Frischen Wind in die Debattierszene bringen: Christoph Krakowiak im Gespräch über anderthalb Jahre Europadebatten
Seit anderthalb Jahren organisiert und moderiert Christoph Krakowiak die Europadebatten. Dabei laden Debattierclubs Europapolitiker ein, Seite an Seite mit einem studentischen Debattanten über eine von sieben europapolitischen Fragen zu debattieren. Die Publikumsdebatten im Oxfordstil richten sich an die Öffentlichkeit, Zwischenstatements und –fragen bilden den Kern der Veranstaltungen. Im Jahr 2013 war die Debattenserie unter dem Titel „Klartext Europa“ noch auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Seit 2014 gibt es aber Debatten in verschiedenen Sprachen in ganz Europa. Die Debattenserie wird vom Verein für europapolitische Bildung Bürger Europas e.V. gemeinsam mit dem Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) organisiert.
Achte Minute: Bei der Debattenserie werden etwa sieben verschiedene Fragen debattiert. Welches Thema hat sich als das Spannendste herausgestellt?
Christoph Krakowiak: Das kommt ganz auf die Debatte an. In letzter Zeit stand die Frage zum grünen Europa im Vordergrund: Sollte uns Umweltschutz immer wichtiger sein als Wirtschaftswachstum? Ich fand es spannend, wie das Thema länderübergreifend hinweg Anklang fand.
AM: Gibt es eine Frage, die nicht so gut funktioniert hat?
Christoph: Bislang nein. Das einzige, das auffiel, ist dass die Fragen national unterschiedlich wahrgenommen werden. Besonders beim Thema Eurobonds hat sich ein länderspezifischer Konsens gezeigt. In Italien waren das Publikum und die Gastredner grundsätzlich dafür, in Deutschland dagegen ist der Konsens ein ganz anderer. Hier ist man der Meinung, dass Eurobonds eine schlechte Sache sind, und nur einzelne Details gut sind.
AM: Wie läuft die internationale Debattierserie? Es sind noch acht Debatten angekündigt, nur eine davon hat einen Termin.
Christoph: Das hängt vor allem an der engen Abstimmung mit den einzelnen Clubs. Das läuft meistens gut, es gibt aber einige Nachzügler. Da die Politiker im August alle ihre parlamentarische Sommerpause genießen, ist es in dieser Zeit sehr schwierig, sie als Gastredner zu gewinnen. Bis zum Anfang des Wintersemesters dürften aber die meisten Termine feststehen.
Die Clubs und Bürger Europas müssen verschiedene Faktoren in Einklang bringen: Erstens müssen die Politiker Termine frei haben. Zweitens braucht es eine spannende Frage, die auch den Politikern zusagt. Drittens braucht die Veranstaltung passende Räumlichkeiten. Darüber hinaus müssen die Organisatoren viertens andere Termine wie Feiertage berücksichtigen. Das erfordert viel Aufwand und braucht alles seine Zeit.
AM: Ließ sich das Konzept der deutschen Klartext Europa-Debatten einfach auf die europäische Bühne übertragen?
Christoph: Das Format und der Aufbau ließen sich relativ gut übertragen. Allerdings fällt bei den internationalen Debatten mehr Arbeit für die Clubs an. Bürger Europas und der VDCH haben zum Beispiel wenig Expertise hinsichtlich der politischen Szene Schwedens. Anders als in Deutschland konnten wir hier keine Kontakte vermitteln. Deshalb muss der Debattierclub in Lund mehr selbst organisieren.
Die Zahl der Projektländer ist inzwischen von sieben auf acht gewachsen. Mit einer Debatte in Warschau ist nun auch Polen dabei. Die Poland Debates Foundation hat über die Niederländer vom Projekt gehört. Für den VDCH ist das der erste direkte Kontakt nach Polen. Es zeigt sich, dass die Europadebatten ein verbindendes Element sein können. Auch Clubs, die nicht im Herzen der deutschsprachigen Debattierszene stehen, werden so besser im VDCH vernetzt.
AM: Moderierst du alle Veranstaltungen selbst?
Christoph: Wenn ich kann, fahre ich selbst hin. Ansonsten übernimmt das ein anderer Bürger Europas-Referent, der im Debattieren aktiv ist. Das waren zum Beispiel Anna Mattes in Rotterdam oder Paul Weinhausen in Kiel.
AM: Die Organisation und die Moderation erfordert einen hohen Arbeitsaufwand. Warum hast du dir das angetan?
Christoph: Ich mache nicht alles alleine, sondern arbeite mit den Clubs und mit Bürger Europas zusammen.Die Entscheidung liegt nun anderthalb Jahre zurück. Damals hatte Bürger Europas, für die ich schon länger tätig bin, nach neuen Veranstaltungsformaten gesucht. Gemeinsam mit dem VDCH unter dem damaligen Präsidenten Philipp Stiel sind wir dann eine Kooperation eingegangen.
