Stufen. Sarah Kempf über Nachwuchsförderung in Chefjurorenpanels

Datum: 1. April 2015
Redakteur:
Kategorie: FDL/DDL, Jurieren, Mittwochs-Feature

Es war ein gutes Gefühl, wenn früher ein Fußballländerspiel bevorstand und man wusste, dass Pierluigi Collina die Partie leiten würde. Die Gefahr, sich aufregen zu müssen, weil etwa ein Elfmeter zu Unrecht gegeben oder ein Foul nicht abgepfiffen würde, war praktisch gleich null. Weil nicht nur den mitfiebernden Fans aufgefallen war, dass Collina ein erfahrener, regelkundiger und fairer Schiedsrichter war, erhielt der populäre Italiener sechs Mal die Auszeichnung als Weltschiedsrichter des Jahres, durfte nach 25 Jahren seiner Tätigkeit das Endspiel einer Weltmeisterschaft leiten und machte nach seinem Karriereende Werbung für Luxusuhren.

Collinas Schiedsrichter-Karriere folgte einem Stufensystem, wie wir es zunehmend häufiger auch im Debattieren unter Juroren finden (derzeit noch ohne Werbeverträge). Vor rund zwei Jahren kritisierte die Autorin dieser Zeilen auf der Achten Minute, dass Turnierorganisatoren ihre Chefjuroren zu oft nach unpassenden Kriterien auswählen. Die Ausrichter tragen eine besondere Verantwortung, nicht nur, weil von ihrer Chefjuroren-Auswahl offensichtlich die sportliche Qualität der jeweiligen Veranstaltung abhängt, sondern auch, weil sie mit ihren Personalentscheidungen langfristig in die Szene hineinwirken. Ein Aspekt soll deshalb wegen seiner enormen Bedeutung noch einmal genauer betrachtet und seine Entwicklung bilanziert werden: die Nachwuchsförderung in Chefjurorenpanels.

Sarah Kempf plädiert für ein Stufensystem bei der Auswahl von Chefjuroren. © Achte Minute

Sarah Kempf plädiert für ein Stufensystem bei der Auswahl von Chefjuroren. © DK Wien

„Erschreckender Konservatismus“

Ein Beispiel für eine gelungene Chefjuroren-Auswahl gaben die Cheforganisatoren der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft (DDM) 2014 Anna Mattes und Kai Dittmann. Sie entschieden, dass sich die Chefjuroren des Turniers um diesen Posten bewerben und dem Feedback der gesamten Szene aussetzen sollten. Die Ehre, das wichtigste deutschsprachige Turnier sportlich zu leiten, kam mit Andrea Gau, Dessislava Kirova und Michael Saliba schließlich zu Recht drei versierten und engagierten Juroren zu. Die Ausrichter entschieden sich damit für eine Chefjury, deren Erfahrung und Kompetenz der Bedeutung des Turniers entsprach.

Die Chefjuroren profitierten bei der Arbeit von ihrer großen Erfahrung, setzten im Vorfeld des Turniers einen Jurorentest ein, um die Punktrichter einschätzen zu können, und schrieben einen Leitfaden, um die Grundlage für eine einheitliche Jurierung zu schaffen. Während des Turniers verwendeten sie ein aufwändiges Juroren-Feedbacksystem und belebten ein Mentoring-Programm wieder, um den Nachwuchs zu fördern. Dass sich die Chefjuroren bei ihrer Arbeit deren Strahlkraft bewusst waren, zeigt ein Interview mit Chefjurorin Andrea Gau, in dem sie über die Themensetzung sagte: „Uns war es wichtig, dass wir alle Arten von Themen dabei haben, die in der Saison eine Rolle gespielt haben, dazu gehören […] auch die First-Person-Motions. […] Wir hatten das Gefühl, dass diese Themenart im deutschen Raum relativ neu ist und der Umgang mit ihr noch geübt wird – es war uns daher wichtig, ein Beispiel zu geben, wie man unserer Meinung nach bei der Formulierung vorgehen sollte.“

Das zeigt, wie wertvoll die Arbeit versierter Chefjuroren ist, die seit Jahren in der Debattierszene aktiv sind. Bemerkenswert ist deshalb, dass bei der vergangenen Mitgliederversammlung des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH) ein Clubvertreter nach der Vergabe aller ZEIT DEBATTEN kritisierte, bei der Besetzung der Chefjuroren-Panels sei „ein erschreckender Konservatismus“ festzustellen. Er forderte, künftig dem „Nachwuchs“ in den Panels eine Chance zu geben.

