WUDC Countdown 6: „Wir sollten es einfach genießen“ – WUDC-Chefjurorin Isabelle Fischer im Interview

Datum: 23. Dezember 2012
Redakteur:
Kategorie: International

Isabelle Fischer (geb. Loewe) ist Teil des Chefjuroren-Teams auf den diesjährigen World University Debating Championship in Berlin. Seit dem Jahr 2003 debattierte Isa zunächst im Debattierclub der Universität Bonn und lebt seit 5 Jahren in Berlin. Nach ihrer Rednerkarriere, die sie bis ins Finale der Eurpopean Universities Debating Championship 2006 führte, hat sie eine beeindruckende Karriere als Jurorin zurückgelegt. Zuletzt fungierte sie als Chefjurorin auf den Europameisterschaften in Tallin 2008 und in Belgrad 2012. Für die Achte Minute sprach Philipp Stiel über ihre Aufgaben und die Vorbereitungen auf die WUDC in Berlin 2013.

Isabelle Fischer

Isabelle Fischer

Achte Minute: Hallo Isa – danke, dass du uns so kurz vor der WUDC noch für ein Interview zur Verfügung stehst! Wenn man an die Größe des Turniers denkt – 800 Redner, 300 Juroren – steckt dein Chefjurorenteam da nicht schon bis zum Hals in der Vorbereitung?
Isa: (Lacht) Nun ja, wir haben durchaus noch Einiges vor uns – aber wir haben auch schon gut vorgearbeitet, damit wir noch ein paar Tage in Ruhe Weihnachten feiern können, bevor es losgeht.

Achte Minute: Woran arbeitet ihr im Moment, 2 Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft?
Isa: Gestern haben wir unseren Jurorentest veröffentlicht, den jeder Juror machen muss, bevor er nach Berlin kommt. In der letzten Woche haben wir zur Vorbereitung unser Briefing veröffentlicht, sozusagen das Regelwerk und viele Erläuterungen, die Streitfragen in der Jurierung auslegen und klären. Das ist wichtig, damit am Ende alle 300 Juroren mit der gleichen Sprache sprechen.

Achte Minute: Wie kann man sich das vorstellen – kennt ihr schon vor dem Turnier alle Juroren und habt sie über die Saison hinweg beobachtet?
Isa: Nein, das wäre schön… ist aber viel zu aufwendig. Natürlich kennen wir einige der angemeldeten Juroren: viele gehören zu den besten Juroren im aktiven Debattieren, haben schon auf vielen großen Turnieren, Regional- und Weltmeisterschaften juriert. Und da wir ein sehr internationales Chefjurorenteam haben, können wir uns da auch sehr gut ergänzen. Aber es gibt natürlich viele Juroren, die keiner von uns kennt, sie kommen schließlich aus 82 Ländern. Genau deshalb gibt es unseren Test, damit wir zumindest einen ersten Eindruck haben, bevor das Turnier losgeht. So viel kann ich also schon verraten: Wir werden auf der WUDC einen sehr guten Jurorenpool haben.

Achte Minute: Wie verbessert ihr denn euer Wissen über die Juroren während des Turniers? Bei 300 Juroren und 5 Chefjuroren könnt ihr unmöglich alle selbst in einer Jurierung sehen…
Isa: Natürlich nicht! Deshalb gibt es auch in Berlin wieder ein umfangreiches Feedbacksystem: Redner geben uns Feedback zur Jurierung in ihrem Raum und auch die Juroren untereinander geben Feedback…

Achte Minute: …das ihr dann alles lest und euch merkt…
Isa: …lesen – ja, merken – nicht alle Details. Wir versuchen das gesamte Wissen, das wir über unsere 300 Juroren haben, in einer Note zu kondensieren. Damit geht zwar viel Detailwissen verloren, aber anders lassen sich 300 Juroren nicht auf 100 Räume aufteilen. Jeder bekommt in unserem Computersystem eine Note von 1 bis 9. Und diese Note ändert sich im Idealfall stetig entsprechend der Informationen die wir erhalten. Denn wir lernen immer wieder dazu – und die Leistung der Juroren kann sich ja auch verändern, zum Guten wie zum Schlechten während des Turniers.

Achte Minute: Mal wieder zurück zur Ausgangsfrage: Auf eure Themen habt ihr euch sicherlich schon geeinigt, oder? Isa:Nein, noch gar nicht – das wollen wir machen, wenn wir alle fünf hier in Berlin sind. Aber wir haben auch hier schon vorgearbeitet, immerhin sind wir verantwortlich für 19 verschiedene Themen, die alle gut debattierbar und interessant sein sollen. Bis jetzt gibt es eine große Liste von über 80 potentiellen Themen, die wir zusammengetragen haben und jetzt auf Herz und Nieren prüfen.

