Vom Slippery Slope bis zur Blackbox – Andrea Gau über Fehler bei der Themensetzung

Datum: Nov 4th, 2015
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Category: Jurier-Think Tank, Jurieren, Mittwochs-Feature

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13 Kommentare zu “Vom Slippery Slope bis zur Blackbox – Andrea Gau über Fehler bei der Themensetzung”

  1. Daniil says:

    Wer Andreas Vortrag gerne in Gänze sehen und hören möchte (Dauer: 28 Min), kann dies auf dem einschlägigen Kanal tun, wo sowohl der Vortrag selbst als auch die dazugehörige Diskussion zur Verfügung gestellt sind:

    https://www.youtube.com/watch?v=nO7RAXX27yI

  2. Jonathan Scholbach says:

    Der Artikel sollte Pflichtlektüre für alle Chefjuries werden.

    Die Typologie von Fehlern, die Du aufmachst, ist ein großer Gewinn, weil sie lehrbar macht, was man falsch machen kann. Die Typen, die Du in Deiner CJ-Erfahrung destilliert hast, sind sehr aussagekräftig und die relevanten. Vielen Dank für diese Arbeit!

    Ich möchte nur noch einen weiteren Typus erwähnen: Motions, die kein Problem lösen. Sie geben der (ersten) Regierung das Problem, dass sie eine wesentliche Beweislast nicht erfüllen kann – dass es notwendig ist, etwas zu ändern. (Erste) Regierungen müssen dann erst lange nach einem Problem suchen und erkennen, dass es keins gibt. Sie müssen dann den Job der Chefjury machen und explizit erklären, dass eine Symboldebatte geführt wird.
    Beispiele dafür sind in meinen Augen “Sollte Strafgefangenen das Wahlrecht entzogen werden?” und “DHW nationale Herkunftsbezeichnungen auf Produkten (wie “Made in Bulgaria”, “Made in Spain”, etc.) durch “Made in the EU” ersetzen.
    Bei “DHW Motorradfahren verbieten” bin ich nicht sicher, ob das ein gutes Beispiel für “offensichtliche slippery slope” ist. Wir haben das ja gerade in Göttingen debattiert, und man kann eine Abgrenzung über die unnötige (da durch Motorradfahren durch Autofahren substituierbar) Fremdgefährdung aufmachen. Aber das ist wirklich nur eine Kleinigkeit.

  3. Nadine Bernhardt says:

    Danke für diesen großartigen Artikel. Ich denke, wenn diese Kriterien regelmäßig überprüft werden, auf eine jedem Chefjuror entgegen kommende Art und Weise, kann sich Debattierdeutschland auf tolle Turniere freuen.

  4. Robert P aus P says:

    Danke für diesen tollen Artikel / Vortrag! Ich finde gerade die sehr konkreten Empfehlungen sehr hilfreich und musste nebenbei öfter lächel, weil man natürlich einige der Themen kennt.

    Bei einer Sache möchte ich widersprechen:.”[…] in Wirtschaftsdebatten rein logisch herleiten lässt.” Rein logisch lässt sich, gerade in Wirtschaftsdebatten, realitätsferner Bullshit herleiten (gibt eine ganze Lehre an Universitäten, die das gerne macht ;-)). Das Problem sind hier nicht nur andere Teams, sondern auch Juroren, die keine Ahnung von Wirtschaft haben und dann eben gerade schön logisch Hergeleitetes glauben. Meiner Erfahrung nach laufen viele Wirtschaftsdebatten ähnlich ab: a) einer hat Ahnung von Wirtschaft, kann das zeigen und dann alles behaupten, was er möchte oder b) eine realitätsferne Prämisse wird gekauft und etwas Realitätsfernes als gewinnender Case geglaubt.

    Daher würde ich Wirtschaftsdebatten ohne Einschränkung zu den Blackbox-Debatten zählen und deren Probleme und Lösungsvorschläge ernst nehmen.

