Mein erstes Turnier – Wie ich meine Hybris verlor

Datum: 30. November 2018
Redakteur:
Kategorie: Mein erstes Turnier, Menschen, Turniere

Die erste Fahrt auf ein Turnier kann für neue Debattiererinnen und Debattierer vieles sein: Türöffner in die überregionale Szene, der Beginn neuer Freundschaften oder auch das Erwachen des Wettkampfgeistes. Häufig steht davor aber auch eine (mentale) Hürde, die es zu überwinden gilt. In unserer neuen Reihe “Mein erstes Turnier” erinnern sich Debattierende an ihre Anfänge. Sabrina Effenberger kehrt an diesem Wochenende als Chefjurorin zu ihrem ersten Turnier zurück.

Wenige Monate nach dem Nikolausturnier: Sabrina und ihre Clubkollegen Julius und Peter (v.l.n.r.) auf der DDM 2014 - © DDM Berlin 2014 // Julia Suessmann

Wenige Monate nach dem Nikolausturnier: Sabrina und ihre Clubkollegen Julius und Peter (v.l.n.r.) auf der DDM 2014 – © DDM Berlin 2014 // Julia Suessmann

Das ist eigentlich die Geschichte darüber, wie ich endlich meine Hybris verlor. Als Raphael Marbach 2013 die Rederei vorstellte, war ich der festen Überzeugung, dass ich genau dahin gehören würde. Mein Vater verstärkte das mit den Worten: „Vielleicht diskutierst du dann mit mir nicht mehr so viel“ und ist damit in gewisser Weise an allem schuld. Ich war ein paar Mal bei den Clubabenden und hielt mich für ziemlich gut. Aus sicherer Quelle weiß ich heute, dass ich über nicht mehr als das mäßige Talent einer Gerade-18-Jährigen ohne jegliche Ahnung von der Welt verfügte. Trotzdem oder gerade deswegen war es ein Leichtes, mich mit auf ein Turnier zu nehmen, das Nikolausturnier 2013 in Münster. Peter G. mauserte sich zu meinem kurzfristigen Mentor. Eine scheinbar so einschneidende Erfahrung, dass er sich heute an nichts mehr erinnert. Außerdem nahmen wir noch Tim mit, meinen Teampartner. Er war genauso unerfahren wie ich, aber wir waren sicher, dass wir gemeinsam schon nicht untergehen würden.

Von der Zugfahrt weiß ich nur noch, dass ich mit einem riesigen Koffer voll unnützem Zeug losfuhr. Mehrere Paar Schuhe, ein Fön, zwei Handtücher und drei verschiedene Outfits pro Tag (man weiß ja nie, wie kalt es in Münster ist!) schleppte ich völlig unnötigerweise mit mir durch die Gegend. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich diesen Fehler nicht bei meinem ersten Turnier erkannte. Auch nicht beim Zweiten. Es brauchte viele gelaufene Kilometer, geradezu unüberwindbare Treppen und mehrere vergessene Zusatztaschen, bevor ich einsah, dass weder ein zweites Paar Winterstiefel, noch das fünfte T-Shirt diesen Aufwand wert waren. So schleppte ich mich also durch die Straßen in Münster, während ich mir (gerechtfertigte) Witze von Peter anhören musste. Wir übernachteten zusammen bei einer Bekannten von ihm, wo Tim war, weiß ich gar nicht mehr. Wir bekamen eine ausziehbare Couch in der WG-Küche – ein Luxus, den ich mir auf kommenden Turnieren sehr schnell wieder abzugewöhnen hatte. Samstagmorgen, viel zu früh, klingelte der Wecker. Ich hatte natürlich keine Zeit, meinen extra mitgebrachten Fön zu verwenden und gewöhnte mich direkt an den allsamstäglichen Stress. In meinem Kopf fühlt sich der Weg von unserer Unterbringung bis zum Turnier noch immer an wie ein halber Marathon. Wahrscheinlich entwickelte ich an diesem Tag meine Verhaltensart, jeden, aber auch wirklich jeden, langen Fußweg zwischen Turnierorten lautstark zu beschimpfen.

