Nachgefragt: Debattierer berichten von ihren Vorerfahrungen mit Jugend debattiert

Datum: 30. Juli 2012
Redakteur:
Kategorie: Debattieren in der Öffentlichkeit, Presseschau

Für den aktuellen Newsletter „Debatten im Klassenraum des Verbands der Debattierclubs an Hochschulen haben wir vier ehemalige Debattanten von Jugend debattiert nach ihren Erfahrungen gefragt, die sie später mit dem studentischen Debattieren gemacht haben. Herausgekommen ist ein interessanter Vergleich zwischen den Formaten im Studentischen Debattieren und im Schülerdebattieren. Wenn ihr selbst Erfahrungen gemacht habt: Gebt uns einen Kommentar!

„Der Ton beim studentischen Debattieren ist unversöhnlicher“

Patrick Weber hat in Weinstadt in der Oberstufe debattiert und am Wettbewerb Jugend debattiert auf Landesebene teilgenommen. Jetzt studiert er VWL im vierten Semester und debattiert in Mannheim.

Wie war dein erster Eindruck vom studentischen Debattieren?
Mein erster Eindruck war, dass es wesentlich anspruchsvoller ist. Bei Jugend debattiert konnte man sich bereits Tage vor dem Turnier auf die Themen vorbereiten und Hintergründe zu den Themen recherchieren. Beim studentischen Debattieren muss man das Wissen entweder bereits im Kopf haben oder improvisieren. Durch die Dialogform bei Jugend debattiert kann man, wenn einem gerade nichts Passendes zum Thema einfällt, das Wort immer noch seinem Partner oder im Zweifel der Gegenseite überlassen. Beim Debating steht man bei einem Blackout nur da und alle sehen einen an… Zuletzt ist auch der Ton beim studentischen Debattieren rauer als bei Jugend debattiert, das am Ende doch auf Versöhnlichkeit abzielt.

Was gefällt dir gut im Vergleich zu Jugend debattiert?
Beim studentischen Debattieren gefällt mir gerade der höhere Anspruch, den ich beschrieben habe. Die Situation, allein am Rednerpult zu stehen und die Zwischenrufe der Gegenseite abzubekommen, finde ich spannend und lehrreich. Man trainiert das Improvisieren und ist so auch bei mündlichen Prüfungen nie um ein Wort verlegen.

Was vermisst du an Jd?
Den Dialog mit den Mitdebattanten. Es gibt sowohl im Beruflichen als auch im Privaten immer wieder Diskussionen: im Assessment-Center, in der Familie und im Freundeskreis oder in Polit-Talkshows. Selten hat man da die Gelegenheit sieben Minuten am Stück zu sprechen. Stattdessen muss man den anderen zu Wort kommen lassen, auf das Gesagte reagieren und im besten Fall am Schluss einen Kompromiss finden. Dies zu trainieren, kommt beim Debating zu kurz.

„Die freie Aussprache ist ein Gewinn für das Publikum“

Anna Berlich hat in Homburg angefangen zu debattieren und danach im Landes- und Bundeswettbewerb teilgenommen. Jetzt studiert sie allgemeine Rhetorik und debattiert bei der Streitkultur in Tübingen. 

Was war dein erster Eindruck von einer Debatte im Debattierclub?  
Mein erster Eindruck hier bei der Streitkultur war, dass das studentische Debattieren einiges mehr an sprachlichem Können und Spontanität fordert: Hier ist die Vorbereitungszeit auf ein Minimum beschränkt, während man bei Jugend debattiert in der Regel zehn Tage oder länger Zeit hat für die inhaltliche Vorbereitung.

Was gefällt dir gut im Vergleich zu Jugend debattiert?
Ich glaube, dass durch die längeren Redezeiten die Möglichkeit entsteht, bei einem Thema mehr in die Tiefe zu gehen und seinen Standpunkt ausführlicher und anschaulicher darzustellen. Natürlich ist auch die Themenvielfalt eine ganz andere und dadurch, dass es viele Leute aus unterschiedlichen Studiengängen und unterschiedlichen Alters sind, die zum Debattieren zusammenkommen, sammeln sich viel mehr Perspektiven und Blickwinkel.

Was vermisst du an Jugend debattiert?
Mir fehlt beim studentischen Debattieren das, was die „freie Aussprache“ bei Jugend debattiert ist, also der Mittelteil der Debatte. Ich denke, dass sie viel dazu beiträgt, eine Debatte lebendig zu gestalten und Schwachstellen auszudiskutieren und somit für das Publikum ein Gewinn ist.

Was können die Clubs tun, um noch mehr Schüler zu gewinnen?
Die studentischen Clubs sollten sich offen präsentieren und an vielen Veranstaltungen vorstellen. Jugend debattiert ist ein Wettbewerb für Schüler, der vor allem einen Einstieg bieten möchte und versuchen will, Freude zu vermitteln und zu zeigen, wie wichtig die Debatte ist. Das alles kann man beim studentischen Debattieren wunderbar ausbauen.

