Finalformate kommunizieren: Ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit

Datum: 23. März 2016
Redakteur:
Kategorie: Mittwochs-Feature, Turniere, ZEIT DEBATTE

Vergangenes Wochenende fand in Berlin das Finale der der ZEIT DEBATTE im Willy-Brandt-Haus statt. Während der Verleihung des Preises für die beste Finalrede fielen dabei auch mehrere Minuten lang Tipps, wie die Redner besser sein könnten. Gedanken dazu äußert heute Finalteilnehmer Lennart Lokstein.

Konrad Gütschow erhält auf der ZEIT DEBATTE Berlin den Preis für die beste Rede im Finale. Die Laudatio hielten Ulrich Matthes (Mitte) und Gabriele Krone-Schmalz (c) Anna Mattes

Konrad Gütschow erhält auf der ZEIT DEBATTE Berlin den Preis für die beste Rede im Finale. Die Laudatio hielten Ulrich Matthes (Mitte) und Gabriele Krone-Schmalz (c) Anna Mattes

Die ZEIT DEBATTE Berlin war allgemein ein gut organisiertes Turnier. Es gibt jedoch eine Sache, die mich vergangenes Wochenende zunächst ausgesprochen amüsiert und anschließend recht nachdenklich gemacht hat: Die Art und Weise, wie wir Finales bewerben, insbesondere gegenüber Ehrenjurys.

Als Rhetorikstudent am Seminar für Allgemeine Rhetorik, dem die argumentative Trias aus Ethos, Pathos und Logos bereits von Hause aus naheliegt, bin ich ziemlich überzeugt davon, dass die Offene Parlamentarische Debatte (OPD) dasjenige Format ist, das weitaus bessere Redner hervorbringt. Besser bezogen auf das Vermitteln von Argumenten gegenüber einem Publikum, kurz: Dem Überzeugen eines Publikums durch die Rede.

Das soll nicht heißen, dass ich das Format British Parliamentary Style (BPS) nicht ebenfalls schätzen würde oder glaube, dass dieses keine Berechtigung oder verschiedenen Mehrwert habe. Durch das weitestgehende Ausblenden gesamtrhetorischer Aspekte und die Konzentration auf den Logos (Text) wird natürlich noch puristischer als in OPD eine strukturierte Analyse und stringente Begründungskette verlangt. Diese im BPS-Format noch stärker fokussierten Eigenschaften, die auch Teilkompetenz eines guten Redners sind, helfen auf der analytischen Seite im Grunde überall, auf der Produktionsseite insbesondere beim Verfassen wissenschaftlicher Essays etc. Diese Eigenschaften sind sicherlich positiv. Sie genügen jedoch nicht, um performativ überzeugende Reden hervorzubringen. Genau diese erwarten Unbeteiligte jedoch vom Debattieren. Wir sollen durch Reden überzeugen, nicht durch Essays. Der Mensch auf der Straße – und zwar auch das akademische, zeitungslesende, westlich-liberale Exemplar – hat eine andere Primärinterpretation von „überzeugend“ als das BPS-Format.

Was man stattdessen von uns erwartet, wurde in den Grußworten der Berliner Ehrenjury ausführlich geschildert: Sprachliche Brillanz, plastische Vermittlung, Pointen, Schlagfertigkeit, Interaktion. Nun kommen diese (mit Ausnahme inhaltlicher Interaktion, die in diesem Fall durch das Verbot von Zwischenrufen ebenfalls weiter beschränkt worden war) jedoch im aktuellen BPS-Bewertungsstand nicht zum Vorschein. Da es sich eingebürgert hat, Performanzfragen höchstens als „Zünglein an der Waage“ oder vielleicht noch für die Einzelrednerpunkte heranzuziehen, belohnt BPS theoretisch einen publikumsfremden Redestil. Das Ergebnis hat Ulrich Matthes bei der Vergabe des Preises für die beste Finalrede beschämend präzise ausgeführt. Es ist beschämend, wenn die eingeladenen Ehrengäste den besten Rednern des Finales in wohlmeinender Art Tipps geben, die vermutlich jedem im Raum wohlbekannt waren, wie die Reden besser gewirkt hätten: Langsamer gesprochen, anschaulicher vermittelt, mit Pausen zum Denken für die Zuhörer und vielleicht noch einem präsent bleibendem Schluss. Herr Matthes wusste nicht, wie BPS juriert wird – er war der Advokat eines Publikums, das in einem Finale nur mäßig überzeugt wurde. Ich wusste nicht, ob ich mich schämen sollte, dass wir von unserem Publikum so offensichtliche Tipps bekommen müssen, oder weinen, weil ich gerne anders geredet, damit aber weniger Siegchancen gehabt hätte.

In jedem Fall: BPS trainiert keine für ein Publikum überzeugenden Redner. Es trainiert Wissenschaftler für Logikkongresse. Das ist an sich kein Problem – aber es wird ein Problem, wenn wir es als etwas anderes verkaufen. Wenn wir den Finalgästen eines BPS-Finales großartige, überzeugende Reden versprechen, dann halten sie uns anschließend zu einem gewissen Grad schlicht für schlechte Amateure. Insbesondere, wenn es sich bei den Gästen selbst um Redner vom Format eines Gregor Gysi handelt. Die geweckten Erwartungen so massiv nicht zu erfüllen, wird sich sicherlich nicht in Empfehlungen oder Förderungen des Debattierens übertragen.