Mittagessen auf dem Nikolausturnier 2013 - © Manuel J. Adams

Mittagessen auf dem Nikolausturnier 2013 – © Manuel J. Adams

Am Turnier angekommen erwartete Tim und mich direkt die erste Überraschung: die obligatorische weiße Fliege. Während ich mich zierte und Angst hatte, dass sie meine Autorität untergraben könnte, trug Tim sie kompromisslos um den Hals. Zum Poloshirt. Er war eindeutig der selbstbewusstere Debattierer von uns. Aber die persönlich hohe Meinung meiner Fähigkeiten ließ nicht zu, sie durch eine weiße Fliege zur Diskussion zu stellen. Und ich konnte mich bestätigt fühlen: in einer Debatte rund um Straftäter und körperliche Züchtigung gewannen Tim und ich tatsächlich. Während er sich einen Spaß mit Peter erlauben und ihm einen vierten Platz vorgaukeln wollte, war ich überhaupt nicht mehr zu bremsen und erzählte natürlich sofort von unserem Triumph. Tim nahm mir das etwas übel, ich mir inzwischen auch. Aber ich wurde postwendend dafür bestraft. Ich bin mir nicht mehr sicher, welchen Platz wir in der nächsten Debatte gemacht haben, aber dass ich sie so konsequent aus meinem Gedächtnis gestrichen habe, spricht eigentlich dafür, dass sie nicht sehr gut gelaufen ist. Ein erster Stich gegen mein irrationales Selbstbild.

Ab dann beginnt meine Erinnerung etwas zu verschwimmen, was mit mit Sicherheit am Glühwein lag, den die Münsteraner schon damals fleißig ausschenkten und den mir Peter schon damals ebenso fleißig nachschenkte. In der letzten Runde trafen wir dann auf Lukas und Niklas Haffert. Eine klassische Weihnachtsdebatte fand statt, in der es darum ging, ob die böse Liste des Weihnachtsmanns vernichtet werden sollte. Bis heute gehören sie zu meinen absoluten Lieblingsdebatten: Witzige Themen, Weihnachtsstimmung, ein leichter Glühweinkopf und kein Druck mehr. Es war damals schon offensichtlich, dass man mit nur einem Sieg niemals die härtesten Vorrunden des Jahres überstehen würde. Aber spätestens da wurde mir klar, dass ich eben doch nur eine kleine Anfängerin war, die noch viel zu lernen hatte.

Finaljury Nikolausturnier Münster 2013 - © Manuel J. Adams

Sabrina (2.Reihe r.) und die anderen TurnierteilnehmerInnen verfolgen das Finale – © Manuel J. Adams

Nach dem Finale verbrachten wir den Abend in allen möglichen Münsteraner Clubs und Bars, bevor wir wieder zurück auf unsere viel zu weit entfernte Couch huschten. An dieser Stelle endet leider die Geschichte von Tim und mir als Teampartner. Nach dem Turnier ward er nie wiedergesehen. Meine erste Turniererfahrung war natürlich geprägt von Dämpfern des eigenen Egos. Aber das war nur gut so. Und die erste Verwunderung wurde mehr als wettgemacht durch die Betreuung von Seiten der Rederei, aber auch durch all die anderen wunderbaren Menschen auf dem Nikolausturnier. Ab meinem ersten Turnier habe ich gelernt, dass Turniere mir viel mehr Spaß machen, wenn ich nicht mit überzogenem Ehrgeiz oder Anspruch antrete. Viel wichtiger ist für mich, dass ich dort liebe Menschen treffe, ein wunderbares Wochenende habe und den Stress der Woche einfach vergessen kann. Und wenn man meinen späteren Teampartner Julius fragt, dann bin ich inzwischen auch zu einem besseren Menschen geworden.

 

Sabrina Effenberger/jm.

Sabrina Effenberger debattiert seit 2013 bei der Rederei Heidelberg und war dort 2 Jahre lang im Vorstand. 2017, viereinhalb Jahre nach ihrem ersten Turnier, gewann sie die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft und erhielt den Ehrenjury-Preis für die beste Finalrede. Zusätzlich gewann sie die ZEIT DEBATTE Hamburg 2017 sowie die Campus-Debatte Tübingen 2018, bei der sie ebenfalls als beste Finalrednerin ausgezeichnet wurde. Im November beendete sie ihr Studium in Germanistik, Politik und Wirtschaft in Heidelberg. Aktuell organisiert sie mit der Rederei die DDM 2019.

 

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3 Kommentare zu “Mein erstes Turnier – Wie ich meine Hybris verlor”

  1. Rene G. (Rederei) sagt:

    Sabrina ist natürlich außerdem auch Nachwuchspreisträgerin, Westdeutsche Meisterin und Chefjurorin zahlreicher Turniere , so viel Genauigkeit muss schon sein.

  2. Lukas B. (Bonn) sagt:

    Liebe Sabrina,

    vielen Dank für deine Erinnerungen an das großartige Nikolausturnier 2013, das auch mein erstes gewesen ist und nachhaltige Freude am (Turnier)Debattieren geweckt hat!

  3. Andreas (Österreich) sagt:

    Cooler Bericht. Den kann man man den Neulingen im Klub zu lesen geben, wenn das Semester beginnt.
    Danke, Sabrina!

Kommentare sind geschlossen.

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