Jurierleitfaden der DDM 2022 veröffentlicht

Datum: 18. April 2022
Redakteur:
Kategorie: Campus-Debatten, Jurieren

© Die Rederei e.V.

Jetzt aber echt: Die Chefjury der DDM 2022 in Wien hat den neuen Leitfaden für BPS-Debatten veröffentlicht. Im Artikel stellen Katharina Jansen, Jan-Gunther Gosselke und Sven Jentzsch die Änderungen vor.

UPDATE 4. Mai 2022: Wir haben uns mit den Kommentaren hier, konkret zu den Fragen bezüglich Technologie/Modifikations-Themen und Zwischenrufen noch einmal auseinander gesetzt und einige kleinere Änderungen formuliert, um unklare Teile zu klären. Die entsprechenden Abschnitte wurden hier im Artikel ergänzt und der verlinkte Jurierleitfaden durch die aktualisierte Variante ersetzt.

 

 

Nach Ostern ein verspätetes kleines Geschenk für euch: Der BPS-Jurierleitfaden für die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft 2022 in Wien ist veröffentlicht. Wie üblich wird er die kommenden zwei Jahre der Leitfaden für Debatten und Jurierungen im British Parliamentary Style sein.

“Das ist aber ganz schön spät! In einer Woche sind schon die Regionalmeisterschaften! Hättet ihr das nicht früher veröffentlichen können?”

Wir verstehen dieses Problem und hätten uns auch gewünscht, früher damit herausgehen zu können. Seit wir Ende Februar – also vor weniger als zwei Monaten – eingesetzt wurden, haben wir in quasi allen unseren Sitzungen neben Themen auch den neuen Leitfaden besprochen; wir sind aber jetzt erst mit dem ganzen 35-seitigen Dokument, allen Diskussionen und Rücksprachen fertig geworden.

Zur Beruhigung: Ihr müsst euer BPS-Reden und Jurieren nicht stark umstellen. Wir haben eher kleine Änderungen  vorgenommen, was auch an der großartigen Vorarbeit unserer Vorgänger-DDM-Chefjury liegt.

“Na gut, aber was habt ihr denn jetzt überhaupt geändert?”

Den neuen Leitfaden findet ihr hier:

Jurierleitfaden DDM 2022 v2

Im Vergleich zur Version der DDM 2020 haben sich vor allem folgende Dinge – hier geordnet annähernd nach dem chronologischen Debattenablauf – geändert:

Themen

Default-Setting der Debatte

Änderung: Das Default-Setting sind nicht mehr westlich-liberale Demokratien, sondern die breitestmöglich denkbare Einheit, im Zweifel also die ganze Welt.

Konkrete Formulierung: “Solange nicht anders spezifiziert, beziehen sich Motions auf den breitestmöglichen Anwendungsbereich im Kontext der jeweiligen Debatte. Es ist dabei wahrscheinlich, dass Jurierende in ihrer Rolle als durchschnittlich informierte Wähler:in einer westlich-liberalen Demokratie über mehr Wissen bzgl. westlich-liberaler Demokratien verfügen. Wenn nicht anders vorgegeben, beziehen sich Motions auf den momentanen Zeitpunkt.” (4.3.1)

Begründung: Diese Änderung klingt radikaler, als sie eigentlich ist. Wir glauben ebenfalls, dass Debatten häufig von homogenen Anwendungsräumen profitieren. Ferner glauben wir aber: Antragsthemen werden sowieso in den allermeisten Fällen mit einem konkreten Anwendungsgebiet verbunden– gleichsam dem fiktiven “Parlament”, von dem dieser Antrag beschlossen werden soll. Wenn auch Analysethemen nur in einem bestimmten geografischen Raum Sinn machen, sollte man sie ebenfalls darauf beschränken. Nur was dieser “sinnvolle Raum” ist – ob Demokratien allgemein, westliche Demokratien, Westeuropa, der deutschsprachige Raum oder nur Österreich – hängt sehr von der Debatte ab und sollte daher von der jeweiligen für das Thema verantwortlichen Chefjury reflektiert werden. Für Trends und Anträge, bei denen das nicht der Fall ist, scheint es aber sinnvoll zu sein, die ganze Welt einzubeziehen– weil bestimmte Trends nun einmal global sind. Dabei sollten Teams nur bedenken, dass es “deutschsprachigen Zeitungslesern” als Modell-Maßstab der Jury-Bewertung deutlich einfacher fällt, Entwicklungen in ihrem Umfeld als – z.B. – in Indien oder Guatemala nachzuvollziehen.

Wortlaut der Motion

Änderung: Kleine Verschiebung bei der wortgenauen Interpretation von Motions.

Konkrete Formulierung: “Gesunder Menschenverstand bzgl. dem Erschließen der Semantik der Motion ist angebracht, debattiert wird jedoch, was die Motion tatsächlich besagt und nicht, was Teams für die faire oder gute Version der Motion halten oder was sie glauben, dass „eigentlich gemeint” sei.” (4.3.1)

Begründung: “Es gibt zwei Philosophien bei der Interpretation bzw. Anwendung von Themen: Die eine Schule (der vorherige Status quo) fordert eine wortgenaue Auslegung, um Uneinigkeiten (“Das Factsheet stimmt doch nicht!? Was will die Motion eigentlich sagen?”) auszuschließen. Die andere (eher in OPD üblich) fordert, “den Geist der Motion” zu debattieren, damit Teams nicht semantische Unklarheiten in gemeinen (Gegen-)Anträgen, sog. “Squirrels”, ausschlachten. Wir wollen den Status quo größtenteils beibehalten, aber ein ganz kleines bisschen in Richtung “gesunden Menschenverstand” verschieben, um solchen Squirrels ein stückweit einen Riegel vorzulegen.

DHG, … schadet mehr als es nützt

Änderung: Einstufung von “DHG, … schadet mehr als es nützt” als klassische Analysemotion mit (!) Counterfactual; semantisch gleich zu “DHG, … sei schlecht”.

Konkrete Formulierung: “Es gibt jedoch immer eine hypothetische Alternativwelt, das sogenannte “Counterfactual”, welche sich je nach Formulierung und Debatte inhaltlich unterscheiden kann und gegen die die Welt mit x abzuwägen ist. In manchen Themen wird das Counterfactual durch die Formulierung definiert (bspw. DH zieht x y vor). Unter den Begriff solcher Analyse-Motions fällt eine Vielzahl von Formulierungen, die sich in zwei Kategorien mit leicht unterschiedlichem Anspruch trennen lassen: Formulierungen wie „DH glaubt, x sei schlecht.“, „DH lehnt x ab.“ und „DH glaubt, x schade mehr als es nütze.“ finden ab dem gegenwärtigen Zeitpunkt statt: Es wird lediglich bewertet, ob die Welt besser oder schlechter wäre, gäbe es x von jetzt auf gleich nicht mehr.” (4.3.3)

Begründung: In den vergangenen Monaten hatte sich zunehmend “DHG… schadet mehr als es nützt” als eine alternative Themenart etabliert, um Analysedebatten ohne Gegenwelt zu debattieren. “DHG, die Heute Show schadet mehr als sie nützt”, sollte beispielsweise rein die Vor- und Nachteile der Heute-Show debattieren– ohne die Frage zu stellen, welche andere Satireshow sich etabliert hätte, würde es die Heute-Show nicht mehr geben. Wir verstehen diesen Wunsch, glauben aber: (1) Aus der Formulierung “schadet mehr als es nützt” geht dies nicht so eindeutig hervor (Themenformulierungen sollten aber im Bestfall semantisch “für sich” eindeutig sein); der “Nutzen” eines Phänomens kann sich ja genauso aus den schlechteren Alternativen ergeben und (2) teilweise funktionieren diese Themen auch mit Counterfactual gut. Wir halten für Fälle, wo man wirklich auf solche Themen hinaus will, komparative Themenformulierungen à la “DHG, eine Welt mit Heute Show ist schlechter als eine Welt ohne vergleichbare Sendung auf diesem Sendeplatz” für präziser.

Implikationen von Technologiemotions

Änderung: Einführung neuer Motiontypen bei Themen mit technologischen/sonstigen Modifikationen / Einführung der Möglichkeit, auch andere Änderungen abzuleiten

Konkrete Formulierung: “Aus der Existenz dieser Technologien können ggf. auch die Existenz anderer Technologien abgeleitet werden (z.B. die Existenz moderner Unterhaltungs- und Simulationssysteme in einer Welt, in der das Bewusstsein von Menschen uploadbar geworden ist). Gleiches gilt für andere Modifikationen, wie beispielsweise fantastische Elemente. Dies gilt nicht bei Themenformulierungen, die explizit nur eine Änderung besprechen und sonst von unserer gegenwärtigen Welt ausgehen, wie z.B: “Dieses Haus glaubt, diese gegenwärtige Welt wäre besser mit der Möglichkeit des Bewusstseinuploads als ohne.“ (4.3.7)

Begründung: Wir halten es in einigen Fällen für schlicht unrealistisch, eine Welt in (ferner) Zukunft mit nur einer Modifikation anzunehmen, in der aber auf magische Weise sonst alles exakt auf dem Stand von heute geblieben ist. Ihre Spekulationen über zukünftige Entwicklungen müssten Teams natürlich immern noch plausibel machen. Wo diese Spekulationen absolut nicht gewollt sind, bieten komparative Themenformulierungen (diese Welt mit vs. dieselbe Welt ohne) die semantisch eindeutige Alternative.

Update 4. Mai 2022:

Nachdem wir es zuerst übersehen hatten, haben wir den Teil im ersten Satz gestrichen, der mit der weiteren Erläuterung nicht konsistent ist (”Enthält eine Motion eine solche technologische oder sonstige Modifikation, existiert für den Kontext der Debatte ~exakt und nur~ die beschriebene Technologie oder sonstige Modifikation.”).

Was die Unsicherheit der Zukunft betrifft, sind wir prinzipiell der Auffassung, dass Teile des Problems durch die Schwierigkeit des “Beweisens” von sehr unsicheren Szenarien gelöst werden – man kann natürlich vielerlei Theorien zum Kontext einer zukünftigen Technologie in Debatten einbringen, aber insofern als Argumente darauf beruhen, ist es oft eine sehr riskante Strategie. Um diese Logik eindeutig auch im Leitfaden zu haben (damit sie zur Jurierung solcher Debatten verwendet wird), haben wir folgenden Satz hinzugefügt:

“Es ist davon auszugehen, dass für den durchschnittlichen Zeitungsleser Phänomene mit großer Distanz zur aktuellen Welt, oder der im Thema beschriebenen Modifikation, zunächst weniger plausibel sind und daher besonders viel Erklärung benötigen.”

Debatte & Bewertung

Fiat bei Gegenanträgen

Änderung: Klarstellung, dass die Opposition als Fiat dieselbe Gesamtmenge an politischem Kapital zur Verfügung hat, egal in welcher Zusammensetzung.

Konkrete Formulierung: “Die Opposition erhält dafür die Gelegenheit (‘Fiat’), den von der Regierung vorgeschlagenen Aufwand an gesamtem politischem Kapital im weiteren Sinne (finanzielle Mittel, Wählerstimmen, Parlamentsmehrheiten, Ressourcen)  stattdessen für eine andere Maßnahme zur Lösung desselben Problems zu verwenden – einen sogenannten Gegenantrag (s. 4.4.2). Ein solcher Gegenantrag muss nicht gestellt werden.” (4.3.2)

Begründung: Es ist selten möglich, einen Gegenantrag in exakt  derselben Zusammensetzung von Ressourcen zu stellen. Aus den Regeln soll klarer hervorgehen, dass es “nur” darum geht, dass ein Gegenantrag genauso einfach/schwer politisch umsetzbar sein soll. Es kann also beispielsweise legitim sein, einen Gegenantrag zu stellen, der etwas teurer als der Regierungsantrag ist, dafür aber in der Bevölkerung etwas beliebter (wenn die Jury das Gefühl hätte, beide Maßnahmen wären gleich einfach im Parlament zu verabschieden).

Bewertungsrelevanz von Zwischenrufen

Änderung: Zwischenrufe werden wieder bewertungsrelevant

Konkrete Formulierung: “Zwischenrufe sind positiv wie negativ bewertungsrelevant und können zur Überzeugungsleistung eines Teams beitragen. So kann ein pointiertes Gegenbeispiel eine Behauptung der Rede in Frage stellen; ein permanentes “Das stimmt doch gar nicht” ist hingegen wenig überzeugend und wirkt störend. Zwischenrufe sollten nicht dazu benutzt werden, Redner:innen zu stören oder zu irritieren. Sobald Zwischenrufe eine nach Einschätzung der Jurierenden störende Qualität entwickeln, sollten sie durch die Hauptjuror:in unterbunden werden.” (2.2.4)

Begründung: Wir glauben in ihrer besten Form – sparsam eingesetzt, passend, pointiert – sind Zwischenrufe eine inhaltliche Bereicherung der Debatte und machen sie interaktiver. Solche Zwischenrufe lösen im Publikum kognitive Reaktionen aus. Diese dann aktiv in der Bewertung zu ignorieren / wieder gezwungen zu “vergessen”, halten wir nicht für richtig. Wir sind uns auch bewusst, dass Zwischenrufe genauso gut Debatten stören können, halten die Eingreifmechanismen, wie sie bereits im Regelwerk stehen (Unterbinden durch Jurierende; negativer Einfluss auf die Bewertung), aber für sinnvolle Gegenmechanismen.

Update 4. Mai 2022:

Hier möchten wir vor allem auf die Fragen zum Thema Nachverfolgung/Notizen bei Zwischenrufen, sowie deren Unterbindung eingehen. Die Änderung lautet wie folgt:

“Jurierende sollten Zwischenrufe daher möglichst wahrnehmen, solange sie verständlich sind; Priorität hat jedoch die Wahrnehmung der Rede. Sobald Zwischenrufe eine nach Einschätzung der Hauptjuror:in störende Qualität entwickeln bzw. die obigen Regeln nicht einhalten, sollten sie durch die Hauptjuror:in für dieses Team für den Rest der Rede unterbunden werden.”

