Viel hilft viel, oder nicht? – Über die Bewertung der Vielfalt an Argumenten in OPD

Datum: 15. Januar 2014
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature

Im Format British Parliamentary Style (BPS) ist es ein wesentlicher Bestandteil der Jurierung, zu schauen, wie viele relevante Argumente die Teams vorgebracht haben. Im Format der Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD) hingegen ist die Frage nach der Anzahl an Argumenten in der Regel kaum Gegenstand der Bewertung. Wenn überhaupt, dann taucht es zumeist in negativer Form im Feedback auf, durch Formulierungen wie „Du hättest Argument 3 lieber weglassen und dafür die anderen besser ausführen sollen“. An eine wertschätzende Bemerkung im Feedback zu einer Rede, die viele Argumente vorgebracht hat, kann ich mich in OPD persönlich nicht erinnern. Auch in der Beschreibung der Kritieren des OPD-Jurierbogens taucht dieser Aspekt nicht auf. Das verwundert ein wenig, da OPD doch das Ziel verfolgt, ein interessiertes Publikum zu überzeugen. Und viele Argumente für eine Seite sollten doch überzeugender wirken als nur ein einziges Argument. So möchte ich dafür plädieren, die Anzahl an Argumenten nicht unberücksichtigt zu lassen, und einen Vorschlag für die Jurierung anbieten.

Saliba Dittmann Debatte Berlin

Der Anzahl von Argumenten sollte auch in OPD mehr Bedeutung beigemessen werden, findet Tobias Kube
(c) Matthias Carcasona

Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass bei zunehmender Zahl an Argumenten die Gefahr besteht, dass die einzelnen Aspekte zu oberflächlich beleuchtet werden und das Publikum nicht gut erreicht und überzeugt wird. In solchen Fällen werden folgerichtig in den inhaltlichen Kriterien wegen fehlender Analysetiefe keine sehr hohen Punkte vergeben. Vor diesem Hintergrund ist es doch aber umgekehrt eine umso bemerkenswertere Leistung, wenn ein*e Redner*in es schafft, viele Argumente anzusprechen und sie dennoch gut auszuführen. Aus meiner Sicht sollte es folglich auch höher bepunktet werden, wenn Redner X drei Argumente vorbringt und diese genauso gut ausführt, wie Redner Y, der nur ein Argument vorbringt.

Dies unberücksichtigt zu lassen, birgt nach meiner Auffassung die Gefahr, Fehlanreize bezüglich der Kreativität zu setzen. Wenn ich als Redner weiß, dass ich nicht dafür belohnt werde, neben meinem einen Argument, das ich gut kenne und erklären kann, noch ein zweites zu finden, bleibe ich lieber bei dem einen Argument. Das fände ich sehr schade, da Debattieren für mich ein Raum der Kreativität ist und Debatten auch gerade durch die Vielfalt von Argumenten inspirierend sind und zu neuen Erkenntnissen und Ideen führen.

Daher ist mein Vorschlag, die Anzahl der vorgetragenen Argumente in der OPD-Jurierung fest zu berücksichtigen. Ich fände diesen Aspekt am sinnvollsten bei der Urteilskraft aufgehoben, da es aus meiner Sicht von Urteilskraft zeugt, auf mehrere Argumente strukturiert einzugehen, sie in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen und ihre Relevanz und Gewichtung herauszuarbeiten. Man könnte jedoch auch argumentieren, dass man nur mit genügend Sachverstand viele Argumente finden und sie ausreichend tief ausführen kann und es daher in dieser Kategorie bewertet werden sollte. Wo die Punkte einfließen, ist für die Gesamtpunktzahl der Rede letztlich irrelvant, solange es überhaupt Berücksichtigung findet. Es ist theoretisch auch vorstellbar, in der Teamkategorie Überzeugungskraft darauf einzugehen. Dann blieben aber die fraktionsfreien Redner davon unbetroffen, was ich problematisch fände.

