Anders als Schattenboxen: Die zweite Debatte im ZDF

Datum: 13. September 2013
Redakteur:
Kategorie: Debattieren in der Öffentlichkeit, Politik und Gesellschaft, Rezension

Aller guten Dinge sind drei: Nachdem 3sat im letzten Jahr bereits eine erste Ausgabe von die debatte gesendet hatte und die Sendung vor vier Wochen Premiere im ZDF hatte, lief am gestrigen Abend die dritte Debatte im ZDF. Nachdem sich Stimmen aus der Debattierszene kritisch zur ersten Sendung im ZDF geäußert hatten, wurde die zweite mit Spannung erwartet. Würden man die Fehler der ersten Sendung korrigieren?

Die zweite Debatte im ZDF: Dasselbe Studio, neues Konzept (c) Screenshot ZDF Mediathek

Die zweite Debatte im ZDF: Dasselbe Studio, neues Konzept
(c) Screenshot ZDF Mediathek

Als Zuschauer wollte man dem ZDF gestern vor allem zur Wahl des Themas gratulieren. „Wir haben die moralische Pflicht, in Syrien einzugreifen“ erfüllte alle Ansprüche an ein Thema, das man im Finale eines Turniers hätte debattieren können: Es war aktuell, eindeutig, streitbar und mitreißend. Die nächste augenfällige Veränderung, die der Sendung sehr gut tat, war das Fehlen von Politikern. An den Rednerpulten standen vier Männer, die zu dem komplexen Thema viel beizutragen hatten und keine parteipolitisch festgelegten Positionen mimen mussten.

Akteure in der Arena

Erster Redner der Pro-Fraktion war Sadiqu Al-Mousllie, Exil-Syrer und Vertreter des oppositionellen syrischen Nationalrats, der den Militärschlag als Ultima Ratio betrachtet. „Syrien hat bis heute 11.000 Kinder verloren. Es ist ein Krieg, den ein mörderisches Regime gegen die Zivilbevölkerung führt. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Militärschlag gut heißen würde, aber leider Gottes haben wir keine andere Möglichkeit mehr, um diesen Diktator abzusetzen“, begründete er seine Position. Auch Udo Steinbach, langjähriger Leiter des Deutschen Orient-Instituts, befürwortete den Einsatz. „Der Westen kann nicht immer von Moral sprechen, Europa kann sich nicht immer in Sachen Menschenrechten und Freiheit auf ein Podest stellen und am Ende versagen, wenn es um die Praktiken von Diktatoren geht“, sagte er.

Jürgen Todenhöfer, Jurist und Autor mehrerer USA-kritischer Bücher, äußerte sich kritisch zu dem Einsatz. Er mahnte, die Interessen der Syrer müssten berücksichtigt werden: „Es gibt viele Syrer, die entsetzt über das sind, was die Rebellen dort machen. Und es muss ja auch einen Rückhalt für Assad geben, sonst hätte er sich nicht so lange gehalten.“ Ebenfalls für die Contra-Fraktion stritt Michael Lüders, langjähriger Nahostkorrespondent für DIE ZEIT. „Es ist keine Lösung, in diesen sehr komplexen Krieg einzugreifen, der auch von dem Hass der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppierungen aufeinander geprägt wird. Wer Syrien angreift, muss wissen, dass er eine Fackel in ein Pulverfass wirft“, sagte er.

Als fünfter Akteur in der Arena trat Moderator Theo Koll diesmal gemessen am Redeanteil deutlich zurückhaltender auf, verfolgte aber gleichzeitig eine klarere Linie. Er traute sich, die Redner zu unterbrechen, wenn das Wichtigste gesagt war, und verzichtete darauf, den Fluss der Sendung durch eingestreute Zusatzinformationen zu behindern. Hilfestellung bekam er diesmal auch durch die Neuerung, die Zuschauer mit blauen und roten Karten auszustatten: Dadurch wurde ihm angezeigt, an welche Seite die Frage gerichtet werden sollte. So konnte er die Debatte besser gestalten. Allein die am Ende der Sendung präsentierte „Wörterwolke“ gab Rätsel auf. Welchen inhaltlichen Mehrwert bietet eine Auflistung von genannten Schlagwörtern, deren Verwendung nicht tiefschürfender analysiert wird?

