Keynote für den 3. Jurier-Think-Tank in Hamburg

Datum: 22. März 2017
Redakteur:
Kategorie: Jurier-Think Tank, Jurieren, Mittwochs-Feature

Die Nachbearbeitung des 3. Jurier-Think-Tanks ist abgeschlossen. Bevor am Freitag der gesamte Inhalt des Think-Tanks, mit allen Vorträgen, Diskussionen und Dokumenten, veröffentlicht wird, steht heute die Keynote von Marion Seiche im Mittelpunkt. Bei dem hier veröffentlichten Text handelt es sich um eine Zusammenfassung des Papers, das als PDF in voller Länge abrufbar ist. Dieses Paper war die Grundlage der auf dem Think-Tank gehaltenen Keynote, welche die wesentlichen Aspekte des Papers aufgreift, aber nicht vollständig ausführt. Die Keynote steht als Video auf dem Youtube-Kanal für Jurierqualität zur Verfügung.

Professorendebatte Magdeburg 2015 © AVMZ/OVGU

Nicht alle sind vom Debattieren so begeistert- © AVMZ/OVGU

Das Debattieren ist gesellschaftlich nicht unumstritten. Häufig werden kritische Fragen an das Debattieren gestellt oder direkt Argumente gegen das Debattieren vorgebracht. Als Szene sollten wir diese Kritik nicht ungeprüft an uns abprallen lassen, sondern uns fair mit ihr auseinandersetzen. Denn das hilft uns nicht nur, glaubwürdig zu bleiben – sondern vor allem, besser zu werden.

In meiner Keynote setze ich mich mit Vorwürfen an das Debattieren auseinander, die von den Philosophen meiner Uni mir gegenüber des Öfteren geäußert wurden. Es gibt nämlich einige Gründe, aus denen viele Philosophen dem Debattieren (und damit dem Jurieren eingeschlossen) – also der Praxis, die wir Debattierenden betreiben – sehr kritisch gegenüber stehen. Um diese Gründe, eine Einschätzung ihrer Stärke und eine Erwiderung aus debattierinterner Perspektive, geht es in meiner Keynote.

Im Einstieg zur Keynote skizziere ich einen allgemeinen Vorwurf – das Debattieren sei Sophisterei, arbeite allzu oft mit kaschierender Rhetorik, Tatsachenverdrehung und habe eine Tendenz, Zuhörende über die scheinbare Gültigkeit von Schlüssen täuschen. Zuerst erwidere ich, warum Debattieren grundsätzlich als ein Spiel mit bestimmten Regeln zu verstehen ist, wie es sich von konsensorientierter Wahrheitsfindung unterscheidet und warum der pauschalisierte Vorwurf der Sophisterei so nicht gilt. Anschließend führe ich im ersten Teil der Keynote zwei Vorwürfe differenzierter aus. Der erste Vorwurf betrifft das Vorkommen problematischer Schlüsse innerhalb des Debattierens. In diesem Abschnitt setze ich mich mit der Frage auseinander, inwiefern im Debattieren die Anwendung ungültiger Schlussregeln, sowie anderer Phänomene, die Argumentationen formal ungültig werden lassen (z. B. ein unvollständiges Set von Prämissen) in relevantem Maße auftreten. Nachdem ich eine Einschätzung diesbezüglich vorgenommen habe, skizziere ich im nächsten Abschnitt den meiner Meinung nach schwereren Vorwurf an das Debattieren: dass wir insgesamt zu wenig Acht darauf legen, inhaltlich falsche (deskriptive) Prämissen in unseren Argumentationen zu identifizieren und zu vermeiden. Vielleicht bietet das kompetitive Debattieren in mancher Hinsicht sogar Anreize, mit unklaren oder sogar falschen Prämissen, erfundenen Beispielen oder einer stark vereinfachten Faktenlage in der Debatte zu arbeiten, weil man sich davon einen Vorteil erhofft? Von diesen beiden großen Vorwürfen, scheint mit dieser zweite jedenfalls der relevantere zu sein.

