„Die Liga bleibt unangetastet“: Daniil Pakhomenko und Florian Umscheid im Gespräch über die Freie Debattierliga

Datum: 21. August 2013
Redakteur:
Kategorie: FDL/DDL, Menschen

Wie kann man kleine, regionale Turniere für Teilnehmer aus ganz Deutschland attraktiv machen? Die Idee von Daniil Pakhomenko (DCJG Mainz/BGDC Marburg) und Patrick Ehmann (Berlin Debating Union) im Jahr 2009: Turniere außerhalb der ZEIT DEBATTEN-Serie sollen in eine Liga integriert werden. Im Jahr 2010 wurde die Freie Debattierliga (FDL) von den Vertretern mehrerer Ausrichterclubs gegründet.
Ansprechpartner für die Ausrichter ist der Koordinator der Freien Debattierliga. Die Achte Minute sprach mit Florian Umscheid (Berlin Debating Union/DC Bamberg), Koordinator der Saison 2012/13, und Daniil Pakhomenko, Koordinator der Saison 2011/12, über Punktejagd, Feindschaft und das Etablieren von Marken im Debattieren.


Achte Minute
: Daniil, ich habe gerade auf dem FDL-Blog gesehen, dass du diese Saison als Einzelredner ziemlich viele Punkte gesammelt hast. Müsstest du nicht bester Einzelredner sein?

Daniil Pakhomenko: Nein, es zählen die besten drei Ergebnisse der Saison, nicht die Gesamtpunktzahl. Oder habt ihr etwa die Regeln geändert, Flo?

Florian Umscheid: Nein. Meine Erfahrung ist aber allgemein, dass Regeln der Freien Debattierliga eher unbekannt sind, auch bei Ausrichtern. Dabei ist das Regelwerk eigentlich klar und verständlich.

AM: Wer trifft Entscheidungen, die etwas Grundsätzliches an der FDL verändern, wie beispielsweise die Regeln?

Florian: Es gibt einen E-Mail-Verteiler, der alle Ausrichter von FDL-Turnieren der aktuellen und vergangenen Saison erreicht. Per „elektronischer Wahlurne“ können Regeländerungen beschlossen werden. Was allerdings konkrete Entscheidungsfragen angeht – hm. Das ist im Regelwerk nicht festgelegt. Wahrscheinlich wäre das die Aufgabe des Koordinators. Meines Wissens gibt es keinen Präzedenzfall.

Daniil Pakhomenko bei der ZD Aachen (c) Henrik Maedler

Daniil Pakhomenko bei der ZD Aachen
(c) H. Maedler

Daniil: Da muss ich dir widersprechen. Der Witz der FDL ist zwar, dass man auch bei kleinen Turnieren dieselben Punktzahlen erreichen kann wie bei stark nachgefragten Turnieren. Das macht kleine Turniere wieder reizvoller, weil der Sieg wahrscheinlicher ist. Beim Schwarzwaldcup in Freiburg 2012 traten trotzdem überraschend zu wenige Teams an, laut den Regeln müssen mindestens 24 Redner teilnehmen. Damals mussten Manuel Adams (ebenfalls FDL-Koordinator der Saison 2011/12, Anm. d. Red.) und ich entscheiden, was wir machen. Die Sieger aus Heidelberg bekamen nur die Hälfte der Punkte. Nach diesem Präzedenzfall wurden die Regeln geändert.

AM: Bald wird ein neuer Koordinator gewählt. Ist der Job denn spannend?

Daniil: Er ist sehr spannend, weil man manchmal „Geburtshelfer“ neuer Turniere ist. Als Koordinator initiiert man ja vor allem Turniere, fragt also Clubs an, ob sie Lust haben, ein FDL-Turnier auszurichten. Außerdem pflegt der Koordinator den Blog der Freien Debattierliga, rechnet nach dem Turnier die Punkte zusammen und veröffentlicht die Ergebnisse. In der Saison, in der ich FDL-Koordinator war, kamen aber noch viele Gespräche mit dem damaligen Vorstand des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH) hinzu. Das Ergebnis war die Rahmenerklärung zum Verhältnis von FDL und VDCH.

AM: Früher hieß es ja immer, die FDL stehe dem VDCH feindselig gegenüber.

