„Nach den alten Regeln würde ich unter den Neulingen wüten“: Lennart Lokstein im Gespräch über die Einsteigerliga

Datum: 30. Oktober 2013
Redakteur:
Kategorie: Einsteigerliga, Menschen, Mittwochs-Feature, Turniere

Im August hat Lennart Lokstein von der Streitkultur e.V. Tübingen auf der Achten Minute für eine besser koordinierte Förderung von Einsteigern in Turnieren plädiert. Als Verbesserungsvorschlag präsentierte er die Idee einer Einsteigerliga mit einheitlichen Kriterien: Alle Teilnehmer dürfen vor maximal einem Jahr mit dem Hochschuldebattieren begonnen, auf höchstens zwei Nicht-Einsteigerturnieren geredet und noch kein Hochschuldebattierturnier gewonnen haben. Im Interview berichtet er nun vom aktuellen Stand.

Achte Minute: Lennart, im August hast du eine Einsteigerliga gefordert. Was ist aus der Idee geworden?

Lennart Lokstein: Die Einsteigerliga existiert. Wir haben das auf der Mitgliederversammlung des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) angekündigt und die Rückmeldungen waren durchweg positiv. In dieser Saison wird es bislang vier Turniere geben, die die Kriterien erfüllen: Zwei in Tübingen, eines in Mainz und eines in Berlin.

Warum gibt es gleich zwei Turniere in Tübingen?

Lennart Lokstein (l.), Vorsitzender der Streitkultur e.V. Tübingen, beim Ersti-Abend (c) Thomas Schröter

Lennart Lokstein (l.), Vorsitzender der Streitkultur e.V. Tübingen, beim Ersti-Abend
(c) Thomas Schröter

Lennart: Wir veranstalten sowohl im Herbst als auch im Frühling jeweils ein Einsteigerturnier als Abschluss unserer Einsteigerprogramme. Dabei gibt es zuerst eine Showdebatte, dann können alle einige Male Debattieren üben und zum Schluss gibt es ein Turnier. Das sind die Herbstdebatten, die bald stattfinden werden, und kommendes Jahr der Frischlingscup. Mit diesen Turnieren rückt der Wettkampfgedanke des Debattierens in den Vordergrund: Nur auf einem Turnier kann man das Feedback direkt in einer anschließenden Debatte umsetzen, auf Turnieren lernt man neue Leute auch aus anderen Clubs kennen und kann andere Debatten führen als im Cluballtag. Die Atmosphäre unterscheidet sich von einer Clubdebatte. Ich denke, Turniere sind notwendig, um neue Mitglieder langfristig zu binden, weil sie auch mit am meisten Spaß machen.
Das Einsteigerprogramm im Wintersemester ist natürlich deutlich größer als das im Sommer, aber auch dann gibt es einige Neulinge, etwa Masterstudenten, die nach Tübingen gezogen sind – und dank der Kriterien sollten auch im Sommer die Winter-Einsteiger noch reden können, falls sie nicht schon auf diversen anderen Turnieren waren.

Wird die Einsteigerliga genau wie die Freie Debattierliga im VDCH verankert?

Lennart: Anders als bei der Freien Debattierliga wird es bei der Einsteigerliga keine Tabelle geben, sondern nur eine Klassifizierung anhand einheitlicher Kriterien. Diese Kriterien haben wir auf der VDCH-Mitgliederversammlung verkündet, festgeschrieben haben wir sie dort aber nicht. Sie sollen in dieser Saison getestet werden können, vielleicht werden wir die Kriterien danach noch überarbeiten. Langfristiges Ziel ist es dennoch, die Einsteigerliga beim VDCH als einheitliche Klassifizierung einzurichten.

Sind die Kriterien geblieben, wie du sie vorgeschlagen hattest?

Lennart: Um an einem Einsteigerliga-Turnier teilnehmen zu dürfen, darf man nicht länger als ein Jahr debattieren und auf maximal zwei Nicht-Einsteigerturnieren geredet haben – und keines davon gewinnen. Daran hat sich nichts geändert. Es ist aber nun erlaubt, bei einem Einsteigerturnier zu siegen, ehe man nach dem zweiten Sieg der Liga entwächst. Das haben die Berliner durchgesetzt. Die Argumentation hierbei war, dass bei Neulingen viel Zufall im Spiel sei. Es stimmt schon: Einsteiger nutzen vor allem die offensichtlichen Argumente. Davon profitieren im Format British Parliamentary Style vor allem die Teams in den eröffnenden Positionen. Der Vorteil kann in einer knappen Debatte ausschlaggebend sein und wer mehr oder weniger zufällig dank einer günstigen Position gewinnt, soll nicht von der Einsteigerliga ausgeschlossen werden. In der Offenen Parlamentarischen Debatte gibt es diese Probleme nicht, da pro Seite nur eine Fraktion debattiert. Vielleicht möchten manche auch in beiden Formaten Einsteigerturniere besuchen, das soll ihnen ermöglicht werden.

Im Sinne des Einsteigergedankens fände ich es jedoch schön, wenn die Clubs Teams, die auf Einsteigerliga-Turnieren gewonnen haben, nicht noch einmal in der selben Konstellation, sondern getrennt mit anderen Neulingen schicken würden.

Warum braucht es überhaupt einheitliche Kriterien?

Lennart: Bisher waren die Regelungen für die diversen Einsteigerturniere unglaublich verwirrend und boten viele Möglichkeiten, ausgenutzt zu werden. Ich debattiere erst seit Januar, war aber bereits auf 16 Turnieren. Nach den alten Regeln würde ich die Einsteigerkriterien auf den meisten Turnieren problemlos erfüllen und dabei fröhlich unter den wirklich unerfahrenen Neulingen wüten. Ich glaube, das wäre vielleicht für ein paar Leute lustig, würde aber den eigentlichen Zweck, allen Spaß und ein ausgeglichenes Turnier zu bieten, verfehlen. Darum brauchen wir eine Einsteigerliga, um die Neulinge nicht abzuschrecken. Unsere Trias an Kriterien, die alles abdeckt, stellt sicher, dass auf Einsteigerturnieren wirklich nur Einsteiger reden, und macht die Turnierlandschaft für die Neuen übersichtlicher.

Lieber Lennart, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jonas Huggins.

hug/ak/kem

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Lennart Lokstein ist Vorsitzender des Tübinger Debattierclubs Streitkultur e.V. Er war Sieger des Gutenberg-Cups 2013 und des Anfängerturniers 2013 in Mainz. An der Eberhard Karls-Universität Tübingen studiert er Allgemeine Rhetorik und Philosophie.

Dieser Text entstand im Rahmen des Redaktionsseminars 2013 der Achten Minute, bei dem fünf neue RedakteurInnen für das Online-Magazin der deutschsprachigen Debattierszene ausgebildet wurden.

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