Themenpräferenzen – Umfrage ausgewertet

Datum: 24. Mai 2017
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature, Themen

Letzten Monat hatte Pegah Maham eine Umfrage zu Debattierthemen versendet, um festzustellen, wie die Szene verschiedenen Themen gegenübersteht. Die Ergebnisse der Umfrage wurden nun ausgewertet und sind nachfolgend von ihr veröffentlicht und diskutiert.

Vorab: An der Umfrage nahmen 116 Personen teil. Die Umfrage mit den exakten Fragestellungen lässt sich hier einsehen (weitere Antworten werden nicht gespeichert). Die anonymisierten Daten können sich Interessierte auf Anfrage an pegah [dot] maham [at] gmail [dot] com schicken lassen.

Wovon hängt die Themenvorliebe ab?

Wer den Fragebogen ausgefüllt hat, erinnert sich vielleicht: Ich habe abgefragt, ob man aktiv auf Turniere fährt und ob man bereits auf mehr als 10 Turnieren war. Außerdem habe ich anhand des Namens ein Geschlecht zugewiesen. Keine dieser Angaben hängt jedoch zusammen mit der Vorliebe für Thementypen. Das heißt, keine dieser Eigenschaften korreliert (> 0,15) mit irgendeiner anderen Angabe. Man hätte zum Beispiel vermuten können, dass es Unterschiede zwischen ehemaligen und aktiven Debattierenden gibt. Dies wird zumindest in dieser Stichprobe nicht gezeigt.

Abbildung 1

Abbildung 1

Mittlere Korrelationen (> 0,2) gab es hingegen zwischen Themenpräferenzen. Dabei gab es keine wirklichen Überraschungen. Eine Korrelationstabelle ist in Abbildung 1 zu sehen. In rot markiert sind Korrelationen, größer als 0,3, in orange markiert Korrelationen größer als 0,2. (Je größer eine Korrelation, desto stärker der Zusammenhang.) Man kann beispielsweise erkennen, dass diejenigen, denen es wichtig ist, dass ein Thema viele Menschen betrifft und relevant ist, es oft auch mögen, realpolitische Themen zu debattieren. Menschen, die hypothetische Szenarien in Debatten mögen, legen im Schnitt mehr Wert auf Kreativität und präferieren häufiger abstrakte Themen. Menschen, die es mögen, dass Wissen zum Thema gefordert wird, präferieren häufiger realpolitische Themen. Alles nicht wirklich verwunderlich.

Was mögen Debattierende an Themen?

Es gab zwei Typen von Fragen zu Themen. Zum einen wurde die Wichtigkeit von „gar nicht wichtig“ (entspricht dem Wert 1) bis „sehr wichtig“ (entspricht dem Wert 5) zu einigen Kriterien abgefragt. Das waren die (1) Ausgewogenheit, (2) Neuheit, (3) Relevanz und (4) Kreativität. Zum anderen wurde die Präferenz von „gar nicht gerne“ (entspricht dem Wert 1) bis „sehr gerne“ (entspricht dem Wert 5) abgefragt zu folgenden Eigenschaften: (1) Das Thema ist realpolitisch und realistisch, (2) Das Thema ist abstrakt und philosophisch, (3) Das Thema findet in einem hypothetischen Szenario statt. („Angenommen, dass…“/“Angenommen es gäbe…“), (4) Das Thema fordert Wissen zum Thema.

Abbildung 2

Abbildung 2

Abbildung 3

Abbildung 3

In der Tabelle unten kann man Mittelwerte und Standardabweichung erkennen. Die Diagramme zeigen die genaue Verteilung der Antworten zu den Fragen. Sowohl auf den Diagrammen als auch in der Tabelle lässt sich erkennen, welche Kriterien als besonders wichtig angesehen werden (hoher Mittelwert), aber auch wie unterschiedlich die Meinungen dazu sind. Eine hohe Standardabweichung, wie sie bei Relevanz, als auch bei abstrakten oder hypothetischen Themen zu sehen ist, zeigt, dass sich hier die Geister streiten.

 

Diese Frage, was ein gutes Thema denn nun ausmacht, lässt sich bis auf eine Eigenschaft nicht klar beantworten: Unterschiedliches – die Geschmäcker sind verschieden. Was man aber klar herausziehen kann: Der Wunsch nach ausgeglichenen Themen überragt alle anderen Kriterien deutlich. 96% der Befragten bewerten die Ausgeglichenheit mit 4 und 5 Punkten. Das ist wenig verwunderlich. So kann ein unausgeglichenes Thema einen den Break kosten und macht unseren Sport ein stückweit unfairer, weil man viel mehr leisten muss, um bei einem schiefen Thema gegen ein anderes Team zu gewinnen.