Gleichzeitiger Wermutstropfen und Höhepunkt der Sendung: Die Zuschauerfragen

Vor der Debatte lief das heute-journal, und die Botschaft des ZDF war klar, als Claus Kleber mit den Worten auf die nachfolgende Sendung verwies, dass sie anderen Regeln folge als die üblichen Talkshows. Das ist richtig. Allerdings stellte sich erneut heraus, dass die debatte mit einer Debatte, wie wir sie kennen, nicht viel zu tun hatte. Nach den vierminütigen Eingangsstatements der Redner folgte dieses Mal keine Diskussion der Redner untereinander. Im Anschluss an die Eröffnungsstatements der vier Teilnehmer kam direkt das Publikum zu Wort, das es nicht immer schaffte, seine Fragen kurz und prägnant zu formulieren. Nur selten konnten die Redner aufeinander reagieren, und wenn, dann nicht ausführlich. Koll schritt oft mit der Begründung ein, dass das Publikum ja noch zahlreiche andere Fragen habe.

So lobenswert das Anliegen auch war, die Zuschauer mit einzubeziehen: Es verhinderte, dass die Fraktionen eine tiefgründige Argumentation aufbauen konnten. Statt die debatte hätte die gestrige Sendung Interessierte Zuschauer befragen Experten zum Syrien-Konflikt heißen können. Es wurden zwar unterschiedliche Argumente genannt, aber eine tiefgehende Begründung, ein Widerlegen der Gegenargumente oder eine Abwägung der Positionen blieb aus. Die Debatte blieb dadurch skizzenhaft.

Spielte eine große Rolle: Das Studiopublikum (c) Screenshot ZDF Mediathek

Spielte dieses Mal eine große Rolle: Das Studiopublikum
(c) Screenshot ZDF Mediathek

Andererseits entstanden die Höhepunkte der Sendung gerade durch die Fragen der Zuschauer, weil sich dieses Mal nicht nur studentische Debattierer zu Wort meldeten (oder solche, dies es einmal waren), sondern vom Thema persönlich Betroffene. Ein junger Exil-Syrer etwa, dessen Eltern gemeinsam mit anderen Zivilisten in einem syrischen Dorf in Angst vor den bewaffneten Rebellen leben, wollte von Al-Mousllie wissen, wie die Militarisierung der Rebellen denn zum Wohl Syriens beigetragen habe. Den stärksten Auftritt hatte eine Deutsch-Syrerin, die angab, im Aktionsbündnis Freies Syrien aktiv zu sein, und sich an die Contra-Fraktion richtete: „Ich selbst war vor Kurzem auf eigenes Risiko in Aleppo und nicht wie Sie, Herr Todenhöfer, mit Genehmigung Assads. […] Herr Lüders, wie erkläre ich einem 14-jährigen Mädchen, das von zehn Soldaten vergewaltigt wurde und dem unser Aktionsbündnis eine Abtreibung bezahlt hat: Ihr dürft sterben und vergewaltigt werden, aber wenn es einen Giftgas-Anschlag gibt, dann ist die rote Linie überschritten?“

Aufrichtige Überzeugung statt Beliebigkeit

Es war den vier Teilnehmern der Debatte streckenweise deutlich anzumerken, dass ihnen sehr bewusst war, dass ihr Gegenüber durch persönliche Erfahrung zu einer anderen Meinung gekommen war als sie selbst. Das erforderte Feingefühl im Umgang miteinander. Aber ihre eigene Erfahrung brachte sie auch dazu, an ihrer Überzeugung festzuhalten. Todenhöfer etwa, der die Haltung der US-Amerikaner für falsch hält, nicht mit Assad zu verhandeln, erklärte: „Wer einmal in die Augen eines sterbenden Kindes geblickt hat, kann nicht für Krieg sein. Ich finde aus der Erfahrung meines Lebens Verhandlungen immer besser als Kriege.“ Al-Mousllie argumentierte ebenfalls mit seiner eigenen Erfahrung: „Ich habe gesehen, wie sich die Zahl der Toten in Syrien gesteigert hat. Irgendwann sagt man: Es gibt keinen anderen Weg als einen Militärschlag. Wenn es einen anderen Weg gäbe, wäre ich der Erste, der dafür wäre.“