Definition des Nachwuchsbegriffs

Zunächst einmal sind erfahrene Chefjuroren, siehe oben, ein Grund zur Freude und kein Ärgernis. Ein genauer Blick auf die aktuelle Saison zeigt außerdem, dass insgesamt 16 verschiedene Personen von den Ausrichtern dazu berufen wurden, eines oder zwei der Turniere sportlich zu leiten. Sieben von ihnen geben 2014/15 ihr Debüt als Chefjuroren einer ZEIT DEBATTE: Barbara Schunicht, Kai Dittmann, Sven Hirschfeld, Tobias Kube, Vera Bartsch, Robert Epple und Jan-Dirk Capelle. Damit ist fast die Hälfte der Chefjuroren neu auf diesem Posten, von „Konservatismus“ kann also keine Rede sein.

Dass trotzdem mitunter so getan wird, als bestünden die Panels ausschließlich aus alten Hasen, die längst in Rente hätten gehen sollen, zeigt uns, dass in der Debattierszene bislang zweierlei fehlt. Das ist zum einen eine klare Definition, wer überhaupt Nachwuchs ist. Zum anderen müssen wir uns bewusst machen, wie entsprechend der Definition eine sinnvolle und nachhaltige Nachwuchsförderung im Jurieren aussieht.

Bei den oben genannten DebattiererInnen, die in dieser Saison erstmals eine ZEIT DEBATTE chefjurieren, handelt es sich mehrheitlich um Nachwuchs im weiteren Sinne: Personen, die schon seit einigen Jahren im Debattieren aktiv sind und als Turnierjuroren Erfahrung gesammelt hatten, oftmals als Finaljuroren bei ZEIT DEBATTEN, bevor man ihnen die Chefjuration von Turnieren in der Freien Debattierliga (FDL) oder Einsteigerliga antrug. Daher klingen die Namen so vertraut, dass manche den Eindruck gewinnen, die Besetzung der Chefjuroren-Panels in dieser Saison sei nicht innovativ.

Daneben gibt es Nachwuchs im engeren Sinne, also Personen, die bereits an einem Jurierseminar teilgenommen und Turniererfahrung als Juroren gesammelt haben, aber noch nicht Final- oder Chefjuroren waren. Klar davon abzugrenzen sind junge DebattiererInnen, die kein Seminar besucht und noch nicht oder kaum bei Turnieren juriert haben. Bei ihnen handelt es sich um Anfänger, die selbst bei großem Talent und einem guten Blick für Debatten nicht den hohen Anforderungen gerecht werden, die an Chefjuroren gestellt werden.

Chefjurieren will gelernt sein. © Jöran Beel

Sinnvolle Nachwuchsförderung folgt Stufensystem

Damit das Debattieren nicht irgendwann im Gestern verharrt, ist es unerlässlich, Nachwuchs zu fördern. Die Förderung des Nachwuchses im weiteren Sinne muss jedoch anders aussehen als die Förderung des Nachwuchses im engeren Sinne. Lukas Haffert, Chefjuror der DDM 2013, antwortete im Interview auf die Frage, warum im Finalpanel des damaligen Turniers kein einziger Nachwuchsjuror vertreten gewesen sei: „Die Finalteams müssen sicher sein können, dass die Juroren ihr Handwerk verstanden haben, um das Ergebnis akzeptieren zu können […]. Grundsätzlich galt bei dieser Meisterschaft: Je höher die K.O.-Runde, desto mehr haben wir […] auf erfahrene Juroren gesetzt. Das Finale einer Deutschsprachigen Meisterschaft ist kein Ort für Nachwuchsförderung.“

Die Aussage illustriert, dass sinnvolle Nachwuchsförderung im Jurieren bedeutet, dass erst mit steigender Erfahrung die Herausforderungen größer werden. Wer zum Chefjuror eines der prestigeträchtigsten Turniere im deutschsprachigen Raum berufen wird, muss nachweislich kompetent und erfahren genug sein, um dem Format des Turnieres entsprechend etwa gute Themen stellen, die Qualität des Jurorenpanels einschätzen und im Zweifel Präzedenzfälle schaffen zu können.

