Ein Gespräch zwischen Clubs
Im Rahmen des VDCH-Kickoffs hatte unsere Redakteurin Annika die Möglichkeit sich mit einigen Mitgliedern unterschiedlicher Clubs über deren Alltag und Praktiken etwa zu Socials, Mitgliederbindung und Themenauswahl bei Clubabenden zu unterhalten.
Als ich vor zwei Jahren in den Vorstand meines lokalen Debattierclubs gewählt wurde, war ich nach einer kurzen Phase der Orientierung sehr schnell sehr überfordert mit allem. Ich wollte in sehr kurzer Zeit viel zu viel. Eine Campus-Debatte? Aber natürlich wollte ich auch in die Cheforga. Eine Show-Debatte in unserer alten Aula? Eine Freizeit im Odenwald? Klar, großartig für die Clubbindung. Ich hatte sehr wenig Vereinserfahrung und streckenweise zwar keine Probleme unsere Vereinsmitglieder von meinen Projekten zu überzeugen, aber sehr wohl damit mir den notwendigen Rückhalt für die Organisation dieser Projekte zu suchen. Ich glaube, so geht es vielen neuen Vorständen im VDCH-Land – mit oder ohne Lieblingsnebenprojekte. Damals war der VDCH-Kickoff für mich eine Quelle für Inspiration und Erdung. Hier traf ich zum ersten Mal in meiner Funktion als Clubvorstand auf andere Vorstände, auch solche, die ihre Ämter schon eine Weile innehatten und von ihren Erfahrungen berichten konnten. Neben Workshops zum Management von Hochschulgruppen – von der Mitgliederakquise über Gleichstellung, Finanzierung und Sponsoring bis hin zur Veranstaltungsorganisation und internationaler Kooperation – war und ist der Kickoff eine großartige Ressource, um sich ins ehrenamtliche Engagement in einer Hochschulgruppe einzufühlen. Aber über die wirklich hilfreichen Workshops hinaus ist eines meiner liebsten Features auf dem Kickoff bis heute die Möglichkeit zum Networking – im Rahmen der Plena und darüber hinaus. Hier bietet sich die Möglichkeit sich mit anderen Menschen im VDCH-Land über seine eigenen Probleme auszutauschen und mögliche Best Practices zu ermitteln. Was tun, wenn ich mit der Orga meines Turniers way behind bin? Nichts zu machen, Head down und hoffen, dass es wird (und meistens wird es). Wie unterscheidet sich das Engagement von Männern und Frauen in einer Hochschulgruppe (nicht nur zahlenmäßig, sondern auch in der Art des Engagements) und wie schaffe ich eine Atmosphäre in der sich auch FLINTA* Personen willkommen fühlen? Welchen Provider nutzt ihr für eure Webseite und seid ihr zufrieden mit eurer Bank? All das und mehr habe ich auf dem Kickoff schon diskutiert und viele wertvolle Tipps gesammelt.
Natürlich kann (und möchte) ich nicht die Antworten auf all diese Fragen öffentlich teilen – das würde hier auch den Rahmen sprengen. Aber auch auf meinem nunmehr dritten Kickoff und nicht mehr als Teil des Vorstandes finde ich es immer noch sehr spannend wie unterschiedlich verschiedene Hochschulgruppen ihren Alltag handhaben und deshalb habe ich meine Zeit in diesem Jahr genutzt, um den Teilnehmenden ein paar Fragen zu stellen und Lösungsansätze zu verschiedenen Themen – von der Mitgliederwerbung und Socials bis zur Turnierplatzvergabe – zu ermitteln. Mir ist wichtig im Vorhinein zu betonen, dass es hier nicht um einen qualitativen Vergleich geht. Vielmehr sollen unterschiedliche Praktiken vorgestellt werden, die nicht nur in Abhängigkeit von der Größe der Vereine, sondern auch von Fokus und Ausrichtung stark variieren können.
Was grenzt euch von anderen Clubs ab? Habt ihr eine Art „Alleinstellungsmerkmal“?
