Chronik einer DDM-Ausrichtung

Datum: 12. Juni 2019
Redakteur:
Kategorie: Campus-Debatten, Mittwochs-Feature

Im heutigen Mittwochs-Feature blickt mit Sabrina Effenberger eine der Cheforganisatorinnen der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2019 in Heidelberg zurück auf das vergangene Jahr.

Das hier soll kein Werbeblock sein, der euch dazu bringt, die DDM im kommenden Jahr auszurichten. Ich glaube, es ist ein bisschen Selbsttherapie. Aber vor allem sollt ihr ein realistisches Bild davon bekommen, was ihr in „eurem“ DDM-Jahr erleben werdet. Ein Disclaimer vorweg: Das sind meine persönlichen Eindrücke. Ich habe dazu keine Umfrage gemacht, keine Studie erhoben oder andere Meinungen eingeholt.

Kurz nach der MV

Ihr seid motiviert, topfit und bereit – immerhin habt ihr euch aus irgendeinem Grund für die DDM beworben. Nutzt diese Motivation unbedingt, denn nicht nur die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Ein kleines Beispiel: wir haben die Halbfinalräume im November angefragt. Die Zusage kam, trotz ständigen Nachfragens – mein Handy fügt bis heute nach jedem „Frau“ automatisch besagten Nachnamen ein – erst Anfang Mai. In dieser Zeit solltet ihr unbedingt Räume und Schlafplätze klären, außerdem die ersten EhrenjurorInnen anfragen und vielleicht schon ein paar Sponsoren an Land ziehen. Das klingt viel, aber ihr seid ja vorbereitet und außerdem engagiert.

Noch sechs Monate bis zur DDM

Motivierte Mitglieder der „Helferei“ auf der DDM 2019 – © Die Rederei e.V.

Jetzt beginnen die ersten Streitereien in eurem Orgateam. Es kann gar nicht anders sein. Entweder seid ihr sehr demokratisch organisiert und eckt mit unterschiedlichen Meinungen an oder einer hat das Gefühl, er mache alles allein. Oder ihr seid einfach gestresst und genervt, weil ihr abwechselnd zu wenig Geld oder das Gefühl habt, zu wenig organisiert zu haben.

Noch einen Monat bis zur DDM

Spätestens jetzt geht ihr allen Menschen in eurer Umgebung mit der DDM auf die Nerven. Ihr redet ständig davon, doch niemand scheint euch zu verstehen oder nachvollziehen zu können, worüber ihr nachdenkt. Tatsächlich konnte ich niemanden in meinem Umfeld für die Diskussion: „Tischhussen – unnötiger Aufwand oder wichtige Deko?“ begeistern.

Außerdem werden jetzt noch einige Sponsoringgelder eintrudeln. Vor allem Sachsponsoring und Stiftungen kommen jetzt in die Gänge. Warum die erst so kurzfristig eintrudeln, ist mir ein Rätsel, aber wir scheinen da nicht die erste DDM gewesen zu sein.

Noch eine Woche bis zur DDM

Ab jetzt beginnt langsam der Schlafentzug. Hoffentlich habt ihr eure Hausarbeiten, Referate und so weiter schon hinter euch, denn in dieser Woche werdet ihr dafür keine Zeit haben. Ich wohne von der DDM relativ weit weg, deswegen blieb die Arbeit vor allem an den Menschen vor Ort hängen. Sie haben Sachen gekauft, sind Transporter gefahren, haben Bierbänke und -tische aufgebaut, Räume gestellt, …

Während der DDM

Es geht los. Und es endet nicht. Am ersten DDM-Tag haben wir uns um 9 Uhr getroffen. Ab 15 Uhr trudelten die ersten TeilnehmerInnen ein. Bis dahin hatten wir schon sechs Stunden lang weiter aufgebaut, Kaffee gekocht und haben letzte Besorgungen erledigt.

Die DDM setzte Bärenkräfte bei allen Beteiligten frei – © Team Pretty Pictures

Während der DDM werdet ihr keine Zeit haben, euch mit TeilnehmerInnen zu unterhalten, ihr werdet kaum sitzen und nur sporadisch Kekse in euch reinstopfen. Aber ihr werdet merken, was für großartige Menschen euch umgeben. Die Rederei war schon nach dem ersten Tag so eingespielt, dass Zweidrittel der Cheforga am nächsten Morgen entspannt ausschlafen konnten. Oder sagen wir: gekonnt hätten. Bis der Adrenalinspiegel auf ein Maß gesunken ist, das es euch erlauben würde, einzuschlafen, klingelt der Wecker fast schon wieder.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich sonntags meine persönliche Grenze erreicht habe. Mit ein paar wunderbaren Menschen haben wir bis kurz nach drei Uhr den Gala-Abend abgebaut, bevor es um halb 9 am nächsten Tag für mich weiterging. Nach dem Finale noch aufzuräumen und letzte LKW-Touren zu fahren, hat mich dann einfach überfordert. Was man auf einer DDM auch lernt: manchmal muss man anderen bei der Arbeit zuschauen.

Und danach?

Ihr werdet schlafen wollen. Viel schlafen. Und auf keinen Fall arbeiten. Das lässt sich nicht immer vermeiden, aber wenn ihr die Chance dazu habt, dann nehmt euch danach zwei Tage Urlaub. Ihr seid hinterher immer noch nicht entspannt, aber wieder lebensfähig. Ich habe fast eine Woche gebraucht, bis ich wieder ruhiger geworden bin und aufgehört habe, bei jedem herrenlosen Becher einen Vermerk in meinem Kopf zu machen, dass der nachher auf den Becherparkplatz gehört. Und bis ich damit klarkam, dass ich keinen Kaffee mehr in der Warteschleife haben muss. René G. hat das auf Twitter eigentlich sehr passend ausgedrückt, deswegen will ich hier einfach seine Worte nehmen: „Vorbei! Die Schule geräumt, die Tür knallt zu, eine seltsame Leere stellt sich ein. Ist das Müdigkeit? Abfallende Anspannung? Ich weiß es nicht. Es war auf jeden Fall eine sehr intensive Erfahrung und ich bin dankbar, dabei großartige Menschen an meiner Seite gehabt zu haben.“

Und das Fazit?