Philipp Schmidtke, seit eineinhalb Jahren FDL-Koordinator, bezeichnete die FDL einmal als die „Zweite Bundesliga“, die ZEIT DEBATTEN als die „Erste Bundesliga“ im Debattieren. Ein Stufensystem, das jenem für Schiedsrichter entspräche, würde im Debattieren bedeuten, dass auf Jurierausbildung und Praxiseinsätze als Turnierjuror zunächst folgt, sich in der „Zweiten Bundesliga“ als Chefjuror zu bewähren. Erst danach werden die Spiele in der „Ersten Bundesliga“ oder gar das Spiel um die Meisterschaft geleitet. Sicherlich ist es nicht nötig, sich in jedem Einzelfall sklavisch an diese Reihenfolge zu halten. Entscheidend ist aber, dass Chefjuroren der „Ersten Bundesliga“ vor ihrem Debüt ausreichend praktische Erfahrung als Turnierjuroren im entsprechenden Format gesammelt haben, ob als Chefjuroren der „Zweiten Bundesliga“ oder mehrfach als Juroren hoher Ausscheidungsrunden renommierter Turniere.

Der nächsten Generation das Handwerk vermitteln

Das Stufensystem allein ist natürlich witzlos, wenn der Nachwuchs im Chefjurorenpanel sich selbst überlassen bleibt. Gerade dann, wenn die Chefjuroren zum ersten Mal überhaupt zum Einsatz kommen, sollten sie im Panel mit im Format erfahrenen Chefjuroren zusammenarbeiten, die ihnen Sicherheit geben. So können die Erfahrenen das Handwerk vermitteln, das mehr bedeutet, als ein bisschen Zeitung zu lesen und schnell ein paar Streitfragen zu formulieren.

Durch eine angemessene Zusammenstellung der Panels schaffen die Ausrichter langfristig auch Anreize für eine solide Jurierausbildung. Einen Bärendienst erweisen nämlich jene Organisatoren der Debattierszene, die in der guten Absicht, junge DebattiererInnen zum Jurieren zu motivieren, unerfahrenen Juroren Chefjurorenposten anbieten, im schlimmsten Fall ohne erfahrenen Beistand. Gerade das sendet die falschen Signale. Es verhöhnt die, die bereit sind, ein Jurierseminar zu besuchen und sich durch praktische Übung zu verbessern. Ihnen wird vermittelt, dass es entscheidend sei, die richtigen Leute zu kennen, um Chefjuror zu werden. Die Benennung erfahrener, anerkannter Juroren hingegen schafft Vorbilder und lässt Jurieren als das erscheinen, was es ist: Eine eigene Disziplin, in der man es ebenso wie im Reden nicht durch Begabung allein, sondern durch Übung und einen Lernprozess an die Spitze schafft.

kem/ama

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass der Jurorentest erstmals bei der DDM 2014 verwendet wurde. Er wurde jedoch bereits bei der DDM 2008 eingesetzt.

Mittwochs-Feature

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Sarah Kempf war Cheforganisatorin der Deutschen Debattiermeisterschaft 2009 und des Gutenberg-Cups 2009 und 2010. Sie gewann zahlreiche Turniere, darunter die ZEIT DEBATTE Mainz 2014, den Streitkultur-Cup 2013 und die Baden-Württembergische Meisterschaft 2012. Als Chefjurorin trat sie u.a. beim Methusalem-Cup 2014, Gutenberg-Cup 2011 und Streitkultur-Cup 2009 in Erscheinung. Von September 2013 bis August 2014 leitete sie als Chefredakteurin die Achte Minute. In der Amtszeit 2014/15 gehörte sie als Vizepräsidentin dem Vorstand des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen an. Neben ihrem Master-Studium ist sie als Journalistin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig.

 

 

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15 Kommentare zu “Stufen. Sarah Kempf über Nachwuchsförderung in Chefjurorenpanels”

  1. Jörn (Duisburg) sagt:

    Volle Zustimmung, Sarah! Besonders der letzte Abschnitt gefällt mir sehr gut! Um in der Analogie zu bleiben als Ergänzung: Collina und andere Schiedrichter wurden übrigens nicht allein deswegen als Schiedsrichter für höhere Aufgaben nominiert, weil sie vorher ausgezeichnete Fußballspieler gewesen wären. Auch kann man als Assistent zu internationalen Weihen kommen, ohne auch nur jemals in der zweiten Liga die Verantwortung für die Spielleitung gehabt zu haben. Entscheidend ist jeweils die Kompetenz für die spezifische Aufgabe und Debattierender, Juror und Chefjurorin haben dabei drei unterschiedliche Aufgabengebiete, sodass die Bewältigung der einen Aufgabe kein hinreichendes Kriterium für die Bewältigung einer der beiden anderen Aufgaben darstellt.

  2. Alex H. (HD) sagt:

    Sehr gelungener Artikel, der hoffentlich weitere Diskussion nach sich zieht.
    Außerdem: Kein Aprilscherz – Sven H. ist Nachwuchschefjuror

  3. Nicolas Friebe sagt:

    Guter Artikel. Zustimmung!

