Jurierausbildung auf Turnieren – Ideen für künftige ChefjurorInnen

Datum: 2. Oktober 2013
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature

Wie bereits Jonathan Scholbach vor zwei Wochen auf der Achten Minute schrieb, ist die Jurierqualität und die Quantität der JurorInnen bei ZEIT DEBATTEN und Turnieren der Freien Debattierliga ein stetiger Grund für schlaflose Nächte der OrganisatorInnen sowie häufiger Anlass zur Kritik von Seiten der TeilnehmerInnen. Meiner Ansicht nach gibt es im Wesentlichen drei Akteure, die ganz unmittelbar ein Interesse an der Behebung dieses Problems haben, nämlich einerseits die Debattierclubs selbst (wer gut juriert werden möchte, muss selbst gute JurorInnen ausbilden), der Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (der für die Ausbildung von JurorInnen durch Jurierseminare sorgt) und, an dritter Stelle, die ChefjurorInnen eines Turniers (die für die Jurorensetzung verantwortlich sind).

Die Finaljury (c) Jöran Beel

Dauerbrenner: Das Thema Jurieren
(c) J. Beel

Im Folgenden möchte ich die Ideen vorstellen, die in der letzten Saison, zuletzt auf der Mitgliederversammlung des VDCH, diskutiert wurden und deren Umsetzung allein bei den ChefjurorInnen der kommenden Saison liegt. Dabei will ich gleich vorweg nehmen, dass natürlich jede Maßnahme bestimmte Vorteile, Nachteile und Nebenwirkungen hat und der Anspruch einer Cheforga an die jeweiligen CheforganisatorInnen auf keinen Fall sein kann, all diese Maßnahmen umzusetzen. Trotzdem ist es mir ein großes Anliegen,  den künftigen ChefjurorInnen die diskutierten Punkte gesammelt zur Verfügung zu stellen, da ich glaube, dass wir eine Menge Potenzial verschenken, wenn die Turniere selbst nicht als Möglichkeit wahrgenommen werden, JurorInnen zu schulen.

1.     Feedbacksystem und Weitergabe

Fast schon zum Standard ist es in den letzten Jahren geworden, auch für die JurorInnen ein Feedbacksystem in den Turnierablauf zu integrieren, bei welchem die Haupt- und NebenjurorInnen sich gegenseitig und die Teilnehmer das Ergebnis und das Feedback anonym bewerten und kommentieren können. Während dieses Feedback bisher lediglich für die ChefjurorInnen einsehbar war, die anhand des Feedbacks ihre Enscheidung über Setzung und Jurorenbreak fällten, kam nun die Idee auf, dieses Feedback nach dem Turnier anonymisiert an die JurorInnen weiterzugeben. So können sie am Clubabend gezielt an den benannten Schwächen weiterarbeiten.

2.     Nachwuchsjurorenpreis

Der Nachwuchsjurorenpreis trägt indirekt zur Ausbildung von JurorInnen bei. Er wurde in früheren Jahren bei der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft (DDM) verliehen, im Jahr 2012 und 2013 jedoch nicht mehr. Eine Ankündigung und die Vergabe des Preises kann dazu führen, dass mehr unerfahrene Juroren sich schon im Vorfeld eines Turniers mit einem Format beschäftigen und drückt Wertschätzung von Seiten der Ausrichter und ChefjurorInnen  für eine gute Jurierleistung aus.

3.     Patenschafts-Programm der DDM 2009 in Mainz

Ein Konzept, das mir sehr gut gefällt, aber bisher leider nur auf einen Turnier zur Anwendung kam, ist das Patenschafts-Programm der ChefjurorInnen der DDM in Mainz 2009. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt konnte man sich als junge/r JurorIn bei den ChefjurorInnen melden und bekam dann eine/n JurierpatIn zur Seite gestellt, die oder der idealerweise mehrere Runden mit ihrem/seinen Schützling gemeinsam jurieren sollte und auf diese Weise entsprechend Fortschritte bzw. Kritikpunkte schnell erkennen und an die Person weitergeben konnte. Ich könnte mir vorstellen, dass einer der Gründe, warum diese Idee nicht häufiger zur Anwendung kam, der hohe Organisationsaufwand für Cheforganisatoren und ChefjurorInnen ist. Sie müssen im Vorfeld sowohl PatInnen finden als auch den Anmeldeprozess für das Programm koordinieren und sind während des Turniers verpflichtet, mehr Zeit und Überlegung auf die Setzung der JurorInnen zu verwenden. Trotzdem habe ich das Programm als teilnehmende Jurorin als großen Gewinn empfunden und würde mir wünschen, dass die Idee von dem ein oder anderen Chefjurorenpanel in der nächsten Saison aufgegriffen wird.