Die Finaljury der Jenaer Adventsdebatten, v.l.n.r.: Helen Goppelt, Jan-Gunther Gosselke, Pegah Maham, Jonathan Scholbach, Florian Umscheid - © Eva Oehrmann

Die Jury als Korrektiv? – © Eva Oehrmann

Im zweiten Teil der Keynote stelle ich dann eine Erwiderung auf diese Vorwürfe aus debattierinterner Perspektive vor und gehe speziell darauf ein, wie wir als Jurierende dazu beitragen können, problematische Schlüsse und falsche Prämissen zu identifizieren und zu deren Vermeidung im Debattieren beizutragen. Bezogen auf den ersten Vorwurf, der die ungültigen Schlussregeln und formal ungültige Schlüsse betrifft, verweise ich auf die Jury als Korrektiv und erläutere, wie unsere Praxis des Debattierens an sich schon bemüht ist, die Korrektheit von Schlüssen und deren Explizitheit gut zu bewerten – und wie wir Jurierende noch besser darauf achten und Redner/innen darauf hinweisen können. Weil ich, wie schon erwähnt, den Vorwurf, das Debattieren unternähme zu wenig gegen falsche Prämissen, für den schwereren Vorwurf gegenüber unserer Praxis halte, beschäftige ich mich im Anschluss ausführlicher mit einer Erwiderung auf diesen. Ich betrachte Maßnahmen, die wir jetzt schon ergreifen, um eine möglichst gute gemeinsame Faktenlage in einer Debatte zu schaffen (z. B. Factsheets, genaues Prüfen der Themenauswahl durch geschulte Chefjurys auf Ausgeglichenheit und Debattierbarkeit, o. ä.) und beschäftige mich mit der Frage, wie wir sowohl mit absichtlichen Täuschungsversuchen als auch mit Fachwissen innerhalb der Debatte umgehen sollten.

Der letzte Abschnitt des zweiten Teils wendet sich dann einem besonderen Vorwurf von einer bestimmten Gruppe Philosophen zu. Dieser Vorwurf zielt darauf ab, dass wir möglicherweise im Debattieren nicht nur mit falschen deskriptiven Prämissen operieren, sondern auch mit falschen normativen Prämissen. Denn: wir debattieren nicht nur praktische Regelungsfragen, sondern häufig auch normative Fragestellungen (Ist es gerecht, X zu tun? Darf man X tun? DHG, man sollte X tun. etc.). Debattieren als Sportart setzt aber voraus, dass bei diesen Fragestellungen beide Seiten ausgeglichen und damit gleichermaßen zu gewinnen sind. Als Sportart müssen wir das sichern – v.a., da die Positionen in der Debatte den Teams zugelost werden. Gäbe es von Anfang an eine Seite, die die normativ richtige wäre, hätte ein Team das Pech, mit der falschen Position gestraft zu sein und Debattieren als Sport würde mit solchen Themen unfair. Denn bei gleichstarken Teams wäre eine Debatte von dieser Position aus dann nicht mehr gewinnbar – es sei denn, nur aufgrund von Zeitmangel träte die Richtigkeit einer Seite innerhalb der Debatte nicht klar hervor, oder das Team auf der ‚richtigen‘ Seite beginge argumentative Fehler. Würde das zutreffen, schiene es keine schöne Beschreibung für das Debattieren als Sportart zu sein. Ich denke, wir operieren daher implizit mit einer metaethischen Annahme über die normativen Prämissen innerhalb des Debattierens: nämlich mit der Wahrheit des moralischen Konstruktivismus bzw. Relativismus. Grob gesagt bedeutet das für unsere normativen Prämissen, dass diese niemals in einem absoluten Sinne als wahr oder falsch angesehen werden, sondern immer nur relativ zu einem bestimmten Kontext oder für eine bestimmte Gruppe von Menschen. Dem gegenüber steht die Position des moralischen Objektivismus, der davon ausgeht, dass es auch in Bezug auf normative Prämissen ein eindeutiges Wahr oder Falsch gibt. Die Philosophen, die diesen Vorwurf machen, zählen zu Vertretern des moralischen Objektivismus. Eine Auseinandersetzung mit dieser Position schließt den zweiten Teil meiner Keynote.

Marion Seiche - © Daniil Pakhomenko

Marion Seiche – © Daniil Pakhomenko

Im dritten und letzten Teil ziehe ich dann ein Fazit aus den bis dahin geschilderten Vorwürfen und meinen Erwiderungen. Ich erläutere, was ich daraus über den Charakter des Debattierens schließe – und warum das Debattieren eine besondere Art der Auseinandersetzung zwischen praktischer (Real)politik und objektivierender Wissenschaft einnimmt. Warum es vielleicht gar nicht in allen Belangen unser Anspruch sein muss und sollte, innerhalb unserer doch knapp bemessenen Redezeit eine möglichst exakte, anspruchsvolle und genaue Abbildung der Welt zu erstellen, sondern dass unsere Praxis stattdessen einen größeren Wert auf das gelungene Schlüsseziehen an sich und das Plausibilisieren der normativen Prämissen, die wir in unseren Argumentationen verwenden, legt.