  4. Anja Pfeffermann sagt:

    Tolles Feature, Sarah! Ich glaube, Dein Artikel ist nicht Grundlage für ein Nachwuchsförderregelwerk, sondern schafft einfach Bewusstsein und Sensibilität für das Thema.

  5. Witthaut sagt:

    Rein journalistisch, der wohl beste hier je veröffentlichte Artikel! Viele gute und richtige Gedanken, die hoffentlich zu einer gelungenen Diskussion führen. Danke!

  6. Jonathan Scholbach sagt:

    [Schade, dass ein FDL-Koordinator das System, das er vertritt, selbst abgewertet hat. Aber das ist off topic.]

    Spannend finde ich die Frage, wie wir diejenigen exzellenten CJs erkennen, die nicht die Ochsentour der Hierarchie durchlaufen haben.
    Ich habe das Gefühl, dass es – anders als häufig bestritten – eine gewisse Korrelation zwischen Reden und Themensetzen gibt: Debattierer*innen, die in ihren Reden analytisch top sind (und das sind bei Weitem nicht alle Redner*innen, die erfolgreich debattieren), sind auch heiße Kandidat*innen für Chefjurierungen. Denn bei der Themensetzung geht es ja gerade darum, das Spektrum an Argumentationen zu antizipieren und die Argumente in ihrer Stärke zu gewichten – also genau das, was gute Debattierer*innen ausmacht, die eher durch den Inhalt des Gesagten überzeugen als durch ihr Auftreten. (Dass diese Leute besonders gut Feedback geben können, ist damit nicht behauptet.) Wahrscheinlich ist das kein hinreichendes Kriterium, aber die Ochsentour allein ist es, glaub ich, auch nicht.

  7. Sarah (MZ) sagt:

    @Jonathan: „Spannend finde ich die Frage, wie wir diejenigen exzellenten CJs erkennen, die nicht die Ochsentour der Hierarchie durchlaufen haben.“

    Überspitzt gesagt: Am Besten gar nicht. Die Regel sollte lauten: Ohne Ochsentour kein Chefjuroren-Posten. Dann kommen wir in der Szene auch zu der höheren Jurierbereitschaft, die wir uns seit Jahren so sehnlich wünschen. Auch die Ausnahmetalente unter den Chefjuroren machen ihren Job mit Erfahrung besser als ohne. Wenn ich schreibe „Sicherlich ist es nicht nötig, sich in jedem Einzelfall sklavisch an diese Reihenfolge zu halten“, heißt das nur: Wenn Maria Musterfrau ein Jurierseminar besucht hat, seit drei Jahren auf Turnieren juriert und sich dabei so gut angestellt hat, dass sie drei Mal Finaljurorin einer ZEIT DEBATTE war, wäre es Quatsch, ihr eine ZD-Chefjuration als Nachwuchs-CJ mit der Begründung zu verweigern, sie habe noch kein FDL- oder Einsteigerturnier chefjuriert.

    @Anja: In der Tat geht es hier um eine Art freiwilliger Selbstverpflichtung der Ausrichter. Darüber, ob man verbindliche Qualitätsstandards fürs Chefjurieren braucht, könnte man aber durchaus diskutieren.

    Exkurs FDL für Jonathan: Die Freie Debattierliga fußt seit ihrer Gründung bewusst auf einem anderen Konzept als die ZEIT DEBATTEN. Die ZD werden mit viel Geld gefördert und verfügen u.a. über prestigeträchtige Finalräume, prominente Ehrenjurys sowie Medienberichterstattung. Das Teilnehmerfeld ist größer und stärker als bei FDL-Turnieren. Philipps Aussage ist also weder ungewöhnlich, noch skandalös, sondern schlicht eine treffend formulierte Beobachtung, weshalb sie Eingang in den Text gefunden hat.

    Frohe Ostern allerseits!

  8. Jonathan Scholbach sagt:

    @Sarah: Eine Frage, die mich noch beschäftigt, und die mit meiner ersten Frage verwandt ist: Wie erkennt man Kandidat*innen, die noch nie cjiert haben? Ich würde beispielsweise das Kriterium „hat ein Jurierseminar besucht“ sehr wenig wertschätzen, weil bloße Anwesenheit fast nichts sagt. Ich halte das bspw. nicht für eine notwendige Voraussetzung dafür, ein*e gute*r Kandidat*in auf eine Chefjurierung in auf einem, Deiner Stufenfolge gemäß, FDL-Turnier, wenn andere Merkmale der Eignung erfüllt sind.

