OPD-Regelwerk Version 14.1 veröffentlicht

Datum: 21. Juli 2023
Redakteur:
Kategorie: Jurieren

Zum Abschluss ihres Amtsjahres hat die OPD-Regelkommission noch ein Update der Version 14, nämlich Version 14.1 verabschiedet. Die wesentlichen Änderungen stellt die Kommission aus Robert Wiebalck, Chiara Throner, Sven Bake, Sven Jentzsch und Lennart Lokstein nachfolgend vor. Da der Tübinger Debattierclub Streitkultur e.V., der die Rechte am OPD-Format hält, kurz nach der Verabschiedung von V14.1 seine jährliche Mitgliederversammlung abgehalten hat (Bericht folgt), ist mittlerweile eine neue Regelkommission im Amt.

Vorwort für OPD V14.1:

Zum Abschluss unseres Geschäftsjahres gibt es noch ein kleines Update zum Update. Darin finden Dinge Platz, über die wir vor der DDM nicht ausreichend sprechen konnten oder die sich erst im Zuge bzw. nach der DDM ergeben haben.

Die Neuerungen umfassen vor allem vier Aspekte: den Zeitabzug bei Zwischenreden (!), das englische Regelwerk, Verfeinerungen der Regeln in V14 und allgemeine Verfeinerungen im Regelwerk.

Da OPD-V14 technikbedingt nie seinen Weg auf die Achte Minute gefunden hatte (sondern nur in den VDCH-Mailverteiler), sind deren Änderungen ebenfalls hier abgebildet. Komplette Neuerungen aus V14.1 sind mit ** markiert, teilweise Neuerungen mit *.

 

(1) REGELÄNDERUNGEN UND -KLARSTELLUNGEN

**Zeitabzug für Zwischenreden

– Neuerung: Für Zwischenreden gelten nun eindeutig die Zeitabzugsregeln.

– Regeländerung (kursiv markiert): “Zwischenreden sind auf eine Minute begrenzt und werden vom Platz aus gehalten. Zu Zwischenreden sind Zwischenfragen und Zwischenrufe unzulässig. Es gelten dieselben Regeln zur Zeitnahme bezüglich Hammerschlägen, Pufferzeit und Glockenschlag.” (A.4.2.b); “Abzug i – „Zeitvorgabe verfehlt“: Kleiner Abzug: Nach Glockenschlag ein Wort gegen die Glocke. Großer Abzug: 7:30’ (Fraktionsrede), 4:00’ (Fraktionsfreie Rede) bzw. 1:30’ (Zwischenrede) überschritten. Dieser Abzug verhindert, dass einzelne Redende oder ein Team sich unfair Redezeit erschleichen und gewährt einen reibungslosen Ablauf im Zeitplan von Wettbewerben.” (B.1.5.d); “Abzüge werden üblicherweise auf Verstöße am Pult vergeben und von den Einzelredepunkten abgezogen. „An die Bank“ können Abzüge erteilt werden, wenn Redende maßgeblich ihr Recht auf Zwischenrufe, angenommene Zwischenfragen oder Zwischenreden dazu missbrauchen, Verstöße der oben geschilderten Natur zu begehen. Unabhängig von einer möglichen Bewertung als Schlechtleistung in der jeweiligen Teamkategorie, die die Qualität der erbrachten Leistung bewertet, wird ein solcher Abzug, der einen Regelverstoß ahndet, stets auf die Einzelredepunkte der Verursachenden angewendet.” (B.1.5.g)

– Begründung: Streng genommen handelt es sich hierbei eher um eine Klarstellung, wie auch an den wenigen kursiven Änderungen zu sehen: Schon das alte Regelwerk gab wenig Handhabe, den kleinen Zeitabzug nicht auch für Zwischenreden anzuwenden. Nach längerer Diskussion haben wir uns entschlossen, dies nun auch in aller Klarheit festzulegen und einzuführen. Wir beobachten ebenfalls in Zwischenreden einen Trend, über die Redezeit hinweg zu reden und sich so einen Vorteil zu verschaffen. Zehn Sekunden erschlichene Redezeit in einer Zwischenrede wiegen aber als unfairer Vorteil genauso schwer wie in einer Fraktionsrede. Wir wissen zwar, dass die “neue” Regel die Gefahr birgt, dass nun mehr Zeitabzüge vergeben werden. Mittelfristig sollte aber eine neue Kultur entstehen, 7:00, 3:30 bzw. 1:00 als feste Redegrenzen anzusehen und die 15 Sekunden nur als Notfallpuffer anzuwenden.