Wie dies konkret realisiert werden kann, können wir natürlich auch im Briefing und Seminar näher erklären.

Das Ziel hier ist, dass Zwischenrufe insofern als sie jetzt bewertungsrelevant sind, durch Juroren verfolgt werden sollten, aber uns klar ist, dass dies durch ihr Volumen sehr schwierig werden kann. Wir möchten Teams einen Anreiz bieten, sie nicht in einer Form zu nutzen, die Redende oder Juroren überfordert. Zweitens wird hier geklärt, dass Hauptjuroren in eigenem Ermessen definieren können, ab wann dieser Punkt erreicht ist, und es ihnen überlassen ist, das durchzusetzen.

 

Streichung der Backloading-Regel

Änderung: Streichung der Backloading-Regel

Konkrete Formulierung: [4.5.3 wurde entfernt]

Begründung: Um das klarzustellen: Wir finden Backloading nicht gut und glauben, dies sollte im Sinne des alten und neuen Leitfadens der OO als “nicht-gegebene Antwortmöglichkeit” (4.5.2) negativ angerechnet werden. Jedoch birgt ein gesonderter Abschnitt Backloading die Gefahr, dass der Eindruck eines separaten Maßstabs entsteht, der an die Rede des Deputy Leaders of the Opposition anzulegen ist. Dies ist nicht der Fall, es gilt die allgemeine Regel aus 4.5.2.

Destruktives Material in der Schlussrede der Schließenden Opposition

Änderung: Die CO-Schlussrede darf wieder destruktives Material einbringen.

Konkrete Formulierung: “Wichtig für die Bewertung der Schließenden Opposition sind die in 4.5.3 ausgeführten Einschränkungen des bewertbaren Schlussredenmaterials: Neues konstruktives argumentatives Material in der Schlussrede fließt nicht in die Wertung ein.”; “Deshalb fließt sämtliches nicht schon zuvor in der Debatte vorgekommenes konstruktives Material der letzten Regierungsrede (‘Government Whip’) oder Oppositionsrede (‘Opposition Whip’) nicht in die Bewertung ein.” (4.5.3).

Begründung: Wir können die Argumente für die damalige Regeländerung 2020 nachvollziehen: (i) Destruktives Material unterscheidet sich kaum von konstruktivem Material in seiner Überzeugungskraft; (ii) dass solches Material unbeantwortet bleibt, verschafft ihm einen Vorteil. Im gleichen Maße sind wir aber überzeugt: (i) Es gibt schon einen Unterschied beider Argumentformen– destruktivem Material/Rebuttal steht immerhin das konstruktive Material, auf das es sich bezieht, gegenüber (das andere Team hatte die Chance, dieses gut zu gestalten). Außerdem (ii) verschiebt unseres Erachtens das Verbot für jedwedes konstruktives oder destruktives Material in der CO-Schlussrede das Pendel zu stark in die andere Richtung und benachteiligt die CO zu stark gegenüber den anderen Teams (obwohl sie das letzte Wort hat). Laut den internationalen Statistiken (ohne die strengere CO-Regel von 2020) ist die Schließende Opposition auch nicht das stärkste Team gewesen, weswegen man sie hätte strategisch schwächen müssen.

Gewinn der Debatte mit destruktivem Material

Änderung: Feststellung, dass man in Ausnahmefällen auch mit rein destruktivem Material die Debatte gewinnen kann.

Konkrete Formulierung: “Es ist zu bedenken, dass der maximale Effekt destruktiver Argumentation ist, bewiesen zu haben, dass ein Effekt nicht existiere. Ohne weitere Argumentation reicht das meist nicht aus, um zu zeigen, dass etwas wünschenswert oder nicht wünschenswert wäre.”  (4.5)

Begründung: Tatsächlich stimmt, dass es nicht gänzlich reicht, nur zu zeigen, dass etwas keine Nachteile hat, um Menschen davon zu überzeugen, dass man es auch machen sollte. Anders gesagt: Destruktives Material reicht meistens nicht aus, um eine Debatte zu gewinnen. Wir glauben aber, dass es Ausnahmen gibt. Folgender, konstruierter Fall: Zwei Oppositionsteams machen einen “normalen” Job. Eine Eröffnende Regierung gibt einen vagen, kleinen Vorteil, lässt das Rebuttal aber komplett aus. Eine Schließende Regierung rebuttet dann die beiden Oppositionsteams perfekt, kommt aber nicht zu neuem konstruktiven Material. In diesem Fall fänden wir es falsch, OG über CG zu werten, nur weil CG kein neues konstruktives Material hatte. Vielmehr wäre CG der Sieg zu geben, weil sie über ihr Rebuttal die Opposition schlagen und nur mithilfe dieses Rebuttals das OG-Material zur Geltung kommt. OG hingegen würde die Abwägung gegen die Oppositionsteams verlieren und letzter werden.

FEEDBACK

Feedback bei Überstimmung des/der Chairs

Änderung: In Ausnahmefällen können einzelne Abwägungen im Feedback auch von Nebenjurierenden übernommen werden.

Konkrete Formulierung: “Im Anschluss stellt die Hauptjuror:in die Begründung der Jury für das Ranking vor; diese Aufgabe kann, falls die Hauptjuror:in überstimmt wurde, von dieser auch in Teilen an eine Nebenjuror:in übertragen werden. Die Hauptjuror:in sollte dabei so weit als möglich selbst das Feedback geben und nur diejenigen Abwägungen an Nebenjuror:innen übertragen, die sie nicht artikulieren kann.” (3.4)

Begründung: Chefjurierende setzen Personen bewusst als Haupt- und Nebenjurierende. Insofern halten wir es weiterhin für sinnvoll, dass Hauptjurierende diese Aufgabe hauptsächlich wahrnehmen und sich nicht vor dieser Verantwortung (selbst in unangenehmen Fällen) drücken. Trotzdem können wir uns Situationen vorstellen, in der Nebenjurierende Abwägungen eloquenter ausdrücken / ihre eigenen Splits besser verteidigen können; in diesen Fällen wollen wir eine temporäre Ausnahme schaffen.

Sonstige Änderungen

“Sind das wirklich ALLE Änderungen oder habt ihr noch etwas versteckt reingemogelt?”

Der Transparenz halber sind hier noch alle übrigen Anpassungen aufgeführt, die wir vorgenommen haben. Sie werden euch aber (hoffentlich) noch weniger als die anderen vom Stuhl hauen:

  • Etwas lockerere Regelung bei Springerteams (nicht sofortige Ersetzung des fehlenden Teams, sondern nur, wenn man nach dem Springerteam im Raum ankommt)
  • Spezifizierung der Punkteverteilung bei Ironmans
  • Präzisierung, dass es um inhaltliche und nicht um allgemeine Überzeugungskraft (wie eher in OPD der Fall) geht
  • Präzisierung / genauere Beschreibung (ohne inhaltliche Änderung), wie Entscheidungs-Splits in der Jury abgestimmt werden
  • Streichung der empfohlenen Reihenfolge, in welcher Redepunkte durch die Jury festgelegt werden sollen
  • Noch deutlichere Klarstellung, dass von Jurierenden nicht verlangt wird, dass sie unabhängig vom Sprechtempo jedes Wort mitschreiben und verstehen können
  • Minimale Ergänzung, dass Prinzipienabwägungen beispielsweise über Analogien geschehen können
  • Hinzufügung anderer und zusätzlicher Beispiele bei Analysethemen
  • Klarstellung, dass in Third-Person-Motions die Perspektive des Ego-Akteurs natürlich nicht komplett irrelevant, aber nur eine von vielen ist.
  • Klarstellung, dass in First-Person-Motions die restliche Welt nicht per se irrelevant ist, falls z.B. der Ego-Akteur altruistische, moralische Interessen verfolgt
  • Abschwächung/Klarstellung, dass sich Gegenanträge nicht deutlich, sondern hinreichend deutlich vom Antrag unterscheiden sollen (absolut kleine Unterschiede können im Zweifel ja auch relativ einen großen Unterschied machen)
  • Klarstellung, dass die Opposition den Status quo vertritt, wenn sie keinen Gegenantrag stellt
  • Korrektur von einigen wenigen Rechtschreib- , Grammatik- oder Verweisfehlern.
  • Ausführlichere Darlegung, dass die Einräumung von Antwortmöglichkeiten bedeutet, transparent aufzutreten
  • Wechsel vom “*”- auf die “:”-Genderform
  • Präzisierung/Klarstellung, dass die Regierungs-Konsistenz natürlich trotzdem der Schließenden Regierung Gelegenheit für andere Priorisierungen gibt
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22 Kommentare zu “Jurierleitfaden der DDM 2022 veröffentlicht”

  1. Johannes (Würzburg/HD) sagt:

    Ad: Default-Setting

    Ich habe Mühe, eure Änderung nachzuvollziehen.

    Betrachten wir zunächst Antrags/Policy-Themen (synonym: -Motions). „Antragsthemen werden sowieso in den allermeisten Fällen mit einem konkreten Anwendungsgebiet verbunden– gleichsam dem fiktiven “Parlament”, von dem dieser Antrag beschlossen werden soll.“ Der Punkt ist doch, dass das Parlament fiktiv ist und daher keine Argumentation mit den Spezifika eines Landes stattfindet. Meint ihr, dass im Thema selbst zumeist der Akteur genannt wird bzw. werden sollte? Das ist meiner Ansicht nach nicht der Fall, die DHW-Formulierung erlaubt die Nennung des Akteurs nicht (zB Niko-Turnier: DHW das Bargeld abschaffen.) Meint ihr, dass im Antrag (der OG) typischerweise der politische Akteur genannt wird, der die Maßnahme beschließen soll? Ich glaube, dass diese Festlegung häufig implizit geschieht, weil eine genaue Ausarbeitung, wer juristisch zuständig ist oder sinnvollerweise zuständig gemacht werden sollte, nicht möglich ist. Erwartet ihr nun, dass die OG immer ausdrücklich sagt, dass sie ihren Antrag nur auf westlich-liberale Staaten bezieht, wenn sie die gewöhnlichen Argumente bringen will?

    Wenn die Festlegung unterbleibt, besteht das Kernproblem, dass fast jede Maßnahme irgendwie auch in asiatischen Demokratien, Entwicklungsländern und autoritären Industrieländern denkbar ist, aber dort anders umgesetzt werden würden und völlig andere Effekte hat. Ich bin mir sicher, dass die Abschaffung des Bargeldes in China, Indien oder in Nigeria sehr wichtige Effekte hätte, die diejenigen in Deutschland in den Schatten stellen, ich kenne sie nur nicht. Praktisch sähe ich mich als Juror, der von der einen Seite plausible Effkte der Abschaffung des Bargeldes in China und von der anderen solche seiner Abschaffung in Deutschland präsentiert bekommt, überfordert. Ich würde vermuten, dass die Debatte nun häufig darauf hinausläuft, dass Closing irgendeinen bisher nicht ausgeschlossenen geographischen Bereich findet, in dem die Maßnahme ganz tolle/verheerende Wirkung hätte.

    Zu den Analyse-Motions: „DH präferiert eine Welt, in der ausschließlich verdeckte Ermittler eingesetzt werden, gegenüber einer Welt, in der sowohl V-Leute als auch verdeckte Ermittler eingesetzt werden.“/“DH zieht eine bedingte Grundsicherung einer bedingungslosen Grundsicherung vor.“ Hier stellt sich das Problem, dass der „Trend“, das soziale Phänomen V-Mann/verdeckter Ermittler in der ganzen Welt existiert, aber in der Wirkung zwischen einem autoritären Staat (auch in Saudi-Arabien gibt es V-Männer) und einer Demokratie völlig unterschiedlich ist. Ebenso wäre ein UBI in der ganzen Welt theoretisch möglich, hätte aber in Indien völlig andere Effekte als in Norwegen. Wie können diese völlig inhomogenen Analyseräume verglichen werden?

    Ich sehe ein, dass bestimmte Trends (zB Social Media, sog. Digitalisierung, Feminismus, Säkularisierung, sinkende Geburtenraten, Individualisierung, Verrechtlichung) global wirken. Würde es nicht ausreichen, wenn in diesen Fällen die CAs ein „Weltweit betrachtet“ in die Motion einfügen? („DB bereut, weltweit betrachtet, die Verbreitung von Social Media“)

    1. Sven J. (SK Tü) / DDM22-Chefjury sagt:

      Lieber Johannes, danke für deinen Kommentar und deinen Input zum Leitfaden.
      Wir werden im Folgenden in drei Punkten versuchen, unsere Sicht auf die Dinge darzulegen:

      (1) Warum machen wir die Änderung?
      – Erstens sind wir der Meinung, dass Themen “für sich stehen” bzw. in sich abgeschlossen definiert sein sollten. Ihr Setting – gerade in BPS, wo es andauernd wechselt – sollte unseres Erachtens offen dargelegt werden und nicht in einem Leitfaden “versteckt” sein.
      – Zweitens möchten wir, dass sich Chefjurys nicht zu sehr auf einem Default “westlich-liberaler Demokratien” ausruhen. Wir glauben, dass (i) bei einigen Themen durchaus auch Impacts auf internationaler Ebene spannend und relevant sind (wie du auch an einigen Beispielen aufführst). In (ii) anderen Fällen ist auch der westlich-demokratische Raum sehr heterogen. Um beim Beispiel Bargeld zu bleiben: Nordische Länder, die Niederlande und die USA haben ein deutlich entspannteres Verhältnis zu Privatsphäre und zahlen bereits seit Jahren deutlich mehr mit Karte. Damit ist die Debatte eine ganz andere als in Deutschland. Wie viele Jurierende das Zahlverhalten in den Niederlanden kennen, ist ebenso unklar. Zuletzt (iii) ist die Definition (gerade in den letzten Jahren) nicht mehr so klar: Was ist mit defizitären Demokratien? Gehört Osteuropa, gehören asiatische Demokratien zum “Westen”?