Vielleicht sollten wir daher anfangen zu überlegen, wie man das Format im Hinblick auf die ja durchaus vorhandenen positiven Aspekte besser bewerben kann – beispielsweise mit der noch stärker ausgeprägten Analytik. Eventuell wäre es auch hilfreich, dem Publikum vor Beginn der Reden einmal die Maßstäbe der Jurierung zu erklären – um zumindest vor Ort Erwartungen zu relativieren. Ich persönlich möchte zumindest nicht noch einmal mit anhören müssen, wie unser wunderbares und geliebtes Hobby von einer Ehrenjury vor Zuschauern und Presse in wohlmeinender Hilfsbereitschaft gedemütigt werden muss, nur weil nicht bekannt oder naheliegend ist, dass das Ziel schlicht eine andere Art von Rede war.

 

Mittwochs-Feature

Lennart Lokstein ist Chefredakteur der Achten Minute. Er war von 2013 bis 2015 Vorsitzender der Streitkultur e.V. in Tübingen und ist seit 2014 Mitglied der OPD-Regelkommission. Er gewann zahlreiche Turniere und erhielt auf der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2015 den Preis für die beste Finalrede. Er ist Beirat des VDCH für Jurierseminare und arbeitet an einer Masterarbeit in Allgemeiner Rhetorik zum Hochschuldebattieren in Europa.

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

lok/hug

 

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18 Kommentare zu “Finalformate kommunizieren: Ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit”

  1. Anna (HD) sagt:

    Absolut richtig. Alternativ könnte man die Ehrenjury passend zum Format besetzen. Das heißt also dass Gegor Gysi, so er denn nach seiner letzten Erfahrung noch möchte, zu einem OPD Finale geladen wird und zu einem BP Finale dann eben jemand, der stärker analytisch veranlagt ist. Dennoch stimme ich zu, dass dem Publikum klar gemacht werden muss, dass es bei dem Format nicht um sprachliche Brillianz geht, sondern um inhaltliche Schärfe. So kann das Publikum die Reden dann auch anders bewerten.
    Wenn ich als ein Mensch, dem das Debattieren fremd ist dieses Finale gehört hätte, wäre ich auf jeden Fall nicht davon ausgegangen, dass ich im Debattieren sprachliche Sicherheit und überzeugende Sprache lernen könnte. Wenn von Anfang an klar ist, dass dies gar nicht das Ziel ist, ist niemand enttäuscht.

  2. Peter G. sagt:

    Vielen Dank Lennart, für diesen Artikel!
    Es ist in der Tat beschämend, wenn uns Herr Gysi erzählt, das Problem der Debattenkultur ist, dass nur Reden nacheinander gehalten werden und im Anschluss Reden nacheinander gehalten werden. Das ist überhaupt keine Kritik an den Finalteilnehmern, alle haben hier einen guten Job gemacht. Auch nicht am Format. Es ist wie du völlig richtig sagst ein Problem des Erwartungsmanagements, welches hier überdacht werden sollte.
    Tldr: Dieser Text ist ein verschriftlichtes Like-Button-Äquivalent.

  3. Lena S sagt:

    Ein sehr schöner Artikel.

    Es stimmt, dass beim BPS dieses Training oft zu kurz kommt, auch wenn sich Verallgemeinerungen bezüglich von RednerInnen schwierig gestalten. Viele BPSler haben einen sehr vom OPD zu unterscheidenden Stil, der trotzdem sehr unterhaltsam ist.

    Ich sehe das Ganze aber auch als Ansporn. Die Frage ist und bleibt wohl, wie wir das Beste aus beiden Formaten ineinander überlaufen lassen können, ohne das, was nicht zum jeweils anderen Format gehört, mitzunehmen. Was das genau meint, da freue ich mich auf eine hoffentlich produktive Diskussion.

  4. Konrad (Tübingen) sagt:

    Ich bin mir nicht sicher, wie attraktiv wir für Ehrengäste und Publikum sind, wenn wir uns mit „unverständlich“, „langweilig“ aber dafür „intellektuel anspruchsvoll“ und „theoretisch komplex“ bewerben.

    Die Gesellschaft und Politik könnte zwar sowohl von Stil, als auch von Inhalt profitieren, aber der Mangel an Inhalt ist weniger bekannt.
    Dazu kommt das Problem, dass wenn wir Inhalt bewerben, wir ihn meist nicht liefern können, da wir , Hand aufs Herz, alles andere als Experten sind. Nach dem Finale kamen zwei Herren zu mir – ich weiß nicht ob sie in der Ehrenjury saßen – und beklagten sich, wie wenig Fachwissen in der Debatte gewesen wäre, und dass niemand mal genauer die Entscheidungsprozesse in der EU analysiert hätte.
    Inhaltlich ist Publikum weit mehr gewöhnt, da es außer Politikern auch noch Experten gibt.
    Unsere schöne, übersichtliche Präsentation und die Freude beim zuhören, ist da ein besseres Alleinstellungsmerkmal.

    Die Lösung wäre, dass wir alle viel bessere Redner werden und uns der Finalsituation bewusst sind. Dann wäre es möglich trotz taktischer Spielchen, Störfragen und dichtem Inhalt auch noch gut zu reden.
    Meist klappt dies schon besser als international, da in Deutschland gefühlt deutlich langsamer geredet wird.
    Bei den internationalen Toprednern dreht sich das wieder ein Stück, da sie oft sprachlich fantastisch sind. Diese Kombination, ist bisher aber selten bei uns.

    Wir sind Mängelwesen und Debattieren ist unglaublich komplex. Keine gute Kombination für einen Publikumssport.

