„Es braucht einen Raum“ – Katrin Fallmann über die Idee des Frauenworkshops

Datum: 25. Juli 2018
Redakteur:
Kategorie: Mittwochs-Feature

Katrin Fallmann, die Süddeutsche Meisterin 2018, bringt einige Erfahrung im Debattieren mit sich – davon nicht alle positiv. Im Mittwochs-Feature berichtet sie von den Hürden, die einem als Frau im Kontext öffentlicher Rede begegnen können und warum ihr die Idee eines Debattierworkshops für Frauen besonders nahe liegt.

Das Verhältnis von Frauen zu Männern in Finals der ZEIT DEBATTEN-Serie in der Saison 2017/18 - © Katrin Fallmann

Das Verhältnis von Frauen zu Männern in Finals der ZEIT DEBATTEN-Serie in der Saison 2017/18 – © Katrin Fallmann

Warum es einen Frauenworkshop braucht

Bei meinem ersten deutschsprachigen BP-Turnier bin ich in sechs Runden fünf Frauen begegnet. Das sind weniger als 20% der Personen, gegen die ich debattiert habe. In den Finals der drei Regionalmeisterschaften waren 6 Frauen – 25%. Bei den Zeitdebatten Berlin, Hamburg, Hannover und Münster waren in den vier Finalen insgesamt 4 Frauen von 34 Debattierer*innen – nicht einmal 12%. Während in mehreren Finals dieser Saison nur Männer geredet haben, habe ich kein einziges mit wenigstens 50% Frauen gefunden.
Diese schockierenden Zahlen ergeben sich nicht einfach daraus, dass „sich Frauen halt einfach weniger für’s Debattieren interessieren“. Das sieht man zum Beispiel an den signifikanten Unterschieden zwischen Debattierklubs. Auch in anderen Ländern scheint es nicht annähernd eine so krasse Differenz zwischen Männern und Frauen zu geben, wie in Deutschland.

Woher kommt der Unterschied?

Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum Frauen weniger in der deutschsprachigen Debattierlandschaft anzutreffen sind, als Männer.
Erstens, ist das Gefühl des Willkommen-Seins wesentlich. Wenn ich als junge Frau am Anfang meiner Studienzeit in einen Debattierklub komme, der hauptsächlich von Männern dominiert ist, die sich alle untereinander gut kennen, seit Jahren debattieren und außerdem oft wesentlich älter sind, werde ich mich dort weniger willkommen fühlen, als in einem Klub mit vielen Frauen. Sehr oft steigt der Frauenanteil dann rasant an, wenn zum Beispiel eine Frau das Training übernimmt. Das erklärt auch, warum die Unterschiede zwischen einzelnen Klubs so groß sind. – Sobald es einige Frauen gibt, die auch präsent sind, folgen in wenigen Jahren immer mehr nach.
Zweitens, machen Frauen oft schlechtere Erfahrungen, wenn sie öffentlich reden, als Männer. Sie werden öfter unterbrochen, kritisiert oder auf persönlicher Ebene ins Lächerliche gezogen. Da öffentliches Reden für viele Menschen ohnehin schon sehr viel Mut erfordert, können diese Erfahrungen ausschlaggebend sein. Nachdem ich einmal in einer öffentlichen Debatte eben auf dieser persönlichen, statt auf einer sachlichen Ebene angegriffen wurde – ich wurde von einem Professor sogar als „little Miss Trump“ bezeichnet – habe ich eine Zeit lang nicht mehr bei öffentlichen Debatten geredet. Viele Frauen kommen mit ähnlichen Erfahrungen aus dem Alltag in den Debattierklub. Da ist es verständlich, warum sie nicht gleich auf einen Wettbewerb fahren wollen, obwohl sie viel Potential hätten. Ein bisschen positives Feedback kann da wahre Wunder wirken.

Kathrin Fallmann und Marvin Grünthal - © Greta Lokstein

Kathrin Fallmann und Teampartner Marvin Grünthal auf der SDM 2018- © Greta Lokstein

Warum aber gerade einen Workshop?