      (2) Szenario A: Motions werden explizit oder implizit eingeschränkt.
      – In vielen Fällen werden Chefjurierende – gerade aus den Gründen, die du nennst – ihr Thema auf ein Setting einschränken. Welches Setting eine ausgeglichene, gute Debatte ergibt, kann von Fall zu Fall variieren. Mal ist das vielleicht Deutschland, mal Österreich, mal Zentraleuropa, mal die EU, mal stabile Demokratien, mal Entwicklungsländer.
      – Explizit kann man den Geltungsbereich auch bei Antragsthemen realisieren über: „Dieses Haus würde in/für Land X…“.
      – Werden Themen dadurch länger? Insgesamt vielleicht; aber ob man jetzt in der alten Welt Themen mit dem von dir vorgeschlagenen “global gesehen” erweitert oder in unserer Welt Themen mit einem “für Land X” einschränkt, kommt auf etwas Ähnliches hinaus.
      – Oft wird die Einschränkung auch schon implizit plausibel sein. «DH bereut die Einführung der Datenschutzgrundverordnung» ist offensichtlich in Europa gesetzt. Dies gilt sowohl für Policy- als auch für Analysemotions.

      (3) Szenario B: Motions werden global debattiert
      – In einigen Debatten wird das durchaus einen Vorteil bieten. Es eröffnet sich mehr Spielraum und Tiefe für spannende Extensions. Eine OG muss (und darf) den Spielraum nicht künstlich einschränken nur auf westlich-liberale Länder, wo das Thema dies nicht vorsieht, kann aber kurz argumentieren, warum dies die wichtigste Subgruppe ist. Andere Teams können dagegen argumentieren, warum ihre Ländergruppe die relevantere ist. An sich kein neues Konzept, so wird dies bereits bei Bevölkerungsgruppen und sonstigen Stakeholdern gehandhabt.
      – “Sind Diktaturen- und Überwachungsstaaten ein universaler Trumpf?” Wenn das Thema in Diktaturen tatsächlich keinen Sinn macht, sollte man das Setting von Chefjury-Seite entsprechend anpassen (siehe oben). Wir glauben aber, dass der Impact in diesen Staaten nicht automatisch jede Debatte gewinnt, da diese Länder ohnehin über sehr umfangreiche Mittel verfügen und bereits zu ihrem Vorteil nutzen. Beispiel Bargeld-Abschaffung: Man könnte argumentieren, die Privatsphäre in China ist sowieso sehr stark eingeschränkt durch Gesichtserkennung, Internetüberwachung, Social Credit Systeme und Ähnliches. Die Opposition müsste daher darlegen, warum ausgerechnet die Bargeld-Abschaffung den Unterschied von einem freien zu einem unfreien Land markiert.
      – “Wie sollen Jurierende das beurteilen?” Sie sollen das beurteilen, was der durchschnittlich gebildete Wähler aus Deutschland/Österreich/Schweiz beurteilen kann. Ein Argument, das nicht an dieses Wissen andockt – sei es das Zitieren einer Studie oder vorausgesetztes Fachwissen über ein fremdes Land – hat keine hohe Überzeugungskraft.

  2. Johannes (WÜ/HD) sagt:

    Lieber Sven, danke für die rasche und genaue Antwort!

    (1): Ich denke nicht, dass durch die Änderung Themen nun mehr „für sich“ stehen. Die Bedeutung eines Satzes hängt von der Sprache ab, in der er interpretiert wird. Dass Autor und Rezipient eine gemeinsame Sprache sprechen, ist Voraussetzung für das Verstehen. Durch explizite Interpretationsregeln legen wir die Bedeutung von Sätzen (hier den Themen) fest. Wenn man überhaupt von einer „natürlichen“ Bedeutung eines Satzes sprechen kann, dann ist das diejenige, die der Satz für die Mehrzahl der Rezipienten ohne explizite Regeln hat. Je mehr die expliziten Bedeutungsregeln von den intuitiven Bedeutung für die Mehrzahl der Rezipienten abweichen, desto eher wird die Sprache, in der die Motions verfasst sind, zu einer Kunstsprache. Ich möchte behaupten, dass die Auslegungsregel, Motions „breitestmöglich“ zu debattieren, eber von der intuitiven Bedeutung abweicht. Sätze des Alltags wie „Ich esse abends immer warm“ werden auch nicht breitestmöglich verstanden, sondern eben alltagsnah, lassen also vernünftige Abweichungen zu, obwohl die Auslegung „jeden Abend, ohne Ausnahme“ per se möglich wäre. Die „westlich-liberale Demokratie“ ist für uns, die wir in westlich-liberalen Demokratien leben, nun einmal der natürliche Bezugsraum für eine politische Frage. Der Begriff macht also nur (um Missverständnisse zu vermeiden) das explizit, was implizit von der weit überwiegenden Mehrheit der Debattierer, und auch der Öffentlichkeit angenommen wird, wenn ein Thema wie Bargeldabschaffung, V-Leute, UBI ausgesprochen wird. Durch die neue Sprachregel entfernt sich mE die Debatte (noch weiter) von den Argumenten, die „in Wirklichkeit“ für und wider die Motion angeführt werden.

    Westlich-liberale Demokratien sind mE schon einander deutlich ähnlicher als bisher ausgeschlossenen Regionen der Welt (die selbst hingegen enorme Vielfalt aufweisen). Dass man in der Niederlande eher mit Karte zahlt, wissen die meisten, aber fast niemand kennt die Bedeutung des Bargeldes in China auch nur im Ansatz.

    (2) Die explizite Einschränkung durch „DHW in X das Bargeld abschaffen“ ist grundsätzlich eine gute Formulierung. Das erste Problem ist nun, dass die CAs plötzlich juristisch-praktisch den Raum finden müssen, indem so eine Maßnahme sinnvoll mit wenig Grenzanpassungsproblemen umgesetzt werden kann. „X = Deutschland“ und „X = Euroraum“ geht wegen der Freizügigkeit in der EU nicht dh wäre massiv Opp-lastig. „X = EU“ ginge am ehsten. Dann besteht dennoch zweitens die Gefahr, dass mit Spezifika des Raumes argumentiert wird — also zB den unterschiedlichen Währungen in der EU, dem Backlash gegen die EU als Ganzes. Die grundsätzliche Frage, also „geprägte Freiheit“ gegen Transparenz und Effizienz, würde in den Hintergrund treten. Es bleibt dann nur die Formulierung wie bei der CDHD R4: „stabilen westlichen Demokratien“ — das klingt sehr technisch. Ich denke (aber kann mich irren), dass die Erweiterung „weltweit betrachtet“ besser klingt und seltener verwendet werden müsste.

    Betrachten wir die Themen von Heidelberg und Tübingen ohne implizite Einschränkung:
    HD R1: Ist das Musikvideo „You need to calm down” von Taylor Swift ein sinnvoller Beitrag im Sinne der LGBTQI+ Bewegung?“;
    „R2: Soll der Besuch einer Kindertagesstätte, mit Ausnahme pflegebedürftiger Kinder, verplichtend werden?“;
    „R5: Gegeben, es wäre ohne Schlupflöcher umsetzbar: Sollten wir in stabilen westlichen Demokratien allen Unter-16-Jährigen den Zugang zum Internet verwehren?“;
    TÜ R1: DH zieht eine bedingte Grundsicherung einer bedingungslosen Grundsicherung vor.
    R2: DH präferiert eine Welt, in der ausschließlich verdeckte Ermittler eingesetzt werden, gegenüber einer Welt, in der sowohl V-Leute als auch verdeckte Ermittler eingesetzt werden.
    R3: DHW in Großstädten mit angespanntem Wohnungsmarkt verbindliche Belegungsvorgaben für alle bewohnbaren Immobilien einführen.

    Erhellend global debattiert werden kann eigentlich nur HD-R1. „Breitestmöglich“ können aber alle Themen global debattiert werden — auch in Indien (bis auf in den ärmsten Teilen) könnte man per Gesetz Kitas einrichten, Belegungsvorgaben einführen, ein UBI einführen und auch dort gibt es verdeckte Ermittler. Man bräuchte bei allen anderen Themen eine explizite Einschränkung. Oder würdest du diese Themen wirklich global debattieren wollen?

    (3) Zur globalen Debatte: Zum einen erhöht diese Erweiterung des Anwendungsraumes einfach die Arbeit, die die Debatte leisten muss. Wenn die Debatte ernsthaft alle (jeweils riesigen) Gruppen in allen Regionen weltweit analysieren möchte, die zB von der Bargeldabschaffung betroffen sein können (Frauen in Indien, Single-Männer in China, die Kinder von Tagelöhnern in der Sahelzone) muss schon aus Zeitgründen die Analysetiefe leiden.
    Der unversale Trumpf sind nicht Diktaturen, sondern die Effekte auf die Bevölkerung in den BRICS-Staaten. Wenn uns die Menschen dort auch nur halbwegs wichtig sind, muss ab jetzt jede Debatte ohne explizite oder implizite Einschränkung auf diese Menschen bezogen werden.
    Die Überzeugungskraft als Maßstab versagt hier: Dass die Effekte in den BRICS-Staaten entscheidend sind, weiß jeder. Da aber kaum Vorwissen zu diesen Staaten existiert, müssen nun beide Seiten wild spekulierend mögliche Mechanismen erfinden. Das Jurierurteil hängt dann von der (eher) zufälligen Übereinstimmung mit der Spekulation der Juroren ab, statt vom großen gemeinsamen Wissen über die Mechanismen in westlichen Staaten.

    1. Jan-Gunther G. (DC FAU / DC St. Gallen) / DDM22-Chefjury sagt:

      Hallo Johannes!

      Danke für deinen weiteren Input zum Thema – hier ein kurzes Feedback dazu 🙂

      Zur Bedeutung von Sätzen:
      Debattierthemen werden von vielen Menschen gelesen– erfahrenen und unerfahrenen Debattierenden, Debattierenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, Publikum in Finaldebatten usw. Wir stimmen – wenn wir das richtig sehen – darin überein, dass Themen für diese Leute intuitiv verständlich sein sollten.

      Man kann nun zweierlei argumentieren:
      – Wenn Personen geografische Einschränkungen implizit mitdenken, wie du argumentierst, dann unserer Meinung nach eher die ihres Heimatlandes, als die der “westlichen Welt”. Wer beispielsweise als deutscher Außenstehender das KiTa-Thema liest, wird an deutsche Kitas denken und nicht welche in Spanien. Dieser Philosophie folgt das OPD-Format und setzt Themen daher als Default im Ausrichterland.
      – Andererseits kann man argumentieren, dass Menschen sagen, “wenn keine Einschränkung drin steht, gilt es auch ohne Einschränkung”. Dieser Philosophie sind wir im Leitfaden gefolgt. Außerdem: Selbst wenn wir Dinge gerne aus unserer deutschen Perspektive statt der Perspektive von Entwicklungsländern betrachten – vielleicht ist es gut, sich diesen Perspektivwechsel ein klein bisschen mehr anzugewöhnen, gerade wenn eine DDM in einem anderen Land als Deutschland stattfindet.
      Sprachästhetisch werden Themen dadurch im Übrigen sperriger, das ist leider richtig. Man muss aber sagen, dass da die BPS-Gepflogenheit von “Dieses Haus…” und langen Factsheets den größeren negativen Ausschlag gibt.

      Zu Themen mit Einschränkungen:
      – Dass Chefjurierende sich Gedanken machen müssen, wo ihr Thema Sinn ergibt, stimmt – das sollten sie aber definitiv auch in jedem Fall. Auch im alten Leitfaden ist sonst ohne genauere Spezifikation der Einbezug z.B. der Schweiz als Land ohne Euro, ohne EU-Mitgliedschaft und mit anders aufgebauter Demokratie und Staatsstruktur legitim (aber natürlich – generell unser Punkt – nicht notwendigerweise sinnvoll)
      – Dass sich durch das Setting der Debatte neue Themenfelder ergeben, die die prinzipielle Frage (z.B. Freiheit vs. Sicherheit) ergänzen, stimmt– das ist aber ebenfalls immer der Fall, auch wenn das Setting “westlich-liberale Demokratien” lautet. Generell gilt hier wieder: Im alten wie neuen Leitfaden sollten sich Chefjurierende über diese Aspekte Gedanken machen.

      Zu Themen ohne Einschränkungen:
      – Sowohl praktische OPD-Themen (vgl. OPD-Regelwerk) als auch die meisten Antragsthemen sind Beispiele für Themen, die für globale Settings unserer Meinung nach eher ungeeignet sind, weil beide primär von einem konkreten Entscheidungsträger ausgehen. Ist hier die globale Anwendung gewünscht, kann z.B. ein Weltenvergleich die bessere Option sein. Ausnahmen können bestehen, wo multilaterale Gremien die Entscheidungskompetenz haben.
      – Wenn es in einer Debatte viele Betroffenengruppen gibt, ist es die Aufgabe von Teams, diese sinnvoll zu bündeln und nur über die wichtigsten zu reden.
      – Unsere zentrale Meinungsverschiedenheit ist wahrscheinlich: Wir im Panel glauben, dass wenn “fast niemand die Bedeutung des Bargeldes in China kennt” oder Teams “wild über Impacts in BRICS-Staaten spekulieren”, dass diese Argumente kaum Bedeutung in der Debatte entfalten werden. Als Jurierperson sollte man sich nicht von einem Argument überzeugen lassen, dass nicht am vorausgesetzten Wissen andockt. Es sollten nur dann Entwicklungsland-Extensions die Debatte gewinnen, wenn diese für alle Teilnehmenden plausibel sind.

      Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich kann man da unterschiedlicher Meinung sein. Realistisch gesehen haben alle Lösungen – Ausrichterland-Default in OPD, westlich-liberaler Default im alten LF, breitestmöglicher Default (mit häufigen Einschränkungen) im neuen LF – ihre Vor- und Nachteile.

  3. Ruben (Hannover/Hamburg) sagt:

    Vielen Dank für eure Arbeit und Erklärungen!