  5. Daniil sagt:

    Hm, ich fühle mich jetzt wie der 3. FFR, dem sein Vorredner gerade den innovativen Punkt geklaut hat. So muss ich es mit dem Maulwurf probieren, ohnehin mein Lieblingstier aus dem Extension-Zoo. 😉

    Ich habe mir z.T. ähnliche Gedanken gemacht wie Konrad (besser reden ist die Lösung – stimmt!) und etwas mehr ausgeholt. Für alle, die es eilig haben, sind hier die zentralen zwei Sätze: Wir haben tolle Leute in Finals, die alle gut reden können, es aber offensichtlich nicht immer (zu) tun (versuchen). Falls unser Verständnis vom sportlichen Debattieren dazu führt, dass wir (wenn auch nur rhetorisch) das Publikum nicht erreichen, sollten wir weit mehr ändern, als die Kommunikation.

    Jetzt die Langform für alle, die sich das antun wollen 😉

    Ich kann das Problem nachvollziehen und halte es für hochrelevant. Mich beschäftigt die Frage danach, in welchen Verhältnis das sportliche Debattieren zur „Wirklichkeit“ steht und wie wir in diesem Kontext mit Finals umgehen, schon lange. Weil ich sehr (wenn auch vielleicht vergeblich) hoffe, dass wir es schaffen, in der Szene bereits vorhandene Diskurse und Ideen wieder aufzugreifen, wenn sie wieder aktuell werden, versuche ich hier, zu einer Kontextualisierung beizutragen. Ich würde mich freuen, wenn wir den einen oder anderen alten Faden aufgreifen könnten.

    Es ist mir wichtig, zuerst deutlich zu machen, dass das von Lennart beschriebene Problem überhaupt nicht da sein muss:

    a. Finalredner*innen sind in der Regel gute Redner*innen

    Das letzte Mal, das Gregor Gysi bei einem Finale war, war 2008 auf der DDM. Die Debatte war ausschließlich besetzt mit außerordentlich starken Rednern (nope, keine Frauen auf der Bühne). Ich stimme Lennart zu, dass OPD besser dazu geeignet ist, Publikumsredner zu formen, aber diejenigen, die es in ein Finale schaffen, sind meistens nicht nur inhaltlich sondern auch rhetorisch sehr versiert. Das sieht man ja am konkreten Beispiel vom Wochenende auch daran, dass Konrad, Lennart und Johannes jeweils von einer schon mal von einer Ehrenjury zum besten Redner gekürt wurden und Sabrina, Anne und Nikos allesamt Siege bei OPD-Turnieren vorweisen können (verzeiht mir, sollte ich jemanden vergessen haben!!).

    b. Schön reden ist auch in BPS ein Erfolgsrezept

    BPS ist nicht nur Inhalt! Auf meinem ersten Jurierseminar Ende 2006 wurde mir BPS so beigebracht: 50 % Inhalt, 25% Methode, 25% Form. Ich habe das später nie anders bei Jurierseminaren vermittelt und bin nach wie vor überzeugt, dass es falsch ist, BPS als einen Austausch von Essays zu jurieren. Es stimmt vermutlich, dass die Kategorie „Auftreten“ nicht so stark ins Gewicht fällt, aber wer bei BPS keine gute Sprachkraft hat (Ausdruck, sprachliche Präzision, Betonung..), hat schlechtere Chancen, als sein wortgewandter Gegner. Zurück zu Berlin 2008: Die Debatte, die Gregor Gysi sah, fand in BPS statt und sie war eine der publikumswirksamsten, die ich je gesehen habe. Die Redner haben von Gysi ein sehr annerkennendes Feedback erhalten. Ich denke, dass es auch hilft, mal über den deutschen Tellerrand hinaus zu schauen, um zu sehen, wie witzig und publikumsbezogen BPS sein kann (ich empfehle wärmstens das Finale vom Trinity IV 2008 auf youtube).

    Was ich sagen will ist: In guten BPS-Finals sitzen in der Regel die besten Redner*innen und sie können das auch ausleben. Es gibt kein Dilemma zwischen „schöner Rhetorik“ und Siegchancen.

    c. Lasst uns relevant bleiben!

    Oder gibt es das Dilemma doch? Nach erneutem Nachdenken muss ich zugeben: Ich fürchte schon. Zwei publikumswirksame BPS-Debatten zu zitieren wird wohl nicht reichen, um zu widerlegen, dass in der Praxis viele BPS-Debatten publikumsfeindlich sind. Auf dem ersten Think-Tank in Marburg hat Dessi ihre Rede maßgeblich darauf aufgebaut, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass „unsere normale Form in BPS einen normalen Bürger gar nicht erreichen würde“. Auch Bernd hat im Rahmen des historischen Panels beklagt, dass es das DDM-Finale 2014 als wenig publikumsfreundlich empfand.

    Ich glaube, dass es nie möglich sein wird, eine vollständige Kongruenz zwischen den Erwartungen unseres (nicht eingeweihten Publikums) und unseren eigenen sportlichen Standards zu erreichen. Das wäre auch nicht wünschenswert, wir haben nämlich einige unique selling points (sorry, „Alleinstellungsmerkmale“ scheint es mir nicht so präzise zu treffen), die einen Mehrwert für den gesellschaftlichen Diskurs bedeuten.

    Aber gleichzeitig fände ich es wirklich tragisch, wenn unsere Schlussfolgerung wäre, einfach nur zu Kommunizieren, dass es bei BPS nicht um publikumswirksame Debatten geht. Das wäre vor allen Dingen bedeuten, dass wir nicht in der Lage sind, uns selbst zu hinterfragen und zu verbessern. Und was wäre das Ergebnis? Es würde niemand mehr kommen (s. Konrad). Zu Recht!!