 

**Verwendung digitaler Hilfsmittel

– Neuerung: Die Verwendung von Handys, Laptops etc. für die Zeitnahme und das Anfertigen von Notizen innerhalb der Debatte wird auf Turnieren explizit gestattet.

– Regeländerung: “Den Redner*innen ist die digitale Recherche verboten. Die Wettbewerbsleitung kann hierbei Ausnahmen treffen. Wird eine ausdrückliche Regelung getroffen, so muss diese allen Wettbewerbsteilnehmenden frühzeitig genug bekannt sein, um mit entsprechendem Material anreisen zu können. Die Verwendung digitaler Hilfsmittel (Handy, Laptop etc.) ist während Vorbereitungszeit und Debatte erlaubt, solange sie ausschließlich für Zeitnahme, das Anlegen von Notizen und ggf. Wörterbücher für Nicht-Muttersprachler*innen verwendet werden.” (C.1.2.f)

– Begründung: Auf vielen Turnieren in der Vergangenheit stellte sich die Frage, ob Teams beispielsweise mit Laptops arbeiten dürfen. Einerseits gab es kein eindeutiges Verbot, andererseits wurde das Verbot digitaler Recherche bisweilen so ausgelegt, Teams digitale Hilfsmittel ganz zu verbieten, da man nicht weiß, was sie auf ihrem Bildschirm machen. Wir sind aber der Meinung, dass ein gewisses Grundvertrauen gelten muss und Notiz- und Zeitnahme auf einem Gerät unproblematisch sind.

 

*Iron(wo)man in Vorrunden möglich:

– Neuerung: Es wird für Vorrunden die Option eingeführt, bei Ausfällen innerhalb des Teams anstatt mit Springern auch mit mehrfachen Reden (bekannt als “Ironman-Reden”) der übrigen Teammitglieder (bei Fraktionsreden) oder mehrfach angerechneten Reden (bei Fraktionsfreien Reden) zu agieren und dabei sogar ins Ausnahmefällen die Breakberechtigung zu behalten.

– Regeländerung: “Für den Wettbewerbssieg sind generell nur Teams qualifiziert, deren Mitglieder im Verlaufe der Wettbewerbsrunden nicht gewechselt haben und in den Ausscheidungsrunden mit allen drei Mitgliedern an der Debatte teilgenommen haben. Ursprüngliche Teammitglieder können jedoch auch als Einzelredner*innen Preise erhalten, solange alle eingewechselten Teammitglieder den Wettbewerbskriterien entsprachen. // Fehlt ein komplettes Team in einer Vorrunde, bleibt es gemäß den Wertungsregeln ohne Punkte in der jeweiligen Debatte. Es ist nach Möglichkeit von der Wettbewerbsleitung durch Ersatzredner*innen zu ersetzen; das Stattfinden der Debatten in allen Räumen hat Priorität. // Ist ein Team bei Fraktionsreden in den Vorrunden teilweise unvollständig, gibt es zwei Optionen: Entweder werden die fehlenden Redner*innen von der Wettbewerbsleitung durch Ersatzpersonen ersetzt oder ein übriges Teammitglied hält mehrere Teamreden. Nur im letzteren Fall behält das Team seine Berechtigung für Ausscheidungsrunden und den Wettbewerbssieg, wenn es zudem infolge der Natur des Themas oder eines in der betroffenen Person liegenden Grundes für die Wettbewerbsleitung plausibel erscheint, dass es der betroffenen Person nicht zugemutet werden konnte, an der Debatte teilzunehmen. In Zweifelsfällen ist die betroffene Person anzuhören, sofern sie sich auf diese Regelung beruft. In beiden Ersetzungsfällen werden die Einzelpunkte der ersetzten Rede dem Team in den Gesamtpunkten zugerechnet, aber nicht der ausgefallenen Person in den Einzelredepunkten. // Ist ein Team bei Fraktionsfreien Reden in den Vorrunden teilweise unvollständig, wird die ausgefallene Rede ersatzlos gestrichen und dem Team die Punktzahl der punktniedrigsten vom Team in dieser Runde gehaltenen Reden entsprechend mehrfach angerechnet. Ansonsten gelten für die Anrechnung der Punkte in Gesamt- und Einzelpunkten sowie für die Qualifikation für Ausscheidungsrunden und Wettbewerbssieg dieselben Regeln.// Ist ein Team in Ausscheidungsrunden teilweise oder gänzlich unvollständig, wird das nächststärkste Team nachqualifiziert und die Setzung entsprechend angepasst.” (C.3.1.a-e)