    [@off topic: FDL-Turniere sind zur Zeit für viele erfolgsorientierte Leute weniger attraktiv als ZDen. Dies sollte in meinen Augen aber Ansporn sein und kein Grund zur Resignation, die ich in der Äußerung ein bisschen sehe. Denn einen Mechanismus, der FDL und ZDen qualitativ gegeneinander abgrenzt, gibt es – anders als bei Ligasystemen (Auf- und Abstieg) – nicht.]

  9. Nicolas Friebe sagt:

    @Jonathan: Also ich erkenne diese Kandidaten für CJ häufig dadurch dass sie fähig sind… Noch viel häufiger erkenne ich aber CJ die schon gesetzt sind die unfähig sind… Nach meiner Erfahrung kann man ungefähr 2/3 der CJ auf deutschen Turnieren vergessen: Funktionäre, Anfänger, Leute ohne Erfahrung, zum Teil auch einfach nicht die hellsten Köpfe, inkompetente Juroren, leider häufig auch mehrere dieser Faktoren gemeinsam… Wir haben vllt bestenfalls ein Dutzend Leute die zu CJs fähig sind… Der Rest ist bestenfalls Mittelmaß wahrscheinlich aber doch meist eher Ausschuß… Und ein Problem daran ist, dass ständig neue Nulpen durch die Geilheit auf neue Gesichter rausgejagt werden, und wenn man alte Hasen nimmt dann leider häufig auch nicht die begabtesten unter ihnen… Deswegen halte ich die Stufenfolge von Sarah für sehr gut um zumindest den gröbsten Ausschuß nur auf unteren Leveln cjen zu lassen. Dass ein Jurierseminar nicht als ausreichend ist um CJ zu werden ist klar… Saubere Regelkenntnis allerdings sehr wohl… Leider ist das nicht immer der Fall und ich musste schon erleben dass selbst Zeitdebatten oder gar DDM-CJ die Feinheiten ihrer Formate und deren Auswirkungen auf das Jurierverhalten nicht adäquat abstrahieren konnten. Daher ein klares Plädoyer für wenige, gute und erfahrene Spitzenjuroren auf den Turnieren… Die kann man meiner Meinung auch bezuschussen… Wer darunter zu fassen ist: z.B. verschiedene CJ der letzen DDMs… nur so als Beispiel…

    Lg aus Göttingen

  10. Christian (MZ) sagt:

    [@off topic: Du hast sicherlich recht Jonathan, dass es keine so klare Abgrenzung zwischen FDL-Turnieren und ZEIT Debatten gibt wie zwischen 1. und 2. Bundesliga, allein schon wegen fehlendem Auf- und Abstieg. Genauso hat aber auch Sarah recht in ihrer Beschreibung der ZEIT Debatten als besonders prestigereiche, größere und glamourösere Turniere. Wenn mich ein Neuling oder eine debattierfremde Person fragt, was denn der Unterschied zwischen diesen Turnieren ist, greife ich gerne auf Tennis zurück: FDL-Turniere sind „normale“ Turniere der WTA-/ATP-Tour. Auch hier starten die Topstars, aber nicht bei jedem der Turniere und selten alle auf einmal. Das Teilnehmerfeld ist kleiner, das Prestige geringer, es gibt weniger Weltranglistenpunkte und weniger Preisgeld. ZEIT Debatten kann man dagegen sehr gut mit Grand Slam Turnieren vergleichen. Längere Turnierdauer, mehr Startplätze, mehr Medienaufmerksamkeit und größeres und dichteres Teilnehmerfeld (alle Punkte, die Sarah genannt hat). Ob man das gut oder schlecht findet, ist eine andere Frage. Die FDL wächst und gedeiht, aber gleiches gilt auch für die ZEIT Debatten. Es gibt immer mehr FDL-Turniere mit eigenem Markenkern und immer mehr werden sicherlich folgen. Aber auch die Zeitdebatten werden immer größer und glamouröser (und es werden nicht mehr, was sie zusätzlich zu etwas besonderem macht!). Beide Turnierformen haben ihre Stärken und Schwächen und ich persönlich mag (u.a.) sowohl den besonderen Wettkampfcharakter der Zeitdebatten als auch das deutlich familiärere Umfeld bei FDL-Turnieren.]