Die wohl lustigste und innovativste Antwort auf diese zunächst anonym gestellte Frage lieferten Mitglieder des Debattierclubs Bayreuth mit der Antwort „Toilettenwerbung“. Auf Nachfrage stellte sich diese jedoch als durchaus erfolgreiches Marketingkonzept heraus, im Rahmen dessen Mitglieder des Debattierclub Sticker mit QR-Codes zur Clubwebseite auf den Unitoiletten angebracht hatten. Tatsächlich merkte ein Mitglied des Clubs an, dass ein signifikanter Anteil neuer Mitglieder angeben würden, auf diese Weise auf den Debattierclub aufmerksam geworden zu sein. Ein Mitglied der Berlin Debating Union beschrieb, wie ihr die Motivationsansprachen, welche der Club vor Turnieren für alle ihre Teilnehmenden hält, Selbstbewusstsein und ein Gemeinschaftsgefühl geben würden. Mitglieder des Debattierclubs Münster beschrieben ein sehr ausführliches und regelmäßiges Vortragsprogramm. So veranstalte der Debattierclub einmal in der Woche ein zweistündiges Training. Dieses wäre als Trainingsreihe auf Basis- und einmal auf Fortgeschrittenenlevel von Mitgliedern des Clubs konzipiert worden und würde jetzt anhand der in diesem Rahmen erstellten Trainingspläne von verschiedenen Referent:innen gehalten. Zusätzlich veranstalte der Club vor ihren Clubdebatten regelmäßig einstündige Inputvorträge. Mitglieder des Debattierclubs Potsdam ergänzten, dass sie ähnliche Inputvorträge mit einer ebenfalls einstündigen Dauer in der Vorlesungszeit vor ihren Debatten anbieten würden. Das Thema sei dabei vollständig den Referenten überlassen. Der Debattierclub Bayreuth berichtete von ähnlichen 30-minütigen Inputvorträgen und erläuterte außerdem einige beliebte Traditionen rund um die Jahreswende. So veranstalteten sie etwa jedes Jahr ihre Weihnachtsdebatte als Rückwärtsdebatte und gingen an Neujahr gemeinsam Bowlen. Der Debattierclub Münster ergänzte, dass sie zu ihrer eigenen Weihnachtsdebatte zusätzlich auch gerne ehemalige Mitglieder einladen würden, um sie ins Clubleben zu integrieren. Ein Mitglied der BDU berichtete von ihrer jährlichen Sommerfahrt, die rein dafür da sei, den Zusammenhalt zu fördern und bei der aus diesem Grund keine Debatten oder Workshops geplant würden. Stattdessen hätten den Clubmitgliedern in der Vergangenheit ein Whirlpool und eine Sauna zur Verfügung gestanden.
Was ist für euch die relevanteste Stärke eures Clubs?
Die anwesenden Münsteraner beantworteten diese Frage mit ihrer Teilnahme an zahlreichen Turnieren sowie der Mitgliederbindung und Integration ehemaliger Mitglieder. So bäten ehemalige Mitglieder etwa zum Teil immer noch Workshops an, von denen die aktiven Mitglieder profitieren könnten. Mitglieder des Debattierclubs Nürnberg merkten an, dass sie innerhalb der letzten Jahre einen besonderen Fokus auf das Jurieren gelegt hätten und infolgedessen auch einige Erfolge etwa in Form von zum Beispiel Nachwuchsjurierpreisen gesehen hätten. Die BDU sei besonders stark, was Wissensweitergabe anginge. So gäbe es zahlreiche Trainings, einen eigenen Server mit Ressourcen und regelmäßig würden auch informative Podcasts anderer Clubs geteilt.
Wie wählt ihr Themen für Clubabende aus?