Achte Minute: Worauf prüft ihr eure Themen?
Isa: Zunächst soll jedes Thema fair debattierbar sein, das heißt, es muss für beide Seiten ausreichend viel Argumentationsmaterial geben. Und die Themen müssen für alle Teilnehmer zugänglich sein – sprich sie müssen für den Großteil der Studierenden, die ja mit verschiedensten Hintergründen hierher kommen, bekannt oder innerhalb kurzer Zeit erschließbar sein. Über das Deutsche Gesundheitssystem werden wir also definitiv keine Debatte hören – das kann ich schon verraten. (lacht)

Achte Minute: Weißt du eigentlich noch, wann du zum ersten Mal eine Debatte auf einem internationalen Turnier juriert hast?
Isa: (Überlegt) Nein, leider nicht mehr genau – aber es war im Jahr 2007. Dort habe ich auch zum ersten Mal an einer Europameisterschaft als Jurorin teilgenommen. Und dein bisher spannendstes Finale als Jurorin? Das war definitiv im vorletzten Jahr auf der Weltmeisterschaft in Botswana. Dort durfte ich sogar das offene Finale jurieren, das für englische Muttersprachler offen ist. Das war für mich als Nicht-Muttersprachlerin eine große Ehre. Und das Thema damals war auch unglaublich spannend: „This house would invade Zimbabwe.“ – immerhin das Nachbarland von Botswana.

Achte Minute: Da hofft man dann, dass die Teilnehmer wirklich persönliche Meinung und die Debattensituation gut auseinander halten können…
Isa: Oh ja, das ist eine Grundvoraussetzung beim Debattieren! Schließlich muss jeder mal für eine Position kämpfen, die wirklich nicht seine Eigene ist.

Achte Minute: Und wenn das mal nicht klappt – da ist ja ganz schönes Konfliktpotential drin…
Isa: Das kommt vor. Aber wir sind dafür gerüstet – ein Equity-Team ist auf den Worlds für diese Konflikte da, wenn Teilnehmer mal etwas in den falschen Hals kriegen. Aber wir hoffen natürlich darauf, dass alle Teilnehmer sich professionell verhalten. Fairplay im Debattieren sozusagen.

Achte Minute: Wirst du davon viel mitbekommen auf dem Worlds in Berlin? Schließlich habt ihr eine ganze Menge zu tun während des Turniers.
Isa: Das stimmt – dieses Turnier wird bestimmt ein anderes Erlebnis für mich als für viele Teilnehmer. Aber ich wohne ja auch sonst in Berlin… (lacht). Nein, im Ernst, wir wollen als Chefjurorenteam versuchen, ein ansprechbares Team zu sein. Sprich, wir vergraben uns nicht vollständig, sondern schicken auch immer einen von uns fünfen als Floater raus, der mit den Teilnehmern spricht und die Stimmung einfängt.

Achte Minute: Stimmung – das ist ein gutes Stichwort. Ob die bei den eisigen Temperaturen in Berlin wohl aufkommt? Das ist ja nicht mit Manila oder Botswana vergleichbar…
Isa: Nein, definitiv nicht. Aber ich weiß, dass die Organisatoren alle Teilnehmer seit Monaten darauf vorbereiten. Ich bin sicher, dass die Stimmung toll wird. Berlin ist einfach eine Stadt, die so viel zu bieten hat – wenn man die Nase voll hat am Abend nach den Vorrunden, kann man einfach in die Stadt abtauchen und auch Anderes erleben. Die Anmeldezahlen waren ja gigantisch für das Turnier und viele bleiben noch ein paar Tage danach. Ich jedenfalls freue mich sehr auf das Turnier, auf ein tolles Helferteam, eine tolle Stimmung. Wir sollten es einfach genießen.

Achte Minute: Du wirst es auch genießen, weil es dein letztes großes Turnier ist. Du hast schon verraten, dass du nach den Worlds in den Debattierruhestand gehen wirst. Was kommt danach?
Isa: Irgendwann ist das Berufsleben einfach zu stressig – und ich kann mir auch gut vorstellen, Sylvester mal etwas anderes zu machen als auf eine Weltmeisterschaft im Debattieren zu fahren. Und ich denke, nach 50 Turnieren als Jurorin, da habe ich es mir auch verdient.

Achte Minute: Und all die Helfer, was sollten die nach dem Turnier machen?
Isa: Die haben erst mal eine große Mütze Schlaf verdient. Und dann sollten sie sich ein anderes Hobby suchen… (lacht). Aber ich weiß, das funktioniert nicht. Debattieren macht einfach Lust auf mehr.

wudc_berlin Die World Universities Debating Championship (WUDC) sind das größte Debattierturnier des Welt und finden vom 27. Dezember 2012 bis 4. Januar 2013 in Berlin statt. 400 Teams werden dort um den Titel des Weltmeisters streiten, 1400 Gäste erwartet die ausrichtende Berlin Debating Union dazu aus 82 Ländern. In 2011 fand die Weltmeisterschaft in Manila, Philippinen statt, seit 1981 wird sie jährlich um den Jahreswechsel ausgetragen, seit 1996 immer im British Parliamentary Style. Mehr Informationen unter www.wudcberlin.com.

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1 Kommentare zu “WUDC Countdown 6: „Wir sollten es einfach genießen“ – WUDC-Chefjurorin Isabelle Fischer im Interview”

  1. Henrik sagt:

    Das erste internationale Jurieren? – Spätestens bei den IUB Open 2007, und gleich als Co-CA.
    Das waren noch Zeiten … 😉

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