Mit guten Freunden geht man grillen und debattieren – Leonardo Martinez berichtet vom Hannoveraner Freundschaftsturnier 2016

Datum: 2. September 2016
Redakteur:
Kategorie: Turniere

Seit mehreren Jahren treffen sich am Ende der Saison die Debattierclubs der Region Nord zu einem Eintagesturnier, wo sie freundlich gegeneinander debattieren und einen schönen Tag miteinander verbringen. Unter der Federführung von Jan Riemer und Janina Dahl fand am 13. August das zweite Hannoveraner Freundschaftsturnier statt, wo nicht nur norddeutsche Teams, sondern auch Teams aus Jena und Magdeburg antraten. Das Format war OPD und es traten 8 Teams an.

Das Finale - © DC Hannover

Das Finale – © DC Hannover

Es ist Samstag, früh am Morgen, zu früh wenn man mich fragt. Mehrere Hamburger stehen schon am Gleis und warten auf den Zug. Wohin geht es? Nach Hannover! Aber was bitteschön haben wir dort verloren, dass wir freiwillig dorthin fahren? Es ist das Freundschaftsturnier, zu dem der örtliche Debattierclub einlädt. Drei Vorrunden und ein Finale stehen an, und, viel wichtiger, es wartet schon jede Menge Grillgut auf uns.  Mindestens ein Hamburger sollte fahren, um den Wanderpokal nach Hannover zu bringen. Eine Stimme äußert, dies sei unnötig, denn den Pokal bringen wir sowieso am Abend wieder zurück. Spoiler: Das ist nicht so geschehen. Aber das war nicht so wichtig, wir wollten uns hauptsächlich von der Turniersaison verabschieden und einen netten Tag verbringen. Dafür haben die Gastgeber erfolgreich gesorgt.

Was haben die Chefjuroren für uns vorbereitet? Was halten Elin Böttrich und Nicolas Garz für besonders spannend und debattierwürdig? Scientology, XXX-Themen und die Weiße Rose. Fußball selbstverständlich auch! Aber mal ein bisschen langsamer. Nachdem bestimmt wird, dass die Vorrunden aufgrund der Teamanzahl ohne Freie Redner stattfinden soll, geht es schon mit der ersten Themenverkündung los: „Sollten Kinder, deren Eltern in Sekten sind, in staatliche Obhut gegeben werden?“ Nachdem geklärt wird, dass es sich nicht um Insekten oder stattliche Obhut handelt, fangen schon die ersten Vorbereitungen an. Kaffeeschlürfend höre ich mir an, ob der Staat Kinder vor „ungewöhnlichen“ Lebensstilen schützen sollte, selbst wenn dies eine Trennung von deren sozialen Umfeldern bedeutet. Man hätte stundenlang darüber debattieren können, aber der Zeitplan muss eingehalten werden. „Sollten wir die Ausbreitung von Internetplattformen mit legalen pornographischen Inhalten bedauern?“ fragen uns Elin und Nico. Die Teams haben nun die Mögichkeit, über eine neue sexuelle Revolution und den Wert der Prüderie zu reden. Keine triviale Thematik, aber hochrelevant im Internet-Zeitalter! Zweideutige Sätze sind zum Glück (oder leider?) optional.

Die Jurorenbank hat Spaß - © DC Hannover

Die Jurorenbank hat Spaß – © DC Hannover

Die dritte Runde ist eine Reise in die Vergangenheit. Sophie Scholl, Mitglied der Weißen Rose, wird von den Nazis gefasst und verhört. „Sollte Sophie Scholl kein Geständnis ablegen?“ lautet nun die Streitfrage, ob sie ihren Werten treu bleibt oder die Chance nutzt, frei davonzukommen. In dieser Runde sehe ich keine Debatte, weil der Tabraum mich braucht. Zügig läuft die Runde, ohne Feedback, und schon verlassen wir das Gebäude, denn draußen wartet der Finalsaal (die Wiese) und die Breakverkündung. Gegrillt wird während des Finales, also hat die Teilnahme an diesem eine Schattenseite, denn wer reden muss, darf erst später essen. Wer schafft den Sprung? Göttingen (Anne Gaa, Habakuk Hain, Elâ Akay) und Hannover A (Marco Albers, Henrik Ehlers und Johannes). Da aber einer der Hannoveraner Redner bereits abgereist ist, breaken Marco und Henrik als Freie Redner und es rückt das Team aus Hamburg nach: Larsi, Anni und Janachen (Lars Brandt, Annika Ratschow, Jana Laub); dritter Freier Redner wird Erik Thierolf. Juriert wird die Debatte von Elin Böttrich, Peter Croonenbroek und Katharina Hildebrandt während Nico, mit dem Pokal vor ihm, präsidiert.

Das Siegerteam Habakuk, Ela, Anne - © DC Hannover

Das Siegerteam Habakuk, Elâ, Anne – © DC Hannover

Die Chefjuroren definieren den Begriff des Party-Patriotismus als den während eines Sportevents feierlich zelebrierten Nationalstolz. „Sollte Deutschland den Party-Patriotismus bereuen?“ lautet das Finalthema. Der Streit zwischen der Hamburger Regierung und der Göttinger Opposition wird hitzig. Hat der Sport das Tabu des Patriotismus aufgebrochen oder bloß den Rassismus in den Hintergrund geschoben? Sollten verschwitzte Sportler diesen Diskurs lenken? Was ist eigentlich mit Merkels Selfie mit Poldi? Warum dürfen die Zuhörer eigentlich schon jetzt Bier trinken? Um diese und viele anderen Fragen dreht sich die Debatte. Am Ende siegt Göttingen und der offizielle Teil des Tages ist nun vorbei, aber wie bei jeder Debattierveranstaltung wird noch stundenlang geredet und gelabert. Irgendwann steigen wir wieder in den Zug ein und fahren nach Hamburg zurück, äußerst zufrieden und in einigen Blicken die Frage erkennbar: Warum gibt es diese blöde Sommerpause und wann ist eigentlich das nächste Turnier?

Die Top 5 Redner:

  1. Marco Albers, 141,5 Punkte
  2. Jana Laub, 139,5 Punkte
  3. Anne Gaa, 139 Punkte
  4. Henrik Ehlers, 135,5 Punkte
  5. Habakuk Hain, 135,5 Punkte

 

Leonardo Martinez/jm.

Leonardo Martinez debattiert seit 2012 und war von 2013 bis 2016 im Vorstand des Debattierclub Hamburg. Er war Cheforganisator der ZEIT DEBATTE Hamburg 2016 und Chefjuror des Hannoveraner Freundschaftsturniers 2015. Derzeit studiert er Wirtschaftsmathematik, M.Sc. an der Universität Hamburg.

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