Auswertung der VDCH-Besuchstour

Datum: 10. März 2022
Redakteur:
Kategorie: Mittwochs-Feature, VDCH

Im Debattieren kommt man viel herum. Clubs besuchen muss man jedoch aktiv © Sven Jentzsch

Münster, Hamburg, Tübingen– das sind die drei Debattierclubs, die im VDCH-Vorstand vertreten sind. Durch unser Debattieren in diesen drei Städten kriegen wir so selbst erste Eindrücke, wie es der Szene geht. Aber für ein vollständiges Bild reicht das bei weitem nicht aus.

Da die Corona-Pandemie für unsere Szene (wie für so ziemlich jede Organisation) eine Zäsur war, haben wir das zum Anlass genommen, eine  “VDCH-Besuchstour” abzuhalten– wenn auch auf die bequemste Art und Weise, via Zoom: Zwischen Oktober und Februar haben wir (hoffentlich) alle Clubvorstände in unserem Debateland für gemeinsame Sitzungen angefragt. Nicht immer erhielten wir eine Antwort bzw. ein “Lebenszeichen”, viele aber unterbreiteten uns nett Terminvorschläge und kamen gleich mit dem ganzen Vorstand. Wir trafen auf alte Bekannte, aber auch auf viele neue Gesichter, auf große und kleine, auf aktive und eher inaktive Vereine.

Die Ergebnisse der qualitativen Befragung haben wir intern protokolliert und aufbereitet. Wie so häufig stellt eine empirische Erhebung nicht auf den Kopf, was man ohnehin schon geahnt oder beobachtet hat. Trotzdem macht es Sinn, über ein paar Dinge zu reflektieren, weswegen wir die großen Trends aus der Befragung mit euch teilen wollen.

TEIL A: DIE CLUBS

Trend 1: Schwächung aus der Coronakrise, aber Aufwärtstrend

In der Coronakrise und der folgenden Online-Phase kam es für Debattiervereine zu zwei gegenteiligen Trends: Einerseits brachte die Möglichkeit, sich digital zu treffen, niedrige Zugangshürden und einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Hochschulgruppen, die auf Präsenz angewiesen sind; andererseits waren auch wir nicht von “Zoom-Fatigue” und den schwierigeren Social-Möglichkeiten im digitalen Raum verschont.

Der letztere Trend scheint aber überwogen zu haben:

  • Viele Clubs hatten gegen Ende 2021 Mühe, ihre Online-Debatten zu füllen.
  • Die Einstiegsphasen fielen kleiner aus; noch schwieriger war jedoch die langfristige Bindung von Neulingen.
  • Nicht zu vergessen ist, dass wir von einem nennenswerten Anzahl von Clubs gar keine Rückmeldung bekommen haben, weswegen uns auf der VDCH-Mitgliederversammlung wohl auch eine neue Bereinigung der Mitgliederkartei bevorsteht. Die Inaktivität muss natürlich nicht, kann aber auch mit Corona zu tun haben.

Erfreulich aber ist, dass die aktuelle Ersti-Phase in vielen Clubs sehr erfolgreich lief. Die meisten Vereine füllen aktuell (zumindest vor den Semesterferien) problemlos 1-2 Räume; nur wenige Clubs haben noch Personalmangel für einen Raum.
Folgerung: Je lebendiger unsere Szene ist, desto attraktiver wird es, (wieder) zu debattieren und desto wahrscheinlicher wird es, dass wir die personellen Lücken der Pandemiezeit schnell wieder füllen. Für diese Lebendigkeit zu sorgen, verstehen wir als unsere Aufgabe im VDCH-Vorstand. Dazu braucht es aber auch jede(n) Einzelne(n): Auf Clubebene bedeutet es, –sobald wieder sicher (!) und möglich – Präsenzdebatten und soziale Events anzubieten, an Turnieren teilzunehmen und besonders viel Mühe in die kommenden Einstiegsphasen zu stecken. Auf Verbandsebene bedeutet es, dass jedes Turnier, jede Initiative, jedes Mittwochs-Feature auf der Achten Minute usw. diese Szene lebendiger macht. Hierbei könnt ihr alle mithelfen.

