Wehmut und Weisheiten: Philipp Stiel, VDCH-Präsident a.D., im Gespräch

Datum: 4. September 2013
Redakteur:
Kategorie: Menschen, Mittwochs-Feature

Bei der Mitgliederversammlung des Verbandes für Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) wurde vergangenes Wochenende ein neuer Vorstand gewählt. Der Vorstand der Amtszeit 2012/13 um den Präsidenten Philipp Stiel hat seinen Nachfolgern ein komfortables finanzielles Polster verschafft. Wie Philipp im Rahmen des Vorstandsberichts bei der MV erwähnte, begann die Sponsorensuche für den VDCH erst im Frühjahr 2013, da die Unterstützung der World Universities Debating Championship (WUDC) in Berlin viel Aufmerksamkeit verlangt hatte. Die Achte Minute sprach mit ihm über seine Amtszeit, Teamzusammenstellung  und Fernbeziehung.

Achte Minute: Philipp, am Wochenende hast Du Deine letzten Tage als Präsident des VDCH erlebt. Hand aufs Herz: Bist Du froh, den Posten abgeben zu dürfen, oder wehmütig, ihn abgeben zu müssen?
Philipp Stiel: Ich bin froh, jetzt wieder mehr Zeit für anderes zu haben – die letzten Monate waren schon ganz schön anstrengend. Aber als ich in meiner E-Mail-Signatur den „Präsidenten” gestrichen habe und unseren schicken neuen VDCH-Stempel übergeben habe, da war ich schon ein bisschen wehmütig.

Warum machst Du nicht weiter?
Wie hat Christian Lindner das so schön gemerkelt: “Manchmal muss man einfach Platz machen für eine neue Dynamik.” (lacht) Nein, im Ernst: Zwei Jahre Vorstandsarbeit reichen, und neben einem Vollzeitjob ist das irgendwann zu viel. Aber selbst wenn ich die Zeit hätte: ich hätte Angst, dem VDCH zu sehr meinen Stempel aufzudrücken.

Am Anfang des Jahres sah die finanzielle Situation noch nicht so gut aus. Hat Dir das schlaflose Nächte bereitet?
Nein, ich schlafe ziemlich gut. Aber der Druck hat mir zwischenzeitlich schon den Spaß an der Sache verdorben. Wenn ich mich an mein erstes Jahr im Vorstand erinnere, dann war der VDCH für mich vor allem eine Spielwiese, mit der ich mich hervorragend von meiner Masterarbeit ablenken konnte. Ich konnte machen, worauf ich Lust hatte, Ideen entwickeln, Projekte verfolgen. Vielleicht wäre es im Rückblick besser gewesen, der Sponsoringdruck hätte uns damals auch schon stärker getrieben. Aber so richtig aufgewacht bin ich erst nach dem Waterloo im Frühjahr 2013, und das war dann nicht mehr so toll.

Was hat sich deiner Meinung nach durch Deine Präsidentschaft in Debattierdeutschland geändert?
Ich hoffe zumindest, dass wir Projekte anstoßen konnten, zum Beispiel mit McKinsey für die Jurierseminare, mit der Trainerausbildung und den Klartext Europa-Debatten, die die Verankerung des Debattierens insgesamt verbessern. Je dichter das Netz an Partnern, Freunden und Förderern wird, desto kleiner ist die Gefahr, dass wir irgendwann mal ganz ohne Hilfe dastehen. Inhaltlich hoffe ich, dass wir die Bedeutung des Wissensaustauschs zwischen den Clubs nach vorne gebracht haben. Auch wenn man das leider noch nicht so ganz sieht, habe ich eine Menge Zeit ins Debattier-Wiki reingesteckt und hoffe, dass wir da mit dem neuen Kick-Off nochmal einen richtigen Schub bekommen.

Stiel

VDCH-Präsident a.D. Philipp Stiel leitet das Präsidententreffen. © Manuel J. Adams

Der Vorstand war in diesem Jahr wieder bereits vorher zusammengestellt, es gab keine Aufforderung, sich zu bewerben. Eventuelle Kandidaten, die zunächst nicht in Betracht gezogen wurden, sind somit herausgefallen. Wie war das damals bei Dir?
Das ist ein schwieriges Thema. Aber ganz ehrlich: Mich hat niemand gefragt, ich habe mich selbst gemeldet, und zwar beim damaligen VDCH-Vorstand während der DDM in Heidelberg. Damals wollte Benedikt Nufer (VDCH-Präsident der Saison 2011/12, Anm. d. Red.) noch ein Vorstandsjahr weitermachen und war damit mein natürlicher Ansprechpartner. Ich habe ihm dann mein Interesse bekundet, ihm aber auch gesagt, dass ich es absolut akzeptieren würde, wenn er andere Präferenzen für sein Team hat. Denn im Kern glaube ich, dass zuallererst das Team passen muss. Klar müssen Konflikte in der Szene ausgetragen werden, aber sie auch noch in den Vorstand zu holen, das ist einfach zu viel verlangt für ein ehrenamtliches Engagement wie dieses. Besonders kommt beim VDCH belastend hinzu, dass man auch auf Distanz funktionieren muss – ein klärendes Gespräch zu führen, ist vor Ort viel einfacher. Jeder, der mal eine Fernbeziehung geführt hat, kann das nachvollziehen.

