Westfalen meets Osteuropa – Das Budapest Open 2012

Datum: 16. März 2012
Redakteur:
Kategorie: Themen, Turniere

Am letzten Wochenende machte sich eine kleine Delegation aus Münster auf nach Ungarn zum Budapest Open 2012, das am ersten Märzwochenende in der ungarischen Hauptstadt stattfand. 48 Teams aus 34 Nationen traten gegeneinander an. Neben den beiden Teams aus Münster  waren noch drei weitere deutschsprachige Teams aus Wien vertreten. Noch sollten wir allerdings nicht ahnen, dass wir am Ende mit mehr Wissen im Gepäck heimkehren würden, als wir mitgebracht hatten.

Ganz unbedarft ließen wir uns also beim Umtauschen unserer Euros in Forint am Düsseldorfer Flughafen erst mal übers Ohr hauen. In Budapest angekommen hatten wir dann keine Probleme zu dem Hotel in der Innenstadt zu finden, in dem die Teilnehmer für den Rest des Turniers beherbergt wurden. Außerdem konnten wir hier schon erste Erfahrungen mit der ungarischen Sprache machen, die so wunderbar sprechende Worte wie „Belügyminisztérium (Innenministerium) hervorbringt.

Der erste Abend begann mit einer Show-Debatte im Gebäude der Central European University (CEU), einer Graduate School im Herzen Budapests, in der alle Vorrunden und die Halbfinals abgehalten wurden. Die Show-Debatte hatte ihren Namen auch tatsächlich verdient, da sie nicht etwa als Eichdebatte für die Juroren gedacht war, sondern allein der Einstimmung der Teilnehmer auf das bevorstehende Wochenende diente. Eine schöne Idee, die es auch den Chefjuroren (zumindest den meisten) erlaubte, sich gebührend vorzustellen. Die Chefjuroren des Turniers waren Stephen Boyle, Filip Muki Dobranic, Manos Moschopoulos (alle drei Chefjuroren bei den diesjährigen Europameisterschaften in Belgrad, Serbien), Yoni Cohen-Idov (Chefjuror bei den Euros im vergangenen Jahr in Galway, Irland) und Tijana Mijalkovic (Siegerin des Athens Open 2011). Mit drei der Chefjuroren der bevorstehenden Europameisterschaften im Sommer konnten sich die Teilnehmer des Turniers über hochwertige Themen freuen. Der Tag endete mit einem ersten Einblick in ein echtes Budapester Kulturgut der Gegenwart: ein „Ruin Pub“ – aber dazu später mehr.

Am Samstag fanden alle Vorrunden des Turniers im Gebäude der CEU statt. Der Tag konnte für uns nicht unterschiedlicher starten. Münster Lamberti (Jost Schrooten, Teresa Widlok) verlor und Münster Martini (Matthias Carcasona, Knut Knudsen) gewann. Im Nachhinein sollte sich dieser Umstand aber als eine sehr glückliche Fügung für Lamberti herausstellen. In den restlichen drei Vorrunden verschenkten sie keinen Punkt und zogen mit neun Teampunkten als viertbestes Team im Tab ins Halbfinale ein. Für Martini ging es nach diesem Abend leider nicht mehr weiter, aber auch ein 18. Platz kann sich bei einem so großen und eng beieinander liegenden Teamfeld sehen lassen! In der Dinner- und Break-Location wurden wir mit einem köstlichen Menü verwöhnt, das ungarische Klassiker neu interpretierte. (Generell lässt sich über das Turnier übrigens sagen, dass das Essen immer spitzenmäßig war!) Auch für die anschließende Party war die Location eigentlich perfekt – nur leider kam nach dem Break keine wirkliche Stimmung auf und der Abend endete für die meisten schon wieder relativ früh im Hotel.

Im Halbfinale am Sonntagmorgen stritten die unten aufgeführten Teams zum Thema „This House would ban the development of medicine designed to erase human memory“. Durch die „motion“ wurde der Trend der letzten internationalen Turniere fortgeführt: sogenannte „hypothetical motions“ in den K.O.-Runden, die sich durch ein fiktives Setting oder Element auszeichnen, um die Debatte vertiefen zu können.