Trend 2: Homogenitäten

Das ist natürlich ein “Trend” im Sinne von “statistisch beobachtbar”, nicht im Sinne einer neuen, überraschenden Entwicklung. Beobachtbar sind:

  • Nur ganz wenige Clubs haben mehrheitlich weibliche Mitglieder; ein paar mehr haben ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. In den meisten Vereinen überwiegen jedoch Männer– mit Anteilen zwischen 60-80%. Interessanterweise berichten einige Clubs, dass dieses Ungleichgewicht bei ihnen zu Beginn der Einstiegsphase noch nicht besteht.
  • Am Rande wurden auch fächerbezogene Ballungen berichtet, wobei die Disziplinen von Club zu Club stark variieren und oft mit dem Schwerpunkt der Hochschule zusammenhängen. Andere Ungleichheitsfaktoren wurden nicht durch uns abgefragt, sie sollten aber trotzdem nicht vergessen werden: Beispielsweise die Unterrepräsentation von Personen mit Migrationsbiografie, aus nicht-akademischen Elternhäusern oder mit konservativer / nicht-linker politischer Verortung. 
  • Weniger problematisch, aber dennoch erwähnenswert ist, dass nicht-kompetitive gegenüber kompetitiven Debattierenden überwiegen.
  • In fast allen Clubs gibt es nur einzelne Debattierende mit Deutsch als Fremdsprache (DaF) und nur unwesentlich mehr mit Interesse an englischen Debatten, sodass die Clubs meist daran scheitern, für diese Gruppen eigene Angebote anzubieten.

Folgerung: Dass Clubs nicht perfekt durchmischt sind, ist in ein paar dieser Fälle statistisch aus der studentischen Demographie begründbar oder kann an externen Gründen / gesellschaftlichen Stereotypen liegen, kann aber eben auch szene-interne Gründe haben. Dennoch sollte uns dieser Zustand im Debattieren, das gerade von einer Durchmischung von gesellschaftlichen und politischen Gruppen lebt, auf jeden Fall zu denken geben. Wir haben mit den Beiräten für Gleichstellung und Fairness eine Sitzung vereinbart, in welcher wir nochmal gezielt über das Homogenitätsproblem reden möchten. Für DaF-Redende haben wir zusammen mit DaF-Beirat Erik folgende Maßnahmen getroffen: Um die jeweilig kleinen DaF-Clubkontingente zu vernetzen, wurde die VDCH-DaF-Debatte ins Leben gerufen und getestet (Do, 18:15 Uhr; aktuell über die Ferien pausiert); außerdem gibt es auf Campus-Debatten künftig eine gesonderte DaF-Ehrung; schließlich werden wir Hilfsangebote für die Werbung unter DaFlern zur Verfügung stellen.

Trend 3: Generationenwechsel…

Generationenwechsel gab es schon immer im Hochschuldebattieren (und oft waren Clubvorstände mit jüngeren Menschen besetzt); sie mögen uns als Vorstand auch nur deswegen subjektiv auffallen, weil wir selber eher älteren Debattiergenerationen angehören und nun auf neue Gesichter treffen.

Wir glauben aber dennoch, dass der Generationenwechsel (gerade auch auf der Ebene der Vorstände) stärker ist als sonst. Viele Vorstände haben nur die Online-Debattierzeit und noch kein einziges Präsenzturnier erlebt. 

Vielleicht könnte ein Grund teilweise hierin liegen: In der Coronazeit fielen mehrere Ersti-Jahrgänge sehr klein aus; gleichzeitig blieben Alumni noch länger (auch aus der Distanz) dabei, um “den Laden am Laufen zu halten”. Nun brechen sie zunehmend weg– und die Jüngeren sind auf sich alleine gestellt.
Folgerung: Die Hauptfolgerung betrifft den Wissenstransfer in der Szene, der aber im nachfolgenden Punkt besprochen wird. Was man aber auch folgern kann: Erstens macht es auf Clubebene Sinn, frühzeitig und niedrigschwellig Personen an Vereinsprojekten (z.B. die Organisation einer Vereinshütte oder eines Turniers) zu beteiligen, dieses Engagement wertzuschätzen und frühzeitig nach Vorstands-Nachfolge zu suchen, um abrupte “Personalwechsel” zu vermeiden. Zweitens kann es enorm wertvoll sein, wenn Altvorstände oder Alumni junge Vorstände mit ihrem Wissen unterstützen (ohne sie freilich zu bevormunden).

TEIL B: DIE SZENE

Trend 4: … mit folglich hohem Wissensbedürfnis…

Wenn Vorstände unerfahren sind, verwundert es nicht, dass sie ein hohes Bedürfnis nach Wissenstransfer bekunden.

Dahingehend beobachten wir: Es ist viel Wissen in den Clubs verloren gegangen. Das betrifft Aspekte wie “Wie richte ich ein Turnier aus?” oder die Kenntnis von Institutionen wie der DDG, aber auch basalere Dinge wie “Wie melde ich mich für Turniere an?” oder das Verstehen von Fachbegriffen wie “CA”. Und wenn Clubvorstände dieses Wissen nicht haben, können sie es schwer an neue Erstis weitergeben.