Also: Viel hilft viel und sollte auch mit vielen Punkten belohnt werden, solange gewährleistet bleibt, dass die Argumente gut ausgeführt sind.

tk/kem

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Tobias Kube ist Sieger des Streitkultur-Cups 2013 und des Gutenberg-Cups 2012. Er war Finalist der ZEIT DEBATTE Dresden 2014 und erhielt 2012 den Nachwuchspreis der Deutschen Debattiergesellschaft e.V. (DDG). Er war Cheforganisator des ZEIT DEBATTE Marburg 2013 und Chefjuror des Streitkulturcups sowie des Frischlingscups 2013. Von 2011 bis 2013 stand er dem Brüder Grimm Debattierclub e.V. Marburg als Präsident vor. Er ist amtierender Vizepräsident des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. (VDCH). Derzeit studiert er Psychologie an der Philipps-Universität Marburg.

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18 Kommentare zu “Viel hilft viel, oder nicht? – Über die Bewertung der Vielfalt an Argumenten in OPD”

  1. Alex L. (DD) sagt:

    Ich glaube nicht, dass die Anzahl von Argumenten bei der Kurier von OPD keine Rolle spielt. Genauso, wie du es vorschlägst, würde sich eine Vielzahl von guten Argumenten, die darüber hinaus ausreichend dargelegt werden, in meiner Jurierung positiv bei Sachverstand und Urteilskraft niederschlagen. Den von dir kritisierten Satz „Das dritte Argument hättest du dir sparen können“ benutze ich zwar auch sehr gerne, aber meist, um Redner auf mangelhaftes Zeitmanagement hinzuweisen. Denn da OPD eine deutlich holistischere Darlegung der Argumente bedarf und darüber hinaus gegenüber einem deutlich kritischen Juror bestehen muss, ist es häufig sinnvoll, wenige Argumente sehr gut darzulegen als sieben Argumente anzureißen.

    Übrigens würde ich auch widersprechen, dass in BP eine Vielzahl von Argumenten automatisch gut ist – es ist nur wahrscheinlicher, dass mehr Argumente dass Rebuttal überstehen. Und da am Ende nicht nur die Frage im Raum steht, welche Argumente die Debatte geprägt haben und wer gut strategisch gearbeitet hat, sondern auch, welche Argumente am Ende noch stehen, kann die größere Anzahl an Argumenten in BP eher einmal über die Frage entscheiden, wer denn jetzt Zweiter geworden ist, als in OPD darüber, wer Erster geworden ist und wird somit in OPD seltener bei der Urteilsverkündung eine Rolle spielen.

  2. Marc S sagt:

    Ich kann Alex nur Beipflichten. Schon im Status Quo werden die Möglichkeiten die du ansprichst genutzt. Denn natürlich zeugt es von guter Strukturiertheit (Urteilskraft) wenn ich es schaffe viele Argumente überzeugend auszuführen (mit Erklärung, Illustration, Anbindung an die Debatte und natürlich Plausibilität der Prämissen). Und natürlich spiegelt sich die dazu notwendige effiziente Argumentation, in der nicht um den heißen Brei herumgeredet wird, auch ianderen Kategorien wieder.
    Und besonders in der Übereugungskraft, aber ich denke auch in der Teamstrategie, wird es schon jetzt kein Nachteil sein, den Gegner zu entkräften und zugleich eine Vielzahl an eigenen Argumenten aufzubauen, denn das ist a) strategisch gut und b) wie in BP auch überzeugend.
    Insofern erkenne ich, dass Juroren sich dessen bewusst sein müssen. Ich denke aber nicht, dass es bisher hinten runter fällt! 😉

  3. Christian Landrock sagt:

    Ich plädiere ebenfalls dafür, dass die Seiten soviele Argumente wie möglich bringen, sofern sie gut ausgeführt und mit den Mitteln der Rhetorik entsprechend dargestellt werden. Dabei sollten wir den strategischen Vorteil nicht vergessen, den ein Team mit vielen vorgebrachten Argumenten erlangen kann: Die Freien Redner werden sich auf die Gegenseite schlagen, da dort noch mehr Argumente übrig sind. Dadurch hat die kreativere Seite öfter die Möglichkeit für eine Gegenrede und kann hier punkten.