 4.     Öffentlicher Jurierprozess

Eine weitere Idee, über die derzeit im VDCH-Land diskutiert wird, ist es, den Jurierprozess der Breakrunden öffentlich zu machen. Während sich viele der Befürworter mehr Transparenz und Legitimation der Entscheidungen erhoffen, kann eine solche Öffnung aber auch dazu beitragen, dass mehr Personen sehen und beobachten können, wie ein gut strukturierter und sinnvoller Jurierprozess aussieht. Gekoppelt mit dem unter 3. erklärten Patenschafts-Programm könnte zum Beispiel die Jurierung auch nur für diejenigen geöffnet werden, die sich vorher zu diesem Programm angemeldet haben und während der Breakrunden ihre PatInnen beobachten können.

 5.     Zeitlicher Puffer für Feedback zwischen den Runden

Natürlich kann während des JurorInnen-Briefings am Anfang des Turniers darauf hingewiesen werden, dass der Austausch zwischen den JurorInnen nach einer Runde gern gesehen ist. Mehr Verbindlichkeit schafft aber die bewusste Setzung eines kleinen zeitlichen Rahmens, in dem die HauptjurorInnen der Räume angehalten werden, den Nebenjuroren (und den PräsidentInnen) Feedback zu geben bzw. ein Austausch stattfinden soll.

6.     Eichdebatte / Jurorentest

Bei einer Eichdebatte juriert das gesamte Panel gemeinsam vor Turnierbeginn eine Showdebatte, die Chefjury wertet anschließend die Ergebnisse aus. Bei der DDM 2013 gab es wieder eine solche Eichdebatte: Lukas Haffert, Chefjuror der DDM 2012 und 2013, hat sich im Achte-Minute-Interview zu den Vor- und Nachteilen geäußert und nannte als Schwierigkeit den organisatorischen Aufwand. Abhilfe könnte ein Jurorentest schaffen: Dabei schauen sich die Juroren vor dem Turnier zu Hause eine Debatte an, die von der Chefjury ausgewählt wurde, und reichen online ihre Ergebnisse ein.
Ähnlich wie die Verleihung eines Nachwuchsjurorenpreises tragen auch diese Maßnahmen eher indirekt zur Ausbildung von JurorInnen bei. Die angemeldeten JurorInnen werden dazu angehalten, sich schon im Vorfeld mit einem Format zu beschäftigen und mit den komplizierteren Aspekten und Problemen, also den Feinheiten der Formate, anzufreunden.

Bei den genannten Vorschlägen handelt es sich nicht um meine persönlichen Ideen, sondern um eine Zusammenstellung von Ideen, die insbesondere in der vergangenen Saison aufkamen. Sie soll als Diskussionsgrundlage dienen, etwa für das Treffen der Chefjuroren beim Saison-Kick-Off des VDCH. Ich würde mich freuen, wenn Sinn und Unsinn der jeweiligen Maßnahmen in den Kommentaren diskutiert wird und freue mich ebenfalls über weitere Ideen!

ama/kem

Mittwochs-Feature

Das Mittwochs-Feature: jeden Mittwoch ab 9.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

Anna Livia Mattes ist Cheforganisatorin der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2014 und amtierende Vizepräsidentin der Streitkultur Berlin e.V. Sie war Chefjurorin des Gutenberg-Cups 2010 und des Streitkultur-Cups 2011. In der Amtszeit 2012/13 war sie Vizepräsidentin des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH). Derzeit ist sie als Assistentin der Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES e.V. tätig.

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3 Kommentare zu “Jurierausbildung auf Turnieren – Ideen für künftige ChefjurorInnen”

  1. Lennart Lokstein sagt:

    Bis auf 4. und 5. erachte ich das alles als sehr wünschenswert – bei 4. bin ich grundsätzlich dagegen, da das meines Erachtens Einfluss auf die Jurierung haben könnte, vorallem im OPD-Format, im BP-Format wäre das vielleicht eher möglich. 5. ist nur dann sinnvoll, wenn der Hauptjuror im Raum auch schon wirklich auf einem hohen Level ist – und gerade das kann ja im Moment nicht mehr unbedingt gewährleistet werden. Daher ist das vielleicht ein Punkt, über den man nachdenken sollte, sobald wir Qualität und Quantität der Juroren wieder erhöht haben.

  2. Daniel (Heidelberg) sagt:

    Persönlich halte ich alle genannten Ideen für sehr hilfreich. Vor allem 4. ist spannend! Aus der Praxis leider das große ABER zu

    2. Nachwuchsjurorenpreis:
    Hat in der Debattierszene kaum Wirkung entfaltet, obwohl einige der Nachwuchspreisträger sogar zu sehr guten Turnier- und auch Chefjuroren geworden sind (Yin Cai, Leo Vogel,…). Die Idee, damit das Jurieren ebenfalls als „Wettbewerb“ darzustellen und über „Sieger“ dem Jurieren einen höheren Stellenwert zuzuschreiben, muss aber als gescheitert angesehen werden. Leider.

