„Irgendwas mit Alumni“: Bernd Hoefer über die Gründung der Deutschen Debattiergesellschaft e.V.

Datum: 16. Oktober 2013
Redakteur:
Kategorie: DDG, Mittwochs-Feature

Dieses Jahr wird die Deutsche Debattiergesellschaft e.V. (DDG) zehn Jahre alt. Bernd Hoefer war dabei, als die DDG aus der Taufe gehoben wurde. Beim diesjährigen Masters Cup in Eisenach hielt er anlässlich des Jubiläums eine Rede über die Gründung der DDG, die er jetzt für die Achte Minute niedergeschrieben hat.

Nasskalt war das erste Adventswochenende 2003 in Münster. Für solches Wetter hat man warme Getränke erfunden. Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt durfte daher nicht fehlen, als etwa 20 Personen zusammenkamen, die sich anschickten, den Verein zu gründen, der schließlich als Deutsche Debattiergesellschaft – Alumni und Förderer des Debattierens e.V. das Licht des Vereinsregisters erblickte. Mancher dürfte damit geliebäugelt haben, die Vereinsgründung an der Glühweinbude abzuwickeln, doch da lagen Punsch und Wirklichkeit auseinander. Erst nach langem und bisweilen zähem Ringen um den Text der Satzung wurde in der nüchternen Atmosphäre eines Vorstadthotels aus der diskutierfreudigen Runde die Gründungsversammlung der DDG.

Bei der Gründung 2003 dabei, 2013 beim Masters Cup auch: Christoph Busch und Bernd Hoefer (c) Manuel Adams

Bei der Gründung 2003 dabei, 2013 beim Masters Cup auch: Christoph Busch und Bernd Hoefer
(c) Manuel Adams

Über einen Punkt wollte sich nämlich partout keine Einigkeit einstellen: über den Namen des Vereins. Als die Vereinsgründungswilligen an jenem Sonnabendnachmittag in Münster eintrafen, gab es für das zu gründende Subjekt einen Satzungsentwurf, in dem vom „Alumni-Verein der Debattierclubs in Deutschland“ die Rede war, doch das war nicht mehr als ein sperriger Platzhalter. Für die meisten schien es aber ausgemacht, dass am Ende „irgendwas mit Alumni“ herauskommen würde. Denn seit anderthalb Jahren gab es Überlegungen für den „Aufbau einer Alumni-Struktur“, auf einem E-Mail-Verteiler mit dem Namen „VDCH-Alumni“ berieten interessierte Personen über das Ob und Wie dieser Struktur. Anfang Mai 2003, am Rande der ZEIT-Debatte in Mainz, verständigte sich diese Gruppe darauf, sich in einem eigenen Verein zu organisieren, auf dass – um einen damals viel bemühten Vergleich aus dem Tierreich zu zitieren, hier in der Version von Rupprecht Podszun, der gemeinsam mit Präsident Kai Monheim und Christoph Busch dem Gründungsvorstand der DDG angehörte – die „Grauen Panther des Debattierens“ nach ihrem Ausscheiden aus dem studentischen Debattieren „nicht zum einsamen Tod in der Savanne bestimmt“ seien und zugleich dem Hochschuldebattieren als „die zu melkenden Kühe“ zur Verfügung stünden.

Nun fiel es durchaus schwer, sich die in Münster versammelte Schar von Praktikanten, Doktoranden, Referendaren, Volontären und ähnlich prekär Beschäftigten als einen finanzmächtigen Förderverein vorzustellen. Viele der selbsternannten Alumni führten zudem ein quicklebendiges Turnierleben, sogar als Redner. „Ehemalige“ oder „Alumni“, das schien an eine plumpe Falschetikettierung zu grenzen. Glühweingestärkt forderte eine wortmächtige Fraktion jedenfalls lautstark, die Wörter „Alumni“ oder „Ehemalige“ dürften keinesfalls im Vereinsnamen auftauchen.

Dahinter stand die Frage, was der im Entstehen begriffene Verein eigentlich sein sollte: Ein honoriger Ehemaligenverein, dessen Mitglieder ihrem früheren Hobby vielleicht noch einmal im Jahr spaßeshalber nachgehen und der im Übrigen das Hochschuldebattieren vor allem finanziell unterstützt? Oder eine Art Über-Debattierclub, der bundesweit Debattieren für Erwachsene anbietet und darüber hinaus vielleicht mit dem VDCH zusammenarbeitet? Die Gründungsversammlung zeigte großkoalitionäres Talent und ließ die Frage offen. Sie nahm von beidem ein bisschen in den Vereinszweck auf. Die Sinnfrage wurde damit zwar nicht gelöst, sondern nur vertagt. Zugleich erschloss man sich aber eine Diskussionsquelle, aus der spätere Mitgliederversammlungen bis heute gern und reichlich schöpfen.

