Einmaliges Debattierforum auf hohem Niveau: Achter Monash Debating Review veröffentlicht

Datum: 26. Dezember 2010
Redakteur:
Kategorie: Politik und Gesellschaft, Rezension

Debattierexpertise aus Downunder: Die australische Monash Association of Debaters (MAD) veröffentlichte Mitte Dezember zum achten Mal in Folge den Monash Debating Review (MDR). Bekannte Debattierer aus aller Welt haben mit ihren Aufsätzen zum diesjährigen 62 Seiten umfassenden Journal beigetragen.

Der erste Artikel in der aktuell vorliegenden Ausgabe ist von Autor Tim Sonnreich. Als Debattierer war der Australier Vizeweltmeister 2003 und gewann 2000, 2001 und 2004 das Australasian IV. Auch als Chefjuror machte er sich bei den Australasians einen Namen. In seinem Aufsatz “There is no spoon: beginner, intermediate and advanced first principles debating”  zeigt Tim, wie man Argumente aus “first principles“ baut und so ein besserer Debattierer wird. Dieses Prinzip gewinne immer mehr Bedeutung, besonders im “Australasian debating“, heißt es da, und solle Rednern wie Trainern gleichermaßen helfen. Im Wesentlichen gehe es bei “first principles“ um eine Methode, mit der man sich einem Thema nähere, wenn man kein spezifisches Wissen dazu habe. Grundvoraussetzung sei das Verständnis von Logik und davon, wie man einen Clash forme, meint der Autor.

Doug Cochran, der deutschen Szene aktuell bekannt als designierter Chefjuror der Berliner Bewerbung um die Ausrichtung der Worlds 2013 und außerdem Vizeeuropameister 2007, schlägt in seinem Essay mit dem Titel “Liberal argument and its discontents“ vor, marxistische, klassisch konservative und dem freien Willen verpflichtete Argumente anzuwenden. In seinem Aufsatz geht Doug von seiner Erfahrung aus, dass er die meisten Debattierer als liberale Redner wahrgenommen habe. Dies gelte besonders für den Bereich der IONA (das heißt “Islands of the North Atlantic“ und meint Großbritannien und Irland), schreibt der Engländer. Er meint, dass liberale Ideale die Standarderwartungen bei Rednern und Juroren vorformen. Er sieht darin die Gefahr, die Debatten ihrer Vielfalt in der Herangehensweise an die Themen zu berauben.

“The role of trust in political culture when teaching debate: the Kosovo case study” lautet der Aufsatz von Leela Koenig und Maja Nenadović. Darin legen die Autorinnen ihre Erfahrungen auf dem Balkan dar, als sie 2008 anfingen, die parlamentarische Debatte als demokratisches Mittel zu verbreiten. Empirische Grundlage ist ein Workshop an der Universität in Pristina, Kosovo. Leela und Maja brachten den Studierenden das Format des British Parliamentary Style bei. Dabei stießen die Trainerinnen auf ganz eigene Schwierigkeiten: Die kosovarischen Debattierer mussten für ihr Rollenverständnis als Regierung und Opposition zunächst einmal das Vertrauen in diese Rollen lernen. Beide Autorinnen fühlen sich dem Debattieren schon lange verpflichtet: Leela wurde beste ESL-Rednerin bei den Europameisterschaften im estnischen Tallinn (2008) und im türkischen Koç (2007), außerdem bei den Weltmeisterschaften 2009 in Cork, Irland. Als Chefjurorin prägte sie zahlreiche Turniere in ganz Europa mit, zuletzt die Euros in Amsterdam 2010. Maja gründete mehrere Debattierclubs in ganz Europa und arbeitet nun neben ihrer Doktorarbeit über Demokratie auf dem Balkan freiberuflich als Rhetorikcoach.