„Im studentischen Debattieren muss man Argumente auch erklären“

Sina Strupp hat am Frauenlob Gymnasium in Mainz debattiert und bei Jugend debattiert bis auf der Landesebene teilgenommen. Jetzt studiert sie Jura im vierten Semester und debattiert in Mainz.

Was gefällt dir gut am studentischen Debattieren im Vergleich zu Jugend debattiert?
Das studentische Debattieren orientiert sich an einer parlamentarischen Debatte und ist viel kompetitiver als Jugend debattiert. Zwar ist das auch ein Wettbewerb, bei dem nach verschiedenen Kategorien Punkte vergeben werden, allerdings ähnelt die Debatte eher einer Talkshowrunde. Mir gefällt am studentischen Debattieren, dass man gezwungen ist, Argumente tatsächlich zu verstehen und zu Ende zu erklären. Das und die Tatsache, dass man nur 15 Minuten und nicht tagelang Vorbereitungszeit hat, erfordert mehr Scharfsinn und bringt einen intellektuell weiter, denke ich. Während es bei Junged debattiert vor allem darauf ankommt „schön“ zu reden und einen guten Gesprächspartner in der Runde abzugeben, steht sowohl bei BPS als auch bei OPD sowohl der Inhalt als auch die Publikumswirksamkeit der Rede viel mehr im Vordergrund.

Was vermisst du an Jd?
Der  Umgang in der Debatte ist sehr fair und sachlich. Mancher BPS oder OPD Debatte würde das ganz gut tun. Besonders toll waren auch die Trainingsseminare, auf die man fahren durfte, wenn man sich für die nächst höhere Ebene, zum Beispiel die Landesebene, qualifiziert hat. Als Belohnung für einen Turniersieg gab es quasi die Chance, sich weiter zu verbessern. Das hat mir wirklich gut gefallen.

Was können wir als Clubs tun, um mehr Schulabgänger zu erreichen?
In jedem Landesfinale und im Bundesfinale sollte ein studentischer Debattierer sein und für uns Werbung machen! Und wir sollten mehr Lehrer Kontaktieren – die meisten wissen einfach nichts von den Clubs!

„Die Unterschiede zwischen den Formaten besser erklären“

Franziska Bröker hat in Greifswald an der Schule das Debattieren kennen gelernt und danach im Debattierclub Greifswald debattiert. Jetzt studiert sie Kognitionswissenschaften in Tübingen und debattiert dort bei der Streitkultur.

Wo hast du in der Schule debattiert?
Angefangen habe ich mit dem Debattieren Ende 2009 in Greifswald. Nach einem Rhetorikkurs an der Schule bin ich Mitglied im Greifswalder Club geworden und habe dort bis zum Abitur 2011 mitdebattiert. 2010 hat mich meine Lehrerin für Jugend debattiert vorgeschlagen und ich habe am Landes- und Bundeswettbewerb teilgenommen.

Was gefällt dir gut am studentischen Debattieren im Vergleich zu Jugend debattiert?
Mir gefällt besonders, dass nicht nur die einzelnen Redebeiträge strukturiert werden, sondern auch die ganze Debatte einen klar gegliederten Ablauf hat. Nach meinem Eindruck erreichen die Debatten beim Hochschuldebattieren trotz der geringen Vorbereitungszeit mehr Tiefe. Während bei Jugend debattiert viel Wert auf realitätsnahe und praktisch umsetzbare Vorschläge gelegt wird, werden an den Hochschulen auch abstraktere Debatten geführt. Es gefällt mir gut, dass die Themen auf Grundsatzebene analysiert werden, ohne dass der kommunale Finanzhaushalt oder Paragraphenabschnitte im Weg stehen und den Debattenfortgang blockieren.

Was können die Clubs tun, um noch mehr Schüler zu gewinnen?
Von vielen Jd-Alumni habe ich gehört, dass ihnen beim Wechsel ins studentische Debattieren missfallen hat, dass es nicht um einen heute umsetzbaren Antrag für den Bundestag geht. Es gäbe keine freie Diskussion, also weniger direkte Erwiderungsmöglichkeit. Auch seien die Debatten oberflächlich, weil niemand tiefgründig über das Thema Bescheid wisse. Deshalb ist es wichtig, die Unterschiede zwischen den Formaten und ihrer Zielsetzung besser zu erklären und die jeweiligen Vorteile herauszuarbeiten.

Dieser Artikel erschien in der Juli-Ausgabe des Newsletters „Debattenkultur“ des Verbands der Debattierclubs an Hochschulen. Dieser widmet sich dieses Mal dem Thema „Debatte im Klassenraum“. Anlässlich der neu geschlossenen Kooperation des Verbands mit Jugend debattiert, dem Debattenwettbewerb an Schulen, beleuchten Schüler, Lehrer und Jugend-debattiert-Alumni das Schülerdebattieren. Die Autoren des Newsletters vermitteln dabei einen Eindruck von den besonderen Herausforderungen der Methode Debatte im Unterricht und analysieren die Unterschiede der Debattenformate an Schulen und Hochschulen.

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