  4. Lennart Lokstein sagt:

    Ich sehe auch kein Problem in den Bewertungskriterien, sondern wenn dann bei den Rednern. An sich hat man als Juror mit Sachverstand, Urteilskraft und Überzeungskraft gleich drei Kriterien, in denen viele, gut ausgeführte Argumente sich niederschlagen. Das Problem ist nur, dass das sehr wenige Redner schaffen und oft – wenn sie denn viele Argumente bringen – nur Thesen in den Raum werfen, statt zu begründen. In diesem Fall wirkt das wenig überzeugend und man sollte lieber drei von sieben Thesen streichen und dafür die vier relevanteren sauber ausführen.

  5. Der Artikel spricht einen interessanten Punkt an, über den ich auch kürzlich nachgedacht habe. Allerdings gingen meine Gedanken eher in die Richtung, dass ich Anfängern empfehlen würde, lieber weniger Argumente in der ersten Rede unterzubringen, da ich viel seltener negatives Feedback wegen fehlender Varianz, aber doch häufiger Feedback aufgrund von schlechtem Zeitmanagement und unteranalysierten Argumenten gekriegt habe.
    Ich sehe aber erst dann ein Problem, wenn Redner Zeit mit unzähligen Beispielen oder Erkläungen von unstrittigen Punkten verschwenden und Juroren dies als tiefgehende Begründung honorieren.
    Um dieses Problem zu lösen brauchen wir aber nicht ein Bewertungskriterium „Anzahl“ sondern eine Sensibilisierung auf Jurorenseite wie viel Zeit ein Argument wirklich verdient.
    Diese Sensibilisierung wird durch diese Diskussion erreicht. Von dem her lasst uns noch ein bisschen weiter darüber reden und dann nichts ändern.

  6. Tobias Kube sagt:

    Nun ja, über eure prinzipielle Zustimmung freue ich mich natürlich! Ich muss jedoch anmerken, dass ich in Jurierungen und Gesprächen mit Juroren zumeist ein anderes Bild erlebt habe und auf den beschriebenen Aspekt nicht eingegangen wird. Sonst hätte ich den Artikel ja auch nicht geschrieben 😉

    @ Alex zum BP-Exkurs: Natürlich führen viele Argumente nicht automatisch zum Gewinn der Debatte. Aber tendenziell hat ein Team, das viel „Material“ vorbringen kann, bessere Karten – und zwar deshalb, weil dadurch der eigene Credit vergrößert wird und nicht, weil man es schwerer macht zu verhindern, dass der eigene Credit kleiner wird, wenn die „Argumente das Rebuttal nicht überstehen“. Denn wie Manuel bin ich der Meinung, dass eine gute Entkräftung eine Positivleistung für das entsprechende Team ist, aber für die Platzierung des entkräfteten Teams im Vergleich zu den übrigen beiden Teams (die mit Vorbringen und Entkräften des Arguments nichts zu tun haben) keine Rolle spielen sollte: https://www.achteminute.de/20130731/sandburgen-und-relativitatstheorie-im-british-parliamentary-debating/ Aber das ist eine andere Diskussion.

  7. Nicolas Friebe sagt:

    in Ergänzung und Zustimmung zu Alex(DD) zu den BP Taktiken: Schon mal daran gedacht dass eine First Half vor allem deswegen ein Interesse daran hat möglichst alles abzugrasen damit die hinteren Positionen keine wirklich neuen Punkte mehr bringen können? Und daraus in Kombination mit der Erschwerung des Rebuttals folgt bei BP das Interesse möglichst viele Punkte zu bringen.
    Ein Fakt der bei BP leider ebenfalls häufig bei mediokren Teams zu unterkomplexen Massen von Standardargumenten führt, was ich als Juror auch nicht goutiere.