    Ich möchte aber – wirklich, wirklich gerne!! – dass unser Sport gesellschaftlich relevant bleibt, vielleicht sogar immer relevanter wird (s. „Die Debatte“ bei ZDF). Wir müssen – egal, in welchem Format – so reden, so kommunizieren, dass wir einerseits unsere Stärken zeigen und andererseits das Publikum ansprechen.

    Daher wäre es doch richtiger, zu fragen, was genau an dem, was wir machen, problematisch in einem BPS-Finale sein kann und anschließend darüber nachdenken, woher das kommt und wir wir das verändern können. Dessi nennt in ihrem Vortrag zum Beispiel vor allem die Schnelligkeit und Komplexität. Vielleicht gibt es noch mehr? Und was davon ist wirklich ein Problem mit Blick auf das Publikum?

    Und dieses Hinterfragen sollte vor dem Hintergrund unserer Stärken passieren: Was wir können ist, davon bin ich absolut überzeugt, komplexe Inhalte kreativ aufarbeiten und Menschen zum Nachdenken bringen. Und das auch noch in schöne, verständliche, gar mitreißende Form gepackt. Wie können wir das besser zur Geltung bringen, indem wir die Probleme angehen?

    d. Die Lösung: Redet, so gut ihr könnt!

    Zuerst sollten wir prinzipiell darüber nachdenken, ob BPS überhaupt so juriert und beigebracht wird, wie es gedacht ist. Wo bleiben die je 25% pro Form und Methode, werden sie ignoriert? Dann: Schlecht!

    Darüber hinaus und vor allem sollten wir die Rednerinnen und Redner ermutigen, für das Publikum zu reden. Ich habe keine Illusionen, dass sich auf Anhieb etwas beim Jurieren wendet, sowas ist ein langsamer Prozess (sofern das Problem überhaupt beim Jurieren liegt). Aber wer in einem BPS-Finale steht, der muss keine „BPS-Rede“ halten (BSP-Rede sei hier gegen meine Überzeugung dadurch definiert, möglichst schnell und möglichst unbetont hochkomplexe Inhalte zu erzählen). Wer sich Mühe gibt, diese Inhalte aufzubereiten, eine echte Rede zu halten, die einen Einstieg und einen Schluss hat und wer immer klar macht, was sein wichtigster Punkt ist, wird dafür belohnt. Traut euch – BSP-Finals sind genauso Finals vor Publikum, wie OPD-Finals!

  6. Jannis Limperg sagt:

    Daniil (5):

    1. 50/25/25 wird mindestens seit ich juriere nicht mehr praktiziert, d.h. ich habe nie eine Jurorendiskussion oder ein Rechtfertigungsfeedback erhalten, in der bzw. dem Rhetorik vorgekommen wäre. Aktuelle Praxis ist, soweit ich das überblicke, Rhetorik gar nicht explizit zu werten.

    2. Damit bleibt die implizite Wertung durch den Effekt auf die Jurierenden im Sinne des beliebten und mMn falschen Spruchs, Rhetorik würde doppelt bewertet, wenn sie explizit einginge. Durch die Spezialisierung der Jurierenden haben rhetorische Mittel aber nicht die gleiche Wirkung wie auf ein Durchschnitts- und selbst Akademiker-Durchschnittspublikum. Einige (Sprechgeschwindigkeit, Beispiele) werden nur mehr oder weniger in ihrer Effektivität gemindert, weil Jurys es gewohnt sind, relativ viel abstrakten Inhalt in kurzer Zeit zu verarbeiten. Andere (Ein- und Ausstieg) sind fast vollständig ineffektiv, weil allgemein bekannt ist, dass sie kaum einen Beitrag zur Debatte im Sinne der bewerteten Kriterien leisten. Da mit diesen Mitteln zusätzlich Opportunitätskosten in Form von Zeitverbrauch assoziiert sind, ist es aus sportlicher Perspektive rational, sie nicht zu verwenden. Das Dilemma, das du ansprichst, besteht somit definitiv, und alles andere wäre überraschend, solange ein großer Teil dessen, was eine Rede vor Publikum ausmacht, als irrelevant designiert wird. (Interessanterweise skalieren diese Faktoren auch noch mit der Qualität des Panels: Die bessere Bewertung ist die, bei der die rhetorische Beeinflussung der Jury weniger stark in das Ergebnis eingeht.)

    3. Die Lösung, die du unter d. skizzierst, bedeutet somit für Redner*innen, bewusst suboptimal (mit Maximierungskriterium Siegchancen) zu reden. Bis zu einem gewissen Grad passiert das nach meiner Wahrnehmung schon: BPS-Finalreden sind typischerweise etwas publikumsbezogener als BPS-Nichtfinalreden derselben Redner*innen. Gleichzeitig bin ich skeptisch gegenüber der Tragweite dieses Ansatzes, gegeben dass der Sieg bei einer ZD nach wie vor sehr viel höher valuiert wird als eine Finalteilnahme.

    (Nebenbei, existiert zufällig eine Aufnahme der sogenannten Laudatio? Vom Unterhaltungswert ganz abgesehen, würde ich sie gerne den nächsten Erstis zeigen, um ihnen ein bisschen die Angst vor dem Debattieren zu nehmen. ;))

  7. Jonas Huggins sagt:

    @Jannis: Es existiert in der Tat eine Aufnahme – allerdings nur Audio und mit einigen Störgeräuschen: https://www.dropbox.com/s/5fg4bwudicn4all/ZD%20.wav?dl=0
    Ich hab das aufgenommen, um nette Zitate zu haben. Es gab ja auch nette Zitate, inbesondere von frau Krone-Schmalz, aber auch von Herrn Matthes.