  5. Peter G. says:

    Schöner Artikel!
    Auch für Clubvorstände mehr als interessant, nicht nur Chefjujoren sollten das lesen!
    @Jonathan: Ganz privat verspreche ich dir, dass man Motorradfahren nicht durch Autofahren substituieren kann 😉 Davon aber mal völlig abgesehen: Den Juror will ich sehen, der einkauft, dass ein Motorrad eine höhere FREMDgefährdung aufweist, als ein Auto. Das Beispiel ist schon völlig korrekt…

  6. Daniil says:

    Mit der Veröffentlichung von Andreas Vortrag ist auch gleichzeitig der Schlusspunkt in der Nachbereitung des 1. Jurier-Think-Tanks gesetzt. Es finden sich nun alle (verschriftlichten) Beiträge in gekürzter Form auf der Achten Minute. Außerdem sind alle Beiträge (in voller Länge) sowie die Powerpoint Präsentationen und Videos auf einen Blick auf dem Blog für Jurierqualität (http://jurierqualitaet.blogspot.de) abgespeichert.

    Ich möchte mich an dieser Stelle – ganz sicher auch im Namen von Patrick – noch einmal ganz herzlich bei allen Bedanken, die zu diesem Projekt beigetragen haben. Ohne alle einzeln erwähnen zu können geht ein großer Dank an die finanziellen (und ideellen!) Unterstützer von der DDG und den VDCH-Vorstand sowie an den DCBG Marburg und seine wunderbare Präsidentin Sabrina für die (herausragende!) Durchführung vor Ort. Danke auch an die Achte Minute Redaktion für die enge Kooperation bei der Veröffentlichung sowie an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die die Veranstaltung bereichert haben. Vor allem aber natürlich vielen Dank an das historische Panel sowie an alle Referentinnen und Referenten, die sich beworben haben und ihre Ideen in Vorträgen und Artikeln verarbeitet haben. Wenn das kein AM-Kommentar wäre, sondern ein Turnier, gäbe es sicher Standing Ovations für euch!

  7. Lennart Lokstein says:

    Bin ich der einzige, der den Seitenhieb auf die ZD Göttingen bemerkt hat? :’D

  8. Jonathan Scholbach says:

    Bist Du der einzige, der kein Interesse an der Frage hat, wie zukünftige Themen besser werden, und der vergangene Fehler lieber dazu nutzt, um auf alten Kamellen rumzukauen?

  9. Nicolas F. (Göttingen) says:

    Ich sehe weder Seitenhiebe und noch viel weniger Fehler ! 🙂

  10. Andrea G. (Mainz) says:

    Das vermutlich angesprochene Beispiel habe ich, wie aus der Videoaufnahme vom Think Tank im Juni zu sehen, bereits Monate vor der ZD Göttingen zur Illustration verwendet. Mit ein bisschen Goodwill könnte man also auf die Idee kommen, dass es sich hier nicht um einen Seitenhieb handelt, sondern einfach um eine Niederschrift des Vortrags.

  11. Witthaut says:

    Huhu! Ich schließe mich allen positiven Kommentaren an und danke sehr für diesen Artikel!!!

    Dennoch würde ich gerne eine Sache im Detail diskutieren – wobei ich dem Artikel nicht widerspreche, sondern nur Gedanken hinzufügen möchte -, denn ich glaube mit den anzusprechenden Punkten gibt es ein generelles Problem. Es geht um die Blackbox-Debatten:

    1.) „Jede dieser Debatten wird in unteren bis mittleren Räumen völlig gleich aussehen. Die eine Seite wird behaupten: „Wir retten mit diesem Vorschlag die Welt.“, die andere Seite: „Mit diesem Vorschlag geht die Welt unter.“ Grund dafür ist, dass sich das Wissen über naturwissenschaftliche Prozesse ohne Fachkenntnis noch wesentlich schlechter als z. Bsp. in Wirtschaftsdebatten rein logisch herleiten lässt. Nur eine absolute Minderzahl der Debattierer hat echtes Wissen über die realistischen Risiken und Nutzen, die sich durch eine bestimmte technische Neuerung ergeben. Die Debatte verlangt jedoch genau nach einer solchen Abwägung. Daher wird fast immer der größtmögliche Nutzen bzw. der größtmögliche Schaden konstruiert, da das Unwissen über mögliche Folgen der einzige Ansatzpunkt ist.“

    Ich glaube, dass der Ansatz „Debattierer wissen über ein Gebiet zu wenig“ als Handlungsmaxime der falsche ist. Dazu muss ich größer ausholen:

    Die Mehrzahl der Debattierer sind Geistes- oder Sozialwissenschaftler. Daher hat sich ein Debattierhabitus entwickelt, als Vorbereitung die Zeitungsrubriken „Politik“, „Gesellschaft“ und vll auch „Wirtschaft“ zu lesen. Jedoch werden in allen überregionalen Zeitungen auch Rubriken wie „Forschung“ oder „Technik“ gesetzt. Die Möglichkeit sich vollumfänglich über verschiedene Mechaniken zu informieren ist gegeben. Außerdem halte ich die Hürde

    Naturwissenschaftliche Themen sind allein daher eine Rarität, weil der relative Anteil naturwissenschaftlicher Debattierer sehr gering ist und folglich auch der relative Anteil naturwissenschaftlich sozialisierter Chefjuroren sehr gering ist. Themen entstammen – nicht nur, aber – zumeist aus der Wahrnehmung der Welt der ernannten Chefjuroren. Es ist schlicht unwahrscheinlicher, dass ein Historiker intensiv über Fracking nachdenkt, als über Parallelen zwischen dem Eisernen Vorhang und der heutigen Ost-Politik. Das darf aber keine Begründung dafür sein, dass spezielle Themengebiete eher ausgeklammert werden. Zudem ist auch in anderen Bereichen oftmals Fachwissen gefragt, um alle Dimensionen eines Themas erörtern zu können (ein kleines Augenzwinkern an dieser Stelle an alle Juristen 🙂 ).

    Debattieren strebt eigentlich dem Humboldtsches Bildungsideal nach. Es geht um die umfängliche Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. Dazu gehören aber nun mal auch naturwissenschaftlichen Phänomene und Techniken. Deswegen ist auch die Begründung „Debatten über naturwissenschaftliche Neuerungen haben durchaus ihre Berechtigung, nicht zuletzt, weil auch debattierende Naturwissenschaftler zu ihrem Recht kommen sollen.“ richtig aber eigentlich nicht weitgehend genug. Vielmehr müsste hier stehen: „Debatten über naturwissenschaftliche Neuerungen haben durchaus ihre Berechtigung, sie sind ein essentieller Baustein des Verständnis von Debattieren.“

    2.) „Wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass das gewählte Thema nicht nur Argumente über naturwissenschaftliche Zusammenhänge bzw. Nutzen und Risiken beinhaltet. Wirkt sich die neue Möglichkeit deutlich auf den gesellschaftlichen Wertekonsens aus (Beispiel: DHW PID erlauben.“), ergibt sich für alle Teilnehmer der Debatte eine genauere Vorstellung von Gefahren und Risiken, weil sie nicht nur rein naturwissenschaftlich, sondern auch gesellschaftlich begründet sind.

    Der Vorschlag von Andrea ist richtig. Wie wird er jedoch erreicht? Mir ist nicht aus der Begründung schlüssig, warum „DHW PID erlauben“ automatisch eine andere Dimension von gesellschaftlicher Relevanz erfasst als „DHW würde das Klonen von Stammzellen erlauben“. Aber selbst bei den kritischeren Beispielen, wie „Fracking“ und „Geo-Engineering“ ist die weitergehende gesellschaftliche Frage zwar keine bioethische aber eine a) Umweltpolitische Frage und b) vertikale gesellschaftlich-übergreifende Frage. Aus der Argumentation erschleicht sich bei mir der Eindruck, man könne gar nicht auf diese Fragen kommen, jedoch habe ich immer in Debatten um die konkrete Themen erlebt, dass die Ebene der gesellschaftlichen Auswirkungen immer getroffen wurde.

    3.) „je deutlicher diese spezielle Auswirkung jedoch ist, desto besser verläuft gewöhnlich die Debatte.“

    Ich glaube, dass dieses Zitat der Lösungsvorschlag ist. Eine Möglichkeit also mit technischen Themen umzugehen, wäre eine Maßnahme eine konkrete Zielsetzung anzubinden. Vergleichsweise gut hat das der Masters Cup dieses Jahr gemacht, der die Frage des Climate-Engineerings wie folgt formuliert hat: DHG, die Antwort auf Klimawandel ist Climate-Engineering. Eine andere Möglichkeit war die ZEIT DEBATTE Aachen, die damals PID mit der Zielsetzung verknüpft hat, tauben Eltern die Möglichkeit zu geben, taube Kinder zu gebären. Ich glaube der konkrete Einsatz der technischen Maßnahme in der Motion führt zu klareren Debatten, in der das technische Know-How weiter in den Hintergrund gerät.