  11. Christian (MZ) sagt:

    @Nicolas: Wenn wir davon ausgehen, dass alles stimmt, was du sagst, wie stellen wir uns dann die Zukunft vor? Sollen wirklich immer dieselben („bestenfalls“) 12 Leute alle Zeitdebatten, Regios und die DDM chefjurieren? Zusätzlich am besten noch jeder mindestens ein FDL-Turnier? Das stelle ich mir schon logistisch schwierig vor, aber selbst wenn sich dieses Problem lösen ließe und dadurch tatsächlich immer perfekte Themen garantiert wären (unterstellt es gäbe so etwas, was ich stark bezweifle): wie soll das Problem auf Dauer gelöst werden? Auch dieses von dir zitierte Dutzend wird irgendwann mal keine Lust oder Zeit mehr haben, ständig Turniere zu „cjen“ und das Debattieren wohl irgendwann mal sogar ganz aufgeben. Und dann müssen neue Leute da sein, die diese Aufgabe übernehmen und je eher man versucht, sie das Handwerk lernen zu lassen, desto besser. Am besten jetzt, wo dieses ominöse Dutzend noch aktiv ist und sein Wissen in der Turniervorbereitung weiter geben kann und nicht erst dann, wenn „die Alten“ sich zur Ruhe gesetzt haben und die „Neuen“ alles komplett neu und ohne Hilfe erlernen müssen. Dabei würden fast schon zwangsläufig mehr Fehler gemacht als nötig, weil es dann nicht nur an Erfahrung sondern auch noch an Anleitung fehlt. Daher ist es richtig, schon jetzt neuen Leuten eine Chance zu geben (wie es in dieser Saison ja auch passiert, wie Sarah eindrücklich bewiesen hat).
    Geeignete Personen zu finden ist sicherlich nicht das einfachste der Welt und Sarah hat uns hierfür einen Weg aufgezeigt, den man gehen kann, um solche Leute zu finden. Wenn man seinen Blick ein bis zwei Jahre (oder noch weiter) in die Zukunft zu setzen bereit ist, muss eigentlich jedem klar sein, dass es nicht reicht, wenn es jetzt (!) ein Dutzend „fähige“ Leute gibt, wie du es postulierst, Nicolas. Die Frage ist viel mehr, wie finden wir mehr davon und wie und wann geben wir ihnen die Möglichkeit, sich auszuprobieren und dazu zu lernen und dabei auch mal einen Fehler machen zu dürfen? Und wie schützen wir sie davor, als „Ausschuss“ gebrandmarkt zu werden, wenn nicht sofort alles perfekt funktioniert? Jeder war irgendwann mal ein Anfänger und für jeden CJ gab es ein erstes mal, sicherlich auch für dieses ominöse Dutzend.

  12. Nicolas Friebe sagt:

    @Christian: Ich bin auch nicht dagegen Nachwuchs kommen zu lassen. Ich selbst als alter Hase, habe in dieser Saison schon auf zwei CJ-Stationen mit Nachwuchs die zum ersten mal cjed haben gearbeitet und war sehr positiv angetan. Und da ich hier auch mal loben möchte, Anne Suffel und Sina Strupp die hier gemeint sind, haben super Arbeit geleistet und ich kann mir gut vorstellen wieder mit ihnen zusammen zu chefjurieren. Ich meine damit auch nicht dass man Leute nicht fördern sollte, allerdings haben ich mit ihnen auf FDL- und Anfängerturnieren gearbeitet, sprich kleines Teilnehmerfeld, weniger Streß im Tabraum, nicht ganz zu querulatorische Teams die sich fehljuriert fühlten (im Gegensatz zu manchen Zeitdebatten, DDMs, EM oder WM wo es ja um „mehr“ geht…). Nachwuchs an der richtigen Stelle unter den richtigen Leuten auszubilden ist sehr wohl richtig… Daher bin ich ja auch für das Stufenmodell… Erstmal mit einem alten Hasen ein, zwei kleine Turniere beschnuppern, die Tricks des Tabraums und der Themensetzung lernen, und dann vllt mal ein Regio als DCA oder so jurieren bevor man sich in das Haifischbecken Zeitdebatten, DDMs oder ähnliches begibt. Und ich rekurriere hier bewusst auf die Kritik an der aus meiner Sicht sehr schönen Zeitdebatte Oberfranken, wo man den Nachwuchsjuroren keinen Gefallen getan hat, sie so ins Messer laufen zu lassen. Die schwere Kritik an ihnen, hätte man sich, ihnen, den Orgas und den Zeitdebatten ersparen können, wenn man so ein Stufenmodell angewendet hätte. Denn ich bezweifele dass es so einen abrechnenden Tonfall mit mir als altem Hasen gegeben hätte, wäre ich bei gleichen Themen etc. bei der ZD Oberfranken gewesen. Hier haben es sich Leute vllt auch leicht gemacht, auf vermeintlich Neuen CJ rumzuhacken, die sich nicht so richtig wehren können, weil sie halt nur schwer sagen können: Hey guck mal, auf dem Regio letztes Jahr oder der ZD vor zwei Jahren lief es doch super mit meinen Themen, jeder hat mal ein Turnier das auch als CJ nicht so läuft wie es sollte. Um diese Verteidigung hat man die Leute aber gebracht weil man auf Teufel komm raus neue Gesichter nach oben pushen wollte, und hat sie damit im Zweifel verbrannt und ihrem Ruf als CJ Schaden zugefügt, weil man ihnen etwas aufgebürdet hat was vllt zu hart für sie war…