Dementsprechend kommunizieren Vorstände auch ein Bedürfnis nach mehr Wissenstransfer. Auf positives Interesse stießen drei zentrale VDCH-Angebote:

  • Jurierseminare
  • der VDCH-Kickoff (als Fortbildungs- und Vernetzungsevent für Vorstände)
  • das VDCH-Wiki

Folgerung: Wir werden in alle drei Formate Arbeit investieren. Unsere Jurierbeiräte Sven und Dominik haben diese Saison bereits zwei großartige Jurierseminare auf die Beine gestellt, die auch auf große Nachfrage gestoßen sind. Den Kickoff werden wir noch einmal stärker bewerben und unter Vorständen als Fortbildungs- und Vernetzungsmöglichkeit bekannt machen. Beim Wiki arbeiten wir zusammen mit unseren Beiräten Simon und Jan-Gunther an einer Aktualisierung und Modernisierung des Angebots.

Trend 5: …mit unterschiedlicher Ausprägung.

Wenngleich Interesse an vielen VDCH-Angeboten besteht– ein Problem ist, dass unterschiedliche Meinungen dazu existieren, wie genau diese Angebote ausgestaltet sein sollen: Jurierseminare und Kickoff lieber online oder lieber offline? Mit Angeboten eher für Neulinge oder Fortgeschrittene? Muss das Wiki modernisiert werden oder ist es gut so, wie es ist? Soll es sich eher auf Club- oder auf Debattierressourcen beziehen?

In einigen dieser Fragen waren Mehrheiten abzusehen – beispielsweise zugunsten Jurierseminaren online und dem VDCH-Kickoff offline. Trotzdem muss es angesichts dessen nicht verwundern, dass zwar viele Clubs beispielsweise den Kickoff wollen, aber bei weitem nicht alle an dem spezifischen Tag und zu dem spezifischen Format kommen.

Folgerung: Wir werden versuchen, das Angebot in allen drei genannten Formaten – Juriermseminare, Kickoff, Wiki – möglichst breit aufzustellen, um verschiedene Interessensgruppen und Bedürfnisse abzudecken. Ein Beispiel waren die parallelen “Tracks” je nach Erfahrungslevel auf dem OPD-Jurierseminar diesen Februar. Jurierseminare werden wir eher online; Kickoffs eher in Präsenz abhalten– wobei wir auch Hybridlösungen einführen möchten, wo Inputs/Workshops im Nachhinein auf YouTube oder ins Wiki hochgeladen werden (und gleichzeitig trotzdem Anreize zu setzen, live dabei zu sein).

Trend 6: Zufriedenheit mit Wertschätzung, Wunsch nach mehr Austausch

Unterm Strich haben die Clubvorstände ein positives Bild von der Szene und unserem sozialen Miteinander. Fehlende Wertschätzung wurde nicht als Problem übermittelt, wenngleich es Probleme mit fehlender Engagementbereitschaft gibt.

Ebenfalls nicht als sehr problematisch, aber durchaus verbesserungswürdig wurde der soziale Austausch im VDCH-Land außerhalb von Debatten empfunden. Gründe waren erstens sehr junge/kleine Clubs, die es schwierig finden, den Sprung ins “kalte Wasser” des (inter-)nationalen Debattierkosmos zu wagen. Zweitens fiel der soziale Aspekt von Socials, Crash-Unterbringungen, gemeinsamer Pausen etc., der Präsenzturniere so ausgezeichnet hat, in der Onlinezeit stark weg. 

Außerdem haben wir nach dem Wunsch nach VDCH-weiten-Online-Events gefragt. Die Idee von VDCH-Spieleabenden/-Pubquizzes (wie in der Pandemiezeit) stieß auf kein großes Interesse. Überraschenderweise gab es aber viel positive Resonanz, VDCH-Debattenabende anzubieten. 

Folgerung: VDCH-Online-Debattenabende werden wir diskutieren; wir wollen dabei aber natürlich aufpassen, keine Konkurrenz zu den Clubabenden zu schaffen. Soweit es aus pandemischer Sicht sicher ist, sind Präsenzturniere eine gute Sache, um sozialen Austausch herzustellen. Schließlich: Selbst wenn kein starkes Problem kommuniziert wurde, möchten wir allein schon als Gegenmaßnahme gegen nachlassendes Engagement die Wertschätzung, gerade gegenüber Turnierorgas verbessern. In Zusammenarbeit mit den Beiräten für Gleichstellung und Fairness haben wir Ideen entwickelt, um uns als VDCH-Vorstand ausführlicher bei den Organisatorinnen und Organisatoren eines Turniers zu bedanken. Zudem möchten wir (zumindest auf Campus-Debatten) die Tradition etablieren, dass die Siegerteams dem Ausrichterclub mit dem Besuch und dem Jurieren einer Debattenabends oder dem Halten eines Workshops etwas zurückgeben. Beginnend mit der Campus-Debatte Heidelberg…

Apropos „besuchen“: Wir freuen uns, euch diese Saison auch mal wieder im echten Leben zu sehen!

Vorstand des VDCH / jgg.

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