  8. Daniel (Heidelberg) sagt:

    Das mit dem Publikum ist halt immer so eine Sache… auch beim geschriebenen Wort als Text. Für alle Teilnehmer der ZEIT Debatte mag das Feature sehr verständlich sein. Für mich, der nicht persönlich anwesend war, liest sich der Artikel hingegen ganz anders. Da wurde (offensichtlich zu Recht, da nirgends bestritten) Kritik geübt. Anstatt sich die Kritik zu Herzen zu nehmen, wird nach Erklärungen gesucht. Der Kritiker: weiß ja gar nicht, worum es geht. Die Veranstalter: haben nicht aufgeklärt. Das Format: will genau das. Und der Redner: der hätte das natürlich eigentlich alles viel besser gekonnt, kommt er doch aus Rhetorikhausen, zur Beglaubigung gleich noch ein paar Credentials vorneweg. Allein die Umstände hätten es ihm nicht gestattet, Kot als Kot zu identifizieren, nein Schokoladeneis musste er löffeln und öffentlich bekennen, hmmm, lecker!

    Ja, ich weiß, gähn!, ich bin alt und habe den Kontakt zur Szene lange verloren. Ich weiß auch, es ist alles bereits tausendfach gesagt, auch von mir. Daher erlaube ich mir auch im Folgenden, auf Argumente zu verzichten und pöbele einfach weiter. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen OPD und BPS. Die unterstellte Positionierung an gegenüberliegenden Polen auf der Skala zwischen „Inhalt“ und „Verpackung“ ist aber konstruiert.

    BPS belohnt theoretisch einen publikumsfremden Stil? Die 50/25/25-Auslegung hat uns schon immer Probleme bereitet, ganz früher als Tortendiagramm, dann als Ringdiagramm, dann als Aperçu (C. Busch: „Ein guter Redner ist nicht nur klug und weise, er ist auch noch schön!“). Wichtig war dabei aber nie, ob es jetzt exakt 25 % sind oder nicht. Wichtig war nur, dass Form und Methode eben doch eine Rolle gespielt haben. Und das ist auch noch heute so. Die hier so oft belächelte, eigentlich gar nicht neue, von den CJ so hervorragend operationalisierte Skala = Theorie verweist durchgehend auf Kriterien wie Struktur, klarer und überzeugender Vortrag, gute Erklärung der Argumente, überzeugende Rede, Aufmerksamkeit erwecken und halten, fesselnder Vortrag etc. Klar, man kann darüber streiten, ob diese Kriterien angemessen definiert sind. Zu behaupten, es gäbe diese Kriterien nicht, ist schlicht falsch. Publikumsfern sind Redner, die auf diese Mittel verzichten.

    Kommen diese Kriterien nicht zur Anwendung, ist das Format der falsche Adressat. Und auch Juroren wären nicht die richtigen Ansprechpartner. Kein OPD-Juror bestraft Argumente, kein BPS-Juror bestraft Sprachbilder. Verzichte ich auf diese Mittel, werde ich vielleicht die Debatte gewinnen, aber nur mit einer durchschnittlichen Rede – und nur, weil die anderen Teams auch nicht besser waren. Nun ist das jemandem aufgefallen und der hat auch noch gewagt, das öffentlich anzusprechen. Da gleich wieder Sinnkrise und Systemkrieg zu schreien ist fehl am Platz. Es war halt nicht gut – zumindest in den Augen des Kritikers. Bitte schön.

    Das hat auch nichts mit Opportunitätskosten zu tun. Wenn ich als Redner nicht in der Lage bin, z.B. eine Einleitung gleichzeitig inhaltlich stark und sprachlich ansprechend zu gestalten, dann wird es entweder ein langweilig-trockener aber inhaltlich sauberer oder ein hübsch verpackter aber inhaltsloser Einstieg. Bleibt der Anspruch, doch beides zu schaffen? Ja. Ist es falsch, das anzusprechen? Nein.

    Oft genug wurde in OPD-Finals von prominenter Seite öffentlich gerügt, etwas mehr inhaltliche Breite, argumentative Tiefe, analytische Schärfe hätte doch ganz gut getan. Recht hatten die Damen und Herren! Luft in Pumpen und so… Aber früher, als es noch mehr Lametta und keinen Gangster-Rap gab, haben wir gleich in der ersten Sitzung gelernt, dass auch Feedback Regeln hat. Regel Nummer 1: Klappe halten! Da muss man durch. Man ist nicht aufgefordert, sich zu rechtfertigen oder Missverständnisse aufzuklären, keiner will das hören. Man muss vielmehr anerkennen, dass es da wohl Missverständnisse gab und im besten Fall lernen, diese beim nächsten Versuch zu vermeiden. Oder eben nichts verändern und billigend in Kauf nehmen, einen Teil des Publikums nicht zu erreichen. Dann kann man sich aber auch nicht beschweren. Hinterher zu sagen, na logo, man habe doch eine feine Zuge und eigentlich die ganze Zeit gewusst, das war gar kein Schokoladeneis, ist so unangebracht wie belanglos. Mit dem Finger dabei auch noch in die Falsche Richtung zu zeigen ist fast schon amüsant.

    Jetzt habe ich lange überlegt, ob ich nicht noch einfach schreiben sollte, dass mir natürlich klar ist, dass Lennart das nicht so gemeint hat. Ist mir aber nicht klar. Also leider nur inkonziliantes Geranze. Shame on me, habe es halt so verstanden. Wer ist jetzt schuld? Ich (war nicht da, weiß nicht, worum es geht)? Die Achte Minute (kein ausreichend langer Disclaimer)? Das Sytem (Trolle kommen nicht nur aus Göttingen)? Oder doch der Autor des Features? Mit dem Publikum ist das halt immer so eine Sache…

    Grüße

    DS

  9. Jonathan Scholbach sagt:

    Ich glaube, ein Großteil der Kritik, die Herr Matthes geübt hat, ließ sich auf die Nervosität der Redner*innen zurückführen, nicht auf das Format.