    4. Patenschaften
    Nannten wir damals „Mentor und Mentee-Programm“. Ist kaum auf Interesse gestoßen, vor allem bei jungen Nachwuchsjuroren. Letztendlich wurden einige Plätze an schon erfahrene Juroren vergeben, viele Plätze blieben unbesetzt. Hat allen viel Spaß gemacht und über die Vorrunden tatsächlich zu intensivem Austausch zwischen Mentoren und Mentees über die getroffenen Entscheidungen und das gegebene Feedback geführt, richtiges Meta-Jurieren der Jurierung. Wegen des geringen Interesses allerdings damals auch gescheitert.

    Das soll aber niemanden davon abhalten, es nicht doch erneut zu probieren. Beides ist nur deutliches Zeichen dafür, dass das Jurieren allgemein als höchst unattraktiv gesehen wird, und dass ein „Kulturwandel“ hin zu mehr Wertschätzung über solche Wege kaum zu erreichen ist.

    Cheers,

    DS

  3. Alex L. (DD) sagt:

    Als derjenige, der 4. (Öffentlicher Jurierprozess) in die Diskussion gebracht hat, möchte ich mich gerne vertieft dazu äußern. Ich weiß, dass es ein heißes Eisen ist und potenziell viele Nachteile existieren. Ich bin aber dennoch von dieser Idee sehr angetan, da nach meinen eigene Erfahrungen Jurorengespräche in KO-Runden deutlich mehr in die Tiefe gehen und es für unerfahrene Juroren bestimmt den einen oder anderen Aha-Moment gibt bei der Schwerpunktsetzung (sprich: Was muss ausdiskutiert werden, was wird gemittelt, wo wird ohne größere Diskussion von Einzelnen nachgebessert?).

    Dennoch würde ich gefühlsmäßig von einem „gläsernen“ Jurierprozess ebenfalls zurückschrecken. Das bietet den Anreiz für einen Juror, sich zu produzieren, was derzeit durch das ungeschriebene Gesetz, dass im Raum bleibt, was während des Jurorengesprächs passiert, verhindert wird. Der Juror soll schließlich nicht der Star der Debatte sein, sondern die Redner! (Kleiner Einschub: Vielleicht ist genau DAS unser Problem – als Szene, der es nicht gerade an Selbstdarstellern mangelt, können wir eigentlich nur Chefjuroren ein Forum bieten, in dem sie zeigen können, was für geile Hechte sie sind…)

    Meine Ursprungsidee war daher auch eher, dass sich vielleicht vier, maximal fünf Nachwuchsjuroren zusammen mit einem erfahrenen Trainer in die Debatte setzen und diese für sich jurieren. Anschließend bleiben sie im Raum – möglichst weit weg im Hintergrund und ohne sich zu äußern – und verfolgen Jurorengespräch sowie endgültiges Ergebnis. Anschließend können sie ihr eigenes Ergebnis mit dem offiziellen Ergebnis vergleichen und dem erfahrenen Trainer gezielt Fragen stellen: Warum hat dieses Argument keine Rolle gespielt? Wieso konnte Team X mit diesem eklatanten Fehler noch vor Team Y landen? Hätte nicht das Rebuttal stärker gewichtet werden müssen? Wieso kann jemand mit einer solchen Gestik im Auftreten 10 Punkte holen? Ziel ist es also, den Nachwuchsjuroren beim „Eichen“ zu helfen – was kann, muss, darf ich von einer Rede erwarten, was ist (ir)relevant, ab wann wird etwas sanktionsrelevant? Schließlich existiert aus meiner Erfahrung heraus so etwas wie ein Common Sense im Jurieren – diese Rede ist eben ca. 45 Punkte auf der OPD-Skala wert und dieses Team hat keine relevanten Punkte in die Debatte gebracht, warum auch immer alle etwas erfahreneren Juroren auf die gleiche Einschätzung kommen…

    Als Ergänzung würde ich aber gerne noch weitere Variante in den Raum werfen: Eine Debatte wird komplett mit Juriergespräch aufgenommen. Anschließend wird bei einem Jurierseminar erst die Debatte gezeigt und von allen juriert. Anschließend wird gemeinsam das Juriergespräch verfolgt und mit den eigenen Ergebnissen verglichen. Danach alles wie gehabt. Damit wird alles ein wenig entzerrt, es gibt keine direkten Zuschauer und der Lerneffekt – um den es mir geht – ist der selbe.

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