aufgrund verschiedener Anträge oder Framings sehr unterschiedlich ausfallen. Außerdem gilt wie bei Casefiles, dass die Nachbesprechungen nicht verwendet werden sollten, um JurorInnen Inkompetenz zu unterstellen — wenn ein Argument in der Nachbesprechung vorkam, aber in der Debatte für wenig relevant gehalten wurde, hat es das entsprechende Team wahrscheinlich wenig relevant dargestellt.

Selbstverständlich plädieren wir mit diesem Artikel nicht für eine (auch nur informelle) Verpflichtung zu Themennachbesprechungen. Wir hoffen aber, dass das eine oder andere CA-Team sie in Erwägung ziehen wird.

Zuletzt würden wir gerne von den TeilnehmerInnen des Schwarzwaldcups (oder anderer Turniere) hören, wie sie die Nachbesprechungen empfanden: Inwieweit waren sie hilfreich, redundant oder haben ungebührlich vom Waffelessen abgelenkt?

Marius Hobbhahn, Jannis Limperg & Samuel Scheuer/lok.

 

Mittwochs-Feature

Marius Hobbhahn ist Vorsitzender der Streitkultur e.V. in Tübingen. Als Redner breakte er auf einigen Turnieren, beispielsweise dem Munich Open 2016, dem Tilbury House IV 2016 und dem Belgrade Open 2017. Als Juror saß er beispielsweise im Finale der ZEIT DEBATTE Wien 2017 und breakte auf zahlreichen anderen Turnieren. Marius war Chefjuror des Hohenheimer Einsteigerturniers 2017, des HeidelBÄMs 2017 und des Schwarzwaldcups 2017. Im Studium an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen befindet er sich gerade im fünften Semester des B.Sc. in Kognitionswissenschaften und im vierten Semester des B.Sc. in Informatik als Parallelstudium.

Jannis Limperg war Chefjuror dreier Turniere, jurierte die Ausscheidungsrunden diverser ZEIT DEBATTEN, gewann die ZEIT DEBATTE Paderborn 2017 und dienste als Tabmaster unter anderem dreier Deutschsprachiger Debattiermeisterschaften. Während seines Informatikstudiums an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg war er Schatzmeister des Debattierclubs Freiburg, seit 2017 studiert er Informatik in Göteborg.

Samuel Scheuer ist ehemaliges Mitglied des Debattierclubs Bayreuth und inzwischen bei der Streitkultur e.V. in Tübingen aktiv. Als Redner breakte er zum Beispiel beim Paris Open 2016 und dem Belgrade Open 2017. Für den Schwarzwaldcup 2017 war er erstmalig Chefjuror. Samuel studiert Politikwissenschaft und Philosophie im B.A. an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

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7 Kommentare zu “Motion Debriefings: was sie sollen und können”

  1. Lennart Lokstein sagt:

    Ich empfand die Motion-Debriefings negativ:
    1. Wurden sie hastig und unter Zeitdruck durchgeführt. Zeitmangel ergibt sich leider bei den meisten Turnieren.
    2. Kosten sie Zeit – in jedem Fall. Diese würde ich lieber in Jurierzeit oder eine weitere Runde investiert wissen.
    3. Wurde dafür der Ankündigungsraum beschlagnahmt, und der Rest hatte diesen dann zu verlassen, oder ruhig zu sein. Draußen rumstehen oder schweigend sitzen sind beides nicht die coolsten aller Parallelangebote.
    4. Stellt sich hier die gleiche Problematik wie bei veröffentlichten Casefiles, nur verschärft: Debattanten fühlen sich aufgrund schlecht vermittelter Leistungen ihrerseits von den Juroren unfair juriert. Egal wie oft man es sagt oder hinschreibt, die meisten Leute sind eben doch der Meinung „aber das haben wir doch gesagt!“ Mir ist das recht egal, aber ich glaube weniger erfahrene Juroren kann sowas schon das Turnier massiv entspaßen.

    Ich finde, das hier wäre, kombiniert mit veröffentlichten Casefiles, für den Coaching-Cup eine super Sache, aber nicht regulär.

    1. Anton L. (Münster) sagt:

      Stimme dem vollkommen zu, ich glaube allerdings, dass Motion-Debriefings grundsätzlich sehr stark gegen diesen vierten Punkt vorgehen können / könnten – Das Gefühl, dass sie das getan hätten, habe ich allerdings bzgl. Freiburg nicht ganz. Problem ist hier glaube ich weniger das Konzept als mehr der erwähnte Zeitdruck.

      Falls man genug Zeit und Vorbereitung in die Debriefings investiert und man es schafft, in den Debriefings nicht nur zu skizzieren, welche Cases am stärksten/relevantesten sind etc., sondern tatsächlich auch darstellt, welche Mechanismen notwendig sind / von welchem Framing die abhängen / welche Gewichtung die genau brauchen, dann hilft das Debriefing, weil eben klar(er) wird, dass sowohl das Urteil der Juroren als auch objektive Kriterien weniger in die Richtung von binärem „hab ich/hab ich nicht gemacht“ sondern mehr in Richtung von „hab ich so halb gemacht“ gehen.

      Das ist, finde ich, eine Abgrenzung, für die sich der Rahmen eines Debriefings sogar besser eignen kann als der einer Jurierung, und die viel von der daraus resultierenden Frustration verhindern kann. Vielleicht kann man nächstes Mal gucken, dass man die Debriefings irgendwann einbaut, wo sie weniger unter Zeitdruck stehen und mehr Inhalt reinpassen würde?