    Den Absatz zu Technologiemotions finde ich jetzt jedoch widersprüchlich: Im ersten Satz steht: „Enthält eine Motion eine solche technologische oder sonstige Modifikation, existiert für den
    Kontext der Debatte exakt und nur die beschriebene Technologie oder sonstige Modifikation.“
    – Das verstehe ich so, dass keine anderen Änderungen abgeleitet werden dürfen.
    Im folgenden steht dann, dass was ihr auch hier im Artikel ausführt: „Aus der Existenz dieser Technologien können ggf. auch die Existenz anderer Technologien abgeleitet werden (z.B. die Existenz moderner Unterhaltungs- und Simulationssysteme in
    einer Welt, in der das Bewusstsein von Menschen uploadbar geworden ist)“

    Widersprechen sich die beiden Aussagen nicht gegenseitig?

    Die Änderung erscheint mir aus CA-Sicht den Teams sehr weite Möglichkeiten zu geben, das Thema um (ggf. unerwünschte) Nebenschauplätze zu erweitern. Daher frage ich mich, inwieweit diese abgeleiteten anderen Technologien zum Debattengegenstand werden dürfen?

    1. Jan-Gunther G. (DC FAU / DC St. Gallen) / DDM22-Chefjury sagt: sagt:

      Danke Ruben für deine Aufmerksamkeit: Da hast du recht, da haben wir den alten Leitfaden aus Versehen nicht genügend überarbeitet. Wir bitten diesen alten Regel“artefakt“ für die Regios zu ignorieren, wir werden das auch zeitnah anpassen.

      Bzgl. Nebenschauplätzen: Zwei Aspekte:

      a) gilt hier unseres Erachtens nach wie vor die Plausibilisierungspflicht für die Teams. Im Leitfaden wird das Beispiel der Existenz von Advanced Entertainment Systemen in einer Debatte über Bewusstseinsuploads genannt. Das scheint für uns intuitiv plausibilisierbar: Ein Bewusstsein, das in der Cloud ist, sollte sich deutlich einfacher in eine sehr immersive virtuelle Welt einbinden lassen, als wenn das nicht möglich ist. Die neue Formulierung gestattet es Teams natürlich auch, zu versuchen, aus dem Bewusstseinsupload die Heilung von Krebs heraus zu postulieren, aber dass hier ein bikonditionaler Zusammenhang zwischen der Uploadmöglichkeit und der Heilung von Krebs besteht und dass daher im Counter Factual Krebs nicht geheilt wird, erscheint uns deutlich unintuitiver.

      b) glauben wir, dass die alternative Motion Formulierung im zweiten Teil des Abschnitts zu Tech Motions CA Teams eine Möglichkeit an die Hand gibt, explizit auf den normativen Clash zu fokussieren (statt wie bisher implizit)

      Danke für den Input!

    2. Anton L. sagt:

      Überlegungen, wie du, JG, sie unter a) zusammenfasst, werden neuerdings dann vermutlich sehr relevant für den Debattenausgang sein – der klassische Case, wegen dem das bisher anders war, ist, dass die Regierung z.B. extrem hohe Speicher – und Computingfähigkeiten postulieren kann, die ja für Bewusstseinsupload notwendig sind. Wie mit diesen Fähigkeiten auf Opp-Seite sonst noch verfahren werden kann (e.g.: Können wir damit Krebs heilen? AGI programmieren? GDP verdoppeln?), bzw. was diese Fähigkeiten für die Regierungsseite implizieren, ist einerseits extrem strittig und schwierig plausibel festzustellen, andererseits aber dann sehr wichtig für den Ausgang der Debatte.

      Anders gesagt: Eure Formulierung bedeutet im Effekt, dass euer Beispielthema lautet: DHG, die beste Art und Weise, vaguely absurd große computing-Ressourcen einzusetzen, ist, Bewusstseinsuploads zu ermöglichen. (Spezifika je nach wording, natürlich). Diese Motion wirkt zurecht befremdlich – sie führt eine Ebene in die Debatte ein (nämlich die Erwägungen, die du unter a) skizzierst), die kaum von CAs absehbar und kaum von Panels jurierbar ist, und nimmt dabei vom normativen Clash weg, der unter der alten Regel im Mittelpunkt gestanden hätte.

      Da überzeugt mich deine Antwort unter b) auch noch nicht ganz – klar kann man Motions mit Extraformulierungen auch gegen eine widersinnige Grundregel absichern. Aber wenn das dann der nötige Weg ist, um den normativen Clash und nicht die deskriptive Assertionsschlacht zu debattieren – warum dann nicht bei der alten Regel bleiben, bei der letztere überhaupt nicht vorkommt? Das Interesse daran, dass die Motion “für sich” steht, finde ich da noch nicht ausreichend – gewisse Informationen müssen ja immer jenseits der Motion gegeben sein (sonst bräuchte es ja auch keinen Leitfadeninhalt / Briefing zu Motiontypen).

      Eine letzte Sorge in dem Zusammenhang ist auch Abwärtskompatibilität: Es kann, gerade im Kontext Clubabend, häufig passieren, dass alte Motions unter dem neuen Regelwerk debattiert werden. Wenn die jetzt plötzlich ganz anders funktionieren als früher, dann sind das vermutlich schlechtere Debatten, weil niemand so wirklich über die Clashes unter der neuen Regel nachgedacht hat. Deswegen sollte m.E. eine starke Grundtendenz dazu bestehen, Implikationen von Themenformulierungen nicht sprunghaft substanziell ohne sehr guten Grund zu verändern.

  4. Jan (Tü/MS) sagt:

    Mir ist ehrlich gesagt nicht genau klar, mit welcher Autorität das CA-Team einer DDM allen anderen CAs auch in Zukunft Vorschriften über die Art machen kann, wie sie bitte Themen zu stellen haben. Meines Verständnisses nach ist ein Jurierleitfaden eine Hilfe um zu garantieren, dass:

    (1) Innerhalb eines Turniers alle Beteiligten nach gleichen Maßstäben beurteilt werden
    (2) Regelunklarheiten geklärt werden

    Beide Dinge dienen dem reibungslosen Ablauf eines Turniers und können daher mit gutem Recht von einem CA-Team gestaltet werden. Gerade wenn es darum geht, dass man zukünftige CA-Teams dazu bringen möchte, Themen auf eine bestimmte Art zu stellen, wird meiner Meinung nach der Aufgabenbereich klar überschritten. Wenn zukünftige Chefjuries sich entscheiden, die gleichen Maßstäbe anzusetzen ist das schön und spricht für die Qualität dieser Regelauslegung, ich sehe allerdings keinerlei implizite Verpflichtung dies zu tun. „Wie üblich wird er die kommenden zwei Jahre der Leitfaden für Debatten und Jurierungen im British Parliamentary Style sein“ – ob das so sein wird, könnt ihr nicht einfach so bestimmen, dazu habt ihr nicht das Recht. Woher auch?

    Damit einher geht ein zweiter Aspekt, den ich bedenklich finde. Wenn jedes Jahr wieder Änderungen durchgeführt und rückgängig gemacht werden, sorgt das im Gegensatz zu den Zielen eines Jurierleitfadens, die ich oben aufgelistet habe, gerade dafür, dass es mehr Regelunklarheiten gibt. Das gilt in besonderer Weise da, wo man (wie hier in Artikel und Kommentaren) das Gefühl bekommt, es geht eigentlich nur um semantische Auslegungen als um tatsächliche Veränderungen.

    Mein Plädoyer: Weniger ändern, Leute mehr machen lassen, nicht CAs vorschreiben, was sie zu tun haben.

  5. Marina sagt:

    Super Änderungen! Danke, dass der Leitfaden an das internationale BP Format angeglichen wurde. Macht das Ganze einheitlicher und übersichtlicher und auch willkommener für regelmäßige BP DAF RednerInnen und uns Ösis ;))

    LG Marina

  6. Paula (Wien) sagt:

    Also ich find die Änderungen echt gut durchdacht, danke dafür. Besonders, dass man endlich in CO Whip neues Rebuttal bringen darf! Und ich freu mich auch auf Debatten mit internationalem Kontext, das macht das ganze ja viel spannender, wenn man tatsächlich über andere Länder nachdenken muss und sich nicht immer auf seinem DACH Wissen ausruhen kann.

  7. Anton L. sagt:

    Liebe DDM-CAs,

    vielen Dank erst einmal für eure gründliche Arbeit am Leitfaden! Es liegt in der Natur der Sache solcher Kommentarsektionen, das häufiger das herausgestellt wird, was Leuten nicht gut passt – ich fürchte, damit werde ich auch nicht brechen, aber ich finde es trotzdem wichtig, anzumerken, dass das, was nicht kritisiert wird, ex negativo das größte Lob der Debattiercommunity erfährt. Ich wollte trotzdem zu einigen Aspekten kurz schreiben – vielleicht auch ein bisschen aus der Perspektive der Gedanken, die ich und wir uns gemacht haben, als wir uns zu den davor dagewesenen Formulierungen gemacht haben.

    a) Meta-Ebene: Anspruch und Reichweite des Leitfadens
    Wie von Jan erwähnt, finde ich etwas besorgniserregend, dass der Leitfaden hier apodiktisch als das Regeldokument für die nächsten zwei Jahre präsentiert wird. Ich glaube, das Format tut gut daran, dass es sich den starren Gremiumsstrukturen der OPD-RK entledigt hat, und ich finde es wichtig, dass der Leitfaden sich im Anspruch darauf beschränkt, Bewertungsrichtlinien für die DDM spezifisch festzulegen. Andernfalls öffnen wir Leitfadenvorschriften z.B. zu genereller Themensetzung, zur Turnierorganisation etc. Tür und Tor – das fände ich schade um die demokratischere Natur des BP-Formats.

    b) Technologie-Debatten
    Ich finde die Änderung zu technologischen Modifikatoren sehr bedenklich. Der jetzige Text enthält mit der Formulierung einen Widerspruch (s. Rubens Kommentar), aber ich würde davor warnen, den zugunsten eurer Änderung aufzulösen. Wenn die Opposition ermächtigt ist, kontrafaktische Verwendung der magischen Technologie der Motion zu postulieren, wird es zu einer sehr starken Opp-Strategie, solche Vermutungen auszuführen – z.B. zu erklären, warum der normative ’sweet spot‘ einer Debatte durch ähnliche technologische Mittel erreicht werden kann. Das wird häufig vielversprechend sein: Technlogische Modifikatoren enthalten eine Menge „Motion-Magie“, die die Opposition plausiblerweise in 14 Minuten einigermaßen effektiv auslegen kann. Das hat das Potential, Debatten auf viele Arten und Weisen zu sprengen: Indem sie dadurch stark Opp-lastig werden, indem sie für die schließenden Teams nicht vorbereitbar werden, indem sie durch die CAs in ihrem wahrscheinlichen Verlauf nicht absehbar werden, indem sie in verschiedenen Räumen dramatisch unterschiedlich laufen, indem sie es unmöglich machen, sich mit den eigentlich interessanteren hintergründigen normativen Clashes zu beschäftigen etc. Dafür setzt die neue Regelung leider starke incentives.

    c) Zwischenrufe
    Debattenästhetisch mag man davon halten, was man möchte – da will ich nichts zu sagen. Aber das Erlauben von Zwischenrufen hat substantzielle Implikationen für die Opening/Closing-Balance: Viel der ausgleichenden Stärke der schließenden Teams liegt in ihrer Fähigkeit, debattengewinnendes Material vergleichsweise weniger beantwortbar vorzubringen, und sehr selektiv in der Interaktion sein zu können. Sicher ist es im Interesse der schließenden Hälfte, zu suggerieren, dass sie sehr interaktiv ist, aber eben ‚on their own terms‘. Das verschiebt sich durch die Einführung von Zwischenrufen massiv: Die eröffnenden Teams erhalten viel umfangreichere Interaktionsmöglichkeit, und der Vorbehalt der schließenden Teams wird reduziert. Umgekehrt gibt es diesen Effekt kaum: Schließende Teams können den Inhalt ihres Zwischenrufs einfach auf ihre Rede verschieben. Ich glaube nicht, dass dieser Eingriff in die Formatbalance nötig oder gerechtfertigt ist – und im Übrigen gibt es dem deutschen BP auch ein eigenartiges Alleinstellungsmerkmal im internationalen Vergleich, der ja z.B. Marina wichtig war.

    d) Backloading
    Ihr begründet die Entfernung der Backloading-Regel damit, dass nicht der Eindruck einer Sonderregel für DLO entstehen sollte. Ich glaube, eine solche Sonderregel war und wäre wieder richtig. Ja, es gibt die allgemeine Klausel zu nicht-beantwortetem Material. Aber trotzdem haben wir für GW und OW ja eine Sonderregel, die das Ausmaß relevanten Materials genau charakterisiert. Der gleiche Fairnessgrundsatz, der diesen Regeln zugrunde liegt, sollte auch eine Einschränkung für DLO motivieren; ansonsten ist die eröffnende Regierung das einzige Team in der Debatte, das in ihrer Hälfte unwidersprechbarem Material begegnet. Man kann sich in diesem Kontext sicher Sorgen um Transitivität machen – das hat mich vor zwei Jahren auch einige Nächte wachgehalten. Aber wenn ihr die Entscheidung trefft, den Absatz und damit die Sonderregel zu entfernen, würde mich interessieren, warum ihr die Parallele zu den Sonderregeln zur Antwortmöglichkeitsgarantie für die Whips nicht zieht.

    e) Rebuttal in der OW
    Dass sich diese Regel nur zwei Jahre hält, wusste ich auch schon vor zwei Jahren – die gesamte Diskussion dazu werde ich nicht noch einmal führen. Stattdessen habe ich Bedenken zu zwei damit verknüpften Aspekten:
    I) Der Leitfaden charakterisiert explizit, dass Erweiterungen auch destruktives Material sein können, und des weiteren ja jetzt explizit auch, dass destruktives Material Debatten gewinnen kann. Also sozusagen destruktives Material ⊂ (Extension = pot. debattengewinnendes Material). Jetzt, wo OW neues destruktives Material einbringen darf, heißt das damit ja, dass OW zumindest eine bestimmte Art von Erweiterung bringen darf – die CO-Erweiterung ist damit explizit nicht nur MO vorbehalten. Oder plakativ formuliert: Wenn ich mit meinem Taschenstein auf ein Turnier fahre, der Taschenstein 7 Minuten lang für die MO auf dem Tisch liegt und ich dann die OW halte, kann ich aus OW vollständig unwidersprochen die Debatte gewinnen. Das finde ich eine bedenkliche Implikation – ist das beabsichtigt?

