„Debattieren ist nicht nur Hobby, sondern Lebenseinstellung“ – Tim Richter über Herausforderungen, Lösungen und Zukunftsmusik

Datum: 23. August 2010
Redakteur:
Kategorie: Menschen, VDCH

Tim Richter, frischgebackener Ex-Präsident des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH), war drei Jahre lang Vorstandsmitglied des Dachverbandes. Ausgerechnet bei der Mitgliederversammlung 2010 konnte er nicht dabei sein – er musste sich kurzfristig einer Operation unterziehen und verfolgte das Geschehen in Kassel vom Krankenbett. Mit der Achten Minute sprach Tim am Montag in Bonn über die Entwicklung des Verbandes, seinen Abschied von der VDCH-Spitze und seine debattantischen Zukunftspläne.

Achte Minute: Lieber Tim, um eine Phrase zu bemühen: Gehst Du jetzt, nach drei Jahren im VDCH-Vorstand, mit einem lachenden und einem weinenden Auge?

Tim: Ja, allerdings. Es ist tatsächlich so: Wehmut schwingt da schon auch mit; mir hat die Arbeit im VDCH viel Spaß gemacht, ich habe viel Zeit und Energie da reingesteckt und das auch wirklich gerne getan. Andererseits bin ich sehr froh, dass jetzt andere das Ruder übernehmen. Ich bin sicher, dass der neue Präsident das VDCH-Schiff gut steuern wird.

Achte Minute: Was ihm sicherlich auch deswegen leicht fallen dürfte, weil Du es bereits in sehr ruhige Fahrwasser gebracht hast. Dazu herzlichen Glückwunsch! Du hast den VDCH in einem Tip-Top-Zustand übergeben: Mit ZEIT, Telekom und ZDF haben wir drei starke Partner an unserer Seite…

Tim: … und genau deswegen kann ich den Verband jetzt allerbesten Gewissens übergeben. Die letzten drei Jahre waren richtungweisend für den VDCH: Im Vorstandsjahr 2007/2008 standen wir vor eine Beinahe-Pleite, ein Jahr später kündigte uns die ZEIT den Partnerschaftsvertrag aufgrund der sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation und die Entwicklung an den Hochschulen in Richtung eines sehr viel modularisierten Studiums gab uns eine Menge Hausaufgaben auf. Aber in jeder Krise liegt auch eine Chance: Wir haben nicht nur einen Übergangsvertrag mit der ZEIT ausgehandelt, sondern dieses gewonnene Jahr genutzt, um die Partnerschaft mit der ZEIT auf neue Füße zu stellen und das ZDF und die Deutsche Telekom ins Boot zu holen. Wir können sagen: aus dem Gnadenbrot hat VDCH-Land ein Festmahl gezaubert! Als Bankettmeister gebe ich nun sehr gerne ab und und kann mich wieder verstärkt anderen Dingen widmen.

Achte Minute: Heißt das, dass Du der Debattierszene jetzt abhanden kommst? Oder dürfen wir weiter mit Dir rechnen?

Tim: Debattieren ist ja bekanntlich nicht nur Hobby, sondern Lebenseinstellung. Also so ähnlich wie bei den Pfadfindern: Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder. Ich habe schon ganz konkrete Pläne. Wenn meine Ärzte es mir erlauben, will ich auf jeden Fall beim Masters‘ Cup antreten. Ich war dort schon zweimal Chefjuror – diese Aufgabe übernimmt traditionell der VDCH-Präsident –, durfte aber noch nie reden! Außerdem freue ich mich darauf, auch in der kommenden Saison bei der ein oder anderen ZEIT DEBATTE zu jurieren.

Achte Minute: Die Arbeit im VDCH-Vorstand ist ja auch mit einem großen Zeitaufwand verbunden. Sag mal ganz ehrlich: Was schätzt Du, wie viel Zeit hast Du in den Verband gesteckt? Und – da viele sich das gar nicht vorstellen können – wofür eigentlich?