Ich bin schon wegen meiner beruflichen Tätigkeit an Europa interessiert. Außerdem wollte ich frischen Wind in die Debattierszene bringen. Die Studenten sollten sich nicht nur abends treffen und unter sich die Welt erklären, dazu ab und zu auf große Turniere fahren, sondern auch die aktuellen Fragen der Politik mit Gästen aus der Politik und breiten Öffentlichkeit besprechen. Ich glaube, es tut ihnen gut, sich weiter zu öffnen.
AM: Bürger Europas und der VDCH sind eine Art Interessenskoalition eingegangen. Die einen wollen europäische Politik in die Öffentlichkeit tragen, die anderen das Debattieren. Könntest du dir vorstellen, dass es in Zukunft weitere Interessenskoalitionen geben könnte?
Christoph: Bei anderen Themen ist das sicherlich auch möglich. Das kommt jetzt aber mehr auf die Clubs als den VDCH an. Nach zwei Jahren ist es gut, wenn es für die Europadebatten eine kleine Pause gibt. Wir wollen das Thema nicht überstrapazieren. Es gibt aber andere große Debatten in Deutschland, etwa Migration und Flüchtlinge oder die Umweltpolitik. Das kann auch eine kleinere Serie sein. Dazu braucht es aber jemanden, der die Fäden zusammenhält. Das ist viel Arbeit für einen alleine. Ein solches Projekt braucht daher entweder sehr viel ehrenamtlichen Engagement oder eine gute Finanzierung.
AM: Haben die Europadebatten genügend Unterstützung?
Christoph: Die Europadebatten werden vom Europäischen Parlament, der Allianz Kulturstiftung und dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gefördert. Die drei Förderer sind ehrlich und offen interessiert an dem Projekt und zeigen das auch durch ihre aktive Unterstützung. Man hat gemerkt, dass sie mit Engagement dabei sind. Wir können uns gut vorstellen, auch in Zukunft mit ihnen zu kooperieren.
AM: Wie könnte eine solche Kooperation aussehen?
Christoph: Das wird sich zeigen. Es hängt vor allem davon ab, wie Bürger Europas, der VDCH und die Kooperationspartner das Projekt evaluieren. Wir hoffen, sie auch mit unserer Arbeit überzeugt zu haben. In jedem Fall würde es mich freuen, die Kontakte aufrechterhalten zu können.
AM: Gab es ein Erfolgserlebnis, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Christoph: Im Mai fand eine Europadebatte in Berlin statt, das Thema war die Krim-Krise. Mit 36 Grad Celsius war es unfassbar heiß in Berlin, man meint, da würde keiner kommen. Tatsächlich kamen aber um die 70 Leute. Ähnliches gilt für die Debatte in Bozen. Die fand einen Tag nach den Osterferien statt, trotzdem kamen viele Menschen. Das war eine schöne Bestätigung.
AM: Was ist das größte Hindernis in deiner Arbeit?
Christoph: Mit manchen Clubs klappt die Kommunikation deutlich einfacher als mit anderen. Damit meine ich nicht das Engagement, sondern schlicht die Kommunikation: Was wurde gemacht und was noch nicht? Das ist wichtig, damit die internen Abläufe gut vonstattengehen. Da war es sehr gut, dass es im März ein Vorbereitungstreffen aller Ausrichter in Berlin gab, das hat echt etwas gebracht.
AM: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Jonas Huggins.
Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
Christoph Krakowiak ist VDCH-Vorstandsbeirat für Europadebatten. In der Amtszeit 2008/09 war er Vorsitzender der Streitkultur e.V. Tübingen, im Jahr 2010 gehörte er als Vorsitzender dem Gründungsvorstand der Streitkultur Berlin e.V. an. Er war Chefjuror der ZEIT DEBATTE Karlsruhe 2011 und des Streitkultur-Cups 2010. In Tübingen und Berlin studierte er Politikwissenschaften und arbeitet derzeit als Freier Dozent für Rhetorik und politische Bildung. Zusätzlich ist er als Referent für Bürger Europas e.V. tätig.
Die nächste Europadebatte in Deutschland ist am 27. Oktober in Dresden. Dort wird unter anderem die Abgeordnete der Linken im Europaparlament Dr. Cornelia Ernst sprechen. Am 30. Oktober finden in Frankfurt und Hannover zwei weitere Debatten gleichzeitig statt. Auf den Seiten des VDCH findet sich eine Übersicht über alle weiteren Debatten in Deutschland und Europa.
Ganz tolle Aktion. Ein großes Dankeschön für die viele Mühe!