    II) Ihr begründet die Änderung damit, dass ihr keinen statistischen Grund für eine Schwächung von CO seht. Selbst wenn ich Unrecht haben sollte und die Regelung von 2020 nicht die bisherige und weitere Jurierpraxis der Top-BP-Judges national wie international ist (was sie auch weiterhin auf Grundlage von 4.5.2 sein wird), würde ich folgendes zu Bedenken geben: Sowohl die Hinzufügung von Zwischenrufen, als auch das Entfernen der Backloading-Regel (weil OO dadurch mehr Material bringen kann, das CO dann nicht mehr benutzen kann) schadet CO substanziell. Wenn ihr explizit eine Schwächung von CO vermeiden wollt, scheinen mir das attraktivere Ansatzpunkte als die (m.E.) balancetechnisch unerhebliche Klarstellung zur OW von 2020.

    So viel an vergleichsweise unreflektierten ersten Gedanken erst einmal nach erster oberflächlicher Lektüre – noch einmal vielen Dank für eure Arbeit!

    1. Sven J. (SK Tü) / DDM-Chefjury 2022 sagt:

      Lieber Anton – danke dir für die umfangreichen Anmerkungen! Keine Sorge, wir kennen die Logik der Achten Minute und ihrer Doomthreads, um negative Kommentare für uns einzuordnen.

      (a) Zur Meta-Ebene / Reichweite des Leitfadens:
      Ein Wort der Einordnung, auch an Jan, nachdem diese Formulierung stärker Streitpunkt als erwartet zu sein scheint: In unserer rasch verfassten Einleitung handelt es sich hierbei mehr um unsere Wahrnehmung der seit rund einem Jahrzehnt gelebten Praxis, als um einen machthungrigen Power Grab – euer Leitfaden für 2020 wurde, wie du selber schreibst, ja auch zwei Jahre konsistent angewandt. Wir wurden mit der Ausschreibung der Chefjury beauftragt, die BPS-Jurierleitfäden zu sichten und ggf. zu überarbeiten, dem sind wir nachgekommen. Natürlich steht es jedem CA-Team frei, andere Regeln auf ihrem Turnier zu setzen, ggf. sogar einen eigenen Leitfaden zu verfassen. Nichtsdestotrotz erscheint es uns sinnvoll, wenn CAs im Sinne der konsistenten Jurierpraxis sich auf den aktuellen Leitfaden stützen, gerade im Sinne der Konsistenz, die Jan und du hochhaltet.

      b) Zu Technologie-Debatten:
      – Den von Ruben entdeckten Widerspruch werden wir anpassen, da waren wir tatsächlich nicht gründlich genug in der Überarbeitung.
      – Die Regel hat unseres Erachtens weniger Auswirkungen, als von denen ihr ausgeht (zumal diese Themen sehr selten sind). Nur weil Ableitungen anderer Modifikationen nun möglich sind, heißt das noch lange nicht, dass sie als Argument in der Debatte plausibel sind. Spekulationen haben an sich, dass sie spekulativ sind und entsprechend schwach als Mechanismus funktionieren. Um beim Beispiel aus dem Leitfaden zu bleiben: Argumentation wie „Wenn das Bewusstsein in eine Cloud hochgeladen werden kann, dann kann es dort wohl auch in eine besonders immersive Form von Virtual Reality eingebettet werden, weil man direkt die Sinneswahrnehmungen kontrollieren kann“ wirkt für uns durch den direkt dargestellten Zusammenhang plausibel; „Wenn das Bewusstsein in eine Cloud hochgeladen werden kann, haben wir tiefes biologisches Wissen und können daher Krebs heilen“ hingegen ohne tiefere biologische Erläuterung weniger. “In einer solchen Welt haben wir bestimmt auch das Sonnensystem besiedelt und keine soziale Ungleichheit mehr” wäre schließlich vollkommen spekulativ. Die Teams haben also nicht einfach Zugriff auf alle Optionen, sondern müssen diese erklären. Wir glauben i) dass kluge Teams dass aufgrund limitierter Zeit nur in sehr zugänglichen Fällen machen – dann finden wir dies fair, und ii) dass solche en detail dargelegten Plausibilisierungen dann klassischem Rebuttal zugänglich sind, welches die Plausibilisierungsmechanismen angreift.
      – Aus diesen Gründen glauben wir auch nicht, dass das Themenrecycling für Clubabende ein riesiges Problem werden wird. Außerdem reden wir hier von einem Bruchteil der tausenden Debattierthemen.
      – Zuletzt wir ja im zweiten Teil des Abschnitts zu Technologiemotions eine semantisch eindeutige Formulierung beschrieben, der sich CAs und Clubvorstände bedienen können, falls weiter nur eine Modifikation gewollt ist.

      c) Zu Zwischenrufen
      Ich denke hier unterscheiden wir uns bzgl. der Wahrnehmung der Mächtigkeit von Zwischenrufen – im gegebenen Umfang von 5-7 Wörtern in nicht störender Frequenz können sie unseres Erachtens offensichtliche Lücken aufzeigen, aber keine elaborierten Mechanismen präsentieren. Aus unserer Sicht ist das Aufzeigen solcher Lücken wünschenswert, wo sich Teams der Interaktion diesbzgl. verweigern. Selektive Interaktion, wie du sie beschreibst, halten wir allein aus moralischen Gründen für falsch.
      Zuletzt: Auch in der alten Welt waren Zwischenrufe ja nicht verboten. Es stellt sich dann die Frage, ob Zwischenrufe „aktiv ungehört gemacht“ werden bzw. aus dem Gedächtnis getilgt werden können oder nicht sowieso in die Jurierung einfließen. Denn das ist schwierig, sodass Transparenz zu bevorzugen ist.

      d) Zu Backloading:
      Da liegt unserer Wahrnehmung nach ein Missverständnis vor. Wir halten Backloading für nicht wünschenswert. Dieses Backloading aber selektiv negativ in der Abwägung zu OG zu berücksichtigen, zieht logische Paradoxa nach sich, wenn man dadurch theoretisch gegen OG gleichzeitig (in der direkten Abwägung) verlieren und (transitiv in den Abwägungen mit der Schließenden Hälfte) gewinnen kann. Ein pauschales Verbot von bestimmten Material in der zweiten Oppositionsrede analog zu den Regelungen bei den Schlussreden halten wir aber auch nicht für zielführend. Somit verbleibt die allgemeine Regel – die uns aber sehr wichtig ist – dass es allgemein negativ zu berücksichtigen (auf dem Level, Abwägungen zu kippen) ist, wenn sich ein Team der Interaktion mit Teams verschließt.

      e) Zum Rebuttal in der CO-Schlussrede:
      – Du skizzierst das Szenario, dass man ja nun “mit einem Stein auf der Memberrede” allein durch die Schlussrede die Debatte gewinnen kann (schließlich könne man ja uns zufolge auch mit Rebuttal eine Debatte gewinnen). Ja, das ist theoretisch möglich. Theoretisch können übrigens immer einzelne Reden eine Debatte entscheiden– wobei dein Punkt fairerweise ja ist, dass die anderen sich nicht dagegen wehren könnten. Können sie mit Zwischenfragen und -rufen im Übrigen schon. Vor allem aber sehen wir – wie aber auch im Leitfaden verdeutlicht – den Debattengewinn durch Rebuttal als starke Ausnahme, nicht als Regel an: „Ohne weitere Argumentation reicht das meist [!] nicht aus, um zu zeigen, dass etwas wünschenswert oder nicht wünschenswert wäre“. Das Rebuttal müsste ja quasi die Gegenseite in jedem ihrer Argumente perfekt auskontern. In den Fällen, wo das Rebuttal derart stark ist, dass es die Debatte gewinnt, ist dies aus unserer Sicht jedoch gerechtfertigt – die anderen Teams hatten davor bereits die Chance mit konstruktivem und destruktivem Material das Panel auf ihre Seite zu ziehen.
      – Dass wir nicht glauben, dass die Änderungen bei Zwischenrufen und Backloading etwas substanziell an der Ausgeglichenheit von Eröffnender und Schließender Hälfte verändern, haben wir oben bereits dargelegt.
      – PS: Die Änderung entspricht im Übrigen auch der gängigen Praxis im internationalen BPS. Siehe dazu das Korea WUDC 2021 Judging Manual: “The following things do not count as new arguments in this sense, and are permissible for Whips to engage in: ● new defences of arguments already made, ● new explanations of previously-made arguments, ● new rebuttal, ● new examples to support existing arguments, ● new explanation regarding the impact or prioritization of existing lines of argumentation and ● anything the other side can reasonably be expected to understand that team intended from their Member speech.” Natürlich ist das Deutschsprachige BPS immer mal wieder vom internationalen Standard abgewichen, aber uns fehlt dafür in diesem Fall wie gesagt die starke empirische Rechtfertigung dafür.

    2. Alexandra Mayerweg sagt:

      Vielen Dank auch von meiner Seite für diese neuen Änderungen. Ich muss sagen als langjährige Debattantin in der internationalen BP Szene hat der alte Leitfaden für mich einiges an Verwirrung gestiftet, da ich ähnliche Regelungen gerade bezüglich CO Whip auf keinem anderen Turnier gesehen habe. Für mich wird die SDM das erste Turnier in der deutschen Szene sein und ich möchte betonen wie sehr die neuen Regelungen den Einstieg für mich erleichtern. Ich denke wenn ein System sich jahrelang weltweit bewährt hat und trotz Analysen der Gewinnchancen einzelner Positionen kein systematischer signifikanten Vor- oder Nachteil für CO gezeigt werden konnte, dass man nach bester aktueller Datenlage behaupten kann das die neuen Regelungen der CO Whip auch in Deutschland gut funktionieren werden.

      Ähnliche Fragezeichen in meinem Kopf entstehen auch bezüglich der Kritik, dass Themen in bestimmten Ländern diskuttiert werden können. Wenn man sich zum Beispiel auf einer Weltmeisterschaft zum Debattieren trifft und mit 3 asiatischen Teams im Raum ist muss man auch damit rechnen, das manche der Argumente aus der eigenen Perspektive weniger intuitiv wirken. Aber genau das bietet auch Anreiz sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen und ich sehe das als einen riesigen Vorteil der im Einklang steht mit dem Anspruch jedes Debattanten Themen von unterschiedlichen Positionen beleuchten zu können auch wenn die Argumente nicht der eigenen Lebenserfahrung entsprechen.

      Ich habe es auch noch nie erlebt, dass es hier in guten Räumen zu chaotischen Debatten gekommen wäre. Wenn ein Team erklären möchte warum dieses Thema besonders relevant in China ist und davon ausgegangen werden kann, dass die Juroren wenig dazu wissen, muss die Analyse sehr viel umfangreicher sein um den Juror hier bei jedem Schritt mitzunehmen. Gelingt eine solche taktische Entscheidung und das Argumemt überzeugt den Juror trotz dieses Erschwerniss, warum sollte das dann nicht erlaubt sein?

      Veränderungen können anstrengend sein und ich verstehe den Unmut bekanntes Gewässer zu verlassen, aber Verbesserungen können nicht ohne Trial and Error umgesetzt werden. Man kann es auch als Chance sehen mal etwas neues auszuprobieren.

      Liebe Grüße und danke für die Arbeit die in den Leitfadem reingesteckt worden ist.

      Alexandra (DK Wien)

    3. Anton L. sagt:

      Zur Antwort auf Sven s. 8 – auch nach noch-so-vielen Jahren scheitere ich an der Navigation dieser Kommentarsektion, das ist bestimmt kein gutes Zeichen.

      Ich hoffe sehr, dass sich die hier häufig geäußerte Hoffnung erfüllt, dass die deutsche Jurierpraxis durch den Leitfaden näher an die internationale rückt – das war bereits, was wir mit dem letzten Leitfaden versucht haben (den ich hier kurz in Schutz nehmen will – man mag von mir halten, was man will, aber das Panel für den 2020er-Leitfaden hatte schon in zumindest einer Person substanzielle internationale Debattierexpertise und vergleichsweise wenig dediziert deutschen Einfluss).

      Ich habe meine Zweifel, dass der neue Leitfaden näher am Internationalen ist als der alte, aber selbst wenn das so ist: Ich glaube, 99% einer Entwicklung hin zu oder weg von der internationalen Praxis ergibt sich aber nicht aus dem Leitfadendokument, sondern aus der Kommunikation, der Jurierendenausbildung und der Motivation gerade von erfahreneren Judges, sich Verhältnissen anzupassen. Insofern hoffe ich, dass die CAs und Judges für die DDM 2022 diesen Anspruch auch aus den theoretischen Diskussionen um Regeln in ihre tatsächlichen Entscheidungen in der Bewertung von Debatten tragen – das halte zumindest ich für die viel größere Herausforderung als das Dokument perfekt zu schreiben. In der Praxis sehen die Dinge leider häufig anders – i.e., sehr viel mysteriöser und weniger sinnvoll genormt – aus, und ich hoffe, dass da gegengesteuert werden kann. Deswegen ist auch Trial-and-Error ein bisschen schwierig: Man kann im Leitfaden häufig trialen, wie man möchte, wenn die Judges nicht bereit sind, die entsprechenden errors zu begehen, bleibt es schwierig. Was ich damit sagen will: Ich glaube, es ist wirklich sehr wichtig, ausgehend von diesen Hoffnungen und Erwartungen die deutschsprachige Jurierpraxis auch wirklich accountable zu halten.