Für die Gründer blieb das Problem, das Sowohl-als-Auch der Zweckbestimmung auf einen Namensnenner zu bringen. Selbst während des Abendessens kreisten immer neue Vorschläge, doch ohne Chancen auf eine Mehrheit: „Verein zur Förderung der demokratischen Streitkultur“ traf bei Tübingern auf Zustimmung, bei Berlinern (seien wir ehrlich: schon deshalb) auf schroffe Ablehnung. „Debattier-Netzwerk“ klang zu unbestimmt und „Pro-These“ als zu wortverspielt.

Am Sonntagmittag, buchstäblich in letzter Minute und womöglich adventlich beseelt, war er dann schließlich da, der Name, der alles vereint: Deutsche Debattiergesellschaft – Alumni und Förderer des Debattierens e.V., kurz: die DDG. Das war im Obertitel offen, im Untertitel honorig und spendabel, und außerdem etwas mit Alumni. Der Rest der Gründung waren eine einstündige Formsache und am Tag danach ein mindestens ebenso langes Gespräch mit der Debattiergesellschaft Jena, die ihren Namen plagiiert sah.

Bernd Hoefer beim Masters Cup 2013 (c) Manuel Adams

Bernd Hoefer beim Masters Cup 2013
(c) Manuel Adams

Alsdann ging es darum, dem Verein Leben einzuhauchen, oder weniger poetisch: ihm Aufgaben zu beschaffen, die Alumnidasein, Förderung und Debattieren verbinden. Ihre Alumnirolle nahm die DDG rasch an: Gemeinsam mit dem VDCH rief sie die Achte Minute ins Leben, die im kommenden Jahr ebenfalls zehn Jahre alt wird, und die Auslobung des Nachwuchspreises, der seit 2004 bewusst ohne feste Regeln an eine junge Rednerin oder einen jungen Redner der Deutschen Debattiermeisterschaft verliehen wird, entwickelte sich zur vielleicht besten Erfindung des Vereins. Dass manch andere hochfliegende Pläne (Journalistenpreis! Rhetoriktrainerzertifikat!) unsanft im Papierkorb landeten, ist längst verschmerzt.

In Sachen Förderung lag die Sache etwas anders. Während der VDCH die ZEIT als zahlungskräftige Sponsorin an seiner Seite hatte, war die DDG zunächst jung und brauchte ihr Geld noch selbst. Redner- und Jurorenschulungen wurden daher anfänglich eher personell als finanziell unterstützt. Mit zunehmendem Mitglieder- und Kassenbestand eröffneten sich in den vergangenen Jahren neue Spielräume. Allmählich wird aus der DDG also das, was sie sein soll.

Debattieren schließlich geht immer. Masters‘ Cup im unvergleichlichen Eisenach ist zwar nur einmal im Jahr, doch ein guter Alumni-Verein ist stets so etwas wie eine stille Reserve der Aktiven. Gebricht es hier an einem Redner oder dort an einem Juror, eignen sich die Ehemaligen als laufruhige Lückenfüller. Und wer als Alumna oder Alumnus nicht auf den Anruf in letzter Minute warten möchte, für den gilt, was schon im ersten DDG-Jahrbuch 2004 zu lesen war: Die Mitgliedschaft in der Deutschen Debattiergesellschaft ist „eine prima Ausrede, um weiterhin auf ZEIT-Debatten zu fahren“.

Bernd Hoefer/kem

Mittwochs-Feature

Das Mittwochs-Feature: jeden Mittwoch ab 9.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

Dr. Bernd Hoefer ist Rechtsanwalt in Kiel. 1996 fand er zum Debattierclub an der Universität Kiel,  wurde im Jahr 2002 Deutscher Vizemeister und war Sieger der ZEIT DEBATTE Greifswald 2002. Er war Chefjuror der Deutschen Debattiermeisterschaft 2004. Von 2001 bis 2003 war er im Vorstand des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. und unterstützte den Dachverband über seine Amtszeit hinaus als Justiziar. Er leitete die Gründungsversammlung der Deutschen Debattiergesellschaft e.V. und fungierte 2004/05 als deren Schatzmeister. Bei der Deutschen Debattiermeisterschaft 2010 in Münster hielt er eine Festrede über die zehn Deutschen Debattiermeisterschaften, die er ebenfalls für die Achte Minute niederschrieb. 

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