So viel als grobe Zusammenfassung meines Vorgehens – ich würde mich sehr freuen, wenn einige von euch die Zeit fänden, sich ausführlich mit meiner Keynote auseinander zu setzen und sie mit mir zu diskutieren.

Marion Seiche/jm.

Mittwochs-Feature

Marion Seiche war Chefjurorin zahlreicher Turniere, darunter der DDM 2015 in Münster, der ZEIT DEBATTE Frankfurt 2013, der ZEIT DEBATTE Mainz 2014 und der Regionalmeisterschaften 2013 (WDM), 2015 (SDM) und 2016 (SDM). Im Debattierclub Goethes Faust e.V., dem Debattierclub der Goethe-Universität Frankfurt am Main, war sie außerdem als Präsidentin und Vizepräsidentin aktiv. Als Rednerin gewann Marion mehrere Turniere, darunter die ZEIT DEBATTE Bayreuth 2015, sowie den OWL-Cup 2017. Bei diesen Turnieren, wie auch beim Alstercup 2017, erhielt sie auch den Preis für die beste Finalrede. Außerdem ist sie Deutsche Vizemeisterin 2016.

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

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4 Kommentare zu “Keynote für den 3. Jurier-Think-Tank in Hamburg”

  1. Jonathan Scholbach sagt:

    Das Paper ist sehr lesenswert. Am besten hat mir der Abschnitt gefallen, in dem du logisch konzise begründest, dass es für die Wahrheitsfindung egal ist, ob man eine zugeloste Position vertritt. Nebenbei bemerkt glaube ich, dass die Beobachtung, Philosophen stünden dem Debattieren skeptisch gegenüber, einem Bias aufsitzt. Es hängt sicherlich sehr von der jeweiligen erkenntnistheoretischen und ethischen Position ab. Ich habe mal etwas länger mit einem Ästhetik-Prof über das Debattieren geredet – er war der Auffassung, dass im Debattieren konsequenterweise auch die Kleidung (!) mit bewertet werden müsste, da sie eine rhetorische Wirkung hat.
    Aber das nur nebenbei, nun zum Eigentlichen:

    Ich stimme in fast Allem überein, aber in einer Sache bin ich anderer Meinung: Ich meine, dass wir in einer Situation, in der Team A von falschen Prämissen ausgeht, deren Falschheit einem unbedarften Publikum nicht auffällt, und Team B von wahren Prämissen ausgeht, Team A nicht gewinnen soll, auch wenn A besser, d.h. detaillierter, plausibler, etc. argumentiert hat. Denn: ein lügendes oder unwissentlich falsch liegendes Team A bringt sein gegnerisches Team in ein schweres Fahrwasser und verschlechtert das Niveau der Debatte. Die Gültigkeit von (empirischen) Aussagen lässt sich oft nicht zwingend aus anderen (empirischen) Tatsachen folgern – deswegen brauchen wir ja empirische Wissenschaften, um die Welt zu erkennen. Nun muss B sehr viel strategische Überlegung aufwenden, wie es mit der falschen, aber einem unbedarften Publikum glaubwürdigen Tatsachenbehauptung umgehen soll. Es muss ggf. auch seine eigene Strategie komplett ändern, weil die Debatte ganz anders werden kann, wenn auch nur eine bestimmte falsche Tatsache als wahr gilt. Es sollte B in dieser Situation meiner Meinung nach einfach genügen, zu sagen, dass die entsprechende Faktenbehauptung von A schlicht falsch ist, damit es seine gültigen Argumente vorbringen kann, statt sich an einer falschen Behauptung die Zähne auszubeißen.
    Schon oft habe ich diese Situation aus Perspektive des Teams B erlebt. Ich erinnere mich beispielsweise an eine Debatte zum Thema „Brauchen wir eine gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik?“ (übrigens bereits im Jahr 2010, hier waren die CAs mal wieder vorausschauender als die Bundesregierung), in der das gegnerische Team behauptete, jeder Mensch könne in die Hauptstadt seines Landes fahren, könne dort in der deutschen Botschaft Asyl beantragen und würde im Fall der Anerkennung nach Deutschland geflogen. (Die Jury schenkte dieser Behauptung leider Glauben.) Wie soll man die Falschheit dieser Aussage plausibilisieren? Es handelt sich um eine kontingente gesetzliche Regelung, die nicht aus anderen Fakten logisch zu schlussfolgern ist. Das ist nur ein Beispiel; die Betrachtung weiterer Beispiele zeigt, dass es oft nicht möglich ist, bestimmte falsche Tatsachenbehauptungen vor dem Horizont des angenommenen Publikums zu entkräften.