Jurieren steht im Mittelpunkt des Aufsatzes “Judging debates: a pragma-dialectical perspective” von Daniel Schut. Der Niederländer wurde 2006 Vizewelt- und Vizeeuropameister. Bereits zum Amsterdam Open 2007 hat Daniel Richtlinien zum Jurieren veröffentlicht. Darin heißt es: “If this confuses you somewhat: don’t worry. It’s just Daniel Schut on his argumentation-analysis rant.“ – der Niederländer ist bekannt für seine Ausführungen zum Jurieren. In seinem aktuellen Aufsatz für den MDR erwähnt Daniel schon eingangs: “Debatten jurieren ist schwieriger als Debattieren.” Als Juror könne man sich nicht allein auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen, heißt es da. Wie wägt man als Juror Argumente gegeneinander ab? Wie ist die relative Überzeugungskraft von zwei gleich guten Argumenten zu bewerten, wenn keine der beiden Seiten den Clash aufgezeigt hat? Die eigene Meinung als Juror nicht zum Maßstab zu machen, ist eine Binsenweisheit. Daniel beantwortet diese und andere Fragen weitaus detaillierter in seinem Essay.

Populismus ist das Thema im Aufsatz seines Namensvetters Daniel Berman: “Populism, debate and the tea party: how the appeal of populism separates debate from the wider public.” Der Focus liegt dabei auf der erzkonservativen Neuauflage der Tea Party und dem US-amerikanischen Debattierparkett. Er stellt dabei das parlamentarische Debattieren der echten Politik gegenüber. Während der Politiker eher von egoistischen und pragmatischen Überlegungen (“Werde ich wiedergewählt?“) ausgehe, mache der Debattierer eher philosophische Überlegungen zur Grundlage seiner Rede, die jedoch häufig weit weg von der Realität seien, meint Daniel. Diese Lücke werde besonders sichtbar, wenn man sich den Populismus anschaue. Sei der Populismus etwa im antiken Griechenland dazu angetan gewesen, den Mob zu bewegen, stehe demgegenüber das parlamentarische Debattieren durchaus elitär gegenüber: Die Juroren, die es zu überzeugen gelte, bildeten nur ein kleines Publikum für den Redner.

Zum Schluss des Journals geht es um Zen-Busshismus und Debattieren: In der aktuellen ZEITGEIST-Kolumne setzte Stephen M. Llano noch das altjapanische kyudo (Bogenschießen) in Relation zum Debattieren. Im nun vorliegenden MDR-Artikel macht Stephen das koan, eine zumeist widersinnig erscheinende Anekdote eines Zen-Meisters, zum Aufhänger seiner Überlegungen. In seinem Aufsatz “The motion as koan: seeing debate as transformative practice” argumentiert er, dass das Debattieren den gesamten Menschen verändern solle. Die Herausgeber sind sicher, dass der Leser den Essay genauso interessant und inspirierend finde wie sie selbst. Der Autor geht Fragen nach wie etwa “Hat ein Hund ein Buddha-Wesen?” Erst wenn der Debattierer dies nicht als philosophische Scherzfrage abtue, sondern Fragen wie diese als sein ureigenes Problem annehme, könne er sich des Rätsels vollkommen annehmen. Nicht die Esoterik bringe hier weiter, sondern die Konfrontation mit der eigenen Existenz.

Die Monash Association of Debaters (MAD), gegründet 1962 und unter den zehn weltbesten Debattierclubs aller Zeiten, gibt seit 2002 jährlich den Monash Debating Review (MDR) heraus. Der Review bietet ein einmaliges Forum für Debattierthemen aller Art. Dabei verlässt sich das jedes Jahr aufs Neue zusammengestellte internationale Herausgeberteam auf die Meinungen und die Expertise der besten Debattierer weltweit, die sich von verschiedenen Seiten debattierrelevanten Themen nähern. So sind in der aktuell vorliegenden Ausgabe sechs Artikel von sieben Autorinnen und Autoren auf insgesamt 62 Seiten zusammengetragen worden. Der Monash Debating Review steht im Internet auf den Seiten der MAD zum Download bereit.

apf / glx

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