    DAHER nochmal Stufensystem gerne, oben eben mit dem Dutzend Topjuroren, unten gern auch Nachwuchs, der ja genau das tun soll… nachwachsen….

    Lg aus GÖ

  13. Sabrina E. (Rederei) sagt:

    [Offtopic: Ich muss mich da als zweite FDL-Koordinatorin mal einmischen und mich hinter Philipp stellen. Tatsächlich verwende ich 1. und 2. Bundesliga ganz unabhängig von seiner Äußerung auch. Und tatsächlich hast du mit deiner Aussage sogar Recht, Jonathan: die FDL ist für erfolgsorientierte Leute eniger Attraktiv als die ZD. Das ist aber auch gar nicht unser Anspruch. Wir wollen den Rahmen für alle bieten, wollen Thementurniere ausprobieren, Anfänger neben Profis starten lassen und – vor allem – jedem die Möglichkeit geben, auf einem Turnier reden zu können. Jedes Turnier als eine Art Zeitdebatte auszurichten ist utopisch, torpediert den Gedanken der FDL (Spaß, Spaß, Ernst) und würde die Anzahl auf ein Minimum reduzieren. Wir als FDL-Koordinatoren werten die Liga nicht ab, wenn wir so etwas sagen. Wir geben ihr damit nur einen anderen Wert, einen anderen Anspruch, beziehungsweise eine andere Motivation dahinter und erreichen damit natürlich (zusätzlich!) auch ein anderes Publikum innerhalb der Debattierszene.
    In der Debattierszene ist eigentlich jedem klar, dass die Zeitdebatten prestigeträchtiger und wichtiger sind. Wichtig ist der Vergleich nur für Nicht-Debattierer und um ein „Ich weiß, was du meinst“ zu bekommen. Wenn ich einem Nicht-Debattierer erklären soll, warum ich für eine OPD-Zeitdebatte quer durch ganz Deutschland fahre, bei einem FDL-Turnier aber doch den Euro für die Bahnfahrt einmal mehr herumdrehe, dann versteht er es mit dem Fußballbeispiel ganz gut (inzwischen finde ich Christians Tenniserklärung allerdings fast treffender).
    Selbst wenn die zweite Bundesliga nicht so viel Prestige bringt, wie die Erste: immerhin würden unsere „Spiele“ jede Woche sonntags in der Sportschau übertragen werden.]

  14. Daniil sagt:

    Ich muss gestehen, dass ich die Art, wie die Off-Topic-Diskussion läuft, bedauere. Ich störe mich nicht so sehr daran, dass der Bundesligavergleich sachlich falsch ist (die Bayern treten nicht in der 2. Liga an, aber die Rubikonüberschreiter, Marburg Rotkäppchen und wie sie nicht alle heißen, in der FDL, und so kommt es, dass mancher Boddencup deutlich besser besetzt als manche ZD). Mir wäre das ohne Diskussion aber gar nicht aufgefallen, weil der Artikel diesen Vergleich in einem Kontext verwendet, dem ich zustimme.