Sabrina Effenberger auf der DDM – © Die Rederei e.V.

Die häufigste Frage ist wahrscheinlich: wie viel Zeit habt ihr denn jetzt wirklich in die DDM gesteckt? Die ehrliche Antwort lautet: Ich will es gar nicht wissen. Es war phasenweise wirklich viel, wirklich stressig und wirklich anstrengend. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ich nebenbei in Vollzeit arbeite, ein Staatsexamen abgelegt habe, meine Boulderskills verbessert und in den letzten vier Wochen vor der DDM die ersten drei Game of Thrones-Bücher gelesen habe. Ein bisschen organisiert muss man schon sein, aber am Ende sind es die persönlichen Stressgrenzen.

Wenn mich jemand nach meinem Fazit fragen würde, könnte ich keine eindeutige Antwort geben. Ihr werdet nicht schlafen können – aus Angst vor der Pleite und freudiger Aufregung. Ihr werdet die Leute in eurem Organisationsteam verfluchen und ihr werdet sie lieben. Ihr werdet an eure Grenzen kommen und ihr werdet merken, dass ihr sie überschreiten könnt. Ihr werdet euch sicher sein, dass ihr das nicht stemmen könnt und es doch über die Bühne bringen. Am Ende werdet ihr froh sein, dass es vorbei ist und trotzdem wehmütig die letzte übriggebliebene Finalbroschüre an die Pinnwand hängen. Ich würde kein zweites Mal eine DDM ausrichten, aber ich bereue es kein bisschen.

Sabrina Effenberger/jm.

Sabrina Effenberger debattiert seit 2013 bei der Rederei Heidelberg und war dort 2 Jahre lang im Vorstand. 2017 gewann sie die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft und erhielt den Ehrenjury-Preis für die beste Finalrede. Zusätzlich gewann sie die ZEIT DEBATTE Hamburg 2017 sowie die Campus-Debatte Tübingen 2018, bei der sie ebenfalls als beste Finalrednerin ausgezeichnet wurde. Im November beendete sie ihr Studium in Germanistik, Politik und Wirtschaft in Heidelberg. Zuletzt war sie Teil der Cheforganisation für die DDM 2019 in Heidelberg.

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

 

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3 Kommentare zu “Chronik einer DDM-Ausrichtung”

  1. Sarah (Coburg) sagt:

    Liebe Sabrina, danke für deine offenen Worte und deinen sehr persönlichen Bericht – aber vor allem DANKE für dein Engagement!
    Was mich noch interessiert, ist das Thema informelles Lernen. Ein Debattierturnier auszurichten, ist zwar keine Fortbildungsveranstaltung, aber man lernt doch so einiges. Was hast du aus deiner Sicht dazugelernt?
    Kommentare aus der Szene sind ebenfalls herzlich willkommen!

    1. Sabrina (Rederei Heidelberg) sagt:

      Liebe Sarah, interessante Frage, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich habe zum Beispiel mehr darüber gelernt, was für ein „Organisationstyp“ ich bin. Ich bin zum Beispiel ziemlich diszipliniert und organisiert darin, die ersten 90% einer Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Aber diese perfektionistischen letzten 10% sind mir im Vergleich zu anderen eher egal – da bin ich relativ gelassen und habe kein Problem damit, wenn mal etwas nicht ganz rund läuft. Ansonsten habe ich auf jeden Fall sehr viel im Bereich Kommunikation gelernt. Man redet mit wahnsinnig vielen unterschiedlichen Personen und Organisationen, die man jeweils individuell ansprechen muss oder zwischen denen Konflikte gelöst werden müssen. Gerade am Anfang ist da sicher auch noch einiges schiefgegangen. Ansonsten bin ich allgemein schon sehr strukturiert in meinem Leben, aber für mich war es neu, eine Veranstaltung so weit im Voraus zu planen.

  2. Daniil sagt:

    Ich bin vorhin zur Christuskirche in Mainz spazieren gegangen. Ich habe einen Hang zur Nostalgie und Jubiläen sind mir (manchmal) wichtig. Und heute vor genau zehn Jahren fand dort das Finale unserer und damit auch „meiner“ DDM statt. Das Gefühl, das ich heute damit verbinde, ist: „Wow. Das war eine Leistung, die das gesamte Mainzer Team (knapp 40 Leute) stolz machen sollte. Was für ein Glück, dass ich Teil davon sein durfte.“

    (Das ist nicht differenziert und wir haben auch viele Negativerlebnisse gehabt, keine Frage. Aber das ist das, was bleibt.)

    Deswegen musste ich sehr schmunzeln, als ich den Artikel und die Kommentare gelesen habe. Ich sage schon seit Ende meines Studiums immer: „Ich habe 40% dessen, was ich heute kann, beim Debattieren gelernt. 30-40% im Auslandssemester und die restlichen 30-40% an der Uni Mainz“. Für mich war immer evident, dass das Debattieren nicht nur informelles Lernen ist, nicht nur eine Fortbildung, sondern eine Ausbildung. Wenn man das, was die Welt des Debattierens einem bietet, vollständig ausschöpft und nicht vergisst, mitzudenken, ist das unbezahlbar.

Kommentare sind geschlossen.

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