  10. Robert P aus P sagt:

    Hattet Ihr das Gefühl, dass die Reden so schlimm waren? Also mir fallen jetzt mindestens 4 auch rhetorisch schöne Reden ein und bei 2-3 klang eben Nervosität raus.

    An Lennard: Meinst du ihr beide hätte explizit andere Reden in einem OPD Finale gehalten?

    Was mit wirklich interessiert: Resultiert der Artikel und die Kommentare jetzt a) aus eurem Gefühl, dass es rhetorisch schlimme Reden im Finale waren oder b) weil ein Schauspieler meinte sich dazu äußern zu müssen (wir sollten hier nicht Einzelmeinungen mit dem Eindruck einer ganzen Jury oder Publikum verwechseln).

  11. Sabrina Effenberger sagt:

    @Robert

    Ich halte diese Meinung durchaus für repräsentativ – nicht, weil ich einen Schauspieler als Stellvertreter für die Welt halte, sondern weil ich selbst (ähnliche) Erfahrungen gemacht habe. Meine Mutter hat sich ein OPD-Finale angeschaut und war da schon völlig überrascht von der Geschwindigkeit der Reden. Das wurde aber, laut ihr, von fesselnden Reden an sich wieder wettgemacht. Andere Bekannte, die das erste Mal in einem BP-Finale saßen, waren da noch deutlich abgeneigter. Immerhin hatte ich ihnen vorher davon erzählt, wie spannend ich es finde, wenn man am Ende von allem überzeugt ist. Sie waren am Ende von rein gar nichts überzeugt, weil das Tempo sehr hoch und die Argumente so wenig realitätsangebunden waren (siehe das Beispiel der Gäste, die sich über fehlende Analyse der Gesetzwege beklagten).
    Ich schließe mich Lennart völlig an. Wenn wir das Debattieren weiter fördern und vor allem weiter publik machen wollen, dann müssen wir es auch richtig kommunizieren. In BP liegt der Fokus eben nicht auf der fesselnden Rede. Wir dürfen da nicht von uns ausgehen, die in einem solchen Finale explizit auf brillianten Inhalt á la Debattierszene warten. Die Menschen im Publikum sind wahrscheinlich weniger interessiert an einem kleinteilig aufgedröselten Mechanismus als vielmehr an guten Beispielen oder rhetorischen Meisterleistungen.
    Zumindest erwarten sie das.
    Und so haben wir wohl leider einige Erwartungen enttäuscht und einflussreiche Menschen verloren. Da hilft vielleicht von vornherein eine bessere Kommunikation. Das wäre am leichtesten zu ändern und sollte zumindest mal probiert werden.

  12. Konrad (Tübingen) sagt:

    Ich rede beide Formate zugegebenermaßen relativ ähnlich, da ich auch in OPD nicht allzu bildhaft rede.
    Allerdings achte ich auf eine langsamere Sprechgeschwindigkeit (die meisten Leute würden auch in BP von langsamerem Reden profitieren) und größere Gestik. Der Text an sich bleibt bei mir ähnlich.
    Bei Lennart macht es erfahrungsgemäß allerdings einen großen Unterschied. Wenigstens als Schlussredner.

  13. Jonathan Scholbach sagt:

    Die (immer wieder) kritisiert hohe Sprechgeschwindigkeit im Finale hängt, glaube ich, nicht vom Format, sondern vor Allem von der Nervosität ab. So geht es mir jedenfalls. Jedesmal, wenn ich in einem Finale bin, sage ich das Mantra „Das Team, das am langsamsten redet, gewinnt die Debatte. Das Team, das am langsamsten redet, gewinnt die Debatte. Das Team, das am langsamsten redet, gewinnt die Debatte.“ vor mich hin. Und ich glaube, meistens stimmt das sogar (unabhängig vom Format) 🙂

  14. Lennart Lokstein sagt:

    So, entschuldigt bitte die lange Antwortzeit, ich hatte über das Wochenende keinen Zugriff auf den PC. 😉

    @Jannis: Gut analysiert, genau so sehe ich es auch.

    @Robert: Ich rede definitiv sehr anders je nach Format. Das liegt daran, wie Jannis schön ausgeführt hat, dass jedes Format um zu gewinnen andere Konditionen zur Siegchancenmaximierung hat. Z.B. die Sprachgeschwindigkeit (siehe gleich zu Jonathan).

    @Jonathan: Aus irgendwelchen Gründen schaffen es die Leute in OPD-Finals wesentlich häufiger, nicht nervös zu sein und in publikumsfreundlicher Geschwindigkeit zu sprechen. Das liegt aber glaube ich einfach nicht an Nervosität. Es liegt daran, dass in BPS Juroren dazu angehalten werden, möglichst alles mitzubekommen, was ein Redner sagt und der Redner (im heutigen Jurierstand) ausschließlich über seinen Inhalt gewinnt. Die logische Konsequenz aus diesen beiden Faktoren ist eine hohe Sprechgeschwindigkeit um Siegchancen zu maximieren.

    @Daniil: Ein sehr schöner Beitrag, auch da er eine Perspektive von früher offenbart, die scheinbar irgendwann verloren ging. Heute wird BPS definitiv niemals über Stil und Performanz entschieden, diese gehen im Grunde nie, vielleicht ganz selten einmal in Form eines einzelnen Einzelrednerpunkts nach Festlegung des Rankings, in die Jurierung ein.