  8. Anton L. sagt:

    Vielen Dank für die Antwort!

    a) Okay, bin zufrieden!

    b) Da bin ich hingegen extrem unzufrieden, und habe ein wenig das Gefühl, dass mein Punkt aus 3b. unbeantwortet bleibt. Erneut: Die Möglichkeit des Bewusstseinsuploads impliziert nicht indirekt extrem hohe Computing-Fähigkeiten, sondern jede plausible Version von Bewusstseinsupload benötigt solche Fähigkeiten notwendigerweise. Das ist bei sehr vielen „Angenommen, dass…“-Sci-Fi-Technologie-Debatten so: Wenn es dafür nicht ein substanzielles Mehr an Ressourcen bräuchte, wären diese Technologien ja kein Sci-Fi. Das Delta zwischen realer Welt und Sci-Fi ist aber häufig nicht vollständig technologiespezifisch – wie z.B. im Fall von Computing, Speicher, Energie, Ressourcen, Geld, etc. Da braucht es dann auch gar nicht so viel Plausibilisierungsarbeit für – es ist ja klar, dass man diese Dinge braucht, um die aktuelle Welt in Richtung der Sci-Fi-Option zu verändern. Und insofern diese Ressourcen alternative Nutzweisen haben, hat die Opposition natürlich massive Anreize, das auszunutzen: Dann müssen sie nicht nur den SQ verteidigen, sondern können mit den Mitteln extrem viele positive Effekte postulieren – bestenfalls nur per Spekulation, schlimmstenfalls in vielen Motions per Fiat.

    Klar, das kann man dann mit Rebuttal bearbeiten – aber dann geht es in der Debatte halt um den Grad, zu der die Verwendung von Ressource X zu Ziel Y wahrscheinlich und nützlich ist, und nur noch sehr indirekt um die eingänglich postulierte Technologie. Davon geht die Welt nicht unter, aber das ist sicherlich eine schlechtere Debatte. Nochmal: Das ist nicht nur manchmal traurigerweise ein Nebeneffekt, das ist eine direkte Konsequenz davon, dass dafür, die Welt in Richtung der postulierten Technologie zu verändern, notwendigerweise irgendeine Art von Ressource vorhanden sein muss, die man auch für etwas anderes benutzen kann. Und dann tröstet es mich auch nicht, dass man sich diesem Chaos per Extraformulierung verwehren kann – das „Standard-Angenommen,dass-Thema“ profitiert nicht von der Änderung. In den anderen Fragen, in denen wir uns uneinig sind, sehe ich vollkommen ein, dass hier verschiedene Meinungen vielleicht nicht nachvollziehbar, aber zumindest ursächlich erklärbar sind. Aber in dieser Frage würde ich euch wirklich emphatisch bitten, eure Änderung zumindest noch einmal zu besprechen und zu reflektieren – ich glaube, das richtet einen großen Schaden an dieser Art von Thema an.

    c) Selektive Interaktion mag man moralisch für falsch halten, ist aber natürlich ein häufigst praktizierter Teil des Formats – wie häufig kamst du schon aus einer Debatte raus und dachtest dir: „Ach, wenn ich POI X an CO noch hätte stellen können…“? Das wissen die gegnerischen Teams natürlich auch und gestalten ihre Interaktion entsprechend, erlauben Fragen nur zu bestimmten Teilen etc. Und vielleicht sind Zwischenrufe nicht gut darin, das allerfeinste Rebuttal herauszustellen. Aber insofern früher schließende Teams Debatten um einen Abstand gewonnen haben, der durch 21 Worte über drei Zwischenrufe schließbar gewesen wäre (ich finde aus meiner Juriererfahrung sehr plausibel, dass das auf allen Skill-Levels extrem häufig passiert – gerade durch Beispiele und Gegenbeispiele!), passiert das jetzt halt nicht mehr. Ich finde das eine substanzielle Veränderung (und wie gesagt eine starke Abweichung von der internationalen Praxis), aber wenn ihr die für richtig haltet, dann ist das wohl so. Nur: Ihr könnt nicht gleichzeitig sagen, dass die Änderung der Regel etwas bewirkt, und euch der Idee verwehren, dass sie asymmetrisch wirkt, denn insofern ein Zwischenruf jetzt mehr tut, tut er das asymmetrisch – denn Zwischenrufe bringen ja offensichtlich mehr, wenn man nach der Rede, in der man sie anbringt, keine eigene Redemöglichkeit mehr hat.

    d) Ich bin mit der Transitivitätsproblematik ja auch extrem unglücklich gewesen, insofern verstehe ich da euren Beweggrund gut. Ich bin damals zu dem Schluss gekommen, dass leichte Verletzungen der Transivitität des Formats besser sind als die extrem unfairen Konsequenzen der Backloadingstrategie. Du hast recht – im Sinne der Balance gegen die schließende Hälfte eignet sich eine Pauschaleinschränkung des Materials in DLO nicht. Aber die 4.5.2-Regel scheint (mir) halt intuitiv viel wichtiger für DLO als für jede andere Rede, weil DLO einzigartig viel Spielraum hat, im Rahmen der Regeln Interaktion zu vermeiden – deswegen ja der Versuch, das explizit anzusprechen. Aber da kann man zu anderen Einschätzungen kommen, damit kann ich leben.

    [Achtung: Vermutlich nicht relevant für die Praxis des Formats:] Ein letzter Hinweis aber noch: Wenn man das zuende denkt, wird man das Transitivitätsproblem leider potenziell nicht los. Antwortmöglichkeitsdynamiken sind ja bilateral, entsprechend ist der mangelnde-Antwortmöglichkeit-Malus vermutlich auch abwägungsspezifisch – d.h. backloading wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass CG auf DLO antworten kann. Jetzt gibt es hier zwei Optionen: Entweder man akzeptiert, dass der Backloading-Malus (ob er jetzt explizit oder implizit existiert) nur die Abwägung der Opening-Half betrifft, oder man nimmt in Kauf, dass es für die Abwägung OO-CO eine Rolle spielt, ob DPM oder nur CG auf den OO-Case antworten konnte. Man kann schon letzteres glauben, aber das wiederum führt zu einer Rebuttaltheorie, die sehr davon abweicht, was momentan praktiziert wird – nämlich eine rein negative Wirkungstheorie im Gegensatz zu einer Theorie, die Rebuttal als genuinen Beitrag ansieht (ich habe dazu vor zwei Jahren mal etwas in meiner Videoreihe gesagt, für das ich extrem viel Widerspruch bekommen habe).

    e) Wie gesagt, die Diskussion dazu ist bekannt, und es ist mir ehrlich gesagt auch mit zwei Jahren Abstand vollständig schleierhaft, wie es dazu nach all den ausgetauschten Nachrichten unter dem alten Leitfaden noch ernsthaftes disagreement geben kann.

    Lass mich nur eines sagen: Die Crux dieser ganzen Diskussion ist, dass extrem unklar ist, was destruktives Material bzw. Rebuttal bedeutet. Eigentlich gibt es keinen plausiblen Weg, wie man zwischen konstruktivem Material und destruktivem Material unterscheiden kann, wenn es um Oppositionsargumentation geht – das meiste „konstruktive“ Oppositionsmaterial richtet sich auch irgendwo negativ gegen gewisse Grundintuitionen, die das Thema motivieren, und umgekehrt besteht viel Rebuttal darin, konstruktiv zu skizzieren, warum negative Behauptungen der Gegenseite inkorrekt sind. Die Definition nicht aus den Argumenten in Isolation, sondern aus der Debattendynamik abzuleiten, ist auch keine gute Idee, weil es dann starke Anreize gibt, möglichst wenig Ansatzpunkte zu geben, damit die Gegenseite ihr constructive als Rebuttal ausgebenkann.

    Je weniger man bereit ist, diesem Sachverhalt ins Auge zu sehen, desto mehr kann man an eine tatsächliche funktionale Unterscheidung von konstruktivem und destruktivem Material glauben – und desto besser kann man als Autor eurer neuen Schlussregelung nachts schlafen. Ich glaube, letzten Endes ist diese Unterscheidung ein Irrweg, aber wenn der aktuelle Stand ist, dass man diesen Irrweg als angenehme Abkürzung zu einem simpleren Regelwerk gehen möchte, dann finde ich das vertretbar. Nur zuletzt noch: Aus der internationalen Praxis ergibt sich das trotz der von dir zitierten Stelle sicherlich nicht – dieser Leitfaden verwendet ja auch eine wieder andere Rebuttaldefinition, was ja genau der Grund ist, warum man sich über dieses Problem kaum sinnvoll unterhalten kann – und was der Grund ist, warum eine Evaluation dieser Regelfrage entlang der Dimension von Schwächung versus Stärkung von CO keinen Sinn ergibt. Ich glaube, mit der neuen Regelung ist das Regelwerk ein ganzes Stück weit widersprüchlicher, weniger elegant und weniger theoretisch solide – aber ich glaube, die Jurierpraxis bleibt vermutlich so oder so größtenteils unbeeinflusst, also bin ich bereit, in dieser Hinsicht das Kriegsbeil zu begraben.

  9. Christoph S. (Münster) sagt:

    Liebe DDM-Cas,

    ich möchte mich auch ausdrücklich für eure großartige Arbeit am Leitfaden bedanken. Viele eurer Änderungen halte ich für absolut richtig und begrüßenswert. Ich finde es auch beeindruckend, wie klar und wertschätzend ihr zu den Rückfragen in den Kommentaren Stellung bezogen habt.
    Zu zwei der Änderungen, die hier schon ausführlich diskutiert wurden, möchte ich noch meinen Senf geben: I. Technologie-Motions; II. Zwischenrufe (folgt in einem eigenen Kommentar).
    In beiden Fragen möchte ich ausdrücklich Antons Beitrag (In den Threads zu Kommentar 7 und 8 jeweils unter b) und c)) unterstützen. Ich teile alle Bedenken, die dort in größerer Präzision präsentiert sind, als ich es könnte.
    I. Technologie-Motions (vgl. 7+8 b)
    TLDR: Die Science-Fiction-Welt (stärker) zum Debattengegenstand zu machen, sorgt nicht nur für eine ungünstige, randomisierende Debattendynamik, sondern macht die für die Debatte konstruierte Welt sogar weniger realistisch.
    [Notiz: Hier folgt ein viel zu ausführlicher Kommentar. Für die Übersicht finden sich an mehreren Stellen Kurzzusammenfassungen („TLDR“). Wer nicht alles lesen möchte, findet hier die TLDR gesammelt:
    (TLDR1: Um eine realistische Welt zeichnen zu können, braucht man verlässliche Parameter. Technologie-Themen-Parameter sind besonders unzuverlässig, weil sie a) von einer fiktiven, oft unterdefinierten Technologie abhängen; b) eine (oft) ferne Zukunft voraussetzen.)
    (TLDR2: Verschiedene Teams haben verschiedene Vorstellung von der Funktionsweise der debattierten Technologie. Wenn davon eine ganze Weltbeschreibung abhängt, ist Vermittlung und Jurierung massiv erschwert)
    (TLDR3: Die Zukunft ist ungewiss. Dass wir von einer bestimmten Technologie in ihr wissen, macht sie nicht viel weniger ungewiss. Es ist schlecht, wenn diese Ungewissheit zum dominanten Nebenschauplatz einer Debatte wird)

    I.i. Grundlegendes
    Themen mit fiktiver Technologie haben ein grundlegendes Problem, das durch die Änderung gravierend verstärkt wird:
    Die „Details“ der Technologie sind 1) durch das Thema nicht festgelegt/nicht festlegbar; 2) für Teile der möglichen Argumentation plausibilitätsentscheidend.
    3) Es gibt oft mehrere Optionen, welche Details eine Technologie haben kann, zwischen denen 4) es kaum klare Kriterien für Jurierende gibt, zu entscheiden.
    „Details“ können alle Fragen sein, die sich zum Funktionieren der Technologie stellen: Umsetzungsfragen (z.B.: Lebt die biochemische Person, deren Mind hochgeladen wird, weiter? Gibt es sie dann einfach zweimal? Ist sie einfach eine exakte Simulation der physikalischen und biochemischen Prozesse, die im Gehirn ablaufen, in die Stimuli hineinsimuliert werden oder ist sie auf die „entscheidenden“ Bestandteile des Mind reduziert?), philosophische Fragen (z.B.: Wenn eine Maschine existiert, die den Todeszeitpunkt jeder Person voraussagen kann, ist dann linearer Determinismus korrekt? Kann die Maschine getäuscht werden oder sich irren?), technische Fragen (z.B. Wie sicher ist das fiktive Mind-Upload-System? Kann ich deine Mind-Cloud hacken? Kann ein Server fehlfunktionieren?) etc.
    Über 1) und 2) erhalten durch die Neuregelung die Details stärkeres Gewicht gegenüber der abstrakt-normativen Fragestellung (JGG/DDM-Cas unter 3.a.b) „normative[r] Clash“). (Soweit Antons Analyse unter 7. Und 8. (jeweils b). Für die negativen Konsequenzen für die Debattendynamik vgl. ebd.).
    I.ii. realistische Welt?
    (TLDR: Um eine realistische Welt zeichnen zu können, braucht man verlässliche Parameter. Technologie-Themen-Parameter sind besonders unzuverlässig, weil sie a) von einer fiktiven, oft unterdefinierten Technologie abhängen; b) eine (oft) ferne Zukunft voraussetzen.)