– Begründung: In jüngerer Zeit wurde vermehrt thematisiert, wie mit Ausfällen innerhalb von Teams umgegangen werden soll. Das alte Regelwerk sah nur Springer-, aber keine Ironman-Regelungen vor. In unseren Augen stellt es sich so dar: Es gibt offensichtlich nachvollziehbare Ausfälle und weniger nachvollziehbare. Wir möchten eine Tür öffnen, dass man in dem Fall, dass man ein Thema z.B. wegen eines bestehenden Traumas nicht reden kann, in den Vorrunden nicht automatisch die Breakberechtigung verliert. Das soll auch dazu dienen, dass sich Chefjurys weiterhin trauen, auch kontroverse, ernste Themen zu stellen. Deswegen behält man die Breakberechtigung als Team künftig, wenn aus nachvollziehbaren Gründen zum Ironman gegriffen wird. Bei Freien Reden werden übrige Reden mehrfach angerechnet, weil sich eine Person nicht auf mehrere Räume aufteilen und die Verzerrungseffekte durch vier oder fünf Freie Reden in einem Raum zu groß wären. Welche “sportliche Leitung” unter welcher “Anhörung” die Nicht-Zumutbarkeit genau prüft, ist bewusst abstrakt gehalten, damit Turnierorgas, Chefjurys und Equity Auslegungsspielraum haben, wie sie eine Prüfung durchführen, die gleichzeitig die Intimsphäre der Betroffenen wahrt. Die gleiche Kulanz gilt nicht bei Springern, weil dort die Leistung nicht mehr vollständig “aus dem Team selbst” kommt, sondern von außen, was die Wettbewerbsfairness untergräbt. Sie gilt ferner nicht in KO-Runden, weil im Debattieren als Teamsport die Leistung stets von einem Gesamtteam kommen soll und hier die Teamleistung in einer einzelnen Runde sehr entscheidend ist.

 

„Neuer kleiner Break“ und konsequentes Losen statt Faltungen:

– Neuerung: Der “neue kleine Break” (siehe Artikel) wird eingeführt. Als Setzungsmethode für Turniere mit vier, fünf oder sieben Vorrunden wird konsequentes Losen eingeführt.

– Regeländerung (siehe kursiv gedruckte Sätze): “Eine Zusatzrunde: Wird nach einer durch drei teilbaren Anzahl von allgemeinen Debattenrunden noch eine weitere angehängt, gelten für die Setzung folgende Besonderheiten: Das bis dahin punkteniedrigste Drittel der Teams hält die Fraktionsfreien Reden; die oberen beiden Drittel treffen (nach wie vor gelost) aufeinander. // Zwei Zusatzrunden: Für eine potenzielle zweite zusätzliche Runde gilt: Wenn die Anzahl der teilnehmenden Teams nicht mindestens sechsmal so groß ist wie die Anzahl von Teams in etwaigen Ausscheidungsrunden, gilt dasselbe Verfahren wie bei einer Zusatzrunde. Ist diese Bedingung hingegen erfüllt, gelten für die Setzung folgende Besonderheiten: Das bis dahin an Gesamtpunkten mittlere Drittel der Teams hält Fraktionsfreie Reden; das obere Drittel und das untere Drittel werden jeweils innerhalb ihres Drittels gegeneinander gelost. Ist die Zahl von Teams innerhalb eines Drittels nicht gerade, redet das punktniedrigste Team des oberen Drittels gegen das punkthöchste des unteren Drittels.” (C.2.1.c-d)