Die Themenauswahl scheint in Clubs im VDCH Land sehr divers gestaltet zu sein. Mehrere Clubs wie etwa Potsdam oder auch Münster berichteten von einem „CA der Woche“, welche entweder bereits genutzt würden oder in Planung seien. Die Idee ist, dass die Themenauswahl beziehungsweise in einigen Clubs Vorauswahl zwischen einigen Mitgliedern rotiert wird. Dadurch soll eine möglicherweise auch unbewusste Empfänglichkeit für bestimmte Themenbereiche oder Operatoren, die die meisten von uns nun mal an den Tag legen, ausgeglichen werden. Diese beiden Clubs gaben außerdem an eine Vorauswahl der Themen zu treffen die anschließend auf dem Clubabend zur Abstimmung gestellt werden. Einige andere Clubs wie etwa Bayreuth oder Regensburg haben ein offenes Verfahren zur Themenauswahl bei der alle Debattenteilnehmer:innen die Möglichkeit haben auf dem Clubabend Themen vorzuschlagen. Mitglieder des Debattierclubs Bayreuth merkten an, dass dieser Prozess sehr zeitaufwendig sei. Um den Prozess in Zukunft zu verschlanken, überlegten sie nur die ersten drei Vorschläge anzunehmen und eine Auswahl zwischen Diesen zu ermöglichen. Nürnberg nutzt einen Vorgang der negativen Selektion zur Themenauswahl. So erhält jedes Clubmitglied so viele Stimmen wie Themen zur Auswahl stehen und kann dann statt für ihr oder sein liebstes Thema abzustimmen, für ihr oder sein am wenigsten liebstes Thema oder Themen nicht abstimmen. Eine weitere interessante Idee lieferten Mitglieder des Debattierclubs Potsdam, die von einer „Motionwerkstatt“ berichteten, die den Teilnehmenden ermögliche eigene Themen außerhalb von Chefjurierungen auszuarbeiten.
Wie organisiert ihr Socials im Club? Wie sehen sie aus?
Der Debattierclub Potsdam plant Socials oft bereits sehr frühzeitig (zum Zeitpunkt des Kickoffs standen bereits alle Socialtermine bis Weihnachten) und berücksichtigt dabei auch die Art des Socials sowie dessen Aufwand. Neben den regulären Socials wird in jedem Monat ein Sondersocial geplant. Die Münsteraner hoben speziell ein traditionelles Sommerfest hervor, bei dem etwa im Rahmen von Fußballspielen und Ähnlichem alle eine gute Zeit hätten. Bei der BDU gab es in der Vergangenheit Socialbeauftragte, um den Vorstand zu entlasten, wobei diese Position in den vergangenen Jahren abgeschafft wurde. Zudem merkte ein Mitglied des Clubs an, dass insbesondere clubinterne Freundschaften den Zusammenhalt stärken würden. Diese können schlussendlich durch Socials gefördert, aber nicht erzwungen werden. Wenn ihr euch ein bisschen mehr zu Socials (und vielleicht ein bisschen Inspiration) erhofft habt, wollen wir euch natürlich diesbezüglich nicht enttäuschen. Ihr werdet euch aber noch einige Wochen gedulden müssen bis zu unserer Mini-Serie zu Socials, welche Anfang November auf der Achten Minute erscheinen wird.
Wie werbt ihr aktuell neue Mitglieder an?
In Münster hat der Debattierclub ihren lokalen Asta kontaktiert (in anderen Bundesländern vielleicht auch bekannt als StuRa und in Bayern… nevermind) und jetzt die Möglichkeit Flyer für deren Willkommensbeutel für Erstis zur Verfügung zu stellen. Potsdam ist als Debattierclub nicht nur auf dem Markt der Möglichkeiten vertreten, wo sie mit Erstis das Spiel „Debatable“ spielen, sondern hat als Veranstalter einer mit ECTS versehenen Prüfungsleistung an der Uni in Potsdam auch Zugang zur Studiliste mit Mails, über die sie Werbung schalten können. Zudem wurde ein „Bring a friend“-Abend vorgestellt, bei dem Debattierende angehalten würden ihre Freunde mit zur Debatte zu bringen.
Wie vergebt ihr Turnierplätze? Habt ihr das Gefühl, dass die Vergabe fair ist?