    Daher Finger weg von irgendwelchen Anzahlkriterien im OPD. Das wäre zutiefst kontraproduktiv.

  8. Ein alter juristischer Satz lautet: iudex non calculat – die/der RichterIn rechnet nicht. Der dient nicht dazu, um nonchalant Kopfrechenschwächen zu übergehen (obschon auch ich ihn gern dafür verwende), sondern um der richtenden Person zu verbieten, ZeugInnen schlicht gegeneinander aufzurechnen, also etwa „1 für den Kläger : 3 für den Beklagten = Klage abgewiesen“. Sie muss sich vielmehr mit der einzelnen Aussage befassen und in freier Beweiswürdigung ihre jeweilige Beweiskraft abschätzen. Ziel des Spiels ist, dass die Partei Recht bekommt, für die die überzeugendsten ZeugInnen (und sonstige Beweismittel) streiten, und nicht die, die einfach mehr Leute zusammentrommeln konnte.

    Das lässt sich auf das Debattieren übertragen. Das Ziel der Rede ist es (jedenfalls in OPD) in allererster Linie, zu überzeugen. Diesem Obersatz muss sich alles Weitere stellen. Damit wäre schon gesagt, dass Qualität auf jeden Fall vor Quantität gehen muss. Was nützen 1000 Argumente, wenn keines tauglich ist, zu überzeugen? Sie können nicht überzeugen. (Qualität hier übrigens in dem Sinn, dass sie in der Lage zu Überzeugen sind; sie mögen logisch und faktisch falsch sein, solange sie gekauft werden). Es wäre wenig überzeugend, wenn Quantität und Qualität gegeneinander aufgewogen würden und dann schlechte Argumente gewinnen können, nur weil sie ein größeres Mehr an Quantität hatten, als die andere Seite ein Mehr an Qualität.
    Aber selbst wenn man die Auswahl hat zwischen wenigen und vielen gut ausgeführten Argumenten, werden zwar häufig viele besser sein. Das erscheint mir aber nicht zwingend. Denn zum einen gibt es Argumente, die sich gegenseitig ausschließen, weil sie eine bestimmte Team-Line voraussetzen. Zum anderen kann die Masse an Argumenten, selbst wenn sie gut gemacht werden, dem einzelnen Argument sein Gewicht nehmen. Ob das der Fall ist, kann nur die Jury in der konkreten Debatte sagen. Als festes Kriterium taugt die Menge der Argumente daher nicht.

    Übrigens halte ich den Punkt, dass die Leute unkreativ werden, wenn sie nicht gezwungen werden, neue Argumente zu suchen, für nicht schlüssig. Schon jetzt ist man in OPD angeregt, weiter zu denken. Wenn ich mich in einer Debatte, in der die moralische Oberhoheit oder gar eine Asymmetrie zu meinen Gunsten habe, allein darauf verlasse, werde ich auf die Nase fallen, denn die anderen werden sich in jedem Fall etwas ausdenken, dass ich kontern muss. Wenn ich unerwartete Punkte bringe, habe ich jedenfalls ein Überraschungsmoment auf meiner Seite. Anreiz für Kreativität gibt es mE genug.

    Deshalb: Zustimmung zu Alex, Nico und den Übrigen!

  9. Alex L. (DD) sagt:

    @Tobi: Genau den von dir erwähnten Artikel hatte ich auch im Kopf, weswegen ich auch geschrieben habe, dass viele Argumente bei der Entscheidungsfindung in BP eher über den zweiten als über den ersten Platz entscheiden werden; ich hatte hier eher die Situation vor Augen, dass ein Team aus einer ansonsten sehr ausgeglichenen Debatte heraus sticht. In dem Fall können mehr Argumente auf jeden Fall ein Zeichen dafür sein, dass ein Team sich gegenüber den anderen hervorgetan hat. Aber daraus abgeleitet glaube ich eben auch nicht, dass es in BP nur auf Menge ankommt, da Argumente erst dann relevant und stark werden, wenn sie komplett dargelegt worden sind. Es gibt Redner, die vier, fünf Argumente plus Rebuttal in eine Rede unterbringen können, ohne im Ungefähren zu bleiben, aber es gibt auch Gründe, warum dies eher die Ausnahme als die Regel ist, denn dies bedarf sowohl Erfahrung als auch Training und vor allem sehr, sehr viel Talent…