– Begründung: Hierbei handelt es sich um zwei Änderungen: (1) Erstens wird der “Neue Kleine Break” eingeführt, den Tim Reitze in einem Mittwochsfeature vorgeschlagen hatte. Die Vorteile dieses neuen Konzepts sind dort detailliert aufgelistet; wir finden Tims Position plausibel und glauben, dass sich die neue Regelung auf den Testturnieren der letzten Monate bewährt hat. (2) Zweitens stellte sich so jedoch die Frage, wie eine sinnvolle, faire Paarung (Faltung) der Teams unter diesen neuen oder auch den alten Umständen aussieht. Unsere Argumentation lautet: Im Optimalfall treffen die Teams aus Fairnessgründen im Laufe der Vorrunden insgesamt auf gleich starke Gegner wie die anderen Teams. Das Losen (wie es bereits in den Vorrunden praktiziert wird) sorgt dafür, dass alle Teams einen sehr ähnlichen Erwartungswert für starke Gegner haben. Nun kann man einwenden, dass es bei 3-7VR rein statistisch zu Ungleichheiten (ein Team trifft andauernd auf starke, eines andauernd auf schwache Gegner) kommt. Das spricht in unseren Augen ebenfalls gegen eine wie auch immer geartete Faltung (z.B. Erster gegen Zweiter oder Erster gegen Letzter im oberen Drittel) in VR4 oder VR5, weil diese auch nur im Zweifel das Losglück oder -pech nach drei Vorrunden zementieren würde. Je mehr Runden gelost wird, desto wahrscheinlicher gleichen sich Losglück und -pech an. Ferner wurde eingewendet (und es soll entsprechende Fälle auf den vergangenen Turnieren gegeben haben), dass Teams aus dem unteren Drittel in VR5 wissen, dass sie ausgeschieden sind, und dann vielleicht mit leicht höherer Wahrscheinlichkeit trollen, was wiederum einem Gegnerteam auf Breakkurs schaden könnte. Wir haben uns daher entschieden, in einer zweiten Zusatzrunde oberes und unteres Drittel als voneinander unabhängige Lostöpfe zu behandeln, soweit möglich. Die Regel ist also aus der Priorisierung einer möglichst hohen, gelosten Rundenzahl (maximale Fairness gegen zufällige Ausreißer in irgendeiner der Runden) bei Berücksichtigung des Spezialfalls, dass in einer zweiten zusätzlichen Vorrunde bekannt ist, wer im unteren Drittel steht und somit Trollpotenzial besteht, geboren. Diesem Gedanken folgt auch die Sonderregel bei ungeraden Teamanzahlen innerhalb der Drittel.

 

Präsident*innen und Jurys – Neutralität und Jurierdiskussionen

– Neuerung: Es wird klargestellt, dass Präsident*innen keine Clashes zu den Redner*innen aufweisen dürfen (genauso wie die Jury) und sich zudem in Jurierdiskussionen nur zu ihrem Aufgabenbereich äußern sollen.

– Regeländerung: “Die Jurierdiskussion wird von dem bzw. der Hauptjuror*in geleitet. In der Jurierdiskussion kommen alle Jurierenden zu Wort, aber nicht notwendigerweise im gleichen Umfang. Präsident*innen dürfen sich nur insoweit beteiligen, wie sie zu konkreten, ihrem Zuständigkeitsbereich unterfallenden Punkten (beispielsweise der Zahl der Zwischenrufe) gefragt werden.” (B.2.2.d). “Die Jury in jedem Raum [auf Wettbewerben] besteht aus mindestens einer Person, empfohlen sind jedoch mindestens drei. Um eine neutrale Bewertung in der Sache und dem Anschein nach zu gewährleisten, dürfen Jurierende und Präsident*in in keinem engen persönlichen Verhältnis (z.B. durch partnerschaftliche Beziehung oder Aktivität im selben Debattierverein) zu den Teilnehmenden im Debattenraum stehen – außer, andere geeignete Juror*innen und Präsident*innen stehen nicht zur Verfügung.” (C.1.2.a)