    Ich störe mich aber schon daran, dass das entscheidende Unterscheidungsmerkmal von FDL und ZD hier anschließend nicht erwähnt wird und als Wesensmerkmal der FDL *nur* das Familiäre und Spaßige hervorgehoben wird. Die FDL folgt dem Ligaprinzip, und das aus einem ganz bestimmten Grund. Ihr Ziel war es – und ist es hoffentlich noch immer – die vielen einzelnen Turniere durch den Zusammenschluss relevanter und attraktiver zu machen. Gute Rednerinnen und Redner sollen durch die Aussicht, FDL-Saisonsieger zu werden, einen Anreiz bekommen, auch auf weiter entferntere Turniere zu fahren. Und es funktioniert: Seit der Gründung ließ sich regelmäßig beobachten, dass Clubs Teams auch an entlegenere Orte geschickt haben, um keine Punkte zu verlieren. Wenn wir unseren Debattierneulingen sagen: „Dreh den Euro lieber zweimal um, bevor Du auf ein FDL-Turnier fährst“, dann konterkariert das leider das Ziel der FDL. Stattdessen sollten wir die Anreize, die die FDL schafft, prominenter machen, so wie dies etwa durch AM-Artikel ja auch geschieht („FDL-Punktejagd in Freiburg“). Je mehr Clubs mit guten Rednerinnen und Rednern um den Sieg in der FDL kämpfen, desto besser für die Szene (und die Stimmung auf den FDL-Turnieren, die dann familiärer und spaßiger werden).

  15. Peter G. sagt:

    Auch mal zum Offtopic-Teil, der anscheinend fast mehr Diskussionspotential bietet, da Sarah in ihrem Artikel einfach solide Arbeit geleistet hat:
    Von der Passung des 1./2. Liga Bsp. mal kurz abgesehen: Sabrina sagte nicht, dass sie ihren Leuten im Club sagt: „Dreh mal deinen Euro zweimal um“, sondern bezog sich auf Kommunikation mit Nicht-Debattanten. Da ist ein so stark vereinfachendes Bsp. vllt. angebrachter. Hier bleib doch bitte bei dem was geschrieben wurde, Daniil. Und dass man es sich zweimal überlegt, von Greifswald nach Freiburg zu fahren, um da auf einem FDL-Turnier zu reden ist sowohl verständlich, als auch üblich… Anyways:
    Die FDL hat aktuell eine mMn schwierige Doppelposition. Einerseits soll sie „Liga“ sein, und stellt hier die einzige und damit erste Bundesliga dar. Ich finde es begrüßenswert, wenn sie in der Szene auch als solche „ernst genommen“ wird. Andererseits soll sie aber auch „Spielwiese“ für Nachwuchs, abseits der bestehenden „Elite“, sein und möglichst unkomplizierte, schöne und kreative Turniere ermöglichen. Die Zeit-Debatten mäandern ein wenig im freien Raum darüber, folgen aber keinem Liga-System sondern sind lediglich einzelne (Groß-)Ereignisse. Als festes Team, oder zumindest mal als Leistungsträger in einem Club priorisiert man grundsätzlich den Start auf Zeit-Debatten. Da aber auch andere Clubmitglieder gerne auf Turniere möchten, erhalten die FDL-Turniere ganz automatisch einen Bias in Form von mehr schwachen und weniger starken Teams als auf einer ZD. (Mal vorrausgesetzt man praktiziert eine wenigstens annähernd faire Platzvergabe innerhalb der Clubs…) Die Szene ist inzwischen ausreichend groß, als dass es immer seltener wird, dass man irgendwo mehrere Startplätze bekommt. Schickt man nun auf einige Turniere seine Nachwuchsteams und nicht die Elite, dann verliert man direkt wichtige (?) Punkte innerhalb des Ligasystems. Um wenigstens ein bisschen zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Es wäre ja auch gerade bei guten Rednern begrüßenswert, wenn sie ihre Expertise in der FDL nach und nach auch in Jurationen ausbauen und/oder einbringen können. Ein Gesamtsieg ist dadurch ausgeschlossen. Dass dies eine Entwertung der Liga darstellt ist klar, hier messen sich eben nicht die Clubs miteinander, sondern letztlich wird nur ein wenig Statistik geführt, die dummerweise nicht besonders aussagekräftig ist. Bleiben wir beim Fußballbeispiel: Wenn man die Spieler auf der Bank auch einsetzen will, weil man es fairer findet, dann wird man eben nicht Tabellenerster. Die Bayern lassen hier grüßen 😉 (Die Einzelrednertabelle ist allerdings wenigstens in etwa repräsentativ)
    Wenn aber die FDL-Turniere aus fragwürdigem Ehrgeiz auch nur noch von den Top-Teams angelaufen werden, hat unser Nachwuchs überhaupt keine Chance mehr sich zu etablieren und Erfahrung zu sammeln.
    Daher ist die Abwertung der Liga aktuell systemimmanent. Eine Auflösung des Dilemmas ist nicht in Sicht, aber vielleicht nicht unbedingt notwendig. Den einzigen Vorschlag, den ich in dieser Richtung hätte: Zeit-Debatten in den FDL integrieren und mit doppelten Punkten eingehen lassen. (Spontaner Gedankenerguss, noch nicht durchdacht)

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