Das gescheiterte Missglücken – Einblicke in die BaWü 2010

Datum: 23. November 2010
Redakteur:
Kategorie: Themen, Turniere

Die Deutsche Meisterschaft 2011 muss abgesagt werden – oder zumindest verlegt. Sollte der Debating Club Heidelberg sie organisieren, wird sie eine Katastrophe, das ist gewiss. Mit der als Generalprobe für die DDM 2011 gehandelten Baden-Württembergische Meisterschaft 2010 hat sich der Club als DDM-Ausrichter definitiv disqualifiziert. Wie soll die Premiere gelingen, wenn die Heidelberger schon das Missglücken der Generalprobe total versauen? Ein Desaster!

Das begann schon am Freitag: Freundliche Gastgeber, die für reibungsloses Einchecken in geräumige und angenehme Jugendherbergszimmer sorgten. Noch nicht einmal das Jugendherbergsessen war schlecht genug, um den guten Eindruck zu verderben.  Der problemlose Transfer zu den Vorrundenräumen im superzentralgelegenen Kurfürst-Friedrich-Gymnasium ließ erneut Schlimmes befürchten für die DDM.

Wenigstens kam es zu Zeitverzögerungen – uff! Die Münchner reisten verspätet an, so ein Glück! Doch die Stimmung vor Ort blieb erschreckend gut, ein Haufen netter junger Menschen amüsierte sich, Chefjuroren und Cheforga übertrafen einander gegenseitig mit guter Laune, mischten sich unters Volk und – schlimme Sache – zeigten sich tatsächlich interessiert an den Turniergästen. Und dazu gab es auch noch Lebkuchen!

Almut Graebsch, Lukas Windhager und Marco Niedermaier (v.l.) triumphierten und holten zum zweiten Mal nach 2007 den Sieg bei der Offenen Baden-Württembergischen Meisterschaft nach München. (Foto: Till Kroeger)

Nach der ersten Vorrunde wurde den Teilnehmern sogar eine Lokalität direkt neben der Jugendherberge vorgeschlagen. Wenigstens abartig lange nächtliche Heimwege hätte man doch arrangieren können, aber nein, die Heidelberger fanden es wohl lustig, den BaWü-Gästen Komfort zu bieten. Die angeheiterten Teilnehmer, die am frühen Morgen zurück in die Jugendherberge torkelten, wurden zu allem Übel auch noch von einem freundlichen Nachtportier begrüßt, der sie gleich einlud, in der Lobby Platz zu nehmen und in Ruhe das Wegbier zu leeren.

Am Samstag mussten Redner und Juroren fast ausschlafen, erst um zehn Uhr ging die zweite Vorrunde los. Nach der dritten Vorrunde direkt im Anschluss gab es nicht nur exotische und unglaublich leckere Pizzakombinationen, sondern auch noch eine charmante Stadtführung von Bert Wunderlich oder als Alternativprogramm (vor allem von Juroren genutzt) eine Kneipe direkt neben der Schule: Bier, preiswertes Essen, beheizte Raucherterrasse. Nach dem Stadtführungs- oder Kneipenpäuschen besaßen die Heidelberger dann die Frechheit, mit einem Waffel- und Kuchenbuffet (alles selbstgemacht) auch noch den Organisatoren der ZEIT DEBATTE Jena 2009 Konkurrenz um den inoffiziellen Preis der besten Kaffeepause zu machen.

Die Breakverkündung: Charmant und souverän. Auch nicht schön sowas. Mit engagierten Reden und vor begeistertem Publikum versuchten Teams aus Mainz (3 Teams), Göttingen, Frankfurt, Karlsruhe, Stuttgart und München, es ins Halbfinale zu schaffen. Anschließend ging es für die Redner und Zuschauer entspannt zum Abendessen in die Jugendherberge, für die Juroren wahlweise ebendorthin oder in die bereits erwähnte und längst liebgewonnene Kneipe. Und überall nur gute Laune, schließlich erwartete die Teilnehmer – und jetzt wird es richtig beängstigend – ein Cocktail-und-Häppchen-Abend in einer Heidelberger Cocktailbar. Grauenvoll: Bis Mitternacht waren die Cocktails auch noch umsonst!

Aber schlimmer geht immer: Nicht nur die Orga war prima, sogar die Teilnehmer waren cool. Man munkelte sogar, dass da irgendwas in die Waffeln gemixt worden sei, das für diese entspannte, gute Atmosphäre gesorgt habe. Selbst als Favoriten gehandelte und knapp gescheiterte Viertelfinalisten akzeptierten ihre Niederlage klaglos, dankten artig für freundliches Feedback und holten sich noch einen Cocktail.

