Militärparaden auf Großprojekten im Live-TV: Der Streitkultur-Cup 2010

Datum: 15. Dezember 2010
Redakteur:
Kategorie: Themen, Turniere

Im Wissen, die Debattantinnen und Debattanten beim Streitkultur-Cup 2010 mit einer ominösen Ankündigung auf Facebook reizen zu können, verkündeten die Chefjuroren Mario Dießner und Christoph Krakowiak, sie hätten sich ein alle Themen umfassendes Schlagwort ausgedacht. “Öffentlichkeit“ war das doch sehr weit gespannte Oberthema, über das sich die Teilnehmer am vergangenen Samstag den Kopf zerbrechen mussten. Mit 27 Teams und knapp 30 Juroren aus Deutschland, der Schweiz und Österreich war der diesjährige Streitkultur-Cup der größte aller Zeiten und erreichte ZEIT-DEBATTEN-Größe.

Die Gewinner des Streitkultur-Cups Marc Lenzke, Isabelle Loewe und Marcus Ewald. Den Kaktus erhielt Marcus als Publikumsliebling.

Viele Teilnehmer reisten bereits am Freitag an, um zum Beispiel am malerischen Weihnachtsmarkt Tübingens Geschenke zu besorgen – vor allem aber, um sich in gemütlicher Runde auf das Turnier einzustimmen.

Dieses begann am Samstag in der ersten Vorrunde mit dem Thema “Sollen Volksentscheide bei Großprojekten verpflichtend werden?“ Keine der neun Debatten dieser Runde konnte sich der geographischen Nähe zu Stuttgart entziehen, und so war Stuttgart 21 ein wichtiges Beispiel vieler Argumente.

Der ganze Tross des Turniers wurde fürs Mittagessen in Richtung Prinz-Karl-Mensa in Bewegung gesetzt, die – erraten! – Fleisch mit Soße (beziehungsweise für Vegetarier: Käse mit Soße) auftischte.

Auch das zweite Thema hatte Verbindungen zu aktuellen Ereignissen: “Soll die Pressefreiheit bei Terrorgefahr eingeschränkt werden?“ war angesichts der Terrorwarnungen in Deutschland im November hochaktuell. Nachdem die zweite auch schon die letzte Runde mit Feedback und Bewertung war, gab es viel Anlass für Spekulationen, die durch das teilweise unerwartete Abschneiden mancher Teams angeheizt wurden.

Eine rundherum gern gesehene Innovation auf Debattierturnieren kündigte sich im Brechtbau durch ihren Duft an: Die Organisatoren der Streitkultur Tübingen servierten zu Kaffee und Kuchen frisch gebackene Waffeln und steigerten so die durch das in Tübingen schon bekannte Freibier gehobene Stimmung an.

Nachdem das Thema der dritten und alles entscheidenden Runde angekündigt wurde (“Brauchen wir wieder Militärparaden in Deutschland?“), wurden einige Debattantinnen und Debattanten dabei beobachtet, wie sie, mit Waffeln in der Hand und den Kopf voller Ideen, in Richtung ihrer Räume huschten. Nachdem die letzte Runde geschlagen war, wurde der versprochene “härteste denkbare Break“ Wirklichkeit, als aus den 27 Teams die zwei Finalisten verkündet wurden. Dabei erklang nicht nur ein dreifach, sondern ein sechsfach donnerndes “Helau!“, denn die beiden Mainzer Teams “Rubikonüberspringer“ und „Klartext“ würden sich im Finale gegenüber stehen, womit ein Mainzer Sieg bei der offenen Vereinsmeisterschaft der Streitkultur Tübingen sicher war.

Der Hörsaal der alten Anatomie war als Finalort mit den Teilnehmern gut gefüllt, und die Redner wurden durch ein hinter ihnen stehendes Skelett nicht nur moralisch unterstützt, sondern auch daran erinnert, dass sie sich bei einem solch kritischen Publikum wie in Tübingen leicht bis auf die Knochen blamieren können. Das war Marcus Ewald, Ergänzungsredner der Opposition, aber herzlich egal, und er öffnete bereitwillig sein Hemd, um bei den Damen der Streitkultur Eindruck zu schinden. Er hatte Erfolg und wurde für seine animierte Rede vom Publikum zum besten Redner des Finales gewählt.