  10. Andreas P (Chicago) sagt:

    Ist es in BPS wirklich relevant, wie viele Argumente ein Team bringt?
    Ich bewerte nicht danach. Vielleicht doch, wenn die Debatte auf vollkommen inhaltslosen Niveau verläuft, wenn ich also Hilfskonstrukte brauche. Aber sonst? Oder ist damit eine kompliziertere Bewertung anstatt reines Zählens gemeint?

  11. Andreas P (Chicago) sagt:

    Der Dativ ist ein Hund. – vollkommen inhaltslosem –

  12. Marc (DD/FR) sagt:

    @ Andreas: Reines zählen betreibt (hoffentlich) niemand. Du darfst also gerne von einer „komplizierteren“ Bewertung ausgehen. Aber natürlich sind viele gute Argumente holistisch gesehen wahrscheinlich überzeugender als wenige gute Argumente. 😉

    Ich muss auch noch einmal auf den Grundkonflikt verweisen. Es geht Tobi nicht darum, die Argumentzahl per se als Gutleistung zu honorieren, sondern, wenn mehrere Argumente gut dargelegt werden, dieses eben in der Jurierung nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Die Angst ist sicher nicht unberechtigt, nicht zuletzt, da OPD ja gerade nicht holistisch ist. Die meisten Juroren sind sich der Thematik aber bewusst (jetzt sind es vielleicht auch noch ein paar mehr) und lassen Gutleistungen schon im SQ nicht unhonoriert.

  13. Witthaut sagt:

    Mmmh… Ich glaube, dass Tobis sehr relevantes Problem hier nicht wirklich betrachtet wird. Spätestens nach Svens sehr schönem Beispiel sollte allen Beteiligten klar sein, dass Argumente vielschichtig sein können. Argumente können unterschiedliche Dimensionen haben, unterschiedliche relevante Fragen beantworten oder aufwerfen, Schäden aufzeigen und und und. Am Schluss gilt die Regel: Was überzeugt? (Auch in BPS nur anhand einer leicht anderen Auffassung was relevant für Überzeugung ist)

    Wir sind uns also alle sehr schnell einig, dass ein Team nur ein einziges Argument bringen kann, es hervorragend ausführen kann, alle Facetten und Probleme sowie relevanten Fragen damit beantwortet und damit gegen ein Team gewinnen kann, dass zwar auch gut ist, drei Argumente bringt aber eben nicht schafft einen klaren Schaden aufzuzeigen oder ein angeführtes Problem zu beheben. Wir zählen eben nicht, sondern schauen uns die Qualität an. Das haben ja alle Diskussionteilnehmer auch mehr oder weniger so bestätigt.