Das Finale fand in einem großen Konferenzraum in der sehr schicken Umgebung des Corinthia Hotels statt. Neben Ansprachen von Vertretern beider großer Universitäten in Budapest (CEU und Corvinus University) sprach Mike Kelly von der Madhouse Theatre Company als „key note speaker“, als Hauptredner also, zum Thema „Atmung und Energielevel während der Rede“. Allerdings konnten die Finalisten außer dem „Kennedy Sweep“ (einem schweifenden Blick durch das Publikum, durch den sich jeder Zuhörer vom Redner angesprochen fühlen soll) die Tipps nicht wirklich anwenden. Erfreulicherweise setzte sich Münster Lamberti zusammen mit Ask Charlie to sing for you im ersten Halbfinale durch, und bekleidete im Finale zusammen mit ihnen die Regierungsbank. Zum Thema „This House believes the use of violence when protesting against socio-economic injustice in Western societies is justified“ saßen ihnen auf Seiten der Opposition die Teams aus Le Havre und Mazedonien gegenüber. Die Regierung konnte ihre schwere Aufgabe leider nicht ausreichend meistern, sodass es einen glatten Oppositionsgewinn, mit Pinky and the Brain aus Mazedonien (Georgi Velkovski, Lazar Pop Ivanov) als Sieger gab. Allerdings gab es noch drei andere Gründe zu jubeln, als die besten Redner der Vorrunden gekürt wurden.  Lio Kaufmann belegte Platz 5, Fabian Farkas Platz 8 (beide aus Wien) und Jost landete auf Platz 10. Der Finaltag endete mit einem fürstlichen Buffet und Freibier, bei dem die Teilnehmer in den Genuss der Küche des 5-Sterne-Hotels kamen.

All diejenigen, die noch für ein paar Tage Sightseeing in Budapest geblieben waren, konnten am Montagabend die wöchentliche Debatte an der Corvinus University  miterleben und wurden danach mit einem wahrlich einmaligen Erlebnis belohnt: der „Ruin Pub Experience“. Ruin Pubs sind typisch für Budapest, eine Stadt die sich momentan überall erneuert. Aufgrund der Fülle von Bauvorhaben gibt es viele Häuser, für die schon Abrissverfügungen bestehen, die bis dahin aber teilweise noch Jahre lang leer stehen. In diesen zwar ziemlich zerfallenen, aber noch benutzbaren Häusern sind nach und nach Pubs entstanden, die sich gegenseitig mit dem individuellsten Interieur übertrumpfen. Fahrräder an den Wänden, Badewannen als Sofas, Heizpilze als Wärmespender und ein gewisser morbider Charme, gepaart mit günstigen Preisen, machen diese einmaligen Lokalitäten aus.

Immer mit dabei: das Orgateam des ersten Budapest Open, des ersten Debattierturniers in Ungarn überhaupt. Eigentlich hätten wir also überrascht sein müssen, dass die Organisation des Turniers so einwandfrei und reibungslos verlief. Allerdings lief alles mit einer Selbstverständlichkeit und Freude ab, die wir gerne im nächsten Jahr wieder erleben. Einen herzlichen Dank an die Organisatoren für dieses unvergessliche Turnier und auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr beim Budapest  Open 2013!

P.S.: Das Wissen in unserem Gepäck waren übrigens die Bücherpreise, die von der Oxford University Press für die Finalisten gesponsort wurden.

Themen und Breaks im Überblick:

  • Show: This House would instruct juries to acquit where they believe that conviction would not be in the public interest.
  • Runde 1: This House would not use prison for non-violent offenders.
  • Runde 2: This House would make receiving development aid conditional on improving women’s rights.
  • Runde 3: This House would lift the ban on communist symbols in post-Soviet states.
  • Runde 4:  This House would only provide state pension to those people who are physically or mentally unable to work.
  • Halbfinale : This House would ban the development of medicine designed to erase human memory.
  • Finale: This House believes use of violence when protesting against socio-economic injustice in Western societies is justified.

Break ins (Halb)Finale – Finalteams kursiv:

  • Ask Charlie to sing for you (Cimerman, Morris) – 11 Punkte
  • Sciences Po 1 (Teng, Im) – 10
  • Hu (Farkas, Kaufman) – 10
  • Muenster Lamberti (Widlok, Schrooten) – 9
  • Lost in translation (Keller, Braje)- 9
  • Pinky and the Brain (Velkovski, Pop Ivanov) – 8
  • The Stefan’s (Aleksikj, Ristovski) – 8
  • Annoying (Shatri, Hoxha) – 8

Teresa Widlok / apf

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