„Für mich war ‚Jugend debattiert‘ ein unglaublich guter Einstieg ins Debattieren“ – DDG-Nachwuchspreisträgerin Johanna Williams im Interview

Datum: 18. November 2020
Redakteur:
Kategorie: DDG, Menschen

Bei der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft (DDM) 2020 in Hannover verlieh das Konklave der Deutschen Debattiergesellschaft (DDG) den Nachwuchspreis an Johanna Williams aus dem Debattierclub Freiburg. Im Interview mit der Achten Minute stellt sie sich vor.

Nachwuchspreisträgerin 2020: Johanna Williams – © Beatrice Cala

Hallo Johanna, noch einmal Herzlichen Glückwunsch zum Nachwuchspreis! Stelle dich doch zu Beginn einmal für die Leute vor, die dich noch nicht kennen.

Hi, ich bin Johanna Williams, bin 21 Jahre alt und studiere jetzt im siebten Semester Medizin. Gerade bin ich Präsidentin vom Debattierclub Freiburg. Die DDM in Hannover war meine erste DDM und ich war dort mit meiner Teampartnerin Zoé.

Wie bist du denn zum Debattieren gekommen?

Bei mir hat es schon in der Schule ein wenig mit „Jugend debattiert“ angefangen, wir hatten dazu eine AG. In der 11. Klasse habe ich den Regionalwettbewerb gewonnen und bin ein wenig durch die Instanzen gewandert. Als ich in die Uni gekommen bin habe ich mir gedacht, das Debattieren kann man ja mal wieder aufgreifen. Am Anfang war ich etwas überrascht wie anders es doch ist, eine richtige Debatte zu haben und nicht nur ein nettes und geleitetes Gespräch unter Schülern. Ich bin also seit meinem ersten Semester ab und zu auch beim Uni-Debattieren dabei gewesen. Allerdings habe ich erst im letzten Jahr wirklich Zeit gehabt, mich darauf zu konzentrieren.

Viele Debattierende an der Universität kennen „Jugend debattiert“ nicht. Kannst du aus deiner Perspektive kurz die größten Unterschiede skizzieren?

Der größte Unterschied ist sicherlich die Redezeit. Bei „Jugend debattiert“ hat man eine zwei-minütige Eröffnungsrede, dann eine freie Aussprache mit 20-30 Sekunden-Statements bei denen sich die Redner abwechseln und zum Abschluss ein einminütiges Schlussstatement. Das Format ist also eher ein konstruktiver Austausch zwischen den Leuten. Man macht sich weniger Gedanken über den Case oder den Aufbau der Rede, sondern sucht sich im Vorfeld Informationen, die man dann in die Debatte einbringt. Da man das Thema 10 Tage im Vorfeld bekommt, kann man dann schon mal am PC recherchieren. Für mich als Schülerin war „Jugend debattiert“ ein unglaublich guter Einstieg ins Debattieren, weil gerade ein selbstbewusstes Auftreten und die Grundlagen von Argumentation dort altersgerecht vermittelt werden. Der Leiter von „Jugend debattiert“, Ansgar Kemmann, ist auch eng mit dem Tübinger Debattieren verknüpft und ich habe ihn dort sogar bei einem Turnier als Ehrenjuror wiedergetroffen.

Was gefällt dir am Debattieren?

Besonders gefällt mir die Zusammenarbeit. Man setzt sich mit seinem Teampartner hin und macht sich Gedanken wie man die Sachen angeht: Wie soll die Struktur sein, welche übergreifenden und miteinander interagierenden Systeme gibt es und wie bringe ich das in einer Rede schön und verständlich zur Geltung? Dieses gemeinsame Arbeiten macht mir viel Spaß, genauso wie die Vertrauensbasis in einem Team. Wenn Zoé vor mir redet, weiß ich zwar, was sie sagen will; da ich ihr aber nicht die ganze Zeit zuhöre, muss ich mich auf sie verlassen können. Diese Eingespieltheit und dieses Vertrauen finde ich spannend.

Was mir auf der DDM noch sehr viel Spaß gemacht hat, war der Austausch mit anderen Leuten und Clubs. Auch die Offenheit von so vielen Leuten, sich mit einem zu unterhalten und Feedback zu geben. Wenn man lange dabei ist, unterschätzt man vielleicht, wie cool das für neue Leute ist, in der großen Liga mitzuspielen. Da ist es total aufbauend, wenn man von quasi Koryphäen der Debattierszene gesagt bekommt: „Das war cool, was ihr da gemacht habt“.

Auf der SDM 2019 – © Debattierclub Würzburg

Auf welchen Turnieren warst du denn schon?