    Nun aber zum konkreten Problem in OPD, das Tobi hier anspricht: Wenn ich zwei sehr gute Reden vergleiche: In einer Rede werden dre Argumente genannt, in einer nur eines. Beide Redner legen das Argument gleichermaßen gut dar, erklären Mechanismen und zeigen die Relevanz der Punkte auf. Inhaltlich sind beide Reden sehr gut. Einziger Unterschied: Der Redner mit nur einem Argument hübscht das Argument auf, „pimpt“ es durch eine rhetorisch brilliante Rede. In vielen Bewertungen in OPD passiert dann folgendes: Die aufgemotzte Rede erhält in allen Kategorien Bestleistungen, wir sehen eine unglaublich starke Rede, am Ende sind es vll sogar 62 Punkte. Zurecht! Ich will gerade nichts gegen rhetorische Brillianz sagen 😉 Das kann sehr wohl überzeugen!
    Die andere Rede hat in dem Moment aber ein Problem… Obwohl die Argumente genauso wichtig und richtig waren. Die Relevanz und das Verständnis aufgezeigt und deutlich gemacht wurde (ich rede nicht von einer rhetorischen Niete) erhält diese Rede oft in den „rechten“ Kategorien gleichviel oder im Extremfall sogar weniger Punkte. Das ist ungerecht und passiert leider sehr häufig. Die Rede mag immer noch nicht 62 Punkte ergeben (die rhetorische Brillianz war eben nicht in dem Maße vorhanden wie in der anderen Rede) aber es ist doch absurd, wenn der Redner mit nur einem Argument am Ende 14 Punkte in Sachverstand und Urteilskraft kriegt und der Redner mit 3 Argumenten (gleicher Qualität!) nur 12 jeweils obwohl er versucht hat auf mehreren Ebenen mit dem Inhalt des Themas auseinanderzusetzen. Ich bin ein großer Freund, wenn Symbiosen zwischen Kategorien entstehen: Ein gutes Bild hilft mir in Sprachkraft und Sachverstand, wenn es meinen Inhalt unterstreicht. Richtig, deswegen hat die rhetorisch brilliante und relevante Rede 62 Punkte verdient. Aber jemanden verhältnismäßig in den Kategorien schlechter oder gleich zu bewerten, obwohl er versucht hat sich mit mehr Ebenen auseinanderzusetzen halte ich schlicht für ungerecht.

    Deswegen ist Tobis letzter Aspekt auch sehr wichtig: Es sollte auch Anklang in der Kategorie Überzeugungskraft finden. Ja, absolut! Überzeugungskraft stellt sich nämlich auch eine weitere Frage neben „Welches Team möchte ich wieder sehen?“. Die Frage lautet: „Welches Team hat es sich nicht einfach gemacht?“. Welches Team hat versucht das Thema auf all seinen Ebenen zu durchleuchten und sich mit den verschiedensten Facetten auseinanderzusetzen. Deswegen sollten viele Argumente (weiterhin bleibt die Annahme bestehend, das die Qualität gleich gut ist) auch in diese Kategorie mit einfließen. Ich glaube das ist die spannendere Diskussion als die Frage ob wir Argumente zählen sollten. Nein, das sollten wir nicht! 😉

  14. Marc (DD/FR) sagt:

    Da hast du in der Tat recht, obwohl die Dikussion darum, ob es in Urteilskraft einfließen sollte (und vielleicht auch in die Rednerpunkte zur Teamstrategie, wenn eben jene Beleuchtung von mehreren Seiten dieser nützt), glaube ich recht langweilig wäre, da das der Grundtenor aller Beiträge zu sein scheint.

    Interessanter finde ich das zweite Problem, dass du ansprichts: Ist ein Beitrag der ein Argument besonders ausführlich, bildlich, persönlich, gut in Kontext gesetzt, … darstellt besser als ein Beitrag der viele Argumente trotzdem noch gut und nachvollziehbar darbietet. Und diese Frage zielt auf die Subjektivität, die es in OP nun einmal gibt. Zwar gibt es offzielle Umschreibungen für Puktzahlen, aber irgendwo interpretiert diese ja jeder Juror am Ende selbst und legt, bewusst oder unbewusst (aus Mangel an Alternative?), eigene Maßstäbe an, was nun eine 12, 13 oder 14 ist…

  15. Marc (DD/FR) sagt:

    KORREKTUR: Ich meine im ersten Satz natürlich Überzeugungskraft und nicht Urteilskraft!

  16. Christian Ennsgraber sagt:

    Gut dass man hier die Fundamentalopposition einnehmen kann. Ich denke nämlich, dass Argumente zählen in der genannten Form nicht sinnvoll ist. Drei Gründe dafür: (1) Die Anzahl der Argumente, die ein Judge wahrnimmt, ist Resultat einer Framing-leistung. (2) EinE guteR DebattiererIn kann viele Aspekte unter eine Headline bringen, die dann als ein „Argument“ bezeichnet werden kann.
    (3) das Abgrenzungsproblem.
    Conclusio dieser beiden Argumente: Weniger „Argumente“ zu haben ist manchmal eine bessere Leistung.