– Begründung: Auf vergangenen Turnieren kamen Unklarheiten auf, ob man Jurierende mit Interessenkonflikten in Ausscheidungsrunden nicht einfach als Präsident*innen setzen kann und wie sich solche (bzw. auch ganz allgemein) Präsident*innen in Jurierdiskussionen verhalten sollen. Das Regelwerk legt nun (1) erstens fest, dass Interessenkonflikte sowohl bei Juror*innen als auch bei Präsident*innen vermieden werden sollen. Die Voreingenommenheit von Präsident*innen könnte sie bei ihren Aufgaben (Debattenführung, Regelüberwachung, Interaktionsstatistik und Debattenentscheid bei Punktegleichheit) verzerren. Gleichzeitig liegt der Präsident*innenentscheid bei Punktegleichheit bewusst nicht bei Hauptjuror*innen, weil man in diesem Fall eine unvoreingenommene, neue, nicht-mitjurierende Person einbeziehen möchte. Zuletzt glauben wir, dass der Jurierpool in Ausscheidungsrunden groß genug ist, um auch ungeclashte Präsident*innen zu setzen. Zweitens (2) wird festgelegt, dass sich Präsident*innen in Jurierdiskussionen nur zu ihrem Aufgabenbereich äußern sollen. Schließlich erfolgt die Bewertung in der OPD im Grundsatz durch das Mitteln der jeweils vergebenen Punkte, die Jurierdiskussion hat im Wesentlichen nur die Aufgabe, Fehleichungen aufzuzeigen. Da Präsident*innen keine Punkte vergeben, sollten sie sich hieran nicht beteiligen. Gleichzeitig müssen sich Präsident*innen insofern an der Jurierdiskussion beteiligen können, wie ihre Zuständigkeit direkt betroffen ist (beispielsweise Anzahl und Inhalt der Zwischenfragen).

 

Freiwilliges Ausscheiden aus der Jurierung:

– Neuerung: Es wird nun explizit die Möglichkeit aufgenommen, dass Nebenjurierende freiwillig während der Debatte aus der Bewertung ausscheiden.

– Regeländerung: “In extremen Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, dass sich Nebenjuror*innen selbst freiwillig aus der Bewertung herausnehmen. Dies ist dem bzw. der Hauptjuror*in unverzüglich mitzuteilen.” (B.2.2.e)

– Begründung: Es kommt bisweilen vor, dass sehr unerfahrene Jurierende extrem ungeeicht sind oder ganze Kategorien vergessen zu bewerten – und  sich die Frage stellt, wie damit umzugehen ist. Wir möchten Hauptjuror*innen nicht die Macht geben, Nebenjuror*innen eigenständig aus der Jurierung zu entfernen, weil das Missbrauchspotenzial zu hoch ist und Nebenjuror*innen dann den Mut verlieren könnten, Hauptjuror*innen (auch aus guten Gründen) zu widersprechen. Wir möchten aber explizit die Tür öffnen, dass Nebenjuror*innen freiwillig die Bewertung verlassen (wie jetzt schon häufig gängige informelle Praxis).

 

Vorurteile, oder: Was (nicht) einfließen soll

– Neuerung: Es wird klargestellt, dass vorurteilsfrei juriert werden soll, äußere Merkmale von Redner*innen aber gleichwohl die rhetorische Wirkung beeinflussen.

– Regeländerung: “Die Offene Parlamentarische Debatte als sportliches Debattierformat bewertet keine Handlungen, sondern Wirkungen. Sie folgt in allen Aspekten dem Primat des Überzeugenden. Gut ist, was hilft, ein interessiertes, allgemeingebildetes Publikum zu überzeugen, schlecht ist, was daran hindert. Es ist davon auszugehen, dass ein solches Publikum keine Vorurteile gegenüber Redner*innen aufweist. Äußere Merkmale wie z.B. Körpergröße und Stimme können allerdings durchaus dazu beitragen, dass Handlungen oder Argumentationslinien durch verschiedene Redner*innen von einem Publikum anders wahrgenommen werden, d.h. eine unterschiedliche Wirkung erzeugen.” (B.1.1.c)

– Begründung: Diese “Änderung” ist mehr eine Konkretisierung des Status quo: Auf der einen Seite versteht es sich von selbst, dass Jurierende nicht vergangene Leistungen von Redner*innen in die konkrete Redebewertung einfließen lassen (sogenannter Halo-Effekt) oder man genauso wenig pauschal Frauen weniger Sachverstand in Sport- oder Männern in Sozialthemen zugestehen sollte. Auf der anderen Seite möchte OPD die rhetorische Realität anerkennen, dass eine Rede und ihre Überzeugungskraft durch die redende Person beeinflusst wird – eine Person mit Migrationshintergrund kann vielleicht  authentischer von eigenen Diskriminierungserfahrungen erzählen; eine große Person wirkt vielleicht eher bedrohlicher als eine kleine Person, wenn sie sich in ihrer Rede unmittelbar vor der Jury aufbaut. Wir hoffen, dass bereits aktuell derart differenziert wird, aber die neue Formulierung soll dies auch expliziter darstellen. Gleichwohl sind wir uns bewusst, dass immer eine Grauzone verbleiben wird, die sich schwer in einer knappen Regel klären lässt.