Solche Momente hätte „richtiges“ Debattieren niemals hervorbringen können, das verglichen mit der gestrigen ZDF-Debatte eher wie Trockenschwimmen oder Schattenboxen anmutet. Studierende, die rhetorisch gewandt zu fast allem etwas Kluges sagen können, tragen Debatten zu austauschbaren Themen in austauschbaren Positionen aus. Von dem menschlichen Leid, das hinter vielen der debattierten Konflikte steht, sind sie selbst in der Regel unberührt. Gerade das macht sie zu Generalisten, die jede Position zu jedem Thema verteidigen können. Das ist aber auch der Grund dafür, dass es meist nur jenen mit einer besonderen Gabe gelingt, die Zuschauer nicht nur mit logischen Argumenten zu überzeugen, sondern sie auch emotional zu bewegen und auf ihre Seite zu ziehen. Die Redner der gestrigen ZDF-Debatte dagegen standen unverrückbar für ihre Seite, durch die zusätzlichen Beiträge des Publikums wurde der Militärschlag gegen Syrien zu etwas Greifbarem, das menschliche Schicksale verändert.

Als Koll am Ende der Sendung beide Fraktionen fragte, ob sie ein Argument der Gegenseite überzeugend gefunden hätten, verneinten alle vier. Das ließ erahnen, dass es weitere spannende Auseinandersetzungen der Redner hätte geben können – wenn denn mehr Zeit für die Aussprache zur Verfügung gestanden hätte.

Das Ende der Talkshow, wie wir sie kennen?

Die gestrige Debatte im ZDF ließ „echtes“ Debattieren als das erscheinen, was es ist: Ein Denksport, der neben die debatte beinahe zynisch erscheint. Beim „richtigen“ Debattieren reden Menschen über etwas, von dem sie mehrheitlich keine wirkliche Vorstellung haben. Deshalb dürften viele, die gestern Abend die debatte verfolgt haben, sie tatsächlich als anders empfunden haben. Anders als eine Talkshow, anders als eine Debatte, vor allem anders als die erste Sendung unter gleichem Namen. Vor Kurzem widmete Anne Will dem Syrienkonflikt eine Sendung, in der zwar zwei Politiker zu Wort kamen, dafür aber auch der Kriegsreporter Julian Reichelt und der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat. Bereits bei der Diskussion war wohltuend gewesen, dass die Einblicke, die Reichelt und Kujat gewährten, für den Zuschauer bereichernd waren. Dafür hatte es mit Sahra Wagenknecht nur eine Gegnerin des Militärschlags gegeben. die Debatte des ZDF, die gänzlich auf Politiker verzichtet und zwei gleich starke Fraktionen vor die Kameras geschickt hat, hätte brillieren können, wenn die Redner noch stärker miteinander ins Gespräch gekommen wären.

Ein genereller Trend lässt sich jedoch ausmachen: ARD und ZDF greifen das traditionelle Format der Talkshow mit Formaten wie der Wahlarena und die debatte an. Dabei sieht man vor allem, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Macht der Zuschauerfragen entdecken. Vielleicht, „weil Bürger unbequemer sind als Talkshow-Moderatoren“, wie Tobias Dorfer in der Süddeutschen Zeitung feststellt.

Dieser Trend ist gut. Dass ein Format, welches in der deutschen Fernsehlandschaft noch nicht allzu oft erprobt ist, ausprobiert und weiterentwickelt werden muss, versteht sich von selbst. Das Fernsehen ist bei Laien nicht für die Korrektur von Sendungskonzepten bekannt, sondern dafür, dass abgesetzt wird, was nicht funktioniert. Das ZDF hat Mut bewiesen, als es die debatte in sein Programm aufnahm und auch als es die Sendung weiterführte, als es nach der letzten Sendung viel Kritik bekam.
Für die Phase des Wahlkampfes waren nur zwei Sendungen geplant. Gerade angesichts der Bereitschaft, das Konzept zu verbessern, freut man sich als Zuschauer auf eine Fortsetzung der Reihe.