Nach einer für die einen mehr, für die andere weniger wilden Partynacht in der Heidelberger Altstadt trafen in den Halbfinaldebatten in einem Raum Mainz und Karlsruhe, im anderen Raum ein anderes Mainzer Team und München aufeinander. Als – nach Subs, Kuchen und wiederum erschreckend entspanntem Kaffeehausbesuch – der Finalbreak bekanntgegeben wurde, konnte die BaWü zu allem Überfluss mit einer ganz seltenen Besonderheit aufwarten: Einem Präsidentenentscheid!

Die unterlegene Regierung: Nicolas Eberle, Sascha Schenkenberger und Thore Wojke (v.l.) aus Mainz versuchten vergeblich, die Präimplantationsdiagnostik zu verbieten. (Foto: Till Kroeger)

Sowas gab es zuletzt bei der ZEIT DEBATTE Göttingen 2008 (und auch damals traf es Mainz). Diesmal siegte München punktgleich gegen ein Mainzer Team und zog ins Finale des Turniers ein. Doch auch die Redner vom Rhein jubelten, hatten sich doch im anderen Raum die anderen Fassenachter durchgesetzt – kein Problem für Karlsruhe, für die zwar jetzt im Turnier Schluss war, die sich aber das Finale besonders entspannt anschauen konnten, denn da hatten sie den Titel des Baden-Württembergischen Meisters “im Ländle“ als bestes Team aus dem namensgebenden Bundesland schon in der Tasche. Noch nicht einmal richtig frustrierte Halbfinalisten brachte dieses Turnier zustande!

Das Todesurteil für die DDM 2011 in Heidelberg spricht Thore Wojke aus Mainz. “Es ist unbeschreiblich schwierig, für dieses Turnier die richtigen Worte zu finden“, bekennt er traurig, als er über die BaWü spricht, und versucht es doch: “Von allen Adjektiven sind ‘großartig‘, ‘brillant‘, ‘fantastisch‘, ‘exzellent‘, ‘exzeptionell‘ und ‘ehrfurchtgebietend‘ in der engeren Auswahl.“ Doch es kommt noch schlimmer: „Ich kann mich nicht erinnern einst an einem besseren Turnier teilgenommen zu haben“, erklärt der Cheforganisator der vielgerühmten Mainzer DDM 2009. Besonders bitter: Die Freundlichkeit der Orga sei ‘vorbildlich“ gewesen, räumt Thore ein.

Jenny, Kristina und Maike (v.l.) wurden von ihrem Club mit Christsternen beschenkt. Maike hatte sogar wohl dank einer Vorahnung ihre Bluse farblich auf das Geschenk abgestimmt. (Foto: Till Kroeger)

All dies erklärte Thore, nachdem er ein Finale verloren hatte. Kein Frust, nirgends! München schlug Mainz im Finale und jubelte über einen gebrochenen Bann (seit drei Jahren hatte München kein Turnier mehr gewonnen, wird berichtet), alle feierten beim Sektempfang und bekamen zum Abschied noch ein Stückchen Kuchen mit auf den Weg, die Heidelberger rund um Maike Jung, Jennifer Holm und Kristina Seebacher waren immer noch freundlich und fröhlich, als sie die letzten Gäste hinauskomplimentierten, nicht ohne ihnen halbvolle Sektflaschen in die Hand gedrückt und vielfach für ihr Kommen gedankt zu haben. Selbst nach dem Finale waren noch Zigaretten aufzutreiben (völlig unüblich!) – natürlich bei einem der Heidelberger. So lang man auch sucht: Es gibt nichts auszusetzen an dieser Meisterschaft. „Perfektes Turnier“, urteilt Anette Purucker aus Bayreuth lapidar.

Die Generalprobe ist geglückt, ein fatales Zeichen für die Premiere im Juni. Wir haben nicht viele Möglichkeiten, liebes VDCH-Land: Entweder wir stellen uns auf eine katastrophale DDM ein oder wir suchen einen neuen Austragungsort.  Einzige andere Chance: Wir erklären den Spruch, dass die Premiere nur klappt, wenn die Generalprobe schiefgeht, für Humbug und freuen uns auf eine grandiose DDM. Steffen Jenner, der direkt vom Flugzeug aus Übersee, wo er seinen Doktorvater besucht hatte, nach Heidelberg zum Turnier kam, tut das. “Die DDM ist hier in den allerbesten Händen“, ist der Tübinger überzeugt.