    Ad (1) Eine Person A framt einen Zustand B, indem sie diesen Zustand B einen Namen C gibt, und erklärt, wie dieser Name mit anderen Namen C‘ und C“ (etc.) für die Zustände B‘ und B“ (etc. zusammenhängt. Klassisches Beispiel dafür ist die Frage, ob man ein Gespräch als ‚Kommunkation‘ oder ‚Geplappere‘ bezeichnet. Genau dasselbe passiert, wenn ich Argumente „zähle“. Ich habe das in meinem zweiten Satz angeführt, in dem, so könnte man mir entgegnen, nur 1 „Argument“ vorkommt. Allerdings ist mögliches Resultat meiner Framing-leistung, dass es andere Personen als 3-4 Argumente wahrnehmen. Natürlich ist dieses Framing wichtig, auch für meine Fähigkeiten als DebattiererIn. Allerdings betrifft das meines Erachtens nur Manner, und nicht die Matterbewertungskategorie. Die Anzahl der Argumente ist also meiner Ansicht nach eine reine Strukturierungsleistung, aber kein zusätzlicher Beitrag zu einer Debatte. Oder: Ein guter Redner definiert, ob eine Ansammlung von Sätzen als Argument bezeichnet oder nicht.

    Ad (2) Natürlich ist die rhetorische Kraft davon, viele Punkte aufzählen zu können, sehr eindrucksvoll. Ich finde es genauso eindrucksvoll, viele Aspekte unter eineN Headline / Frage /Clash unterzubringen (Ist auch einfacher zu jurieren). Die Anzahl der Überschriften, die ja nur die Struktur widerspiegelt, ist dafür nicht wesentlich. Was man unter der Urteilskraft allerdings berücksichtigen muss, wie die konkret gewählte Taktik aufgegangen ist. Insofern stimme ich dem Beitrag zu.

    Ad (3) Einfache Frage, keine Antwort von mir darauf (Frage ist tatsächlich ernstgemeint ;-)): Wo endet ein Argument, wo fängt das nächste an? Angenommen, es sind die unterschiedlichen Enden von Stakeholdern die „natürliche“ Grenze von Argumenten. Dann ist die Frage, ob vergleichende Betrachtungen à la: unser Stakeholder ist wichtiger unmöglich einzuorden (oder ist es ein neues Argument? Wenn dem so ist, so darf diese wesentliche Aufgabe des Schlussredners eigentlich nicht gemacht werden, da dieser ja keine neuen Argumente einführen darf). Außerdem sind die Grenzen unscharf. Interagieren die einzelnen Stakeholder doch miteinander. Das sollte auch in den Sätzen einer Rede Widerhall finden.
    Angenommen, es sind die Anzahl der Beispiele die natürliche Grenze: Dann wäre jedes neue Beispiel schon ein eigenes Argument. Die sind aber eigentlich nur support.
    Angenommen, die Anzahl der „Erklärungen“ / (Analysen) sind die Anzahl der Argumente: Hier fällt das Abgrenzen am schwierigsten, auch wegen der Interaktion der Stakeholder. Auch deswegen, weil einzelne Prämissen in mehreren „Argumenten“ verwendet werden können. Auch deswegen weil ein guter Redner mAn die Analyse ineinander fließen lassen kann. (zählt das dann neu?).
    Angenommen, es ist jedes komplette SExIT Schema ein Argument: Was passiert dan mit inkompletten SExIT-Schemata? Sämtliche Argumente unter den anderen Möglichkeiten von (3) gelten auch für das SExIT-Schema, da dieses ja aus diesen Teilen besteht.
    Conclusio des ganzen: Der Ausdruck ‚Argumente‘ ist zu vage, um einzelne Vorkommnisse von Argumenten zählen zu können.

    PS: Rebuttal: Es gibt Reden, die bestehen nur aus Rebuttal: eigene Argumente?