Wer die debatte verpasst hat, kann sie weiterhin in der ZDFmediathek anschauen.

kem/ak

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3 Kommentare zu “Anders als Schattenboxen: Die zweite Debatte im ZDF”

  1. Matthias Morrkopf sagt:

    Zwar ist das ganze Format noch dabei sich zu entwickeln, dafür der im Artikel beschriebene Trend nur zu begrüßen. Sei es nun aus persönlicher Betroffenheit oder der Tatsache, dass die Nichtpolitiker nie im Zwang sind Reallösungen/Anträge zu stellen, blieb für mich die
    zentrale Frage zur Beantwortung unbeantwortet: Was kann eine internationale militärische Intervention ohne Bodentruppen ausrichten? Zu Bedenken ist dabei ein Handeln vor bzw. nach der Unterstellung der chemischen Waffen unter russische Kontrolle.
    Denn gerade dieser Punkt ist in der internationalen Verstrickung dieses Stellvertreter“krieges“ entscheidend für die Konsequenzen auf das Handeln der Strippenzieher und letztendlich für die Frage, ob etwas moralisch verpflichtend ist. Diese Moralität muss ja schließlich ebenfalls immer an den Konsequenzen eines Handelnden gemessen werden.

    Beide Seiten nahmen an ein Militärschlag könnte den Konflikt voll entscheiden und Bodentruppen seien nicht in allen möglichen Fällen zwingend. Zu sehen ist es daran, dass die Contra-Seite darauf pocht nicht zu wissen, wer zu unterstützen sei. Doch dass die Unterstützung zum Sieg führt unterstellt sie damit unausgesprochen und die Pro-Seite fordert ihn ja gerade aus diesem Grund.
    Ist ein Regimewechsel ausdrücklich gewünscht? Wenn ja, was soll mit Assad passieren: Internationaler Gerichtshof?; Tod durch Militärschlag?
    Konsequenzen noch und nöcher und alles Teil der moralischen Entscheidung, ob wir Wasser trinken und Wein predigen.
    Vielleicht müsste man sich das Briefing der Redner durch das ZDF und die gemeinsame Vorbereitung der Redner noch einmal genauer ansehen für dieses spezielle Format?!

  2. Vielen Dank für den Artikel! Ich finde auch, dass das Format sich erheblich verbessert hat seit der letzten Sendung. Es ist eben keine Debatte im hochschuldebattiererischen Format, wenn auch verwandt. Ich teile das Fazit: Der Trend ist gut und es wird noch besser, wenn es mehr Zeit bekommt, sich zu entwickeln.

    Ich kann aber die Einschätzung von Debattieren nicht ganz teilen, es handele sich um einen bloßen „Sport“ und es sei „beinahe zynisch“, weil DebattantInnen idR nicht persönlich betroffen seien.

    Zum Sport: Weshalb jemand debattiert, ist sehr persönlich. Ich kann aber von mir schreiben, dass der sportliche Charakter einen Teil, aber nicht das Ganze ausmacht. Natürlich bin ich auf einem Turnier, um das beste Ergebnis für mein Team herauszuholen, das herausholbar ist. Aber Debattieren ist nicht nur das Turnier. Ich debattiere, weil ich dadurch lernte und lerne, das Bananenblatt von zwei Seiten zu betrachten und mich inhaltlich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen. Insbesondere ermöglichen die Fähigkeiten, die man beim Debattieren erwirbt, erst sich in den politischen Prozess einzubringen und damit dann vielleicht auch die Erfahrungen zu machen, die in „die debatte“ so beeindruckt haben. Dabei ist Debattieren für mich nicht ein Ersatz für eine Beteiligung am öffentlichen Meinungsaustausch, sondern erhöht meine Möglichkeiten dazu.

    Zum Zynismus zwei Punkte:
    Erstens kann bei einer Syrien-Debatte, bei der tatsächlich die meisten DebattantInnen eher nicht persönlich betroffen sind, leicht übersehen werden, dass es durchaus eine Reihe von Themenfeldern gibt, in denen (einige oder alle) Debattanten es sehr wohl sind. Das ist oft nicht Äußeres, sehr wohl aber Inneres, oft Justiz, Soziales, Sport, Kultur, Hochschule. Natürlich gibt es immer noch genug Debatten, in denen keineR eine „wirkliche Vorstellung“ hat. Aber wenn wir das als Argument gelten ließen und als allgemeines Gesetz postulierten, dann dürfte – überspitzt gesagt – der Bundestag über wenig mehr als die Diäten debattieren.
    Zweitens aber, bei allem Respekt aus aus persönlichen Erfahrungen gespeister Autorität, ist ein gewisses Maß an rationaler Behandlung von Fragen vielleicht auch dem angemessen, wird es doch kaum vorkommen, dass von einer Entscheidung niemand einen wie auch immer gearteten nachteil davonträgt. Konkret zum Militäreinsatz nur ein Beispiel auf jeder Seite: Wir riskieren das Leben von SoldatInnen bzw. wir verhindern verhinderbare Gräueltaten nicht. Diesen Personen sollten wir erklären können, weshalb wir die Nachteile für sie in Kauf nehmen. Mir als Betroffener reichte es nicht, die Antwort zu bekommen, dass die Frau oder der Mann auf der Gegenseite so emotional mitnehmend war. Solche persönliche Autorität kann nur ein Mittel sein, um Argumente zu transportieren – nicht das Argument selbst. So erkennt denn auch der Artikel selbst, dass tiefgründige Argumentationen nicht aufkamen. Ich empfände es eher als zynisch, das Ethos über den Logos zu stellen.