Tim: Das ist eine schwierige Frage. In Spitzenzeiten war das Ehrenamt tatsächlich ein Vollzeitjob. Da müssen Konzepte geschrieben und Verhandlungen geführt werden, was unglaublich arbeits- und zeitintensiv ist. So eine Verhandlung ist ja nicht dadurch gekennzeichnet, dass man sich an einen Tisch setzt, ne Stunde spricht und fertig. Da müssen Weichen gestellt, Argumente fundiert, weitere Entscheider überzeugt und viel, viel telefoniert werden. Außerdem ist sehr viel Koordinierungsarbeit innerhalb des Vorstandes und des Verbandes nötig. Viel Zeit brauchen auch die regelmäßigen Telefonate mit den Präsidenten der Clubs und das Beantworten aller möglichen Fragen, sowie ein offenes Ohr für die Streitenden zu haben und für Ausgleich und Schlichtung zu sorgen. Selbst in ruhigeren Wochen habe ich so etwa 15 bis 20 Stunden für den VDCH und die Achte Minute gearbeitet.

Achte Minute: Respekt, das ist ganz schön viel! Aber wir können Dir versichern: Es hat sich gelohnt! Gibt es ein konkretes Projekt, das Dir besonders wichtig ist und das Du Deinem Nachfolger besonders ans Herz legst?

Tim: Ich nenne den Punkt mal „generationenübergreifende Zusammenarbeit“. Bei so einschlagenden Ereignissen wie jenen in den letzten drei Jahren ist viel Wissen aus den verschiedenen Debattiergenerationen zusammengeflossen, um die Herausforderungen zu meistern. Das zu verstetigen wäre eine große Aufgabe! Innerhalb der Clubs werden Generationen wechseln; neue Leute übernehmen die Verantwortung. Hier sollte die Kompetenz der „alten Hasen“ auf Clubebene nicht vergessen werden. So quasi analog zur DDG, nur lokal. So werden Generationenwechsel „aufgefangen“ und die clubinterne Kompetenz wirkungsvoll bewahrt.

Achte Minute: Wir wünschen Dir alles Gute und hoffen, dass wir Dich bald gesund und munter wieder am Rednerpult oder auf der Jurorenbank sehen können! Vielen Dank für das Gespräch!

Tim Richter war drei Jahre lang im Vorstand des Debattierclub-Dachverbandes VDCH, zunächst 2007/2008 als Vizepräsident, anschließend von 2008 bis August 2010 als Präsident des Verbandes. Der 29-Jährige ist seit Jahren regelmäßig als Redner oder Juror in den Finals deutschsprachiger Turniere anzutreffen, unter anderem ist er Westdeutscher Meister 2008, Vereinsmeister der Streitkultur Tübingen 2009 und 2010 und war Chefjuror der Masters’ Cup 2008 und 2009, der Westdeutschen Meisterschaften 2009 und 2010, diverser ZEIT DEBATTEN und anderer Turniere. Von 2006 bis 2008 war Tim Vorstandsmitglied des Debattierclub Bonn, davon 2007 und 2008 als Präsident. Tim studiert Philosophie, Geschichte und Rechtswissenschaft in Bonn und arbeitet als freier Journalist, Medien- und Marketingberater. Als einer von zwei verantwortlichen Redakteuren ist er auch federführend an der Entwicklung und dem Betrieb des Debattiermagazins Achte Minute beteiligt.

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4 Kommentare zu “„Debattieren ist nicht nur Hobby, sondern Lebenseinstellung“ – Tim Richter über Herausforderungen, Lösungen und Zukunftsmusik”

  1. Anja sagt:

    gute besserung, tim! und danke für deine arbeit der letzten drei jahre!

  2. Mario (Pdm) sagt:

    Stellt Euch vor, man fährt mit Schuhen irgendwo hin und kommt barfuß wieder…
    In etwa so habe ich die MV in Kassel erlebt. Eigentlich kann ich es noch gar nicht richtig fassen, dass die Ära Tim (im VDCH) nun zu Ende gegangen ist.
    Vielen Dank für die maßgebliche Fortentwicklung des Verbandes und der mehrfachen erfolgreichen Rettung desselben!

  3. W_C_C_W sagt:

    Danke, Tim!

  4. Herzlichen Dank Tim!

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