Daniil: Das stimmt nicht. Als Patrick Ehmann und ich uns die Liga ausgedacht haben -die sollte übrigens erst Deutsche Debattierliga heißen-, da war der VDCH-Vorstand der einzige Ansprechpartner für alles im Debattieren. Wir wollten, dass sich die FDL aus den Clubs selbst heraus entwickelt, und haben bei potenziellen Ausrichtern angefragt, ob überhaupt Interesse an einer solchen Liga besteht. Mit insgesamt neun Clubs haben wir das Regelwerk geschrieben und sind erst danach an den damaligen VDCH-Vorstand herangetreten. Wir sahen da kein Konfliktpotenzial, da der Vorstand ja die Interessen der Mitgliedsvereine vertritt. Die FDL sollte eine Bereicherung der Debattierszene darstellen, keine Bedrohung.

AM: Haben sich die Missverständnisse später geklärt?

Daniil: Ja. Insbesondere Philipp Stiel (in der Amtszeit 2011/12 Vizepräsident des VDCH, derzeit amtierender Präsident, Anm. d. Red.) hat sich sehr um die FDL verdient gemacht. Er ist auf Manuel und mich zugekommen und hat viel Arbeit in die Rahmenerklärung investiert.

AM: Trotzdem wird nach wie vor zurückhaltend auf der AM über die FDL berichtet.

Florian: Das hat mit meiner unseligen Verquickung zweier Aufgaben zu tun. Ich bin ja nicht nur FDL-Koordinator, sondern auch noch Chefredakteur der Achten Minute. Das heißt, ich führe gleichzeitig die Achte Minute und den Blog der Freien Debattierliga. Wenn ich alle Texte, die ich auf dem Blog online stelle, in die Achte Minute kopieren würde, könnte ich den Blog wahrscheinlich gleich zumachen.

AM: Aber mit der Doppelbelastung ist es ja bald vorbei. Auf der Mitgliederversammlung (MV) des VDCH Ende August soll auch der neue FDL-Koordinator gewählt werden.

Florian Umscheid (c) Manuel Adams

Florian Umscheid bei der ZD Aachen
(c) H. Maedler

Florian: Jein. Wir haben dieses Jahr die besondere Situation, dass es mehr als zwei Interessenten für den Posten der FDL-Koordinatoren gibt. Die Koordinatoren werden deshalb von den Ausrichtern gewählt. Es wird in Zukunft wohl Beiräte des VDCH-Vorstandes geben, die vom Vorstand berufen werden, darunter eben auch der FDL-Koordinator. Das heißt, die FDL wird zwar organisatorisch in den VDCH eingebettet, das Regelwerk bleibt aber unangetastet.

AM: Beunruhigt es euch eigentlich nicht, dass seit der Gründung der FDL ein Turnier weniger pro Saison ausgerichtet wird?

Florian: Nein, die Clublandschaft verändert sich ja ständig. Dresden beispielsweise war jahrelang eher zurückhaltend und bewirbt sich jetzt um die Ausrichtung einer ZEIT DEBATTE. Dafür ist Ilmenau von der Bildfläche verschwunden. Die Zahl der teilnehmenden Redner bleibt dagegen durchweg konstant. Ich finde es auch sehr erfreulich, dass es gelungen ist, innerhalb der FDL regelrechte Marken zu etablieren, etwa den Boddencup in Greifswald.

Daniil: Richtig, früher wollten nur wenige nach Greifswald, weil die Stadt schwer zu erreichen ist. Zu unseren Zielen gehörte, abgelegene Turniere attraktiver zu machen und aufstrebenden Clubs den Weg zur Turnierorganisation zu ebnen. Die Marburger etwa haben zunächst den Brüder-Grimm-Cup organisiert und in der Saison danach ihre erste ZEIT DEBATTE. Einige Ausrichter treten zuverlässig jede Saison in Erscheinung: Mainz mit dem Gutenberg-Cup, Tübingen mit dem Streitkultur-Cup, Berlin mit dem Punk Turnier und Greifwald mit dem Boddencup. Es wird sicherlich auch einen dritten Brüder-Grimm-Cup geben. Ich gehe davon aus, dass diese fünf Turniere dauerhaft Bestand haben werden.