  3. Sarah Kempf sagt:

    Lieber Sven,

    danke für deine Rückmeldung. Allerdings glaube ich, dass hier ein Missverständnis vorliegt. Da uns über verschiedene Kanäle Reaktionen erreichten, unter denen einige deiner Einschätzung ähneln, sei an dieser Stelle noch etwas zur Klarstellung hinzugefügt.

    Erstens: Wir (im Sinne von: die Chefredaktion) finden es sehr gut, dass das ZDF „Die Debatte“ macht, und sind überzeugt, dass es sich lohnt, das Format fortzusetzen. Wie offenbar viele andere auch, so fanden wir die zweite Sendung im Vergleich zur ersten sehr viel gelungener und hoffen auf weitere Sendungen.

    Zweitens: Dennoch schien uns, dass auch die zweite Sendung in der Art ihrer Umsetzung (eher Antworten auf Fragen als Auseinandersetzung der Fraktionen, s.o.) mit dem Debattieren, wie wir es kennen, wenig zu tun hat. Wir hatten den Eindruck, dass die Ausführungen, verglichen mit guten Hochschuldebatten, inhaltlich weniger tiefgründig waren. Das lag nach unserer Einschätzung zum einen an der besagten Umsetzung, zum anderen eben -wie du auch schreibst- daran, dass DebattiererInnen „über den Dingen schweben“ und dadurch eher zu einer rationalen Analyse in der Lage sind.

    Drittens: Nichtsdestotrotz fanden wir, dass die Debatte, obgleich für uns DebattiererInnen ungewohnt und inhaltlich aus verschiedenen Gründen nicht so tiefgründig wie möglich, durchaus ihren Reiz hatte. Für uns lag er darin, dass die Betroffenen (nicht nur „betroffen“ im Sinne von: aus Syrien stammend, sondern auch: als Journalist vor Ort gewesen, als Akteur an politischen Verhandlungen beteiligt etc.) dem Thema einen persönlichen Anstrich geben und die Zuschauer auf eine Weise emotional ansprechen konnten, die man als Redner im Debattieren, wie du auch schreibst, schon allein auf Grund der Themenvielfalt gar nicht bieten kann.
    Hier liegt wohl das Missverständnis. Im Text heißt es nicht, dass Debattieren eine grundsätzlich zynische Freizeitbeschäftigung sei, sondern neben der Sendung, die wir am Donnerstag gesehen haben, beinahe zynisch erscheint. Anders gesagt: Es macht einen Unterschied, ob jemand über den Tod von Menschen spricht, der in einem Kriegsgebiet war und viele Menschen sterben gesehen hat, oder ob es ein Student in einer Finaldebatte macht, der nie mitangesehen hat, wie Menschen getötet wurden. Dass abhängig davon, wer dann über einen Militäreinsatz spricht, die Wortbeiträge anders ausfallen, liegt auf der Hand. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es auf jemanden, der selbst in Syrien war, zynisch wirken würde, wenn ein „Schreibtischtäter“ einen Militärschlag befürwortet. Das macht Debattieren aber nicht schlechter, der Witz liegt ja gerade darin, dass man losgelöst von Betroffenheit auf theoretischer Ebene eine Streitfrage durchdenkt. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man sich eine Debatte anschaut, wie wir sie kennen.

    Deshalb war unser Fazit: Die Sendung am Donnerstag war gut, insbesondere verglichen mit der ersten Debatte, aber aus anderen Gründen, als es eine gute Hochschuldebatte wäre. Weder ist das Gefühl grundsätzlich der Logik überlegen, noch anders herum. Es kommt eben darauf an, welches Ziel man verfolgt.

    Ich hoffe, das konnte zur Klärung beitragen.

    Viele Grüße,
    Sarah

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