Islamkritiker Hamed Abdel-Samad in Kairo verschwunden

Datum: 25. November 2013
Redakteur:
Kategorie: Debattieren in der Öffentlichkeit, Politik und Gesellschaft

Laut Medienberichten ist der deutsch-ägyptische Publizist und Politologe Hamed Abdel-Samad verschwunden. Unter anderem die Online-Redaktionen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) und der Wochenzeitung DIE ZEIT vermelden unter Berufung auf das ägyptische Nachrichtenportal youm7, dass er am Sonntag nicht zu einer Verabredung in Kairo erschienen sei. Mahmud Abdel-Samad, Bruder des Islam-Kritikers, äußerte gegenüber youm7, dass er eine Entführung von extremistischen Islamisten für möglich halte. Auf dem Weg zu dem Treffen hatte Hamed Abdel-Samad seinem Bruder telefonisch mitgeteilt, dass er sich von einem Wagen verfolgt fühle. Seither scheiterten alle Versuche, Kontakt mit ihm aufzunehmen, sein Mobiltelefon ist abgeschaltet. Laut faz.net geht auch die ägyptische Polizei von einer Entführung aus.

Der Publizist Hamad Abdel-Samad als Redner in der 3sat-Debatte (c) Screenshot 3sat-Mediathek

Der Publizist Hamad Abdel-Samad als Redner in der 3sat-Debatte
(c) Screenshot 3sat-Mediathek

Hamed Abdel-Samad, Sohn eines Imams, hatte in den Medien wiederholt den Islam kritisiert, so auch als Redner bei der ersten im deutschsprachigen Fernsehen ausgestrahlten Debatte, die der Kultursender 3sat im August 2012 im Abendprogramm gezeigt hatte. In der Sendung stritt er unter anderem mit Gesine Schwan, frühere Bundespräsidentschafts-Kandidatin der SPD, über die These: Der Islam passt zu unseren westlichen Werten. Abdel-Samad hatte damit argumentiert, dass der Islam eine starke politische Dimension habe. „Der Islam hat sich niemals als Teil von etwas gesehen“, hatte er in der 3sat-Debatte erklärt. „Er muss das große Ganze sein, dem sich alles andere unterordnet.“

Nach einem islamkritischen Vortrag in Ägypten erhielt er Todesdrohungen, radikale Islamisten riefen offen zum Mord an dem Publizisten auf. In einem Interview mit ZEIT ONLINE hatte er im Juni dieses Jahres beschrieben, wie sich sein Leben danach verändert habe. „Ich kann mich in Kairo nicht mehr frei bewegen, wie ich das früher gern getan habe“, sagte er. „Auch öffentliche Veranstaltungen kann ich nicht mehr besuchen, weder als Referent noch als Gast. Das ist schon bitter.“
Nach den Mordaufrufen war er im Juni zunächst abgetaucht. Wie faz.net berichtet, wurde er zuletzt häufig von einem Leibwächter begleitet, offenbar jedoch nicht am Tag seines Verschwindens.

Der Vorstand des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) hat die Nachricht vom Verschwinden Abdel-Samads mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. Die Macher der 3sat-Debatte waren im Vorfeld der Sendung vom damaligen VDCH-Vorstand um den Präsidenten Benedikt Nufer beim Konzept beraten worden, im Studiopublikum saßen zahlreiche studentische Debattierer*innen, die sich mit Zwischenfragen beteiligten. „Das Debattieren versucht, Diskussionen in die Gesellschaft zu tragen und die freie Meinungsbildung und -äußerung zu stärken“, sagt Tobias Kube, amtierender Vizepräsident des VDCH für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. „Dass Hamed Abdel-Samad, der sich einem wichtigen Diskurs gestellt hat, deshalb verfolgt und nun möglicherweise entführt wurde, macht uns sehr betroffen.“

Laut der Nachrichtenagentur dpa arbeitete Abdel-Samad zuletzt an einem Buch, das unter dem Titel „Der religiöse Faschismus“ veröffentlicht werden sollte. Die Bundesregierung hat jetzt von Ägypten „schnellstmöglich“ Aufklärung über das Schicksal Abdel-Samads verlangt, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Der deutsche Botschafter in Kairo, Michael Bock, habe Kontakt mit der ägyptischen Regierung aufgenommen.

kem/tk/ak

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