    PPS: Nein, das ist kein Scherzeintrag, kein Resultat einer Profilierungsneurose, sondern ein ernstgemeinter Beitrag zur im Beitrag genannten Jurierungspolicy.

  17. Alex L. (DD) sagt:

    @Christian: Ich verstehe deine Fundamental-Opposition nicht. Du sagst doch nichts anderes, als dass die Abgrenzung der Argumente nicht möglich ist und es daher keinen Sinn macht, diese zu zählen; zumal das Zusammenführen zu einem „großen“ Argument oft deutlich beeindruckender ist. Wo ist da jetzt ein großer Unterschied zu unserer Position, dass viele Argumente implizit berücksichtigt werden sollen? Dadurch, dass es am Ende davon abhängt, was ich als Juror als Argumente gezählt habe (und wie häufig hat mir ein Juror schon gesagt, dass er etwas als Argument gesehen hat, was von mir nie als Argument geplant war?), ist es doch eindeutig besser, die Argumente nicht zu zählen, sondern die Komplexität der Leistung implizit zu würdigen. Und das ist in meinen Augen die Oppositionslinie in dieser Diskussion.

    Ach so, und der Hinweis im P.P.S war meinerseits nicht notwendig – ich habe auch so verstanden, dass du hier einen ernstgemeinten Beitrag abgegeben hast 😉

  18. Christian Ennsgraber sagt:

    @ Alex: Stimme der Opposition zu, wenn du sagst „ist es doch eindeutig besser, die Argumente nicht zu zählen, sondern die Komplexität der Leistung implizit zu würdigen.“ )Hab vergessen, hinter der Fundamentalopposition ein Smiley zu setzen 😉 (Ich meinte Fundamentalopposition nicht im OPD Sinne, sondern: Ich bin auf Seiten der Opposition, aber „fundamental“). Worin wir, glaube ich, schon unterschiedlicher Meinung sind, ist, dass ich grundsätzlich das zählen von Argumenten für stark willkürlich / unmöglich (und daher nicht zielführend) halte. (und stark abhängig vom Framing). Dafür ist der Ausdruck ‚Argument‘ zu vage. Und zumindest in deinem ersten Posting sagst du ja, dass es besser ist, wenige [gut ausgeführte] anstatt von 7 [schlecht ausgeführten] „Argumenten“ zu bringen.

    Bsp für das von dir genannte Problem: Debatte, ob Inzest erlaubt werden soll. In einem Nebensatz erwähne ich das Wort ‚Ekel‘ als Ursache für unsere Abneigung gegen Inzest. (keine weitergehende Analyse meinerseits, Opp sagt: das ist ja nur eine behauptung). Ein Problem für den Juror tut sich hier für mich auf: Jede Begründung muss irgendwann enden (und unbegründete Prämissen sind das Resultat davon). Wo dieser Punkt ist, ist abhängig von der Debatte, aber auch vom Geschmack des Redners /Jurors, von den Framingkünsten (Dinge wichtig machen) und von den erwarteten Detailkenntnissen (weiß das der durchschnittliche Zeitungsleser?). Man könnte diese Aussage mit dem Ekel als unbegründete Behauptung gelten lassen. Oder man könnte sagen, sie ist schon Analyse /Argument. Aber ob ich es als 0 oder 1 Argument zähle, sollte dafür irrelevant sein. Um meine Aussage also nocheinmal mit anderen Worten zu erläutern: Die Grenze zwischen bloßer Behauptung und Analyse ist eine graduelle, keine qualitative ja-nein-Frage. Das mag dem nicht widersprechen, was du gesagt hattest über eine holistische Bewertung und das Bewerten kurz angerissener Aussagen. Aber, so glaube ich, es ist ein anderer Grund.

    PPS: das PPS habe vor allem gesetzt, da dies mein erstes Kommentar auf dieser Seite war und mir meine Meinung extrem vorgekommen ist. Ich wollte dabei nicht so arrogant wirken, wie es beim nochmaligen lesen auch bei mir selber wirkt ;-).

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