 

„Sehr gut“ neu definiert:

– Neuerung: “Sehr gut” wird nicht mehr mit “keine Schwächen”, sondern mit “kaum Schwächen erkennbar” definiert.

– Regeländerung: “Zur Orientierung kann die Punkteskala der deutschen gymnasialen Oberstufe dienen (strenge Benotung vorausgesetzt); der Bereich von 15-20 Punkten dient dann vor allem zur Profilierung der Spitzenleistungen auf Turnieren. Richtgrößen während entsprechend: […] 14 Punkte = sehr gute Leistung (kaum Schwächen); >15 Punkte = Spitzenleistung.” (B.1.2.b)

– Begründung: Wie schon im Artikel zur Eichung angekündigt, wird die Hilfsdefinition für sehr gut von “keine Schwächen erkennbar” zu “kaum Schwächen erkennbar” geändert. Wenn eine sehr gute Rede bereits fehlerlos und mithin perfekt wäre, gäbe es keine Notwendigkeit für Spitzenleistungen mehr.

 

Kein pauschaler Abzug für simulierte Rollen

– Neuerung: Für das spielerische Annehmen einer simulierten Rolle ist kein Punktabzug mehr vorgehesen.

– Regeländerung:  “f) Abzug iii – „Rolle verfehlt“: […] Kleiner Abzug: Dauerhaft fehlende oder unsportlich falsche Positionierung in Freien Reden; das schauspielerische Annehmen einer simulierten Rolle (solange aus der Rede nicht als rhetorisches Stilmittel ersichtlich) oder unangemessene Reflexion der eigenen Debattier-Rolle in der Rede (Metabemerkungen).” (B.1.5.f)

– Begründung: Hier geht es um Fälle, die auf Turnieren kaum vorkommen. Der Abzug für Rollenverfehlung soll bestrafen, wenn Redner*innen durch Brechen der Rolle und Metabemerkungen (“Ich als Eröffnungsredner der Regierung bin Olaf Scholz und von der christdemokratischen Opposition hätte ich einen anderen Gegenantrag erwartet.”) die Debatte “sprengen” und die anschließenden Redner*innen nachhaltig irritieren. Schlüpft die Person hingegen nur als Stilmittel / Imitation in die Rolle von Olaf Scholz (genauso, wie reale Plenarredner*innen eine historische Persönlichkeit imitieren könnten) und dieses Stilmittel wird als solches ersichtlich, wäre dies nicht abzugswürdig (ob es überzeugend ist, steht auf einem anderen Blatt), was die Regeln nun auch klarstellen.

 

(2) FORMALIA UND KLEINIGKEITEN:

*Wettbewerbsbereich um- und ausgebaut

– Neuerung: Im Wettbewerbsteil C wird nun ausführlicher (und in neuer Gliederung) geschildert, wie Wettbewerbe im OPD-Format ablaufen. Ausgenommen der oben aufgeführten Regeländerungen steht dort nur, was ohnehin seit Jahrzehnten üblich ist. Einzelne Regeln wurden zwischen den Regelwerksteilen A, B und C verschoben, damit sie an passenden Stellen stehen

– Begründung: Wie bereits in der Einleitung geschildert, soll das Regelwerk nicht nur Debatten, sondern auch Wettbewerbe im OPD-Format korrekt abbilden. Mit den Teilen A sollen ungewertete Debatten, mit den Teilen A und B gewertete Debatten und mit den Teilen A, B und C ganze OPD-Turniere möglich sein.

 

Einheitliche Begriffe und Rechtschreibfehler 

– Neuerung: Begriffe wie “Jury”, “Teilnehmende” usw. wurden im Regelwerk vereinheitlicht. Mehrere Rechtschreib- und Grammatikfehler wurden behoben.