    In solche Situationen muss das Team das die Fakten vertritt, Recht bekommen. Auch schon, damit das Hacken der Regeln erschwert wird. Andernfalls würde nämlich das Finden falscher, aber plausibler und günstiger Alternativer Fakten belohnt werden. Wenn man damit ab uns zu mal auf die Nase fällt, weil jeman in der Jury sitzt, der sich auskennt, gibt es einen Anreiz, sich besser zu informieren und auf falsche oder ungewisse Behauptungen zu verzichten.

  2. Alex L. (D/MZ/DD) sagt:

    Ein wirklich hochinteressantes Paper, das allen Juroren ans Herz gelegt werden sollte! Insbesondere die Herausarbeitungen, dass es uns eher um saubere Schlussfolgerungen als um die empirische Faktenlage geht, halte ich für elementar – sonst würden wir ja Forensic Debate betreiben. Daher ist es richtig und wichtig, dass du dies noch einmal in dieser Deutlichkeit herausgearbeitet hast.

    Ich teile daher auch anders als Jonathan deine Position, dass im Zweifelsfall lieber das Team, das auf faktisch falschen Prämissen aufbaut, gegenüber dem mit den faktisch richtigen Prämissen gewinnen sollte, sofern das erstere Team eine bessere Leistung bei den Schlussfolgerungen und der Abwägung der beiden Seiten gezeigt hat (auch wenn ich für OPD einschränken würde, dass sich falsche Prämissen dennoch bei den Einzelreden im Sachverstand und im Team bei der Urteilskraft niederschlagen müssen – aber sie sollten nicht ausreichen, um alle anderen Leistungen eines Teams zu entwerten).

    Ich habe außerdem noch eine Anmerkung zum moralischen Objektivismus: Ich glaube, dass die implizite Annahme der Existenz eines zumindest subjektiven moralischen Objektivismus‘ tatsächlich einer der Hauptgründe ist, warum Debattanten – auch außerhalb der Gruppe der Philosophen – mit einem gewissen Unverständnis oder sogar Misstrauen begegnet wird. Aussagen wie „Oh Gott, dann müsste ich ja für/gegen X argumentieren!“ oder „Aber dann betätigt man sich doch als geistiger Brandstifter!“ sind mir schon mehr als einmal begegnet. Dahinter verbirgt sich die implizite Annahme, dass bestimmte moralische Streitfragen bereits so offensichtlich entschieden sind, dass schon alleine das Aussprechen einer anderen Schlussfolgerung unmoralisch wäre. Die Folge dieses leider sehr verbreiteten Widerwillen, den eigenen moralischen Kompass immer wieder neu zu eichen, zeigt sich dann in kaum erklärbaren Paradoxien – wie z.B. der Befürwortung von Abtreibung (weil ein Fötus im Frühstadium noch kein Bewusstsein hat) bei gleichzeitiger Ablehnung von Stammzellenforschung (weil eine befruchtete Eizelle bereits potenzielles Leben ist). Eventuell löst Debattieren daher einfach ein Unwohlsein aus, weil es die fehlende Kohärenz in der eigenen Argumentation nur zu deutlich hervorhebt und den Finger in die Wunde legt. Zugegebenermaßen wird dies bei Philosophen natürlich nicht zutreffen, aber die mangelnde Bereitschaft in der Gesellschaft, die einmal getroffenen Schlussfolgerungen zu hinterfragen, ist schon bemerkenswert.

    Schlussendlich noch ein Bemerkung zum oftmals verkannten Charakter der Debatte als Spiel. Auch diese Beschreibung der Deabtte halte ich für sehr bemerkenswert und zutreffend. Aber vielleicht liegt es auch an uns, dass wir diesen Charakter nicht genug betonen? Wir begnügen uns in Finalveranstaltungen normalerweise mit dem simplen Hinweis darauf, dass die Redner nicht zwangsläufig ihre eigene Meinung vertreten – aber verstärkt das nicht eventuell sogar den Verdacht der Sophisterei? Wie wäre es daher mit einem neuen, zusätzlichen Disclaimer: „Bitte beachten Sie, dass am Ende dieser Debatte ein Team zum Sieger gekürt werden wird. Dies heißt aber keineswegs, dass die Streitfrage damit ein für allemal abschließend beantwortet, die Sieger im Recht und die Verlierer im Unrecht sind! Vielmehr bedeutet es, dass ein Team im Rahmen der gegebenen Regeln seine Aufgaben besser gelöst hat als die anderen. Mit anderen Teams, einem anderen Thema oder auch nur zwei Stunden Schlaf mehr für die Beteiligten könnte das Ergebnis auch ganz anders aussehen. Betrachten Sie daher das heutige Finale nicht als die ultimative Beantwortung unserer Streitfrage, sondern als Einladung, selber über die Debatte nachzudenken: Welche Argumente haben Sie überzeugt? Welche nicht? Wo hätten Sie am liebsten widersprochen und warum? Das sind die Fragen, von denen wir uns wünschen, dass sie diese aus dem heutigen Finale mitnehmen – für die Debatte nach der Debatte!“