Wie hast Du dir im letzten Jahr dein Team zusammengestellt?
Als einziges Vorstandsmitglied, das weitermachen wollte, hing das an mir. Und angesichts der WUDC Berlin 2013, die alle Organisatoren im Land aufgesogen hatte, galt das im wahrsten Sinne des Wortes. Ob es gerecht war, dass ich dabei manche angesprochen habe und andere nicht – das weiß ich nicht. In jedem Fall war es für mich eine sehr anstrengende Suche, da ich viele Absagen bekommen habe. Ich hätte mir mehr Leute gewünscht, die einfach mal auf den VDCH zugekommen wären. Ich sehe nicht ein, warum man sich immer bitten lassen muss. Und jeder, der für einen Vorstandsposten in Frage kommt, weiß doch aus der Beobachtung und aus dem eigenen Club, wie der Hase läuft. Und am Ende ist die MV das Korrektiv: Jeder, der Leute anspricht, der hat doch die Reaktionen der Szene, die Fragen in der Mitgliederversammlung, all das im Hinterkopf. Ich habe sehr lange gezögert, Anna Mattes zu fragen, weil sie auch aus Tübingen kam. Im Rückblick bin ich wahnsinnig froh darüber, dass ich es gemacht habe.

Bei den Präsidentenstreffen auf den ZEIT DEBATTEN, auf dem Strategietreffen und auch bei sonstigen Gelegenheit warst Du immer der Wortführer für den Vorstand. Auch hatte man den Eindruck, dass Du zum größten Anteil und mit dem größten Elan die Arbeit als Vorstand ausgeführt hast. Täuscht dieser Eindruck?
Oh je, Wortführer… Nein, wahrscheinlich täuscht der Eindruck nicht, dass ich teilweise sehr viel Zeit reingesteckt habe – etwas, das ich nur von mir selbst verlangen kann. Aber das mit dem Wortführer macht mir Angst.

Aber Du hast einen großen Teil der Arbeit selbst erledigt?
Was heißt selbst erledigt – ich habe mir die Arbeit ja auch selbst gesucht. Aber was wir gemacht haben, das haben wir gemeinsam gemacht. So regelmäßig wie wir uns getroffen, telefoniert, konferenziert haben – da kommt man an die Grenzen der Vorstandsfernbeziehung.

Du wirst Dich sicherlich nicht komplett zurückziehen aus der Debattierszene. Welche Aufgaben und Projekte stehen für Dich als nächstes an?
Zunächst mal werde ich den neuen Vorstand in seiner Arbeit unterstützen – hoffentlich, ohne mich zu sehr einzumischen. Aber wir haben eine Menge zu übergeben. Außerdem sind einige Sachen auch noch nicht ganz in trockenen Tüchern wie die Europadebatten 2014 oder ein, zwei Sponsorenkontakte. Solche Verhandlungen lassen sich eigentlich kaum übergeben, deshalb werde ich da dran bleiben, bis man einen klaren Cut machen kann. In Berlin werde ich den VDCH wohl auch nochmal vertreten, wenn niemand aus dem Vorstand kommen kann. Berlin ist, was die Kontakte betrifft, einfach unschlagbar. Und ich bin auch davon überzeugt, dass wir mehr Alumni brauchen, die das Debattieren im Hinterkopf haben, wenn sie durch die Welt gehn. Ein solcher will ich sein.
Na, dann wirst Du ja eventuell freier Botschafter für das Debattieren in Berlin. Viel Erfolg dabei und vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Annette Kirste.

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Philipp Stiel, 27, studierte in Tübingen, Chile und den USA Volkswirtschaftslehre und arbeitet inzwischen für eine Bundestagsfraktion im Bereich Finanzpolitik in Berlin. Seit 2011 war er Mitglied im VDCH-Vorstand, zunächst als Vizepräsident für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, von August 2012 bis 2013 als Präsident.

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2 Kommentare zu “Wehmut und Weisheiten: Philipp Stiel, VDCH-Präsident a.D., im Gespräch”

  1. Andrea G. (Mainz) sagt:

    Ich kann mich dem Ton des Interviews nur anschließen: Lieber Philipp, vielen Dank für die gute Arbeit, das wieder mal erfolgreiche Retten der Zeit-Debatten und dein Engagement über zwei lange Jahre. Viel Spass mit der neu gewonnenen Freizeit! 🙂

  2. Danke auch von mir für das Interview und genieße deine Zeit jetzt ausgiebig 🙂

Kommentare sind geschlossen.

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