AM: Bestand hat leider auch das Problem zu weniger Juroren bei FDL-Turnieren. Sollte es nicht ursprünglich Punkte für die Teilnahme geben, um einen Anreiz zu schaffen?

Daniil: Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich halte das aber für kein FDL-typisches Problem. Es liegt in der Verantwortung der Turnierorganisatoren, um Juroren zu werben. Ich zum Beispiel fahre gerne nach Tübingen, weil ich weiß, dass die Turniere dort gut sind. Ob ich als Redner oder Juror fahre, ist mir dann egal. Die FDL trägt trotzdem zur Jurorenförderung bei: In der Saison 2012/13 haben neun Personen ihr Debüt als Chefjuroren gegeben – eine tolle Quote bei neun Turnieren.

Florian: Ich hatte mal darüber nachgedacht, ob ich in der Saisonabrechnung auf dem Blog besonders fleißige Juroren lobend erwähne. Ich befürchte, dass sich Jurorenbreaks schlecht in Punkte übertragen lassen, weil es dabei nicht immer nur um Kompetenz geht, sondern beispielsweise auch um „Team-Konflikte“, weil der Heimatclub in der Breakrunde steht.

AM: Daniil, die FDL geht im Oktober in ihre vierte Saison. Wie lautet dein Fazit als Miterfinder?

Daniil: Es gab drei grundsätzliche Probleme, die wir durch die Liga lösen wollten. Erstens: In großen Clubs konnten die Mitglieder nicht so oft antreten, wie sie wollten, weil die Zahl der Startplätze bei ZEIT DEBATTEN begrenzt war und es keine attraktiven Alternativen gab. Zweitens: Im Jahr 2009 schien die Option wegen der Medienkrise völlig real, dass es keine ZEIT DEBATTEN mehr geben würde. Wir wollten ein Sicherheitsnetz für diesen Fall schaffen. Drittens: Die Startmöglichkeiten der Redner bei etablierten Turnieren erschienen uns zu stark reglementiert, etwa, was die Mixed-Team-Regelung betrifft. In der FDL gibt es das nicht, und ich habe den Eindruck, dass sie diese Unkompliziertheit in die Szene getragen hat. Wenn ich mir die Probleme anschaue, die wir lösen wollten, und das Ergebnis, das erreicht wurde, kann ich nur sagen: Mein Fazit ist durchweg positiv.

Achte Minute: Lieber Daniil, lieber Florian, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sarah Kempf.

Daniil Pakhomenko gewann mit der Baden-Württembergischen Meisterschaft 2012, dem Brüder-Grimm-Cup 2013 und dem Bodden-Cup 2013 drei Turniere der FDL. Er ist Mitteldeutscher Meister 2012 sowie Sieger der ZEIT DEBATTEN Magdeburg 2012 und Aachen 2013. Er war Chefjuror des Bodden-Cups 2012. Derzeit ist er als Lehramtsanwärter an einem Gymnasium in Wiesbaden tätig.

Florian Umscheid ist Nordostdeutscher Meister 2010. Er war Sieger der ZEIT DEBATTE Marburg 2013 und Bester Finalredner der ZEIT DEBATTE Hamburg 2012.  Im Jahr 2010 wurde er mit dem Nachwuchspreis der Deutschen Debattiergesellschaft (DDG) ausgezeichnet. Er war Chefjuror des Berlin Punk 2012 und des Brüder-Grimm-Cup 2012. Seit Januar 2013 ist er Chefredakteur der Achten Minute. Gegenwärtig studiert er Kommunikationswissenschaft an der Universität Bamberg.

 

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2 Kommentare zu “„Die Liga bleibt unangetastet“: Daniil Pakhomenko und Florian Umscheid im Gespräch über die Freie Debattierliga”

  1. Manuel A. (HB) sagt:

    Und die AM so zu ihrem Chefredakteur: „Trotzdem wird nach wie vor zurückhaltend auf der AM über die FDL berichtet.“

  2. Jörn(Bremen) sagt:

    In jedem Fall ist die FDL ein großer Erfolg! Das war eine großartige Idee.

Kommentare sind geschlossen.

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