Simulation und Wirklichkeit: Christian Landrock über Debattieren und Landtag

Datum: Apr 30th, 2014
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Category: Debattieren in der Öffentlichkeit, Mittwochs-Feature, Politik und Gesellschaft

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4 Kommentare zu “Simulation und Wirklichkeit: Christian Landrock über Debattieren und Landtag”

  1. Marc von Falkenberg says:

    Genialer Artikel, inhaltlich wie rhetorisch sehr gelungen! Vielen Dank Christian! 4 Kommentare – Niveau im Parlement; das Merkel-Syndrom; die fehlende Gestik; der zwiegespaltene Politiker

    1. Niveau im Parlement: Es freut zu hören, dass das Niveau der Reden im Parlament wohl besser als ihr Ruf ist. Allerdings werden die Reden vorher geschrieben – länger als 15 min, mit Feedback zwischendurch, mit elektronischen Hilfsmittel. Müssen Politiker spontan sein, etwa bei Zwischenfragen, Interviews oder im direkten Gespräch leidet die Rhetorik deutlich bis hin zu medienwirksam bekannten Totalausfällen.

    2. Das Merkel-Syndrom hat die Rhetorik in der Politik leider weiter entwertet. “Man muss das Gesetzesgeflecht beachten? Drauf geschissen! Ich versprech’, was ich will. Die Verfassung ist mir Wurst, soll das Verfassungsgericht sich d’rum kümmern! Konsistenz, das ist doch Hebräisch, oder?”

    3. Die fehlende Gestik würde ich mir durch die unterschiedliche Wichtung der Kategorien im realen Leben erklären. Wenn meine Körpersprache nicht so genial ist, stört das wenig. Wenn ich mich aber verspreche, den Faden verliere oder gar etwas dummes Sage, dann wird das der politische Gegner und vermutlich auch die Medien zu vermarkten wissen. Also lieber auf’s Blatt gucken und volle Konzentration auf das, was ich sage.

    4. Politiker sind meiner Meinung nach noch zwiegespaltener als nur Ausschuss – Parlament. Im Ausschuss bin ich ruhig, unaufgeregt, schließlich Suche ich einen Kompromis. Im Parlament dagegen lebt wie im Debattieren der Dissenz. Privat wiederum, kann mein öffentlicher Gegner und Verhandlungspartner hinter verschlossenen Türen vielleicht sogar ein guter Freund sein und vielleicht, haben wir sogar die selbe Meinung. Das darf nur keiner Wissen. 😉

  2. Florian Umscheid says:

    Eine Frage, die mich nun genuin interessiert: hat schon mal eine Parlamentsdebatte einen Parlamentarier bekehrt? Wie ist der Effekt solcher Debatten auf die Ausschüsse?

  3. Christian Landrock says:

    Tja Flo, eine Debatte im Parlament auf Bundes- und Landesebene beeinflusst die Abgeordneten nur bei offenen Debatten, wo jeder Abgeordnete seinem Gewissen zu folgen muss. Hier fällt mir spontan die Debatte um die Hauptstadtfrage Anfang der 90er im Bundestag ein.
    Bei anonymen Abstimmungen können per se die Abgeordneten ihren Gewissen folgen, halten sich aber meistens an die Fraktionsdisziplin.

    Normalerweise werden die Gesetze und Anträge zuerst durch die Arbeitskreise, Ausschüsse und Anhörungen gejagt und kommen erst zum Schluss ins Parlament. Bei der Fraktionssitzung vor den Plenartagen verständigen sich die Arbeitskreisvorsitzenden und die Fraktionsführung auf die Haltung der Fraktion zu den jeweiligen Beschlüssen. Bei den eigenen Anträgen gibt es grundsätzlich kaum Probleme. Bei Vorschlägen des Koalitionspartners wird bereits in den vorbereitenden Gremien Zustimmung oder Ablehnung signalisiert, damit es im Parlament zu keinem öffentlichen Zwist kommt. Die Opposition verhält sich bei Anträgen der Regierungskoalitionen unterschiedlich: Bei Ablehnung bekunden die das in den Reden, bei Zustimmung finden sie das Ansinnen der Regierung gut, die Umsetzung erscheint ihnen jedoch mangelhaft. Bei Abstimmungen wird dann in der Regel im Parlament per Handzeichen abgestimmt.

    Auf kommunaler Ebene, wo es eher um Sachprobleme geht als um ideologische Streitigkeiten, kann es vorkommen, dass die Abgeordneten sich es noch einmal überlegen, wenn in der Rede die Dringlichkeit einer Änderung des Status quo deutlich gemacht wird. Auch erscheint mir hier der Fraktionszwang nicht so stark. Mein Vater hat bspw. aus Gewissensgründen sich bei einer Abstimmung enthalten und das vor der Fraktion begründet.

  4. Jörn(Bremen) says:

    Fraktionsdisziplin
    Das eigene Abstimmungsverhalten an die Vorgaben der Fraktion zu koppeln, wird ja mit der hervorgehobenen Rolle der Parteien nach dem GG begründet, nach dem die Parteien u.a. zur Willensbildung beitragen. Aber ich frage mich, wie dies realisiert werden soll, wenn die Mehrheit der Gesetzesvorhaben de facto nicht öffentlich zugänglich sind: Die Zahl der Abstimmungen beispielsweise im Bundestag ist so groß, dass professionell arbeitende Menschen (Abgeordnete) überfordert sind, alle Gesetzesvorhaben zu studieren. Einzelne Parteimitglieder können dies entsprechend erst recht nicht. Während Abgeordneten aber alle Gesetzesvorhaben vorgelegt werden, bekommen normale Parteimitglieder von ihnen fast immer nur etwas mit, wenn sie bereits beschlossen oder abgelehnt sind. Die öff.-rechtl. Sender zeigen beispielsweise immer nur Ausschnitte der dritten Lesung. Demokratischer wäre es, wenn die rednerische Auseinandersetzung erster Lesungen gezeigt würde, denn dann könnte höhere Aufmerksamkeit generiert werden und normale Parteimitglieder und andere Bürger könnten sich einschalten.

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