– Begründung: Uneinheitliche Begriffe und Fehler sind blöd.

 

(3) MATERIALIEN

**Neues englisches Rulebook

– Neuerung: Das OPD-Regelwerk liegt nun auch in aktueller englischer Übersetzung vor.

– Begründung: Für mögliche englischsprachige OPD-Turniere in Zukunft wollten wir eine Übersetzung des Regelwerks in neuerer Form zur Verfügung stehen.

 

Neues Kurzregelwerk 

– Neuerung: Im Kurzregelwerk wurden kleinere textliche Änderungen vorgenommen, die sowohl die Verständlichkeit als auch die aktuellen Regeln betreffen.

– Begründung: Das Kurzregelwerk liefert einen ersten Kontakt mit dem Format. Wir möchten, dass dieser Eindruck positiv ist und dem aktuellen Stand der Regeln entspricht.

 

Neuer Jurierbogen

– Neuerung: (1) Auf der letzten Seite befindet sich eine neue Noten-Referenztabelle für Einzel-, Team- und Gesamtpunkte. (2) Die Definition von “sehr gut” wurde in den Referenztabellen angepasst. (3) Auf der letzten Seite befindet sich ein neues Feld für die Gesamtpunktzahlen beider Teams. (4) Die Zelle “Notizen (Strategie)” heißt bei Fraktionsfreien Reden nun nur noch “Notizen”.

– Begründung: (1) Diese Neuerung wurde bereits in unserem Artikel zur Eichung angekündigt und ausführlich begründet. Sie soll es ermöglichen, das eigene Punkte-Ergebnis sich selbst und im Feedback den Teams gegenüber besser an Noten koppeln zu können. (2) Dies wird oben begründet und folgt der entsprechenden Regeländerung. (3) Die Gesamtpunktzahlen einzelner Juror*innen werden zwar für die Laufzettel auf Turnieren nicht benötigt, wir finden es aber trotzdem richtig, dass ein Jurierbogen der Vollständigkeit halber auch für dieses “zentrale” Ergebnis ein Feld enthält – zum Beispiel, wenn man ihn alleine bei einer Clubdebatte nutzt. (4) Fraktionsfreie Reden erhalten keine Strategiepunkte.

 

Neues Juriermerkblatt

– Neuerung: (1) Der Abzug “Publikum verfehlt” wurde entfernt. (2) Die Definition von “sehr gut” wurde angepasst.

– Begründung: (1) Das Juriermerkblatt enthielt aus Versehen noch eine alte Abzugskategorie, die schon seit längerem aus dem OPD-Regelwerk entfernt wurde. (2) Siehe oben.

 

Neuer Präsidierbogen

– Neuerung: (1) Auch Zwischenrufe werden nun auf dem Präsidierbogen geführt; (2) “Entscheidung für/gegen Zwischenrede bei FFR auf eigener Seite” wurde aus der Aufgabenliste gestrichen;

– Begründung: (1) Präsident*innen sollen Jurierende bei der Wahrnehmung der Interaktion unterstützen; dazu zählen auf Zwischenrufe. (2) Laut Regelwerk liegt diese Aufgabe bei Hauptjuror*innen, nicht bei Präsident*innen.

 

WAS SONST NOCH PASSIERT IST:

Die tatsächlich beschlossenen Neuerungen stellen nur einen Teil der Dinge dar, über die wir bislang diskutiert haben – von Abzügen und Überzeugungskraft, über Jurierbögen und Debattensettings, bis hin zu Präsident*innenentscheids und Finaljurierungen.

Wir möchten uns bei allen Chefjurys und Einzelpersonen bedanken, die sich an uns mit Input und Anregungen gewendet haben – egal, ob dieser Input in Regeländerungen gemündet ist oder nicht.

 

OPD-Logo

Die OPD-Regelkommission ist ein vom Verein Streitkultur e.V., der die Rechte am OPD-Format besitzt, gewähltes fünfköpfiges Gremium, das das Regelwerk pflegt, bei Bedarf aktualisiert und bei Fragen zum Format zur Verfügung steht. Die Regelkommission besteht in der Saison 2023/24 aus Lennart Lokstein, Sven Bake, Zoé Sandle, Sven Jentzsch und Dario Werner. Erreichbar ist sie per Mail an opd [at] streitkultur [dot] net.

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