Kriterium Mittelwert Standardabweichung
Das Thema ist ausgeglichen 4,70 0,06
Das Thema ist neu 3,00 0,08
Das Thema hat eine hohe Relevanz und betrifft viele Leute 3,00 0,11
Das Thema ist kreativ 3,20 0,10
Das Thema ist realpolitisch und realistisch 3,90 0,09
Das Thema ist abstrakt und philosophisch 3,40 0,11
Das Thema findet in einem hypothetischen Szenario statt 3,20 0,11
Das Thema fordert Wissen zum Thema 3,20 0,09

 

Fazit: Worauf sollten wir achten?

Als Szene können wir bereits aufgebaute Strukturen nutzen, um Chefjuror*innen darin zu trainieren, ausgewogene Themen zu stellen. Ein Erfahrungsaustausch auf dem nächsten Jurier-Think-Tank wäre denkbar – ein Prozessworkshop noch besser – um gesammelte Erfahrung weiterzugeben. Auch neue Meta-Konzepte könnten diskutiert und in einem Experiment ausprobiert werden. Beispielsweise das Benennen von Chefjuror*innen zweiter Instanz, die nach der Fertigstellung die Themen zu sehen bekommen und ggf. stark abraten können, wenn ihnen ein Thema unausgeglichen vorkommt.

Pegah Maham im Gespräch auf einem Turnier - © Anna Mattes

Pegah Maham im Gespräch auf einem Turnier – © Anna Mattes

Als Chefjuror*innen sollten wir, wie es bisher auch getan wird, einen hohen Wert auf Ausgeglichenheit legen. Im Vergleich zu internationalen Turnieren, scheint mir die deutschsprachige Szene ausgeglichenere Themen zu setzen. Die letzten beiden Vorrunden der EUDC 2016 beispielsweise waren in einer Stärke unausgeglichen, wie ich es auf deutschsprachigen Turnieren noch nicht erlebt habe: Die Eröffnende Regierung ist fünf- bzw. dreimal häufiger letzter als erster geworden. Dieser Wert sollte eigentlich ausgeglichen sein. Die Eröffnende Opposition hat in der letzten Runde sogar zehnmal häufiger den ersten Platz erreicht, als den letzten. Ähnliche Statistiken gibt es auch bei anderen internationalen Turnieren.

Solche starken Verzerrungen sind mir von deutschsprachigen Turnieren nicht bekannt. Ich würde nichtsdestotrotz empfehlen, diese Form der Daten für die Ausgewogenheitsanalyse, insbesondere bei großen Turnieren mit großer Stichprobe, zu erheben. Die gängigen Tab-Programme bieten diese Möglichkeit auch an. Dadurch können mehr Leute ein Gefühl dafür entwickeln, welche Themen regierungs- oder oppositionslastig sind und Chefjurys ihre Themen evaluieren.

Auch das bereits auf der Achten Minute von Jonathan Scholbach diskutierte Erstellen von Casefiles kann helfen die Ausgewogenheit von Themen zu prüfen.

Chefjuror*innen und Turnierjuroren sollten eine ähnliche Vorstellung davon haben, was überzeugend ist. Da die Turnierjuroren oft sehr divers sind, kann es helfen, auch Chefjuror*innen möglichst divers zu besetzen. Damit meine ich vorallem Diversität in Hinblick auf Wertevorstellungen, Prämissen und ähnliches. Sind die Chefjuror*innen nämlich nicht repräsentativ für den Jurorenpool, kann das Thema schnell unausgewogen werden. Nehmen wir an, alle 4 CJ sind deutlich liberaler als der Jurorenpool und setzen ein Thema, das ihnen ausgewogen vorkommt: Auf dem Turnier muss dann die Seite, die den liberalen Case verteidigt, der den CJ ausgewogen vorkam, unter Umständen mehr Arbeit leisten, als erwartet wurde.

Als Debattierende sollte uns bewusst sein, dass der eigene Geschmack nicht zwangsläufig von allen anderen geteilt wird. Was der einen sehr am Herzen liegt, ist der anderen egal und stört vielleicht sogar die dritte. Während 42 % gerne hypothetische Szenarien debattieren, mögen 30 % das eher nicht. Solange wie bis jetzt verschiedene Thementypen gesetzt werden, ist für jeden etwas dabei.

Pegah Maham/lok.

Mittwochs-Feature

Pegah Maham studiert derzeit in Berlin und gewann verschiedene Turniere, darunter auch die ZEIT DEBATTE Tübingen 2015, erhielt verschiedene Auszeichnungen als beste Finalrednerin und ist Mitglied der Chefjury der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2017. In der Saison 2015/16 war sie VDCH-Beirätin für Equity und Fairness.