  3. Thomas Wach (Halle) sagt:

    @Alex
    Zwei Fragen:
    (1) Nehmen wir mal an, Team A baut seine Argumentation auf der Prämisse auf, Frauen als Gruppe seien eine homogene Gruppe und daher mobilisierbar für diese oder jene doch gute Aktion.
    Ist solch eine Darstellung für dich einfach nur Abstraktion/Reduktionismus oder die Verwendung einer falschen „empirischen“ Faktenlage?
    Wenn Team B angesichts dieser, ich nenne es mal, realitätsfremden Prämissen sich die Haare rauft und diesen Punkt angreift und platt macht, aber darauf auch das Gros ihrer Zeit verwendet, wer gewinnt bei Dir?

    (2) Nehmen wir mal an, Team A gewinnt bei Dir. Nehmen wir mal an, wir packen überall den Disclsimer hin, dass das ja alles nur ein schönes, verschnörkeltes Spiel von Wortgirlandenflechtern ist?
    Wer sollte dann, aus meiner Sicht völlig zurecht, dann diesen Zeitvertreib von Rhetorik übenden, sozial besser gestellten Studierenden noch Ernst nehmen? Wenn die ach so kkomplizierte Realität keine Rolle spielen muss, dann ist das Hochschuldebattieren dann doch nur noch dazu dar, sich die sozio-ökonomisch bedingten impliziten Vorverständnisse und Weltbilder gegenseitig zu bestätigen, nur halt noch verschnörkelter. Und die Hinterfragung der eigenen Meinung, das ganze Gebrabbel von vetschiedenen Perspektiven und die Fiktion, politische Bildung zu betreiben, all das kannst du einpacken. Denn wenn Realität keine Rolle spielt, dann gehst du einen zentralen „bias“ nicht mehr an: Nämlich die Frage, wie Welt und Gesellschaft konturiert ist. Dann dürfen alle weiterhin an ihre engen, kleinen reduzierten Versionen glauben. Die Exploration, die Entdeckung neuer Sinnzusammenhänge, die ja eh extrem unwahrscheinlich und anstrengend ist, hat damit keinen Platz mehr im Debattieren. Zurück bleibt nur Ignoranz gegenüber dem, was man nicht kennt und da schlüssige Wortgirlanden zählen, auch nicht kennen muss.
    Zurück bleibt nur (hohle) Rhetorik.

    1. Alex L. (D/MZ/DD) sagt:

      a) Wenn die Prämisse entscheidend für die Argumentation war, wahrscheinlich Team B, weil Team B sich besser mit der Debatte auseinandergesetzt hat. Wenn die Prämisse nur für einen Nebenaspekt eine Rolle gespielt hat, dann Team A, weil Team B offensichtlich nicht in der Lage ist, die Hauptpunkte der Debatte zu erkennen. Mir geht es nur darum, dass eine Unwahrheit nicht automatisch zu einer Niederlage führen sollte – schon allein, weil ich als Juror aufgrund meines eigenen Wissenstands und Bias nie zweifelsfrei alle Unwahrheiten erkennen könnte.

      b) Was ist Debatte denn bitte sonst wenn kein Spiel? Wie soll in einer Debatte mit starren Regeln und zugelosten Seiten jemals die WAHRHEIT herausdestilliert werden? Debatte kann der Anstoß sein, über ein Problem intensiv nachzudenken, nie aber die Lösung! Darum ist es auch nicht bloß „hohle Rhetorik“. Aber schlussendlich ist jeder Versuch, über eine starre, willkürlich festgelegten Regeln unterworfenen Debatte, eine Streitfrage letztinstanzlich und endgültig zu entscheiden, zum Scheitern verurteilt. Ich halte diese Erhöhung von Debattierturnieren zu etwas anderem als einem bloßen Wettkampf für sehr irritierend – Debattieren bringt viel für die Persönlichkeitsentwicklung, aber es kann keinen Anspruch darauf haben, einem Publikum die Welt zu erklären. Dafür hat sie einfach viel zu viele Mängel wie z.B. die rigide Zeitbeschränkung oder die für eine wirkliche Durchdringung des Themas ungenügende Vorbereitung.

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