Wenn die DDM in Heidelberg nur halb so gut wird wie die BaWü, dann dürfte sie damit locker zu einer der besten aller Zeiten werden. Außer für BaWü-Chefjuror Mario Dießner aus Potsdam, der jammert: “Wenn es auf der DDM genauso gut läuft wie auf der BaWü 2010, dann müssen sich Berufsnörgler wie ich wirklich etwas einfallen lassen, um noch etwas kritisieren zu können.“

Mario, Yin und Volker (v.l.), Chefjuroren der BaWü und erschreckend kompetent. (Foto: Till Kroeger)

Am Sonntag, 21. November, gewannen Lukas Windhager, Almut Graebsch und Marco Niedermaier für den Debattierclub München die Offene Baden-Württembergischer Debattiermeisterschaft 2010. Sie setzten sich im Finale gegen Nicolas Eberle, Thore Wojke und Sascha Schenkenberger vom Debattierclub Johannes Gutenberg Mainz durch. Als Fraktionsfreie Redner standen im Finale die beiden Göttinger Nicolas Friebe und Magnus Schmagold sowie die Mainzerin Andrea Gau. Nicolas Friebe war nach dem Finale bester Redner des Gesamtturniers („Top of the Tab“), Magnus Schmagold erhielt mit einer mittleren Wertung von 19 Punkten bei der professionellen Finaljury (Abzug wegen ungerechtfertigter Generalopposition) den Preis der Ehrenjury. Das Finale wurde präsidiert von Chefjuror Mario Dießner, juriert von den beiden Chefjuroren Volker Tjaden aus Bonn und Yin Cai aus Heidelberg gemeinsam mit Lukas Haffert aus Köln, Dominic Hildebrand aus Tübingen und Anja Pfeffermann aus Bayreuth. Das beste Team aus Baden-Württemberg waren Michael Pruß, Christoph Baumhardt und Jenny Bachmann für die Debatte Karlsruhe. Sie nehmen den Titel des Baden-Württembergischen Meisters „im Ländle“ mit nach Hause und werden die BaWü 2011 veranstalten.

Der Debating Club Heidelberg richtet im Juni die Deutsche Debattiermeisterschaft (DDM) 2011 im Rahmen der ZEIT-DEBATTEN-Serie des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH) aus.

glx / apf

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7 Kommentare zu “Das gescheiterte Missglücken – Einblicke in die BaWü 2010”

  1. Leonhard W sagt:

    Dein schlechtester Artikel bis jetzt, Gudrun. Bei dem Niveau kann ich auch echt wieder mehr Zeit auf Spiegel Online verbringen. Gleich mal an Bildblog weitergeleitet…

    Schade trotzdem, dass Wien es nicht nach Heidelberg geschafft hat…

  2. Nicolas F sagt:

    Ich möchte daran erinnern, dass es doch einen Lichtblick gibt – zum einen gab es nur Wasser in den Vorrunden zu trinken und keinen Apfelsaft und man musste Treppensteigen – für Gichtkranke ganz klar eine Belastung. Allerdings wurde mir versichert dass bei der DDM auch Fruchtsäfte gereicht werden und im Zweifel ein paar DDGler als Sänftenträger für lädierte Jungdebattierer eingeladen würden. Also befürchte ich, das mir altem Dauernörgler doch noch der Spass an der DDM genommen wird.

    EInzige Hoffnung : unfähige Juroren (haben sich aber leider bei der BaWü auch nicht entdecken lassen)

    Daher an alle: FAHRT NICHT ZUR DDM ! ! ! Wenn man den Maßstab der BaWü anlegt ist von einem genial geilen Turnier auszugehen das euch den Spaß an normalen Debattierturnieren schal werden lässt!

    Gruß aus Göttingen
    Nicolas

  3. W_C_C_W sagt:

    Bestes Artikel aller Zeiten für das beste Turnier aller Zeiten!

  4. W_C_C_W sagt:

    und der schlechteste Schreibfehler aller Zeiten! War einfach zu beeindruckt noch von Turnier und Artikel!

  5. Miri sagt:

    Ich muss mich obwohl ich nicht anwesend war, über die übertreiben ausführliche Berichterstattung beschweren. Insbesondere über das Live Mittwittern der achtenminute einer Finalrunde! Ich hab mir ein Internetfreies Wochenende gegönnt und als ich am Montag auf Arbeit meine Twitter Zeitleiste durchging, musste ich eeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeewig nach unten scrollen um den nächsten relevanten Tweet zu finden und habe mind. 20 Minuten wertvollste Arbeitszeit verloren! Eine Unverschämtheit sowas! Wenn der/die Verfasser/in dieser Tweets noch Zeit hatte, so ausführlich zu twittern, dann kann das Turnier in der Tat nur das oben beschriebene Desaster gewesen sein. Sie, sollten sich was schämen!

  6. Verena Gräf sagt:

    Herrlich!

Kommentare sind geschlossen.

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