Debatte – „eine sinnvolle Alternative“ im Fernsehen: Stefan Zekorn von 3sat im Gespräch

Datum: 1. November 2012
Redakteur:
Kategorie: Politik und Gesellschaft

Am 27. August 2012 wurde, live übertragen aus Berlin, zum ersten Mal die 3sat Debatte  ausgestrahlt. Etwa 280.000 Zuschauer verfolgten vor Ihren Fernsehbildschirmen den am Beispiel der studentischen Debatte orientierten, intellektuellen Redewettstreit.

Zum Thema „Der Islam passt zu unseren westlichen Werte“ redeten, stritten und argumentierten für die These die ehemalige Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan und Tarafa Baghajati, einer der Mitbegründer der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen und gegen die These der deutsch-ägyptische Historiker Hamed Abdel-Samad sowie Michael Schmidt- Salomon, Vorsitzender der Giordano- Bruno-Stiftung. Jeweils fünf Minuten hatten die Redner und Rednerinnen für ihre Eröffnungsstatements Zeit, bevor das Publikum seine Fragen an die Gäste richten und Meinungen äußern konnte. Zum Schluss kamen die Gäste noch einmal für je zwei Minuten zu Wort. Abstimmen konnte das Publikum einmal vor der Sendung und einmal nach der Sendung.

Achte Minute: Herr Zekorn, war die 3sat Debatte Ihrer Ansicht nach ein Erfolg?

Zekorn: Mir persönlich hat sie natürlich sehr gut gefallen … Wenn ich von der Idee und deren Erfolg nicht überzeugt gewesen wäre, hätte ich den Versuch, Debattieren ins Fernsehen zu bringen, nicht so ausdrücklich unterstützt. Glücklicherweise ging es aber nicht nur mir so: Auch die Rückmeldungen meiner Kolleginnen und Kollegen waren durchweg positiv – sowohl in privaten Gesprächen, als auch bei offiziellen Gesprächskreisen, in denen wir unsere Programme evaluieren. Vor allem die ARD wurde in der Vergangenheit für die Menge der ausgestrahlten Talkshows oft kritisiert. Für viele ist ein Format, bei dem die Redner und Rednerinnen die Chance haben auszusprechen und eine Argumentationskette aufzubauen, nicht nur eine willkommene Abwechslung, sondern auch eine sinnvolle Alternative.

Achte Minute: Intern waren die Rückmeldungen also sehr gut. Auch das Publikum, beispielsweise auf Twitter, schien wirklich angetan zu sein. Gab es, gerade von außen, überhaupt Kritik am dem Format?

Zekorn: Kritik an dem Format selbst gab es kaum. Wenn etwas kritisiert wurde, dann war es das Thema der Debatte. Allerdings war es durchaus von uns beabsichtigt, ein sehr kontroverses Thema zu wählen. Kritik daran war da natürlich vorprogrammiert.

Achte Minute: Jetzt fehlt, neben Programmmachern und Publikum, noch eine letzte Gruppe: Wie kam das Format bei Ihren Gästen, also den Rednerinnen und Rednern der Debatte an?

Achte Minute: Direkt nach der Liveübertragung sind wir natürlich beieinander gestanden und haben die letzte Stunde Revue passieren lassen. Alle vier waren wirklich zufrieden. Für Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist es ein großer Gewinn, sich auf eine bestimmte Redezeit vorbereiten zu können und zu wissen, dass diese festgelegte Zeitspanne nicht verhandelbar ist und man währenddessen mit keinen Unterbrechungen rechnen muss. Für eine fundierte und auf Fakten gegründete Argumentation haben herkömmliche Talkshows ja oft keinen Platz.

Achte Minute: Soviel positives Feedback von allen Seiten lässt vermuten, dass bereits weitere Sendungen zu weiteren Themen geplant sind?

Zekorn: Ja, das haben wir vor. Über das Jahr hinweg arbeitet der Sender mit verschiedenen Themenschwerpunken. Toll wäre es, wenn wir es hinbekommen könnten, zu jedem inhaltlichen Schwerpunkt eine 3sat Debatte zu veranstalten und live auszustrahlen.

Achte Minute: Inwiefern sind Änderungen im Ablauf der Debatte geplant? Gerade im Hinblick auf die Publikumsbeteiligung wüsste ich gerne, ob und welche Modifizierungen Sie in Betracht ziehen.

Zekorn: Im Moment ist im Gespräch, die Publikumsbeteiligung sogar noch auszubauen. Der aktuelle Ablauf sieht vor, dass die Redner und Rednerinnen am Ende noch einmal 2 Minuten Zeit haben, um ein abschließendes Statement zu geben. In der Pilotfolge wurden die Schlussstatements leider nicht dazu genutzt, ein Fazit zu ziehen, sondern um schon da gewesene Argumente zu wiederholen. Hier wollen wir zugunsten des Publikums die Redezeiten kürzen und diesem noch mehr Gelegenheit bieten, zu intervenieren und seine Meinung zu äußern.

Achte Minute: Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit und die Chancen ein durch die 3sat Debatte die Diskussionskultur im Deutschen Fernsehen langfristig zu prägen und zu verändern?

Zekorn: Ich kann wirklich nur hoffen, dass genau dies eintrifft. Und, ehrlich gesagt, Anzeichen dafür habe ich bereits entdeckt. Wie Sie vielleicht wissen, startet im November auch Stefan Raab mit einem neuen Talkformat, in welchem sich verschiedene Gäste zu vier Themen äußern und die Zuschauer am Ende entscheiden können, welchen der Redner sie am überzeugendsten fanden. Da sind ja durchaus Parallelen zu erkennen. Und auch wir haben uns an einem Format der BBC orientiert. Ob es zu tiefgreifenden Veränderungen führt, wage ich aber noch nicht einzuschätzen. Begrüßenswert wäre eine Entwicklung weg von den Shows, in denen es vielen nur um Selbstdarstellung geht,
und hin zu einer thematischen und inhaltlichen Auseinandersetzung.

Achte Minute: Und zu guter Letzt: Welcher der Redner hat Sie persönlich am Meisten beeindruckt?

Zekorn: (lacht) Das ist eine schwierige Frage. Alle unsere Redner sind ja geübt darin, politische Debatten zu führen und sowohl rhetorisch als auch argumentativ wirklich hervorragen. Diese Routine hat man, finde ich, vor allem Schmidt-Salomon angemerkt. Inhaltlich fand ich Gesine Schwan sehr stark.

Achte Minute: Vielen Dank für das Gespräch.

Stefan Zekorn leitet die Subkoordination Wissen bei den öffentlich- rechtlichen Sendern ZDFkultur und 3sat und ist zuständig für die Kooperation mit Februar-Film, der Produktionsfirma der 3sat Debatte. Das Interview führte Anna Mattes, Vizepräsidentin des VDCH mit dem Zuständigkeitsbereich Presse-und Öffentlichkeitsarbeit.

Text: Anna Mattes / glx

Dieser Artikel erschien in der aktuellen Ausgabe des Newsletters “Debattenkultur” des Verbands der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH). Die Oktoberausgabe des Newsletters dreht sich um das Thema “Debatte im Aufwind” – Sie finden sie hier.

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