    Das wirft eventuell die Frage auf, ob die heutige Art der BPS-Jurierung überhaupt erwünscht sein sollte oder ob man diese nicht umstellen will. Sollte man das nicht wünschen, ist es in meinen Augen jedoch eine – insbesondere im Bezug auf Publika und Ehrengäste problematische – Lüge, zu proklamieren, dass das Ziel überzeugende Reden wären. Eines von beidem sollte dann wohl dringend geändert werden. Ersteres wäre vielleicht ein wichtiges Thema für den Jurier-Think-Tank?

    In jedem Fall sollte man vielleicht über ein voriges Briefing von Ehrenjurys nachdenken. Die Rede von Herrn Matthes, der man nur beschämt zustimmen kann, ist jedenfalls ein deutliches Warnsignal und hätte auch sehr leicht in vernichtenden Presseartikeln aufgenommen werden können.

  15. Christian (MZ) sagt:

    Hier übrigens ein Zitat zu Stil, Form und Auftreten aus dem Jurierleitfaden der DDM 2014:

    „d.) Die Rolle von Stil und Struktur

    Die “linken Kriterien” der OPD-Bewertung (Sprachkraft, Auftreten, Kontaktfähigkeit) werden in BPS nicht gesondert bewertet, sondern als Mittel angesehen, das den Juror aufnahmebereiter bzw. die Argumente verständlicher und überzeugender macht und das damit bereits implizit bzw. unbewusst in die Bewertung des Inhalts durch den Juror einfließt. Eine explizite Bewertung würde bedeuten, dem Stil doppeltes Gewicht zu verleihen und ist deshalb zu unterlassen.“

    Das 50/25/25 Schema habe ich zur Anfangszeit meiner Debattierkarriere (Herbst 2012) auch mal im Netz gefunden und habe das bei einem Clubabend angesprochen. Daraufhin wurde mir erklärt, dass das schon seit Jahren niemand mehr beachten würde. Es zähle nur noch der Inhalt.

  16. Jonathan Scholbach sagt:

    Der entscheidende Punkt an dem von Christian zitierten Abschnitt des Jurierleitfadens ist doch, dass die Bewertung auch in BP – implizit – stattfindet. Auch Debattier-Juries sind empfänglich für die Wirkung rhetorischer Mittel. Auch in einer BP-Rede muss man es schaffen, dem wichtigsten eigenen Punkt in der Erinnerung der Juror*innen einen prominenten Platz zu verschaffen. Deswegen glaube ich nicht daran, dass die u.a. von Herrn Matthes genannten rhetorischen Mittel – Pointen, prosodische Markierungen etc. – in BP nicht auch einen Einfluss auf das Ergebnis haben. Ein unstruktutierter Beitrag ohne Beispiele und klare Sprache wird in einer Jurydiskussion viel schneller untergehen, als ein Beitrag, der gut „rübergebracht“ wurde.

  17. Daniil sagt:

    Vorneweg: Ich finde, wir sollten von dem ausgehen, was sein sollte und unsere Debattierpraxis daraufhin überprüfen und ggf. anpassen. Mein Ausgangspunkt wäre: Eine gute Rede ist eine gute Rede, egal ob in BPS oder in OPD. Vielleicht ist dies nicht immer der Fall, aber annäherungsweise schon.

    Wo könnten jetzt Probleme liegen?

    Formatkrieg = Unsinn

    Zunächst einmal habe ich den Eindruck, dass wir eine sehr deutsche Diskussion führen. Im englischsprachigen Raum würde sich niemand darüber unterhalten, ob BPS auch rednerische Fähigkeiten schult. Da ist es selbstverständlich, dass es eben auch um public speaking geht. Kurz: Indem wir (zur Abgrenzung der Formate von einander?) Unterschiede (über)betonen, kommt was seltsames raus. BPS ohne Pathos ist wie OPD ohne Logos, nämlich Unsinn. Der Unterschied liegt in der Schwerpunktsetzung, nicht in einer prinzipiell unterschiedlichen Vorstellung von dem, was eine gute Rede ausmacht.

    50/25/25:

    Daniel und der DDM-Leitfaden von 2014 haben Recht: Das 50/25/25 ist auf keinen Fall wörtlich zu nehmen. Aber selbstverständlich spielt die Art der Darbietung eine Rolle (s.o.). Vielleicht findet hier einfach eine Verwechslung statt. Pathos ist nicht nur bildlich sprechen oder mit den Händen herumfuchteln. In der Tat wird bei BPS nicht so viel Wert auf Auftreten gelegt, aber um so mehr auf die Sprachkraft. Klare Struktur, eindeutige Formulierungen, gute Labels, klare Betonung, laaaaangsam Sprechen – alles das trägt bei professionellen Juroren als auch beim Publikum zur Überzeugung bei (s. Daniel). Wie häufig kommt es vor, dass die Redner nach dem Feedback sagen: „aber das habe ich doch so gesagt/so gemeint!“. Ist aber nicht angekommen. Offensichtlich ein klassischer Fall von schlechtem Vortrag.