Mein allererstes Turnier war, glaube ich, 2018 in Tübingen. Ich meine, es war eine Campus-Debatte aber ich erinnere mich nicht genau. Es war eine sehr spontane Aktion, zwei Clubmitglieder haben mich gefragt. Ich hatte zu der Zeit gerade mein Anatomietestat und es war das einzige Wochenende das ich mir freinehmen konnte. Also dachte ich mir, fahre ich mal auf ein Debattierturnier. Wir sind bei dem Turnier nicht sonderlich weit gekommen, aber ich fand es spannend, die Leute kennen zu lernen und zu schauen, wie es auf einem Turnier ist. Es war sehr cool, zu sehen, dass noch ein ganz anderer Horizont hinter der Clubdebatte existiert. Obwohl es mir sehr viel Spaß gemacht hat, war aber erst die Süddeutsche Meisterschaft 2019 mein nächstes Turnier, weil ich mit dem Studium sehr viel zu tun hatte. Auf der SDM bin ich als Freie Rednerin ins Halbfinale gebreakt. Nach der SDM war ich noch auf der Campus-Debatte Leipzig im letzten Jahr, einem internationalen Turnier und der DDM. Jetzt habe ich Turnierluft geschnuppert und will da zukünftig noch aktiver sein.

Was macht für dich den Reiz von Turnieren aus?

Im Club kenne ich schon alle Leute und kann sie so ein bisschen besser einschätzen. Auf einem Turnier ist dagegen alles neu und es ist nicht wirklich beeinflussbar, gegen wen man redet. Das spornt einen sehr an und hat mich auch motiviert, bei der DDM teilzunehmen – auch wenn sie online war.

Wer waren deine Lieblingsgegner auf der DDM?

Die Tübinger, Samuel und Marius. Einfach weil ich sehr großen Respekt vor den beiden habe, wie eingespielt sie als Team sind und wie klar ihre Struktur ist. Da habe ich für mich persönlich gedacht,  dass dort noch viel ist, was ich selbst lernen kann. Wie ich strukturierter an ein Thema herangehe und es ordne und meinen eigenen Case, Argumente und Impacts wiedergebe. Ich hatte das Gefühl, in jeder Debatte in der ich mit den beiden war, haben sie das sehr gut gemacht. Auch als Zuhörerin konnte ich ihrer Argumentation immer leicht folgen.

Auf der DDM lief es für deine Teampartnerin und dich ja ziemlich gut. Ihr seid in die Ausscheidungsrunden gekommen und dort bis ins Lower-Bracket Halbfinale. Wie war das für euch?

Wir haben überhaupt gar nicht damit gerechnet. Ich hatte Zoé dazu motiviert mitzumachen, weil ich Lust zu reden hatte. Wir beide waren im Vorstand und es gab noch einen freien Teamslot. Da haben wir einfach mitgemacht, um mal zu schauen, wie es sich entwickelt. In der Vorrunde 5 waren wir dann auf einmal im Topraum und dachten uns: „Was ist hier denn los, wie haben wir das denn geschafft?“ Am Ende sind wir gebreakt und haben uns wieder gefragt, wie wir das geschafft haben. Und auch in den Finalrunden ging es dann so weiter. Das war dann auch so ein bisschen Selbstbestätigung und hat einen totalen Push gegeben. Vor allem, da es das erste Turnier war, auf dem wir zusammen geredet haben. Dann gleich so weit zu kommen macht viel Spaß.

Je erfolgreicher man ist, umso mehr fällt es natürlich auch anderen Leuten auf, beispielsweise den anwesenden DDG‘lern. Ihr wart beide für den Nachwuchspreis zulässig. Habt ihr darüber gesprochen?

Für uns war das erst am Samstagabend im Hotelzimmer ein Thema. Vor der Gala haben wir uns gedacht, die DDG hatte die ganze Zeit dieses Konklave, könnten wir da dabei sein? Das wäre ja auch cool für den Freiburger Debattierclub. Es kam also erst kurz davor auf.

Du hast vorhin erwähnt, dass du bereits an einem internationalen Turnier teilgenommen hast. Wie war es?

Das Turnier war im Frühjahr, ich glaube es war Anfang Februar, in Leiden. Ich fand es total interessant und auf gewisse Art sehr witzig. Es gibt ja ein paar Klischees über internationales Debattieren, also wie die Leute die Themen präsentieren oder Cases bauen. Es gab auf dem Turnier einen Ironman-Redner, der einen Case gemacht hat, dass alle Leute eigentlich glücklicher als Jäger und Sammler wären. Ich weiß nicht mehr den genauen Kontext, aber ich fand es sehr lustig, dass jemand so etwas, was ein wenig „over the top“ ist, tatsächlich auf einem Turnier bringt. Insgesamt hat es sehr viel Spaß gemacht. Leiden ist übrigens auch eine schöne Stadt.

Wäre internationales Debattieren auch zukünftig etwas, woran du Interesse hast?

Ich schließe es für mich nicht aus, auch mal zu einer EUDC oder so etwas zu gehen. Einfach um das mal mitzunehmen und auch andere Debattierszenen kennenzulernen. Ich glaube, es gibt durchaus Unterschiede zwischen beispielsweise der deutschen und britischen Szene und da kann man in Sachen Strategien und Herangehensweisen usw. viel mitnehmen. Aber gleichzeitig fühle ich mich in der deutschen Szene sehr aufgehoben und wohl. Da würde ich erstmal in der nächsten Zeit meinen Fokus sehen.