    2. Jannis Limperg sagt:

      Lennart, ich danke für das Feedback und bedaure sehr, dass die Besprechungen das Turnier für dich weniger angenehm gemacht haben.

      Zum Zeitbedarf: Wir haben jeweils einen aus dem CA-Team für das Debriefing abgestellt, während die beiden anderen an der Setzung saßen, und die Erstellung der Setzung dauerte stets länger als das Debriefing. Deswegen haben wir keine Zeit verloren (außer man nimmt an, dass wir die Setzung zu viert schneller hinbekommen hätten, aber ich vermute, dass sogar das Gegenteil gilt).

      Als jemand, der Socialising schon lange für den primären Zweck von Debattierturnieren hält, sympathisiere ich aber sehr mit der Klage über die Okkupation des Versammlungsraums. 😉

    3. Christian (MZ) sagt:

      Ich war zwar nicht vor Ort, finde die Idee aber spannend!

      Bei der Umsetzung kann man ja auch noch üben und das ganze z.B. auch in einen anderen Raum (etwa einen Debattensaal) verlegen. Da kommen sicher nicht alle mit, das sollte platzmäßig gehen und wer lieber socialt oder isst, muss ja nicht mitkommen. In Sachen Zeitfaktor stimme ich Jannis zu, die Setzung kann man auch zu dritt (zwei CJ plus Tabmaster) ohne Zeitverlust oder eher sogar Zeitgewinn machen.

      Zum Punkt Akzeptanz von Jurierentscheidungen:
      Dieses Arguemnt ist bei den Casefiles in der bisherigen Diskussion immer total realitätsfern. Hier wird ja immer so getan, als würden die Leute nach Lesen der Casefiles die Juroren ansprechen und dann runter machen. Das halte ich für extrem unwahrscheinlich, denn die Case Files würden ja erst im nachhinein veröffentlich und dass man beim nächsten Turnier, Wochen oder Monate später dann nochmal zu diesem einen Juror hingeht und sich beschwert, glaube ich kaum. Man hat zwar evtl. inneren Groll (schlimm genug), aber das ist etwas völlig anderes.
      Beim Debriefing gibt es aus meiner Sicht eher die Wahrscheinlichkeit, dass man sich nochmal beim Juroren beschwert oder sonst wem auf dem Turnier. Da ist die Runde einem ja auch noch zeitlich und emotional (kenne ich auch von mir) näher. Aber: wenn man dann direkt mit dem CJ und/oder direkt mit dem betroffenen Juroren noch einmal konkret über die Debatte redet (Juroren sollten ohnehin das ganze Turnier für Feedback zur Verfügung stehen und ihre Aufzeichnungen so lange behalten), dann lassen sich Missverständnisse evtl. sogar eher ausräumen oder Debattenergebnisse noch einmal besser erklären, was im Feedback nun mal nicht immer klappt. Ich denke also, dass das Debriefing nicht nur das Debattenverständnis fördern kann, sondern auch Konflikte versachlichen und durch konkrete Ansprache vor Ort (statt wochenlangem Groll über Wochen) evtl. sogar ausräumen kann.

      Das muss natürlich nicht so sein, erst recht, wenn es sich wirklich um eine Fehljurierung handelte (was extrem subjektiv ist, aber sicherlich auch mal vorkommt). Aber ich finde die Idee nach wie vor sehr spannend! Sind dabei eigentlich auch Rückfragen und Diskussionen erwünscht oder läuft das mehr auf einen Kurzvortrag des betroffenen CJ hinaus?

    4. Jannis Limperg sagt:

      Christian: Ja, Rückfragen waren zumindest bei uns explizit erwünscht (auch wenn das manche CAs im Eifer des Gefechts vergessen mögen *hüstel*). Allerdings sind der Diskussion natürlich enge zeitliche Grenzen gesetzt.

    5. Christian (MZ) sagt:

      Klar, da kann man natürlich nicht ewig diskutieren. Aber finde ich gut! Man kann da auf jeden Fall mal Sachen ansprechen und dann hat man es für später, wenn mal eine ruhige Minute ist oder auf der Party, schon mal im Kopf und kann nochmal drüber sprechen. Wie gesagt, ich sehe hier vor allem Deeskalationspotenzial.

      Wie gesagt, wenn man das in einem separaten Raum macht, ist das glaube ich wirklich eine sehr gute Sache! Wer dann nicht hin kommt, soll auch nicht meckern. Und wem es wichtig ist, der kann dort mal Dinge ansprechen bzw. sich allgemeine Erklärungen zum Thema etc. geben lassen.

  2. Lara T. (BDU) sagt:

    Ich empfand die Briefings positiv.

    Ich persönlich habe mir nicht alle Briefings angehört, habe aber auch keinerlei Zwang dazu verspürt. Dass dafür der Ankündigungsraum benutzt wurde, hindert glaube ich die allerwenigsten daran, sich frei dafür oder dagegen zu entscheiden. Auch zeitlich hat es glaube ich keinen Ausschlag gegeben, eine weitere Runde ließe sich daraus definitiv nicht schlagen.

    Ich stimme jedoch definitiv Punkt 2 zu, dass durch die Briefings eine zusätzliche Möglichkeit der Evaluation der Motion sowie der eigenen Leistung entsteht. Teams, die so etwas zum Anlass nehmen, sich schlecht gegenüber Juror*innen zu benehmen, würden das vermutlich auch ohne Briefings tun und sollten unabhängig davon ihren Umgang mit Juror*innen (und Menschen allgemein) überdenken. Zusätzlich ist es glaube ich gerade für Anfänger*innen wertvoll, nochmal einen Überblick über mögliche Argumentationslinien zu erhalten.

Kommentare sind geschlossen.

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