    Feedback:

    Eventuell gibt es bei BPS ein Spannungsverhältnis zwischen dem Jurierprozess und dem Feedback. Was bei BPS sicherlich fehlt, ist die Rückmeldung zur Vortragsweise. Das kann man durchaus als Problem identifizieren, vor allem wenn man der Argumentation folgt, dass der Vortrag implizit durchaus eine Rolle spielt. Ein Vergleich: Als ich angefangen habe, wurde bei OPD immer zuerst das Siegerteam verkündet, danach ging es in ein Einzelrednerfeedback. Feedback zu den Teamkategorien gab es nicht oder nur auf technischer Ebene („Mehr Klopfen! Mehr Zwischenrufe!“). Dadurch konnte ich in den ersten drei Jahren meiner Debattierzeit keine Vorstellung davon entwickeln, was Debattierstrategie eigentlich ist (seufz). Hier hat sich die OPD, wie ich finde, sehr positiv entwickelt. Das gleiche sollte für BPS gelten: Wenn bei den Redner*innen der Eindruck erweckt wird, es zähle „nur Inhalt“, dann sollte dem entgegengewirkt werden. Nicht, indem man explizites Feedback zum Auftreten gibt (obwohl auch das sicher nicht schaden würde), sondern indem man seine Jurierung offenlegt („das haben wir nicht so gut verstanden, weil..“) oder Verbesserungsfeedback gibt („das nächste Mal musst Du darauf achten, auch mal zu betonen, was Dir wichtig ist!“).

    Jurier-Think-Tank

    @Lennart: Natürlich wäre das ein spannendes Thema! Der dritte (und vorerst wohl abschließende) JTT findet diesen Sommer in HH statt. Dort soll es zwar um ganz praktische Fragen gehen, aber evtl. würde sich dieses Thema für einen Impulsvortrag oder im Rahmen der Keynote anbieten. Vielleicht könnte man das, was ich oben schreibe (Feedback in BPS) in einem eigenen Abschnitt behandeln. Wir werden das aufnehmen und besprechen. Und ich kann gar nicht oft genug sagen: Wer Ideen jedweder Art hat, der kann sich z.B. an Leo und Marion (inhaltliche Konzeption in HH) oder Barbara (Beitrat Jurierqualität) wenden. Gerne aber auch an Patrick oder mich, je nach persönlicher Präferenz. Wir sind für alle Ideen dankbar und freuen uns über eine möglichst breite Beteiligung an den Think-Tanks.

    Kurz noch zur Einordnung: Auf dem Think-Tank in Marburg wurde das hier Besprochene vor allem von Dessi und Andreas thematisiert.

    Dessi geht in von folgender Problemanalyse aus: Wir haben in beiden Formaten fiktive Adressaten, welche das „echte“ Publikum simulieren sollen (OPD: Freie Redner, BPS: globally informed citizen). In Wirklichkeit reden wir aber immer für eine Fachjury. Ihren Vortrag kann man einsehen, von meiner Seite daher nur eine Ergänzung: Dessi sagt, dass es aus ihrer Sicht in der Praxis kein Problem gibt, obwohl es diese Diskrepanz zwischen Anspruch (fiktive Adressaten) und Wirklichkeit (tatsächliche Adressaten) gibt. Ich glaube, dass es dann ein Problem gibt, wenn unsere tatsächlichen Adressaten, die Fachjurys, sich in ihren Kriterien zu weit von dem Publikum entfernen. Ich habe eben ein klares Mantra: Ich will, dass wir relevant bleiben. Wenn wir uns in der Art der Kommunikation unserer Inhalte zu weit vom Publikum entfremden, werden wir zu einer Sekte.

    Eine Entfremdung kann aber nicht nur auf Ebene des Vortrages stattfinden, sondern auch inhaltlich. Wie das passieren kann und welche Konsequenzen das hat, hat Andreas in seinem Vortrag („Mythen der Realität“, auch als Artikel auf der AM veröffentlicht) aufgearbeitet. Wenn man auf diesen Vorträgen und dieser Diskussion hier aufbauend weiter denkt, dann können sicherlich interessante Erkenntnisse gewonnen werden.

  18. Jan F. (Berlin) sagt:

    So mein Senf,

    gehen wir davon aus, dass Debattieren ein Sport ist. Nicht wie Leichtathletik daher entschuldigt den kommenden Vergleich.

    Man sieht also das Finale einer Leichtathletik-Lauf-Veranstaltung. Aber im Gehen. Man ärgert sich als unbedarfter Zuschauer und denkt sich vielleicht „was wackeln die denn so komisch, so erwischt man doch nicht mehr den Bus.“
    Man muss Ihm also die Regeln erklären, also dass die Geher da so ein Regelwerk haben und immer einen Fuß auf dem Boden.
    Der 100m Lauf ist natürlich deutlich einfacher zu verstehen und die Sinnhaftigkeit Frühstarts zu bestrafen verständlicher als sagen wir mal Reden, die um einige Sekunden das vorgegebene Zeitkorsett verfehlen, drakonisch zu richten.

    Aus „sportlicher“ Sicht finde ich BP attraktiver, Stichwort: Doppelt kompetitiv.
    Wird dem Zuschauer das so erklärt, kann er sich im Finale gleich auf mehrere Konkurrenzen freuen, also nicht nur „Schlägt Team X die andere Seite sondern auch Ihren Banknachbarn“

    Zu den Anmerkungen der Ehrenjury:
    Als Zuschauer und Debattierer fand ich die klasse. Es zeichnet doch gute Juroren aus, dass sie selbst bei den sehr guten Rednern und Rednerinnen, die wir in diesem Finale hören durften, Verbesserungsmöglichkeiten finden. Da sollte man sich nicht schämen als Adressat.

    Zum BP-Jurieren:
    Schade, dass die 50/25/25-Regel anscheinend nicht mehr so befolgt wird. Ich kenne noch die Erklärung mit den drei Kreisen bin aber nicht wirklich mehr im Circuit aktiv.
    Ich weiß aber aus meinen Jurierungen im Club, dass alleinige Konzentration auf die 50% Inhalt andere/willkürlichere Ergebnisse liefern würde und dass Methode und Form durchaus zur Entscheidungsfindung im Ranking beitragen.

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