Während der Debatte zum Thema “Sollen Stunts in Fernseh-Liveshows verboten werden?“ versuchte die Regierung (Mainz Rubikonüberspringer mit Jan Papsch, Sina Strupp und Nicolas Eberle, der sich an der Spitze des Vorrundentabs platziert hatte) zu zeigen, dass Stunts wie der kürzlich in “Wetten, Dass…?“ gezeigte nicht nur die Akteure selbst, sondern auch potentielle Nachahmer und die gesamte Gesellschaft gefährden. Die Opposition (Mainz Klartext mit Marc Lenzke, Marcus Ewald und Isa Loewe) hielt dagegen und konnte sich auch die Unterstützung durch die freien Redner Lea Weitekamp (DC Bonn) und Hauke Blume (Berlin Debating Union) sichern, Wladi Jachtschenko (DC München) dagegen schlug sich mit spontan Gedichtetem auf die Seite der Regierung.

Die Finaljuroren Mario Dießner, Jenny Bachmann und Daniel Grotzky zogen sich zur Bewertung der Debatte gemeinsam mit der Finalpräsidentin Gudrun Lux zurück und überließen das tosende Publikum den Entertainern Anna Livia Mattes und Christoph Krakowiak. Anna verkündete die Ergebnisse der nachmittags durchgeführten “OPD-Führerscheinprüfung“. Dabei handelte es sich um einen kniffligen Test zu diversen Spitzfindigkeiten der Offenen Parlamentarischen Debatte. Wer den Test erfolgreich bestand, wurde mit einer Flasche Wein belohnt. Einsam an der Spitze des Feldes stand Pauline Leopold (Streitkultur Tübingen), die ihre 22 von 30 Punkten jedoch als “beschämend“ bezeichnete und gelobte, die OPD-Regeln noch viel eingehender zu studieren.

Entsprechend der Regelung, dass dieses Mal in jedem Team mindestens ein Neuling antreten muss, wurde auch die Verleihung des Preises für den besten Nachwuchsredner zelebriert. Natalie Wieseotte aus Mainz konnte als 14. des Tabs diesen Preis einheimsen und so ein tolles Ergebnis für den Debattierclub Johannes Gutenberg noch versüßen. Natalie wurde als frischgebackene Preisträgerin gleich dazu eingeladen, als Kandidatin von “Wer wird OPD-Millionär“ anzutreten. In der Mitte der alten Anatomie stellte Showmaster Christoph nur die schwersten der Fragen aus dem OPD-Führerscheintest. Natalie meisterte die Fragen mit ihrem Wissen und durch geschickte Joker-Taktik ohne Fehler, was ihr kostenlose Drinks bei der Party am Abend einbrachte.

Schließlich verkündeten die Chefjuroren das Ergebnis des Finales: Die Opposition, Mainz Klartext, hatte gewonnen! Die Sieger wurden unter unzähligen “Helau“-Rufen  gekrönt und gemeinsam mit den anderen zur Party eskortiert, wo das Turnier zu groovigen Funk-Rhythmen frühmorgens ausklang.

Florian Prischl / apf

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6 Kommentare zu “Militärparaden auf Großprojekten im Live-TV: Der Streitkultur-Cup 2010”

  1. Verena Gräf sagt:

    Schöner Bericht, danke Flo!

  2. Jörn sagt:

    Vielleicht könnte man mit Blick auf die DDM den OPD-Führerschein als standardisiertes Messinstrument wählen: Als Juror wird nur akzeptiert, wer mindestens auf einem großen OPD-Turnier juriert hat oder mindestens 20 Punkte beim OPD-Führerscheintest erreicht.

  3. Sascha sagt:

    @Jörn: dann jurieren aber nur noch 2-3 Leute, der rest hat die 20 Punkte Grenze nämlich nicht geschafft 😉
    Und darunter waren Deutschlands Elite-Juroren

  4. Jörn sagt:

    Richtig so! Ich möchte auf einer DDM nicht von Menschen juriert werden, die nicht einmal die elementarsten Regelkenntnisse mitbringen! – (Das ist eine Oder-Verknüpfung in der von mir gestellten Anforderung. Ich hoffe doch sehr, dass man nicht zu Deutschlands Elite-Juroren zählt, ohne jemals auf einem großen OPD-Turnier juriert zu haben.)

  5. Sascha sagt:

    @ Jörn: wer spricht denn von den elementarsten Regelkenntnissen?
    Außerdem: wenn diejenigen die auf einem großen OPD-Turnier juriert haben den Führerschein nicht bestehen können, ja sogar weitaus weniger Punkte als 20 holen, wieso sollten es dann die Neuen können. 🙂

  6. Jan F. (Berlin) sagt:

    Achja OPD, es gibt ja noch nicht genug Regelungen, führen wir halt noch welche für die Jurorenauswahl ein.
    „Die Bürokratie wurde erfunden, um die Bedürfnisse der Bürokratie zu stillen.“

    Wie schön einfach es dagegeb doch ist, andere Juroren überstimmen zu können.

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