Auf diese Frage antworteten mehrere Mitglieder der kleineren Clubs wie etwa Nürnberg oder Bayreuth, dass sie weniger Probleme hätten, ausreichend Turnierplätze zu finden, sondern vielmehr diese zu füllen. In Clubs, in denen mehr Mitglieder Interesse an Turnierteilnahmen haben, kann die Auswahl manchmal etwas komplizierter sein. Viele Vorstände, wie auch wir in meinem Vorstandsjahr, ziehen dazu verschiedene Faktoren wie etwa Aktivität im Club, die Teilnahme an Clubabenden, die Jurierquote oder auch die Frage heran, ob es sich um ein Mixed-Team handelt. Diese Kriterien und deren Gewichtung können zwecks Transparenz offen kommuniziert werden, werden aber auch oft innerhalb des Vorstandes unter Verschluss gehalten, da hierzu natürlich (wie zu praktisch allem in der Debattierszene) unterschiedliche Meinungen existieren und es infolgedessen zu Konflikten kommen kann. Sehr mitgliederreiche und kompetitive Vereine wie die BDU und jüngst (für die Regios und DDM2025) auch Potsdam veranstalten für große Turniere zum Teil Vorturniere – wobei diese etwas unterschiedlich strukturiert sind. So haben sich die Teilnehmenden in Potsdam im Vorfeld der Regios als Einzelpersonen und nicht als Team für das Vorturnier angemeldet, konnten aber eine Präferenz für einen Teampartner oder eine Teampartnerin angeben. Entschieden wurden die Teamkonstellationen schlussendlich von externen Jurierenden. Die Turnierplatzvergabe auf der DDM wurde anhand der Platzierung auf den Regios entschieden. Da ich diese Art der Selektion nicht kenne – wohl auch weil mein eigener Club wesentlich kleiner ist und wir nie so viel selektieren mussten – wollte ich doch mal nachfragen, ob diese Art der Turnierplatzvergabe nicht zu kompetitiv sei. Ein Mitglied der BDU antwortete darauf, dass sie persönlich, auch wenn sie die Vorturniere als emotional anstrengend empfände doch der Meinung sei, dass sie fair seien und im Kern an ein Gemeinschaftsgefühl im Club anbinden würden. Wenn ein Team des Clubs auf einem Turnier erfolgreich sei, sei das ein Erfolg für den gesamten Club und die Vorturniere würden den besten Teams eine Chance auf diesen Erfolg geben. Sie ergänzte außerdem, dass es durchaus möglich sei, über andere Wege etwa durch Jurieren „Bonus-Punkte“ für die Turnierplatzvergabe zu erhalten.
Abschließend
Ich hatte noch einige zusätzliche Fragen etwa zur Veranstaltung einer englischen Debatte, der Integration von Nicht-Muttersprachlern in Debatten oder zu einer Clubequity geplant, aber leider ist mir hier die Zeit ausgegangen. Insgesamt haben wir ein sehr nettes und informatives Gespräch geführt, dass mich selbst auf ein paar coole, neue Ideen gebracht hat – Ich persönlich glaube ja der Debattierclub Bayreuth ist mit seiner Toilettenwerbung Großem auf der Spur. Ich hoffe natürlich, dass auch ihr ein paar Ideen mitnehmen konntet, egal ob nun als Anekdoten oder zur Inspiration und dass ich euch ein bisschen Lust auf den Kickoff im nächsten Jahr gemacht habe. Ich bedanke mich bei allen Referent:innen, dem VDCH und natürlich meinen hervorragenden Gesprächspartner:innen, dafür dass sie so bereitwillig aus ihrem Cluballtag erzählt haben.
Das Mittwochs-Feature: Mittwochs veröffentlicht die Achte Minute ab 10.00 Uhr oftmals ein Mittwochs-Feature, worin eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt gestellt wird. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
aeh.
Es wäre schön, wenn es da sowas wie eine Einleitung zu Autor:in und Format geben würde. Wer schreibt? Warum? Was hat es mit dem Titel zu tun?
Hallo Lennart, da ich den Artikel selbst verfasst habe und mein Name darüber steht, hatte ich die Einleitung ursprünglich als ausreichend empfunden, habe sie aber entsprechend deiner Vorschläge angepasst. Liebe Grüße aus Heidelberg 🙂