Wie der Debattiererfolg an den Hansenberg kommt – ein Porträt

Datum: 28. September 2022
Redakteur:
Kategorie: DDG, Menschen, Mittwochs-Feature

Jola Schmidt ist die Nachwuchspreisträgerin der Deutschen Debattiergesellschaft e.V. des Jahres 2022. Als Hansenbergerin hat sie bereits zu Schulzeiten mit dem studentischen Debattieren begonnen. Wir haben Sie interviewt und zeigen im Porträt Einblicke in das Internatsleben, während Jola erklärt, was ihren Club so besonders macht.

Wir kennen und lieben ihn alle: Den Moment in dem wir realisieren, dass der Debattierclub zu den besten Freunden, zur Familie wird oder schon geworden ist. Die ganze Woche fiebern wir unseren Debattenabenden entgegen. Wochenenden verbringen wir gemeinsam auf Turnieren. Wir genießen zusammen unvergessliche Fahrten durch VDCH-Land. Vielleicht haben wir sogar den einen oder anderen fantastischen Urlaub außerhalb des Debattierens miteinander verbracht. Wie muss es erst sein, mit diesen Menschen auch im Alltag zusammen zu lernen, zu wohnen und zu leben? Nicht nur in einer Stadt auf dem gleichen Campus, sondern in einer WG mit Mitbewohner:innen die täglich den gleichen Dingen nachgehen? Von dieser Art Club gibt es im VDCH-Land genau einen: den Debattierclub Hansenberg.

Jola Schmidt mit dem Nachwuchspreis – Foto: Michael Ruppert

Jola Schmidt kam vor vier Jahren an den Berg, wie sie ihr Internat nennt, und erlebte seine Gründung hautnah mit – den Weg von der Arbeitsgemeinschaft zu einem, auf studentischen Turnieren erfolgreichen, Club. „Daniil haben wir viel zu verdanken! Von ihm kam die Initiative, einen richtigen Verein zu gründen und auf Turniere zu fahren“, erzählt Jola begeistert. Die Rede ist von Daniil Pakhomenko, der selbst ab 2006 eine erfolgreiche Debattierkarriere in Mainz absolvierte, bevor er als Lehrer an die hessische Internatsschule Schloss Hansenberg kam.

Noch ehe Jolas Weg sie an das Internat führte, war sie bereits am Debattiersport interessiert und nahm in ihrer ehemaligen Schule am „Jugend debattiert“-Wettbewerb teil. Die Vertrautheit mit der argumentativen Auseinandersetzung zwischen Teams erlernte sie bereits ab der achten Klasse. Sie brachte eine solide Basis mit in den Club am Hansenberg, in dem sie Anfang 2019 auch in Hochschulformaten zu debattieren begann.

Aktuell kommen die Debatteninteressierten einmal wöchentlich zusammen, um vor der Debatte ein Training oder einen theoretischen Input zu veranstalten. Ein zweites Mal in der Woche wenden sie sich ausschließlich dem Zielformat zu. „Auch bei uns ist der Debattierclub ein freies Angebot, bei dem sich niemand gezwungen fühlen soll, teilzunehmen“. Trotzdem ist eine gewisse Planungssicherheit auch für den schulischen Debattierclub wichtig. Auf dem OPD-BP-Spektrum ordnet Jola ihren Club mittig ein. Es gäbe die einen und die anderen Befürwortenden, überlegt sie schmunzelnd. Inzwischen sind Turniere nicht mehr aus dem Debattieralltag der Hansenberger und Hansenbergerinnen wegzudenken. Die Schule errang sich Erfolge wie die beste Finalrede auf der diesjährigen Westdeutschen Meisterschaften. „Auf den Wettkämpfen fühlen wir uns, obwohl wir ja doch jünger als die meisten anderen sind, sehr wohl. Die Beziehung ist vollkommen auf Augenhöhe“, sagt Jola. Obwohl sich die Lebensrealität am Berg von der studentischen unterscheidet, ist dieser Austausch besonders in den Socialteilen auf Turnieren beiderseits gewinnbringend. Zwar findet Jola, dass der Ausschluss für die unter 18-Jährigen nach 24.00 Uhr nervig ist, da auch die Party zu einer vollständigen Turniererfahrung dazugehöre, aber die Vorschrift sei nachvollziehbar.

Das Debattieren habe in den letzten Jahren immer stärker gut investierte Freizeit beansprucht, berichtet Jola. Besonders am Club zu schätzen gelernt habe sie das gute Miteinander und den engen Zusammenhalt. Aber auch die gesamte Schule sei in dieser Hinsicht herausragend. Die geringe Anzahl an Schülerinnen und Schülern im Internat hat zur Folge, dass sich alle gut kennen. Jola betont am Hansenberger Schulalltag: „Das Zusammenleben und das Teilen vieler Interessen bringt eine super Gemeinschaft mit sich. Man knüpft dadurch viel schneller viel engere und intensivere Freundschaften.“ Sie gesteht ein, dass es zwar ein gewisses „Bubbledasein“ mit sich bringe, aber vor allem einfach schön sei, den Alltag mit Gleichgesinnten und Ähnlichtickenden zu teilen.

