Mein erstes Turnier – Aus der Kneipe ins Finale

Datum: 20. November 2018
Redakteur:
Kategorie: Mein erstes Turnier, Menschen, Turniere

Die erste Fahrt auf ein Turnier kann für neue Debattiererinnen und Debattierer vieles sein: Türöffner in die überregionale Szene, der Beginn neuer Freundschaften oder auch das Erwachen des Wettkampfgeistes. Häufig steht davor aber auch eine (mentale) Hürde, die es zu überwinden gilt. In unserer neuen Reihe “Mein erstes Turnier” erinnern sich Debattierende an ihre Anfänge. Diese begannen bei Ferdinand Ferber direkt vor Ort.

Ich werde im Folgenden von meinem ersten Hochschuldebattierturnier berichten. Über meine Zeit als Schüler gibt es einige herrliche Anekdoten (zum Beispiel wie mich Patrick Ehmanns Strohhut 2008 zum Debattieren gebracht hat oder wie Niels Schröter mein Gymnasium dazu bringen wollte, dass dieses eine*n Schüler*in dazu abstellt, ihm seine Tasche mit Debattiermaterialien hinterher zu tragen), und ich habe auch an zwei Turnieren im Format „Jugend Debattiert“ teilgenommen, aber all dies möge ein anderes Mal zum Besten gegeben werden.

Sachsen-Anhalt-Derby 2012 Ferdinand Ferber Philipp Neumann - © Christian Landrock

Ferdinand (l.) und Teampartner Philipp (r.) – © Christian Landrock

Diese Geschichte beginnt (wie so viele DC-Magdeburg-Geschichten) in der Unitheke, einer wenig liebevoll eingerichteten aber günstigen Kneipe am Rande des Campus, die auf Google Maps mit „Süffiger ort“ rezensiert wird. Es war Ende November 2012, ich war etwa einen Monat zuvor nach Magdeburg gezogen und ähnlich lang (oder eher kurz) beim Debattierclub Magdeburg aktiv und wurde gefragt, ob ich nicht Lust hätte, auf einem in Magdeburg stattfindenden Debattierturnier anzutreten. Natürlich brauchte es etwas Überzeugungsarbeit mich von dieser Idee zu begeistern, aber das ist für erfahrene Debattierende bekanntlich kein Hindernis. Letztendlich stimmte mich das Angebot von Philipp Neumann um, mit ihm zusammen in einem Team anzutreten – der Beginn einer bis heute andauernden tiefen Freundschaft.

Bei besagtem Turnier handelte es sich um das „Sachsen-Anhalt Derby 2012“, bei dem alle sachsen-anhaltinischen Debattierclubs (also alle beide: Halle und Magdeburg) „ihr rhetorisches und argumentatives Können unter Beweis stellen“, wie es die dazugehörige Facebook-Veranstaltung bewarb. Das Turnier war für beide Clubs Teil ihrer Einstiegsförderung und daher als Pro/Am-Turnier im British Parliamentary Style angesetzt. Das Derby fand in zweiter Auflage statt, im Jahr zuvor wurde es in Halle ausgerichtet (die Achte Minute berichtete).

Als weiterer Baustein der Trainingsstrategie fand eine Woche vor dem Turnier am 08.12.2012 in Halle ein Workshop statt. Hier kam zum ersten Mal Turnierfeeling auf: Das gemeinsame Warten am Bahnsteig zu unchristlichen Zeiten, Philipp, der vier Minuten vor Abfahrt noch unbedingt einen Kaffee kaufen wollte, Kartenspiele im Regionalexpress. Als wir dann in Halle auf dem Weg zur Uni waren, sorgte eine SMS von unserem Ex-Schatzmeister Friedrich Meyn für große Heiterkeit. Friedrich fragte, wo denn alle seien und wohin er die acht Liter Chili con Carne bringen solle. Es stellte sich heraus, dass Friedrich sich das Datum des Turniers eine Woche zu früh in seinen Kalender geschrieben hatte und jetzt auf Unmengen Chili con Carne sitzen blieb, die für das Mittagessen gedacht waren. So kamen wir munter bei Torsten Rössing und Marcus Ewald an, die den Workshop leiteten. Die beiden präsentierten uns ein fulminantes Feuerwerk an Teamstrategien, philosophischen Konzepten und zahlreichen Debattiertipps. Ich war ganz hin und weg und konnte es kaum noch erwarten, endlich auf dem Turnier zu starten und das ganze erlernte Wissen anzuwenden.