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

 

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5 Kommentare zu “Themenpräferenzen – Umfrage ausgewertet”

  1. Ruben B. sagt:

    Danke, und mehr Befragungen!

    kleiner Einwand
    „Die letzten beiden Vorrunden der EUDC 2016 beispielsweise waren in einer Stärke unausgeglichen, wie ich es auf deutschsprachigen Turnieren noch nicht erlebt habe“
    Die letzten beiden Runden auf sehr großen Turnieren wirken fast nie ausgeglichen aber das ist größtenteils auch statistisch zu begründen. Wenn alle teams im Raum ungefähr gleich gut sind (lies: ende eines riesigen Turniers mit vielen Runden), fällt der Einfluss des Themas schwerer ins gewicht. (zwei wichtige Quellen von Varianz(plus residuum) eine wird stark eingeschränkt und boom)

    „Dieser Wert sollte eigentlich ausgeglichen sein. Die Eröffnende Opposition hat in der letzten Runde sogar zehnmal häufiger den ersten Platz erreicht, als den letzten. Ähnliche Statistiken gibt es auch bei anderen internationalen Turnieren.“
    Siehe oben: Der Erwartungswert ist eben nicht eine Gleichverteilung. Angenommen alle Teams in allen Räumen sind gleich gut, dann sollte (abgesehen von unbedingter Zufälligkeit) in jedem Raum das gleiche Ranking entstehen und das Thema perfekt UNausgeglichen wirken

    Generell lohnt sich das absolute anschauen von Themenbias nicht wirklich da wir die Varianz durch Teams (vor allem den grad der sortierung) dann nicht kontrollieren. Viel besser wäre es ein Maß für Unausgeglichenheit mit der gleichen nominellen vorrunde eines ähnlich großen Turnier mit ähnlich starkem Feld zu vergleichen (oder der Menge dieser).

    aber für Finalthemen gilt dies wieder nicht da es häufig plausibel ist, dass sowohl der erste als auch der letzte Raum nicht gut „sortiert“ sind, also die Unterschiede zwischen den Teams immer noch von Bedeutung. d.h. im Top und Bottom Raum gewinnt häufiger das „beste“ team und das „schlechteste“ verliert. die Faltung der outrounds macht das weiterkommen starker Teams dann auch wieder wahrscheinlicher etc.

    tl;dr: Gleichverteilung in späten Runden ist nicht zu erwarten. Themenbalance ist schwer zu messen

    1. Pegah (BDU) sagt:

      Hey Ruben,

      wenn ich dich richtig verstehe, sagst du, dass es zwischen den Teams in den letzten Runden quasi keine Differenz mehr gibt und deswegen durch einen Hauch Unausgewogenheit (der unvermeidlich ist) das Ranking ungleichverteilt wird?
      Ich denke, es gibt noch genug Differenz zwischen den Teams, selbst nach sieben Runden „Sieben und Filtern“, um bei einer zufälligen Positionierung der Teams auf alle vier Plätze asymptotisch eine Gleichverteilung von einem Thema erwarten zu können. Allein die Schwankungen von Themenfeld zu Themenfeld, wo jedes Team variierende Stärken und Schwächen hat. Oder allgemeine Energie- und Stimmungsschwankungen. Daher können solche Daten ein guter Indikator sein. Es wird ja auch oft genug eine gleichverteilte Verteilung erreicht.

  2. Allison (MZ) sagt:

    Am Rande: Wie ging eigentlich die Frage zu den Zwischenrufen bei BPS aus? 😀

    1. Pegah (BDU) sagt:

      Hey Allison,
      die Ergebnisse zu den beiden Fragen sollen natürlich auch veröffentlicht werden. Ich wollte diesen Artikel und eventuelle Diskussionen damit nur nicht sprengen. Habe die 8M schon gefragt diesbezüglich. Dachte an ein kurzes Statement für und wider ZR und dann die Ergebnisse. Falls sich dafür zwei Leute finden wäre das klasse. Ansonsten twitter ich die Tortendigramme einfach die Tage?

  3. Jonathan Scholbach sagt:

    Vielen Dank, Pegah, dass du die Umfrage gemacht hast! Sie unterstreicht in meinen Augen die Verantwortung der CAs für ausgewogene Themen. Eine Personenstunde CA-Arbeit, die zu ausgewogeneren Themen führt, ist gut investiert – denn sie bedeutet 100 Personenstunden mehr Spaß auf dem Turnier.

Kommentare sind geschlossen.

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