Es braucht einen Raum, in dem junge Frauen wissen, dass sie willkommen sind, in dem sie auf andere junge Frauen treffen. Als Trainerin für die Warwick Debating Society habe ich einmal gemeinsam mit der Debating Union Birmingham so einen Workshop veranstaltet. Es war wirklich erstaunlich, wie einige unserer jungen Debattiererinnen, die sonst eher schweigsam waren, plötzlich das Wort ergriffen haben. Manchmal ist es auch einfach angenehm, eine Möglichkeit zu haben, sich zu vernetzen und ein Social zu besuchen, bei dem Gespräche nicht hauptsächlich von Männern dominiert werden, die seit Ewigkeiten befreundet sind.
Um auch einen wirklichen Trainingseffekt zu haben, veranstalten wir in Wien einen Workshop und kein Turnier. Anders als bei einem Turnier kommt es bei einem Workshop nicht darauf an, sofort die besten Ergebnisse zu erzielen. Das ist eine Gelegenheit Neues auszuprobieren und Fehler zu machen. Es bleibt mehr Zeit für Feedback nach Debatten, aber auch für theoretischen Input dazwischen. Außerdem bieten Übungen eine Möglichkeit Spezifisches zu üben, wie zum Beispiel Struktur, Widerrede oder strategisches Überlegen während der Vorbereitungszeit. In unserem Workshop wird es auf jeden Fall so viele Debatten wie bei einem Wettbewerb geben – aber eben auch noch mehr.

 

Mittwochs-Feature

Katrin Fallmann debattierte von 2014-2017 für die Warwick Debating Society, wo sie auch das Training leitete. Seit der Saison 2017/18 ist sie im Debattierklub Wien und erstmals auch in der deutschsprachigen Szene aktiv. Katrin hat schon in vier verschiedenen Sprachen debattiert und das Fremdsprachenfinale der spanischsprachigen Weltmeisterschaft 2016 gewonnen. Auf Deutsch gewann sie die SDM 2018, sowie das Familienturnier in Mainz und erreichte das Viertelfinale der DDM.

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

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1 Kommentare zu “„Es braucht einen Raum“ – Katrin Fallmann über die Idee des Frauenworkshops”

  1. Simon V. (Wuppertal) sagt:

    Hallo Katrin,

    wirklich super, dass du bzw. auch ihr als Club diese Sache weiter voran treibt. Ich würde sehr sehr gerne bei eurem Workshop dabei sein, aber leider heiratet ein Verwandter an diesem Wochenende. Ist es möglich, die Erkenntnisse/Workshops/Ähnliches danach online zugänglich zu machen? Macht ihr einen Folgebericht? In unserem Club wird immer wieder danach gefragt und da wollen wir auch unbedingt mehr anbieten, die bestehenden Angebote für Deutschland sind da aber leider sehr begrenzt. Leider machen auch in unserem Club und befreundete Debattiererinnen die gleichen Erfahrungen von denen du berichtest.
    Falls du einige Nachfragen beantwortet würdest:
    1. Wie thematisiert ihr das in eurem Club und kommuniziert das in eurem Debattiersozialgefüge (Sprich Community, die über Wien hinausstrahlt)? Ich habe das Gefühl, es gibt da diese einzelnen Stimmen, die das Thema immer wieder zur Diskussion stellen und viel mehr passiert da leider nicht. Auf der Achten Minute gibt es da ein paar gute Artikel von Jule und Pegah. Ein Problem unter vielen Halt. Wie wird das bei euch wahrgenommen?

    2. Hattet ihr sonst noch Erkenntnisse bezüglich der Gründe und Ursachen dieser Unausgewogenheit? In Deutschland tut man es ja leicht damit ab, dass Frauen einfach „nicht so kompetitiv wären“ und verlangen einfach noch weitere Forschung, was denn genau so abschreckend wäre um das zu ändern. Wie seht ihr das in Wien und habt irgendwelche unmittelbaren Schritten unternommen was dagegen zu tun, als ihr das Problem wahrgenommen habt.

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