Du bist bereits Präsidentin in Freiburg, hast also bereits Verantwortung übernommen. Wie geht es jetzt für dich weiter, welche Pläne hast du?

Mein konkretes Ziel ist erstmal, diese Präsidentschaft so zu gestalten, dass es unseren Club auch im nächsten Jahr gibt. Gerade für kleinere Clubs wie uns ist es sehr wichtig, kontinuierlich Debatten zu halten und neue Leute anzuwerben. Das möchte ich mit meinem Vorstand aufrecht erhalten, weil mir der Club ans Herz gewachsen ist. Persönlich möchte ich die Zeit nutzen um auf Turniere fahren und mich selbst verbessern. Mit der SDM 2021, die wir hoffentlich in Präsenz ausrichten werden können, wird es auch eine organisatorische Herausforderung geben, da ich so etwas bisher noch nicht gemacht habe, in dem Ausmaß ein Turnier zu organisieren.

Das DDM-Team „Freiburg – ab in den Süden“ – © Marion Seiche

Der Freiburger Debattierclub ist recht klein und hat durch seine geographische Lage nicht wirklich die Möglichkeit, zu vielen Turnieren zu fahren. Trotzdem sind Freiburger Debattierende recht erfolgreich, beispielsweise wurde letztes Jahr eine Campus-Debatte gewonnen und auch bei der Süddeutschen Meisterschaft steht ihr regelmäßig im Finale. Was ist das Erfolgsgeheimnis eures Clubs?

Bei uns ist es sehr stark die persönliche Ebene. Wir haben immer wieder Individuen, die extrem motiviert sind und bereit sind, in den Club und das Debattieren viel persönlich zu investieren. Ich glaube, das zieht auch andere Leute mit. Mich haben zum Beispiel Karsten und Björn total oft motiviert, auf ein Turnier zu fahren. Dieses gegenseitige Finden und Pushen von motivierten Leuten ist bei uns sehr stark. In unseren Clubdebatten gibt es auch einige erfahrene Leute, die schon länger dabei sind. Vielleicht nicht so viele wie bei anderen Clubs, aber wir haben sehr loyale Mitglieder, die schon seit Jahren immer bereit sind, auch bei vielen Neuen noch zur Dienstagsdebatte zu kommen und diese für die Neulinge gut zu gestalten.

Du hast sowohl in BPS als auch in OPD bereits Erfolge feiern können. Welches Format gefällt dir denn besser?

Das ist bei uns im Club ein sehr lustiges Thema. Ich bin nämlich voller Überzeugung in die BPS-Saison gestartet, dass ich das jetzt zwar notwendigerweise mitmache, eigentlich aber nur auf die nächste OPD Saison warte, weil ich eigentlich überhaupt keine Lust auf BPS habe. Nach dieser Saison musste ich aber zu allen Leuten sagen, dass ich BPS jetzt gar nicht mehr so schlecht finde. Ich habe mich etwas mehr damit auseinandergesetzt und mittlerweile fällt es mir schwer, ein Urteil zu fällen. Ich sehe in beiden Formaten Stärken. Ich freue mich jetzt aber auch auf die OPD Saison.

Es gibt noch ein drittes Format, das Masters Format, dass NachwuchspreisträgerInnen auf dem DDG-Masters Cup kennenlernen können. Der nächste wird zwar erst im nächsten Jahr stattfinden, aber planst du, dort hinzufahren?

Auf jeden Fall. Ich habe schon ein bisschen rumgefragt, wie es dort so ist und nur positive Dinge gehört, insbesondere über die angenehme Stimmung. Ich freue mich sehr darauf.

Hast du denn zum Abschluss noch ein paar Tipps für Leute, die gerade erst anfangen?

Direkt zu Onlinedebatten: Ich weiß, dass es erstmal sehr abschreckend wirkt, sich allein vor seinen Laptop zu setzen und in eine Kamera hineinzureden. Das ist sicherlich eine größere Hürde als bei einem normalen Clubabend, bei dem man andere Neulinge selbst viel einfacher erkennen kann. Aber ich habe für mich selbst gemerkt, dass es mir immer noch sehr viel bringt; dass die Fähigkeiten die das Debattieren vermittelt, auch online trainiert werden: Wie ich Argumente mache, eine Argumentation aufbaue, wie ich spreche, Pausen mache, betone oder auch Pathos reinbringe. Es geht nicht darum, dass ich am Ende der Beste bin oder den besten Case habe, sondern darum Spaß zu haben und etwas auszuprobieren. Das ist etwas, was ich allen Leuten beim Debattieren empfehle.  Ansonsten schaut euch um, wer in eurem Club erfahren ist und fragt diese Leute auch mal, ob sie mit euch auf ein Pro-Am-Turnier fahren. Da kann auch ein Tag vor dem Laptop ganz spannend und lehrreich sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

jm.

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