Inzwischen hat Jola den Hansenberg, wenn auch nicht den Debattierclub, verlassen, und hält dadurch eine enge Verbindung zu den aktuellen Schülerinnen und Schülern. „Durch das Debattieren habe ich die Möglichkeit, weiterhin für Hansenberg aktiv zu sein und eine neue Generation heranzuziehen“. Nach ihrem Abi verabschiedete sich Jola nach Benin, von wo aus sie regelmäßig Workshops für die Debattierenden ihres Clubs gab. Seit ihrer Rückkehr redet Jola mit den noch unerfahreneren Hansenbergern und Hansenbergerinnen auf Turnieren.

In diesem Jahr wurde die Noch-Hansenbergerin von außerhalb, zumindest für ein Turnier, abgeworben. Jola lacht, als sie davon spricht, dass Johannes Meiborg sie angeschrieben habe, um zusammen auf der Campus-Debatte Nürnberg zu reden. „Leute haben in den vergangenen Jahren in sehr hohen Tönen von Jola geschwärmt. Da wollte ich mal schauen, was da so dran ist“, lacht Johannes. Seine Erwartungen wurden mehr als erfüllt: „Sie hat uns in mehr als einer Runde den Sieg gebracht, mit einer Ausarbeitung, an die ich so konkret gar nicht gedacht hätte“, sagt das Urgestein.

Die systematische Denk- und analytische Herangehensweise an Themen, wie sie sie zum Beispiel kürzlich bei der Campus-Debatte Nürnberg benötigte, hilft Jola im Alltag. „Natürlich bin ich auch, wie wahrscheinlich die meisten Debattierenden, sicherer im Reden vor vielen Menschen geworden, aber auch politischen Fragen trete ich inzwischen anders gegenüber“, stellt sie fest. Weiterreichende Entscheidungen hingegen fällt sie ohne den direkten Einfluss vom Debattieren. „Das Informatikstudium ist schon lange mein Plan“, daran habe auch beispielsweise der für viele Debattierende verlockende Studiengang „Rhetorik“ nichts geändert.

Mit Jolas Studienantritt in einer anderen Stadt äußert sich ein strukturelles Problem des Clubs. Schülerinnen und Schüler sind maximal drei Jahre am Berg und verlassen im Anschluss den Ort, um fürs Studium in eine andere Stadt zu ziehen. In studentischen Clubs ist es einfach, jüngere Generationen von Debattierenden anzuleiten, wenn die Älteren und erfolgreichen Alumni ihren Clubs etwas zurückgeben. So weit kommt es am Hansenberg in den meisten Fällen gar nicht erst. „Daniil konnte dieses Problem über die letzten Jahre kompensieren, aber nun verlässt er das Internat und es beginnt ein neuer Abschnitt“. Zuversichtlich bleibt Jola dennoch: „Der Vorstand wurde in seine Aufgaben eingeführt und hat Stück für Stück viele Aufgaben übernommen“. Für die Turnierteilnahmen sind die Prognose für die Debattierenden am Berg positiv. Für die ganz großen Erfolge in ihrem „Geburtsclub“ stehen die Chancen wegen des kurzen Zeitraums des Debattierens am Hansenberg eher weniger gut. Den Vorsprung, den die Hansenberger:innen an die Uni mitbringen, müssen später mit dem Debattieren Beginnende aber erst einmal aufholen.

Die fantastische Gemeinschaft, die „Normaldebattierende“ aus ihren Herzensclubs kennen und an ihnen schätzen, verfolgt die Hansenberger Schülerinnen und Schüler auf Schritt und Tritt und zieht sich durch den gesamten Alltag. „Obwohl es auch mal nerven kann, zu acht ohne Spülmaschine zusammenzuleben“, relativiert Jola mit einem Lächeln in der Stimme. Eine Herausforderung, die dem einen oder der anderen auch aus dem Unileben bekannt vorkommen mag.

Ein wenig wirkt das Internat wie eine äußerst kleine Universität, mit der Einschränkung, dass die Redenden jünger sind und nur eine beschränkte Zeit in dem dortigen Debattierclub bleiben können. Wer weiß, welche Debattierenden in Zukunft, wie Daniil, im Lehramtsberuf ihre Erfüllung finden und sich noch nicht von der Szene verabschieden wollen? Vielleicht wird das junge Alter bald gar nichts Besonderes mehr auf Turnieren sein.

Und spätestens seitdem Jola den Nachwuchspreis gewonnen hat, wartet ganz VDCH-Land gespannt auf ein Turnier am Berg und die Möglichkeit, sich diesen spannenden Club einmal aus der Nähe anzuschauen!

Jola Schmidt debattiert seit der achten Klasse und hat seit ihrem Wechsel auf die Internatsschule Schloss Hansenberg Kontakt mit dem studentischen Debattieren gehabt. Auf der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2022 wurde sie mit dem Nachwuchspreis der Deutschen Debattiergesellschaft e.V. ausgezeichnet. Mittlerweile hat sie ihr Abitur in der Tasche und befindet sich auf dem Weg ins Studium.

Das Mittwochs-Feature: Mittwochs veröffentlicht die Achte Minute ab 10.00 Uhr oftmals ein Mittwochs-Feature, worin eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt gestellt wird. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

hb./lok.

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