    Zusammenfassend:

    – Nur weil es wenige naturwissenschaftliche Debattierer gibt, heißt das nicht, dass ihr den Forschungsbereich der Zeitung auslassen könnt!
    – Weitere Dimensionen von naturwissenschaftlichen Themen sind nicht nur bioethische Fragen sondern gehen weit darüber hinaus!
    – Setzt Zielformulierungen in die Motions, um klarere Debatten zu schaffen!

    LG mit der Hoffnung auf eine kleine Nebenschauplatzdiskussionen,
    Willy

  12. Leonardo M (HH) says:

    Danke Willy, dass du meine Gedanken aussprichst (besser als ich es selbst könnte).

    Als Wirtschaftsmathematiker mit Amateurinteresse für Naturwissenschaften spüre ich eine gewisse Ironie, wenn “Wirtschaftsthemen” eher unbeliebt in der Szene sind, es aber in Ordnung ist, Themen zu stellen, in denen es z.B. um Gerichte, Richter oder andere Elemente der Rechtswissenschaften geht. Auch bei solchen Themen laufen 80% der Debatten schief, weil keiner den Unterschied zwischen Strafrecht und Zivilrecht kennt, oder weil sich die Debattanten unter dem Begriff “Rechtspositivismus” nur einen Haufen heiterer, optimistischer Anwälte vorstellen können. Der kollektive Facepalm von Mmes Schunicht, Gau und der anderen Juristinnen ähnelt meinen eigenen, wenn ich in einer schlechten Zinspolitik-Debatte sitze.

    Natürlich plädiere ich nicht für eine Abschaffung von Rechtsthemen, weil sogar ich mittlerwile eine oder zwei Sachen von den Debatten mitgenommen habe. Themen können eine bildende Funktion haben und die Debattanten dazu zwingen, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die sie andernfalls ignorieren würden. Ja, viele Zeitungen haben Wirtschaftsressorts, aber einige Debattierer würden beim Lesen solcher Texte sogar in einem startenden Flugzeug mit weinenden Kindern einschlafen. Noch schlimmer ist es mit den Naturwissenschaften: Eilmeldung, nicht alle Menschen auf der Erde haben Hawkings “A Brief History of Time” gelesen.
    Deswegen ist dieses Feingefühl gefragt, Themen so zu stellen, dass sie nicht nur mit Fachwissen gewinnbar sind. Da schließe ich mich Willy und Andrea an.

    Beste Grüße aus dem Norden,
    Leonardo

  13. Robert P aus P says:

    Lieber Leonardo,

    zumindest mich missverstehst du. Ich finde es sehr einseitig jetzt nur auf das Wissen der Debattanten einzugehen, gerade bei Wirtschaftsdebatten. Wer keine Ahnung hat wird dann verlieren. Es ist doch aber illusorisch zu denken, viele Debattierer haben von dem Thema keine Ahnung, die Juroren aber schon. Ich gehe jetzt mal ganz pauschal davon aus, das das Allgemeinwissen der Juroren nicht signifikant höher ist, als das der Redner (also zumindest meine Allgemeinbildung steigt dann nicht jedes mal sprunghaft an).

    Und hier wird der schaden jedoch sofort ungleich höher. Dann verlieren unter Umständen Teams, die einfach richtig lagen (und das hab ich oben beschrieben).

    Daher reicht mir hier nicht als Begründung zu sagen, dann müssen die Redner eben den Wirtschaftsteil lesen. Ich stimme dir zu, wer ein blinden Fleck hat verliert dort eben. Solange aber Juroren nicht alles wissen und es eventuell Bereiche gibt, wo das Wissen von sehr vielen sehr gering ist, dann finde ich schon, wir sollten darüber nachdenken, ob (oder wie) wir solche Themen stellen wollen. Daher stimme ich Andrea zu bei Ihrer Analyse und würde das eben nur auch auf Wirtschaftsthemen ausweiten.

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