400 Wörter in der Minute / Debatte um Debattenformate in den USA

Datum: 7. September 2010
Redakteur:
Kategorie: Presseschau

Was sind 400 Wörter in einer Minute? Ganz schön schnell! Anders als bei der parlamentarischen Debatte geht es bei der vor allem in den USA verbreiteten „Policy Debate“ (auch als Cross-Examination Debate oder CX bekannt) darum, möglichst  viel  zu einem lange vorbereiteten Thema zu sagen. Wer schon einmal mit amerikanischen Debattanten gesprochen hat oder in den USA einen Auslandsaufenthalt verbracht hat, wird die dort weit verbreitete „Policy Debate“ kennen gelernt und sich wohl auch darüber gewundert haben: Die Debattanten sprechen in einem rasenden Tempo, so dass ohne Übung niemand mehr der Debatte folgen kann, und halten für eine Debatte mehrere große Plastiktruhen voller „Evidence“ (Beweismittel) bereit, die alles von einfachen Zeitungsartikeln bis zu seitenlangen Fachartikeln über besondere Teilaspekte eines Themas umfasst. Policy Debate entstand in den USA und ist dort an Hochschulen und High Schools das vorherrschende Format.

In Europa, und insbesondere im deutschsprachigen Raum, herrscht dagegen die parlamentarische Debatte mit ihren verschiedenen Formaten vor. Bei beiden Stilen geht es fundamental um das Selbe: Rednerteams müssen für oder gegen eine bestimmte Sache eintreten und ihre Gegner in einer festgelegten Abfolge von Reden widerlegen. In der uns bekannten parlamentarischen Debatte stehen die Themen üblicherweise erst kurz vor der Debatte fest, und schon aus rein praktischen, aber auch grundsätzlichen Gründen werden Beweise, Belege durch Statistiken oder wissenschaftliche Studien nicht verwendet. Bei der Policy Debate dagegen wird großes Augenmerk auf Recherche, genaueste Vorbereitung und Beweise für die eigenen Statements gelegt. Dies ist auch deshalb möglich, weil es für die ganze Debattiersaison nur ein einziges Thema gibt, welches vom lokalen bis zum nationalen Level debattiert wird. Das „Resolution“ genannte Thema etwa der vergangenen Saison 2009/10 lautete „The United States federal government should substantially reduce the size of its nuclear weapons arsenal, and/or substantially reduce and restrict the role and/or missions of its nuclear weapons arsenal.”

Das amerikanische Online-Magazin Slate hat nun eine besondere Buchbesprechung der Autobiographie eines amerikanischen Debattanten veröffentlicht: Die Debatte um das Buch „Wisenheimer: A Childhood Subject to Debate“ von Mark Oppenheimer wird von Oppenheimer selbst und Michael Horowitz, Gewinner des National Debate Tournament 2000, geführt. Während Oppenheimer ein Kind der parlamentarischen Debatte ist, war Michael Horowitz ein Policy-Debattant. In sechs kurzen Artikeln debattieren die beiden nun über die Vor- und Nachteile der beiden Debattierstile, die jeweilige Philosophie hinter den Stilen, aber auch über deren Gemeinsamkeiten. So diene etwa die Policy Debate eher der demokratischen Kultur, da man lerne, zu wissen worüber man redet – auf der anderen Seite lehre parlamentarische Debatte Allgemeinwissen, Gewandtheit und die Fähigkeit, schnell den Kern eines Themas zu erkunden. Viele Debattanten aus der ganzen Welt haben den Artikel bereits kommentiert und eine interessante Diskussion entstehen lassen. Darunter ist auch der niederländische Debattier-Veteran Daniel Schut, der in der Debatte ein falsches Dilemma entdeckt haben will und meint, dass Debattanten hier ein zu starkes Stammesdenken entwickeln.

Florian Prischl / apf

Anschauungsmaterial: So klingt eine Policy Debate – verstehen können das nur noch Profis.

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5 Kommentare zu “400 Wörter in der Minute / Debatte um Debattenformate in den USA”

  1. Chris K. sagt:

    Ok, ich bin platt… Wer mir eine Öffentlichkeit zeigt, die das überzeugt, kriegt ein alkoholfreies Freigetränk.

  2. Verena Gräf sagt:

    Das ist ja total anstregend anzuhören. Nais … NOT. Der Typ klingt, als hätte er Atemprobleme. Wozu soll das gut sein? Da kommt ja echt keiner mit. Und ich dachte immer, ich könnte schnell reden!

  3. DanielG sagt:

    Das ist ja schlimm.

  4. Sarah (MZ) sagt:

    Boah! Das Schlimme ist nicht die Geschwindigkeit, sondern der hysterische Tonfall, als würde er erschossen, wenn er die geforderten Wörter pro Minute nicht schafft. (Vielleicht daher auch das panisch klingende Luftholen.)
    Danke aber für den Artikel. Ich habe mal eine Cold Case-Folge gesehen, in der der Tod eines Debattierers untersucht wurde, und ich habe mich die ganze Zeit gewundert, wie das Debattieren dargestellt wird. Jetzt klingelt’s: Es ging um Policy Debate. Schade eigentlich, dass das hier nicht verbreitet ist, klingt prinzipiell total interessant.

  5. Andi sagt:

    Kreuzt Euch den Tag im Kalender an, ich stimme mit Christoph überein! Policy-Debate schult wohl wirklich Recherche und Fachwissen, aber was bringt das, wenn keiner mehr versteht, was man Kluges sagt?

Kommentare sind geschlossen.

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