Das Punk-Turnier: Ein Lobgesang
Lara Tarbuk erzählt in diesem Mittwochs-Feature, was für sie bei Turnieren wichtig ist und warum das Konzept der Punk-Turniere vielleicht für mehr Turniere sorgen könnte.
Viele VDCH-Turniere fühlen sich – auch gerade im internationalen Vergleich – an wie Urlaub. Leckeres Essen, coole Partys, Kaffee-und-Kuchen-Flatrate und todschicke Finalorte (leider meckert trotzdem immer irgendjemand über fehlendes Wasser, „das ist doch wohl das mindeste“, fleischloses Essen und was Leuten noch so einfällt). Orga-Teams machen einen richtig guten Job und zaubern uns mit kleinsten Budgets ziemliche Wohlfühlwochenenden – dafür gebührt ihnen viel Dankbarkeit und Anerkennung. Damit wir jedoch mit wenig Geld viel Urlaub machen können, damit jeder seine Essenspräferenz bekommt und wir uns zwei Tage um nichts mehr kümmern müssen, müssen sie sich leider auch sehr viel Arbeit machen. Für Organisatorinnen, Ausrichterclubs und Helferinnen ist oft schon ein DDL-Turnier ein wahrer Marathon.
Unsere Erwartungen an Turniere sind gestiegen – die Anzahl der Ausrichter leider nicht. Bei einigen Turnieren muss das vielleicht so sein, weil wir feste Vorgaben haben, nach denen wir uns richten müssen oder die große Teilnehmeranzahl nichts anderes zulässt. In vielen Fällen geht es auch anders.
Warum fahre ich auf ein Turnier? Um zu Debattieren. Am liebsten bis zum Umfallen! Und um dort Menschen zu treffen, die genau so gerne Debattieren. Darum freue ich mich auf und über jedes Turnier. Ich freue mich auf euer Turnier, auch wenn ihr mir kein Frühstück, kein Mittagessen und kein Abendessen serviert. Wenn ihr mich nicht mit Kaffee, Keksen und Waffeln versorgt. Wenn es keine Preise, Pokale und Medaillen zu gewinnen gibt. Keine private Party und keinen DJ. Wenn ihr euch um nichts kümmert, außer um Räume und eine Chefjury. Dann freue ich mich umso mehr auf viele Runden und tolle Menschen, schmiere mir Brote (auch für zwei Tage), nehme mir Wasser, Kaffee und Kekse mit, kaufe mir nach den Debatten ein Bier und genieße es mit euch auf der Wiese.
Ich weiß, dass auch wenn man vieles weglässt, ein Turnier immer noch Aufwand bedeutet. Wenn aber jemand mit dem Gedanken spielt, ein Turnier auszurichten, jedoch nicht so viel Zeit hat, ist vielleicht das Konzept des Punk-Turniers genau das Richtige. Der Punk steht für Bunt und Rebellion, für Nonkonformismus aber auch für Freiheit. Punk-Turniere sind ein Ausdruck davon. Im Verzicht auf das Drum-Herum, auf Komfort und Luxus beschränken sie Turniere auf das was sie ausmachen – nämlich Debatten – und werden zum Sammelbecken für all jene, die dies zu schätzen wissen.
Lara Tarbuk/jm.
Lara Tarbuk debattierte seit 2014 beim Debattierclub Freiburg und ist seit 2017 bei der Berlin Debating Union aktiv. Derzeit studiert sie Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin und engagiert sich als Sportliche Leitung der Berlin Debating Union. Als Rednerin gewann sie mehrere Turniere, darunter die ZEIT DEBATTE Paderborn 2017, die Nordostdeutsche Meisterschaft 2017 sowie den Schwarzwaldcup 2017. In 2018 erreichte sie das Finale der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft. Als Chefjurorin hatte ihr sie Debüt beim Münchhausencup in Berlin.
Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
So hat die DDL zu meiner Koordinatorenzeit auch immer ihre Turnier verkauft: Ladet leute ein, gebt ihnen eine Turnierlokation und ein bis zwei Quadratmeter überdachten Boden zum nächtigen (geschlafen wird nach einem langem Abend eh nicht)! Alles andere ist Luxus!! Es gibt fast keine Regeln, also macht euer ding draus!
Professionalisierung von Debattierturnieren ist ein selbsterhaltendes System: In einer spiralförmigen Anspruchssteigerung werden eine gute Idee, eine nette Geste, ein kleiner Service aufeinander getürmt. Ist ein Standard einmal gesetzt, lässt er sich nur schwer wieder zurückschrauben. Turnierausrichter können sich den ständig steigenden Anforderungen in ihrem Handeln immer weniger entziehen; dies treibt die Standards immer weiter in die Höhe. Dies führt zu einer Überlastung und Überbeanspruchung. Laras Vorschlag, mehr „Punk-Turniere“ anzubieten, ist eine sinnvolle und zielführende Lösung – auf Zeit. Irgendwann gibt es dann „Edel-Punk-Turniere“, und das Spiel geht von vorne los.
Ich finde das Konzept super und den Namen marketingtechnisch extrem ungünstig, aus verschiedenen Gründen. Hier ein paar Alternativvorschläge (mit willkürlichen Stadtnamen):
– Essener Basisturnier
– Böblinger Selbstversorgerturnier
– Kasseler Selbstversorgercup
– Trier-Cup
– Oldenburger Freizeitturnier
– Mühlhausener Freizeitcup
Entsprechende Ausrichter finden bestimmt auch noch bessere Namenvarianten, die auf „Punk“ verzichten.