    Wenn ich die Begründung der DDM-CAs richtig verstehe, ist das Ziel der Änderung, dass Debatten eine realistischere Welt um die Technologie herum konstruieren (s. Begründung:„Wir halten es in einigen Fällen für schlicht unrealistisch, eine Welt in (ferner) Zukunft mit nur einer Modifikation anzunehmen, in der aber auf magische Weise sonst alles exakt auf dem Stand von heute geblieben ist“).
    Selbst wenn das ein sinnvolles Ziel sein sollte (was ich spezifisch bei Technologie-Themen persönlich bezweifle, aber das ist nicht Teil dieser Argumentation), wird es durch die Änderung nicht erreicht: Einerseits, weil Detailentscheidungs-Pfadabhängigkeit oft scharfe Unterschiede zwischen den Welten erzeugt, die verschiedene Teams skizzieren (s. I.ii.i); andererseits aufgrund der grundsätzlichen Schwierigkeit, zukünftige Welten vorherzusagen (s. I.ii.ii).
    I.ii.i: Pfadabhängigkeit
    (TLDR: Verschiedene Teams haben verschiedene Vorstellung von der Funktionsweise der debattierten Technologie. Wenn davon eine ganze Weltbeschreibung abhängt, ist Vermittlung und Jurierung massiv erschwert)
    Hier werden Teil 3) und 4) der Problembeschreibung wichtig: 3) Es gibt oft mehrere Optionen, welche Details eine Technologie haben kann, zwischen denen 4) es kaum klare Kriterien für Jurierende gibt, zu entscheiden.
    Die Welt um die Technologie herum sieht völlig anders aus, je nachdem, welche technologischen Details zugrundegelegt werden:
    Zur Veranschaulichung ein Beispiel (zu: „Angenommen es gibt eine Technologie, die Erinnerungen an ExpartnerInnen löscht. DHW diese Technologie erlauben.“):
    Team A vermutet, die Technologie funktioniert so: Ein Haar des/der Ex wird in eine schwarze Kiste gegeben, auf die die vergessende Person ihre Hände legt, die Kiste resoniert mit den Schwingungen der Aura, die im Haar gespeichert ist und löscht so alle Wellen mit ähnlicher Aurenfrequenz im Erinnerungssystem des Gehirns; Team B denkt, man geht in ein Labor, wird an einen Computer angeschlossen, jemand kann die Erinnerungen grob kategorisiert an einem Bildschirm durchgehen und löscht alles/das meiste mit dem Tag „Ex“.
    Diese Darstellungen sind jeweils, sagen wir, mittelmäßige Überlegungen, wie die Technologie funktioniert. Für die normative Überlegung bedeutet die Frage keinen besonders großen Unterschied. Für jede andere Spekulation über die restliche Welt aber macht es einen gravierenden Unterschied, welche Technologie existiert (und welche Annahmen über die Natur von Erinnerung und die Realität in der Debatte vorausgesetzt werden).
    Der einzige Weg, einen solchen Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Welt-Charakterisierungen aus Jurierendenperspektive zu lösen, ist: „Welches Technologie-Detail erscheint mir plausibler?“
    Daraus ergeben sich aber gleich mehrere Probleme:
    1) Es gibt wenig Anhaltspunkte, welche Detailentscheidung höhere Plausibilität hat (offensichtlich ist ein Team, das eine Technologie als Ergebnis existierender Forschung beschreibt plausibler, als eines, das völlig abgedrehte Details verwendet. In unserem Beispiel hätte Team B wohl bessere Chancen, für plausibler gehalten zu werden). Es gibt entsprechend auch weit auseinanderliegende Intuitionen, was eine „faire“ Charakterisierung darstellt und wenig Gründe, sich auf eine Darstellung zu einigen. Wann immer keine Einigkeit entsteht aber wird die Debattenfrage „Was sind die genauen Features der zugrundeliegenden Technologie?“ die Jurierung dominieren. Das ist besonders schade, weil sie so schwer zu entscheiden ist.
    2) Oft sind die Optionen mutually exclusive (d.h. sie können nicht gleichzeitig gelten).
    3) Absurde Ungewissheit: Die totale Ungewissheit, ob (in der Jurierung, im gesunden Menschenverstand oder wo auch immer) die Technologie nach Team A oder Team B gilt, macht Debatten absurd. Zur Klarheit: Debatten behandeln oft Streitfragen unter gewisser Unsicherheit, Mangel an Information etc. Reale Entscheidungsträger:innen tun das genauso. Die Ungewissheit, die durch dieses Problem entsteht ist aber eine ganz eigene Kategorie: Sie erzeugt ein Unwissen, dass kein realer Akteur in der verhandelten Entscheidung je haben könnte. Wer sich Gedanken über eine existierende Technologie macht, kennt auch die grundlegende Funktionsweise der Technologie. (vgl. das Thema DHW eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen einführen, aber ohne zu wissen, ob ein Auto von einem Motor angetrieben oder von einem Seil an einem zentralen System gezogen wird).
    In jedem Fall aber kennt er/sie zentrale Parameter seiner Welt. In der Debatte hingegen sind diese Fragen großen Unsicherheiten ausgesetzt. Realistisch ist diese Ungewissheit nicht.

    II.ii.ii. Die ungewisse Zukunft
    (TLDR: Die Zukunft ist ungewiss. Dass wir von einer bestimmten Technologie in ihr wissen, macht sie nicht viel weniger ungewiss. Es ist schlecht, wenn diese Ungewissheit zum dominanten Nebenschauplatz einer Debatte wird)
    Die realistische Beschreibung einer entfernten Welt, die nur durch die Existenz einer unterdefinierten Technologie vorgezeichnet ist, ist selbst großen Unsicherheiten ausgesetzt. Die DDM-Cas haben recht, wenn sie unplausibel finden, dass in dieser entfernten Welt, die bspw. Mind-Uploads hat, alles andere gleich geblieben ist. Die Alternative ist leider deutlich schlechter: Jede andere Weltbeschreibung ist ebenso unplausibel. Die meisten Unterschiede zwischen der jetzigen und der zukünftigen Welt haben nichts mit der Erfindung von Technologie x und ihren Vorläufern zu tun. Entsprechend ist es ein Irrweg, mithilfe der Technologie oder ihrer Existenz die eine oder die andere Weltbeschreibung zu plausibilisieren. Im Beispiel: Mind-Uploads sind im erleuchteten intergalaktischen Weltraum-Kommunismus genauso denkbar wie in einer post-apokalyptischen Einöde mit wenigen Überlebenden und einer großen Serverstruktur. Sobald dann aber Änderungen, die nicht auf die Technologie beschränkt sind, zur Debatte stehen, ist kaum zu entscheiden, welche „korrekt“ sind.
    Im Status Quo haben Teams Anreize, diese Risiken zu vermeiden und sich auf die normative Überlegung zu stützen, die von den Umsetzungsdetails deutlich unabhängiger ist, als die Konstruktion einer kontrafaktischen Welt mit dieser Technologie und all ihren Alternativen, Spezialproblemen und Opportunitätskosten.
    Das ist der Grund warum diese Probleme im SQ deutlich seltener sind. Ein Fiktive-Technologie-Thema hat nach der Änderung aber eine viel höhere Chance, mindestens in einigen Räumen Probleme dieser Art hervorzurufen. Diese Debatten sind dann kaum strategisch vorzubereiten, wenig vergnüglich zu reden und schwerlich fair zu jurieren.
    „Angenommen, die Technologie existiert“-Themen haben bereits Schwächen, die einige CAs aber in Kauf nehmen, weil sich so interessante Fragen debattieren lassen. Die Änderung rückt leider die schwerer plan- und jurierbaren Aspekte in den Vordergrund. Ich tue mich schwer, mir Themen vorzustellen, in denen diese Aspekte einen Vorteil oder eine interessantere Debatte darstellen.
    Ich möchte mich deshalb Antons Appell anschließen.

  10. Marion S. (FfM) sagt:

    Liebe Chefjury,

    ganz herzlichen Dank für eure Arbeit und euer großartiges Engagement!
    Ich wollte mich nur kurz zu den jüngsten Punkten der Debatte dazu schalten und Zustimmung zu Antons und Christophs Anmerkungen ausdrücken.

    1.) Technologie-Motions: Den Bedenken bzgl. der Sci-Fi-Technologie-Motions schließe ich mich ganz an und habe nicht viel hinzuzufügen; vielleicht zwei Gedanken:

    a) Tau ziehen um Eigenschaften/Definitionen:

    In Factsheets wird die zu debattierende Technologie (und evtl. die Welt, in der sie existiert) meist nur grob umrissen. Teams haben daher m.M.n. immer einen Anreiz, durch das Ausbauen/Verändern von Eigenschaften der Technologie o.ä. die Debatte zu ihren Gunsten zu beeinflussen, anstatt es bei der initialen Definition der Gegenseite zu belassen und eher schneller zu den gewünschten normativen Fragen zu gelangen (insbes. bei einer DDM, wo es den Teams nochmal mehr als auf dem Clubabend um den Sieg geht). Meiner Erfahrung nach erwachsen daraus häufig Debatten, in denen v.a. um die Natur/Definition der Technologie (und deren Welt) Tau gezogen wird, anstatt zu den Abwägungen zu gelangen, die man eigentlich debattieren möchte. Diese Debatten scheinen mir meist nicht besonders bereichernd oder erhellend.

    b) Wozu Debatten? (enthält weniger Sinnkrise, als die Frage vermuten lässt):

    Ich persönlich glaube, dass es eine Stärke von und Bereicherung für Debatten ist, wenn Debattierer:innen aus Erfahrungen und Gegebenheiten der jetzigen Welt oder der, die sie schon erlebt haben, schöpfen können und Phänomene eben dieser Welt debattieren, indem sie Aussagen treffen, die erkennbar verifiziert oder falsifiziert werden können. Ich finde zukunftsgerichtete Debatten über z.B. Trends oder in der Entwicklung begriffenen Technologien sehr wichtig (z.B.: Kryo-Technologie; selbstfahrende Autos; etc.). Je ferner aber die Welt und je fantastischer die Technologie, umso schwieriger wird es mit der Erkennbaren Veri- / Falsifizierbarkeit und umso eher drängt sich mir bei entsprechenden Themen die Frage auf: wozu die Debatte bzw. eher: wozu das kompetitive Spekulieren? Aus der Teilnehmer:innen oder Zuhöhrer:innen Perspektive finde ich die entsprechenden Auseinandersetzungen im Rahmen einer kompetitiven Debatte selten spaßig oder bereichernd (s.o.) – und im Anschluss an Christophs Überlegungen denke ich, dass damit auch häufig Fairness-Probleme für in der Debatte spekulierenden Teams verbunden sind.

    Ich glaube, in einem anderen Kontext, z.B. in einer freundschaftlichen Diskussionsrunde finde ich entsprechende Fragen (wie wäre es wohl, wenn wir unser Bewusstsein in eine Cloud hochladen könnten?) interessanter und besser aufgehoben – weil es dort, anders als in der sportlichen Debatte, um kooperative Konsensfindung und darauf zielendes gemeinsames Reasoning geht. Ich habe die Vermutung, dass sich bei diesen Sci-Fi-Technologie-Themen ähnliche Schwierigkeiten für das Format auftun wie im Fall von Sweetspot-Debatten; das aber hier nur am Rande angedacht.

    2.) Zwischenrufe: Nachdem nun am Wochenende die Regionalmeisterschaften stattgefunden haben, möchte ich aufgrund meiner Beobachtungen dort gerne die Bedenken zu den Zwischenrufen unterstreichen.

    a) Status quo ante: Mein bisheriger Eindruck von Zwischenrufen in BPS war: man macht sie ab und zu im deutschsprachigen Raum – aber eigentlich nur selten, weil sie insgesamt eher verpönt sind und ohnehin nicht in die Überzeugungsleistung der Teams einfließen. Die Norm in BPS schien mir stärker zu sein, dass die/der Redner:in vorne erstmal 7min Rederecht hat und sie oder er es aktiv abgibt, um POIs dranzunehmen.

    b) Beobachtung auf den Regios: Auf den Regios habe ich aber in mehreren Debatten beobachtet, dass Zwischenrufe in Redepausen (und z.T. nach vorigem Abwinken) eher wie zusätzliche und unangenommene Zwischenfragen verwendet wurden. Auch wenn sie das laut Regelwerk nicht „sollten“, es ist nicht verboten – und kann man sich wirklich sicher sein, dass es nach 15, 20 Sekunden wirklich genau die Zwischenfrage war? Als Jurorin bekommt man vielleicht noch den ‚ey, hast du das auch mitgeschrieben?‘- Blick… und was macht man dann? Es scheint mir bestenfalls problematisch, wenn Teams sich durch ZR weitere POIs erschleichen können – für die Teams scheint mir dieses Verhalten aber nach den Änderungen im aktuellen Leitfaden aber zweckrational zu sein, um ihre Gewinnchancen in der Debatte zu erhöhen; für Jurierende hingegen sehr schwer zu ahnden. Ich könnte mir daher gut vorstellen, dass Zwischenrufe durch die Änderung häufiger werden, aber nicht unbedingt zu einer Bereicherung der Debatte beitragen.

    Auch wenn ihr schreibt, dass Zwischenrufe die Redner:in nicht irritieren sollen: schon zwei, drei Fragen, jeweils sieben Worte, laut reingerufen, erzwingen mehr oder weniger eine Antwort und können schnell dafür sorgen, dass eine Rede sich nicht mit einer, sondern plötzlich mit drei, vier Zwischenfragen auseinandersetzen muss. Bei der wievielten pointierten Zwischenruffrage entscheide ich als Jurorin dann: puh, die war gut – aber darauf hätte die Redner:in nicht mehr reagieren müssen; sie hat ja schon auf drei reagiert? Bekommt das Team dann trotzdem einen Inhaltsbonus, wenn es ein guter Zwischenruf war? (Don’t get me wrong, in OPD sammele und evaluiere ich auch die Zwischenrufe eines Teams, dafür habe ich ja aber ein eigenes Feld mit einer eigenen Punkteskala, die ich am Ende in die Gesamtpunkte des Teams verrechnen kann)

    Als Jurorin besteht bei mir zudem Unsicherheit, wie ich „Sobald Zwischenrufe eine nach Einschätzung der Jurierenden störende Qualität entwickeln, sollten sie durch die Hauptjuror:in unterbunden werden“ praktisch handhaben soll. Ich kann eine Rede schlecht unterbrechen, um mich mit meinem Panel über die Wahrnehmung der Zwischenrufe abzustimmen; entscheide ich als Hauptjurorin dann mehr oder weniger alleine? Unterbinde ich Zwischenrufe für den gesamten Rest der Rede oder für eine Minute; nur für das entsprechende Team oder für die gesamte Bank? Wie ahnde ich störende Zwischenrufe im Vergleich zur sonstigen inhaltlichen Bewertung der Debatte? Vielleicht hat das Team von OO qualitativ die beste Argumentation vorgebracht, aber während der Gov-Reden in Zwischenrufen gepöbelt – sollte sie das den Sieg in der Debatte kosten, weil es sich negativ auf ihren Inhalt auswirkt? Wenn ich mich nicht irre, finde ich im Leitfaden unter „4.5 Bewertung“ zwar einen Abschnitt zu Zwischenfragen, aber keinen zur Bewertung der Zwischenrufe.

    Ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr mir helfen könntet, hier Klarheit über die angedachte Jurierpraxis zu gewinnen! Außerdem auch hier nochmals vielen Dank an euch für eure Arbeit! Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie kleinteilig und mühsam die Abstimmung über Details und Formulierungen sein kann, aber ich habe die Hoffnung, dass wir als Szene am Ende alle vom gemeinsamen Nachdenken darüber, was wir in Debatten eigentlich wie als gut bewerten wollen, profitieren können!

  11. Witthaut sagt:

    Ich möchte eine ganz andere Debatte anführen, die gar nichts mit den CAs zu tun hat, sondern mit dem Verlauf der Auswahl und den Anforderungen:

    Ich glaube, dass die Leistung dieser CAs bisher noch zu wenig rübergekommen ist. Und ich möchte euch wirklich für eure Arbeit danken, unabhängig davon, dass ich einige Kritikpunkte teile.

    Wann wurden die Chefjury eingesetzt? Ende Feburar, fast im März. Drei Monate vor der DDM. Natürlich gab es in diesem Jahr Verzögerungen, weil einige Zeit unklar war, wo nun die DDM stattfindet. Aber müssen sich Anforderungen dann den Gegebenheiten anpassen. Wenn Sven selbst schreibt, es wird von ihnen erwartet, alle Regelwerke zu sichten und anzupassen, dazu noch Motions finden und am Ende das Turnier durch Kontakte mit Jurierenden versorgen, scheint mir ein Zeitrahmen von 3 Monaten unrealistisch. Zumal es ein Ehrenamt ist.

    Wir haben schon oft darüber gesprochen, dass die abstrakten Anforderungen an das Debattieren (insbesondere die Arbeit im VDCH e. V. und Co.) nicht vereinbar ist mit einem Studium ohne sich dafür ein Freisemester zu nehmen. Natürlich kann man argumentieren, man macht das alles aus Idealen oder für seinen CV. Ich finde aber, dass man als Szene eine Verantwortung hat, welche Anforderungen wir stellen. Und wenn es eben zwischen Ernennung und DDM nur einen begrenzten Zeitrahmen gibt, können wir doch nicht 1 zu 1 das gleiche Anforderungspotential stellen.

    Was ich damit sagen möchte: Als ich die Genese dieses Leitfadens gelesen habe und die Diskussion jetzt mitbkeomme und die Zeit die zwischen den verschiedenen Schritten steht: Müssen wir nicht als Verband, als Szene irgendwo ein „Stopp-Schild“ setzen und überlegen, was wir von Menschen verlangen.

    Damit will ich gar nicht diese explizite Chefjury schützen. Ihr habt das sicher gerne gemacht :)! Aber mir geht es darum, dass dieser Fall für mich ein eklatantes Beispiel dafür ist, dass es unklar ist, dass Studierende, Auszubildende oder Berufstätige unter 30 einen Beruf haben: Ihr Studium, ihre Ausbildung und ihren Beruf. Ich habe das Gefühl, das hier ein massives Ungleichgewicht von Erwartungen herrscht. Wir können nicht einfach Erwartungen der Vergangenheit übernehmen, ohne die Umstände der Gegenwart zu berücksichtigen.

    Das sind Dinge, die sich alle nicht mehr ändern lassen, aber vielleicht ein Apell für die Zukunft, mit ein paar Ideen in den Raum geworfen:

    – Könnte man CA-Bewerbungsverfahren für die DDM nicht einfach früher und unabhängig vom Austragungsort starten? Bspw. den Beirat für Jurierqualität dazu in einer MV stärken?
    – Ich will keine neue Regelkommission, aber vll die Frage nach Regelwerken nicht alle zwei Jahre ändern, sondern in einem institutionalisierten Verfahren regeln?
    – Sollten wir darüber nachdenken DDMs nur alle zwei Jahre stattfinden zu lassen? (Der ganze Ehrenamtspunkt geht ja über die Chefjury hinaus, ich benutze es nur als Aufhänger meiner Gedanken)

    Ich habe keine Meinung zu den Ideen. Aber wir reden so oft davon, dass es nur Ehrenamt ist und das wir dankbarer sein sollen. Das bin ich auch. Aber ist es nicht die beste Art der Dankbarkeit, wenn man etwas an den Begebenheiten ändert? Mich erinnern unsere Debatten manchmal, an den Applaus für Pflegekräfte. Das ist schön, aber am Ende hilft es nur die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Davon hat man was.

    1. Anton L. sagt:

      Ich stimme ich dir vollkommen zu: Das ist ein sehr anstrengender Job, und wenn man ihn richtig machen will, nimmt er unglaublich viel Zeit in Anspruch. (Und als jemand, der auch ein paar der eher zeitintensiven Aufgaben im deutschsprachigen Debattieren übernommen hat, kann ich noch aus dem letzten Jahr bestätigen: Neben der Kombination VDCH-Präsident und DDM-CA, die Sven jetzt ja auch wahrnimmt, gibt es wirklich kaum Raum für Anderes). Entsprechend finde ich es auch wünschenswert, dass diese Belastung ein wenig entzerrt wird.

      Der wichtigste Punkt dafür ist in meinen Augen tatsächlich eine Straffung des Auwahlprozesses: Die DDM-Chefjury sollte in meinen Augen einfach spätestens im Dezember berufen werden, damit sie genug Zeit hat. Dafür muss die DDM natürlich spätestens zur MV vergeben sein und sich dann auch sofort mit der Einberufung einer Auswahlkommission befassen, aber das sollte eigentlich möglich sein, muss nur zur Priorität gemacht werden. Dieses Jahr ging das nicht, aber ich bin eigentlich optimistisch, das man das in Zukunft schaffen kann.

      Und: die BP-DDM ist ja besonders anstrengend, weil die ganze Leitfaden-Sache mit dazukommt (und weil BP-Themen schwieriger zu stellen sind, aber psst). Ich fände es an der Stelle vollkommen vertretbar, zu normalisieren, einfach nichts oder nur wenig am Leitfaden zu ändern, wenn die Zeit für die Chefjury eher knapp ist. Wie auch immer man zu den diesjährigen Änderungen steht: Die sind alle nicht weltbewegend oder notwendige Reparaturen, sondern eher marginale Ver(schlimm-)besserungen am bestehenden Leitfaden – oder pointierter formuliert: Wenn man zu wenig Zeit gehabt hat, hätte man das auch einfach sein lassen können. Ich fände es vollkommen okay, wenn zukünftige BP-Chefjuries nicht mit der Erwartung berufen werden, den Leitfaden zu reformieren, sondern mit der vollständig fakultativen Option, dringende Änderungen durchzuführen. Das entfernt das Problem nicht völlig, macht es aber schonmal besser.

      Ich glaube, alle anderen Optionen verlieren mehr, als dass sie uns bringen – jede zweite DDM ausfallen zu lassen wäre sehr, sehr schade für die gesamte Szene; und eine BP-Regelkommission nimmt viel von der demokratischeren Natur des Formats mit und sorgt für massiven zusätzlichen Aufwand in Berufung, Überprüfung, und Arbeit der Kommission selber – und das für ein Format, das eigentlich gar nicht so viel Wartung benötigt wie z.B. OPD.

      Also: Eile in der Berufung und Flexibilität in den Ansprüchen würde, glaube ich, schon viel helfen – und jenseits dieser Hilfsmittel hängt diese Szene nun einmal – leider und dankenswerterweise – am intensiven Einsatz von einer handvoll Leuten, die sich um das Debattieren bemühen. Wenn wir das ändern wollen, stehen wir glaube ich vor einem sehr viel größeren systemischen (und finanziellen?) Problem – und sind glaube ich auch in einer sehr anderen Debatte als in der zu diesem Leitfaden.

    2. Witthaut sagt:

      Ja, mit ein paar Stunden Grübelpause würde ich auch sagen, dass die anderen Vorschläge „zu radikal“ sind. Deiner ist mir jedoch nicht radikal genug 😉

      Was spricht denn dagegen, tatsächlich Austragungsort und Benennung der Chefjury zu entkoppeln? Und, warum bis Ende des Jahres warten? Wäre es für potentielle Ausrichter nicht schön, schon bei ihren Bewerbungen zu wissen, wer CA einer DDM wird? Es gibt ja gute Gründe, warum CAs in dem Jahr oft eine Art „Tour“ durch das VDCH-Land machen. Außerdem ist ja in der Sommerpause kaum ein Turnier, bei dem sich neue Leute hervortun würden. Ergo weiß man doch eigentlich schon im Juni/Juli wer überhaupt dafür in Fragen kommen könnte. Ich glaube, dass man gut und gerne behaupten kann, dass eine Chefjury bereits Ende Oktober (spätestens) steht. Das würde ihnen helfen, Ausrichtern helfen, man hätte genügend Zeit usw.

      Einziges Problem: Es kollidiert ggf. mit einer Bewerbung des Ausrichter-Clubs. Aber (bitte korrigiert mich) ist es nicht mittlerweile Gang und Gebe, dass sowieso jeder eine Ausschreibung macht? Man könnte damit eigentlich den Beirat für Jurierqualität beauftragen. Nicht unbedingt, damit dass er oder sie die Personen auswählt, sondern den Prozess organisiert. Wenn dieser Posten keine Autorität hätte, eine solche Kommission ausgewogen und sinnvoll zu benennen, hätte der Posten sowie ein Problem mit seiner Daseinsberechtigung.

      Vielleicht liege ich aber falsch und Debatten innerhalb der Szene gehen mittlerweile in eine andere Richtung. Dann ist das Ganze altbacken und ich entschuldige mich für den Spam.

    3. Anton L. sagt:

      Meiner Erfahrung nach wollen Ausrichter häufig eine gewisse Kontrolle über das Panel / den Prozess zum Panel beibehalten, e.g. bestimmte Vorgaben hinsichtlich internationaler oder nationaler Orientierung, Repräsentation, etc. machen oder umgekehrt bestimmte Leute ausschließen.

      Darüber hinaus wissen potenzielle CA-Kandidat:innen im Sommer häufig noch sehr viel weniger über ihre Pläne für das Jahr und entsprechend ihre Verfügbarkeit für das Chefjurieren der DDM als das schon im Herbst der Fall ist. Wenn man sich die eher magere Bewerbungslandschaft der letzten zwei Jahre anschaut, wäre das auch Grund zur Sorge – nachher findet man keine CAs mehr.

      Das sollen keine KO-Kriterien sein, sind aber in meinen Augen zumindest ein guter Grund, mit diesem Schritt vorsichtig sein.

  12. Katharina J. (DDM-Chefjury 2022) sagt:

    Wir haben uns mit den Kommentaren hier, konkret zu den Fragen bezüglich Technologie/Modifikations-Themen und Zwischenrufen noch einmal auseinander gesetzt und einige kleinere Änderungen formuliert, um unklare Teile zu klären.

    Zwischenrufe:

    Hier möchten wir vor allem auf die Fragen zum Thema Nachverfolgung/Notizen bei Zwischenrufen, sowie deren Unterbindung eingehen. Die Änderung lautet wie folgt:

    “Jurierende sollten Zwischenrufe daher möglichst wahrnehmen, solange sie verständlich sind; Priorität hat jedoch die Wahrnehmung der Rede. Sobald Zwischenrufe eine nach Einschätzung der Hauptjuror:in störende Qualität entwickeln bzw. die obigen Regeln nicht einhalten, sollten sie durch die Hauptjuror:in für dieses Team für den Rest der Rede unterbunden werden.”

    Wie dies konkret realisiert werden kann, können wir natürlich auch im Briefing und Seminar näher erklären.

    Das Ziel hier ist, dass Zwischenrufe insofern als sie jetzt bewertungsrelevant sind, durch Juroren verfolgt werden sollten, aber uns klar ist, dass dies durch ihr Volumen sehr schwierig werden kann. Wir möchten Teams einen Anreiz bieten, sie nicht in einer Form zu nutzen, die Redende oder Juroren überfordert. Zweitens wird hier geklärt, dass Hauptjuroren in eigenem Ermessen definieren können, ab wann dieser Punkt erreicht ist, und es ihnen überlassen ist, das durchzusetzen.

    Technologische oder sonstige Modifikation:

    Nachdem wir es zuerst übersehen hatten, haben wir den Teil im ersten Satz gestrichen, der mit der weiteren Erläuterung nicht konsistent ist (”Enthält eine Motion eine solche technologische oder sonstige Modifikation, existiert für den Kontext der Debatte exakt und nur die beschriebene Technologie oder sonstige Modifikation.”).

    Was die Unsicherheit der Zukunft betrifft, sind wir prinzipiell der Auffassung, dass Teile des Problems durch die Schwierigkeit des “Beweisens” von sehr unsicheren Szenarien gelöst werden – man kann natürlich vielerlei Theorien zum Kontext einer zukünftigen Technologie in Debatten einbringen, aber insofern als Argumente darauf beruhen, ist es oft eine sehr riskante Strategie. Um diese Logik eindeutig auch im Leitfaden zu haben (damit sie zur Jurierung solcher Debatten verwendet wird), haben wir folgenden Satz hinzugefügt:

    “Es ist davon auszugehen, dass für den durchschnittlichen Zeitungsleser Phänomene mit großer Distanz zur aktuellen Welt, oder der im Thema beschriebenen Modifikation, zunächst weniger plausibel sind und daher besonders viel Erklärung benötigen.”

    Den aktualisierten Leitfaden mit diesen Änderungen findet ihr oben im Artikel verlinkt, wir haben außerdem die Änderungen im Fließtext hervorgehoben.

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