Sachsen-Anhalt-Derby 2012 Teilnehmer Chilli Con Carne - © DC Magdeburg

Die Teilnehmenden lassen sich Friedrichs Chili con Carne schmecken – © Christian Landrock

Eine Woche später ging es dann auch los – mit Frühstücksbrötchen schmieren. Der erfahrene Cheforganisator Christian Landrock fuhr die erprobte Mitgliederbindungsstrategie, auch uns Erstis in die Orga einzuspannen und uns Verantwortung zu übertragen, auf dass wir uns mit dem Gesamterfolg identifizieren mögen. Dann aber ging es wirklich los mit dem Draw. Die Chefjurorinnen Irene Adamski aus Halle und Miriam Leich (geb. Hauft) aus Magdeburg verlasen das erste Thema, dann hörte man nur noch das Pipsen von Stoppuhren und das Kratzen von Kulis auf von der ZEIT DEBATTE Magdeburg 2012 übriggebliebenen Blöcken, und die 12 Teams begaben sich auf ihren Weg zu den Debattenräumen. Es folgte eine bei einem Pro/Am-Turnier naturgemäß mäßige Debatte, bei der Philipp und ich einen soliden zweiten Platz erringen konnten. Anschließend bestritten wir eine weitere Debatte, dann das lang ersehnte Mittagessen (die zweite Auflage von Friedrichs Chili con Carne) und schließlich die letzte Vorrunde des Tages. Mit sieben Punkten waren Philipp und ich überaus zufrieden und begaben uns zum Social – natürlich – in die Unitheke. Es wurde ausgelassen gequatscht und getrunken, bis auf einmal ein sehr betrübter Christian die Bar betrat und uns darüber informierte, dass ein Großteil der Hallenser Teams vorzeitig abgereist war und am nächsten Tag auch nicht zur vierten Vorrunde und zum Finale wiederkommen würde. Es wurde ein Kriegsrat einberufen und am Ende beschlossen, das Turnier nichtsdestotrotz weiterzuführen. Am nächsten Morgen ergatterten Philipp und ich erneut zwei Punkte in der letzten Vorrunde und bei der Breakverkündung durften wir uns schon wieder freuen: Wir sind auf Platz zwei des Tabs ins Finale gebreakt! Sowohl für Philipp als auch für mich war das der erste Break, und neben der Freude kamen auch Selbstzweifel auf: War der Break wirklich verdient oder nur Philipps Leistung? Wer wird wohl alles beim Finale zuschauen? Was, wenn ich mich total blamiere?

Ferdinand hält seine Schlussrede im Finale - © Christian Landrock

Ferdinand hält seine Schlussrede im Finale – © Christian Landrock

Das Finale fand zwar im kleinsten Hörsaal statt, den die Uni zu bieten hatte, aber dennoch war ich sehr aufgeregt, als ich meine Schlussrede hielt. Mit in der Debatte, in der es um irgendwas mit Mindestlohn ging, stritten noch zwei andere Teams aus Magdeburg und ein Team aus Halle. Die Jury kam nach verhältnismäßig kurzer Zeit zu dem Entschluss, dass Philipp und ich die Debatte gewonnen hatten. Beflügelt vom Applaus nahmen wir den Preis in Empfang: „Magdeburger Kugeln“, Pralinen-Kugeln aus Edelbitterschokolade, gefüllt mit zartschmelzendem Sahnetrüffel und Bourbon-Vanille in Erinnerung an die berühmten Halbkugeln, mit denen der Magdeburger Bürgermeister Otto von Guericke 1656 Vakuumversuche durchführte. Ich weiß nicht mehr wie der Tag zu Ende ging, aber ich vermute mal (kein Witz) in der Unitheke, wo wir auf unsere Erfolge angestoßen haben.

Was blieb vom Turnier? Recht viel: Außergewöhnlich viele der Einsteiger*innen auf Magdeburger Seite blieben dem Club lange und engagiert erhalten. Normalerweise freut man sich in Magdeburg, wenn ein Neuzugang pro Jahr zur*m regelmäßigen Turnierfahrer*in wird, in dem Jahr waren es mit mir drei. Insbesondere mit Janis Prinz habe ich unzählige Turniere bestritten. Auch bemerkenswert ist, dass vier von sechs der in den folgenden zwei Jahren neu in den Vorstand beriefenen Personen in diesem Finale saßen. Christian Landrocks Mitgliederbindungsstrategie scheint also aufgegangen zu sein. Und zu guter Letzt hat mir das Turnier die Angst vor dem kompetitiven Debattieren genommen und mich ein Teil dieser wunderbaren Szene werden lassen ?

Vielen Dank an Christian Landrock und Miriam Leich für die Unterstützung bei der Rekonstruktion der Ereignisse.

P.S. Bei dieser Geschichte wurde kein Chili con Carne weggeworfen, es wurde gemeinsam beim auf den Workshop folgenden Clubabend verzehrt.

Ferdinand Ferber/jm.

 

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1 Kommentare zu “Mein erstes Turnier – Aus der Kneipe ins Finale”

  1. Daniil sagt:

    Für mich liest sich das wie das Who’s Who des Debattierens… Und ich denke so: „Ist ja klar, dass man bei Christian Landrock als Cheforga, Philipp Neumann als Teampartner & all den anderen genannten Leuten dabei bleibt.“ 😉

    Eine klasse Reihe übrigens. Ganz dickes Lob an die Erfinder!

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