Aprilscherz: Der Weg zum erfolgreichen Chefjurierenden

Datum: 1. April 2021
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature

ChefjurorIn bei einem Turnier zu sein, birgt eine Vielzahl an Herausforderungen. Im heutigen Mittwochs-Feature erklärt Jakobus Jaspersen, welchen Stolpersteinen man dabei begegnen und wie man mit diesen umgehen kann.

Wir alle träumen vom glamourösen Leben eines erfolgreichen Chefjurierenden. Ruhm, mittelgute Flaschen Wein und Reichtum warten auf einen in dieser Karriere. Letzteres lässt sich dabei recht einfach in Kekse konvertieren, welche laut moderner Glücksforschung den größten Einfluss auf die Lebenszufriedenheit haben. Aus eigener Erfahrung kann ich auch berichten, dass wenig Dinge bei einem ersten Date mehr beeindrucken, als wenn man beiläufig ins Gespräch einfließen lässt, dass man ja schon verschiedene größere Debattierturniere chefjuriert habe. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Chefjurierende sind die Rockstars von heute und da ich aus diesem heiß umkämpften Markt aussteige, kann ich jetzt meine Tipps und Tricks verraten, wie auch ihr es zu einem erfolgreichen Chefjurierenden bringen könnt.

Networking

Lohnt sich, immer dabei zu haben: die gewonnenen Pokale – © Debating Club Heidelberg e.V.

Den Fuß in die Tür zu bekommen, ist wie in den meisten Branchen ohne Beziehungen nicht einfach. Ich empfehle hemmungsloses Anbiedern an potentielle Turnierorganisatoren. Von störender Selbstachtung oder moralischer Integrität sollte man sich an dieser Stelle freimachen. Komplimente, kleinere Geschenke und Gefälligkeiten ebnen einem den Weg. Besonders günstig sind Situationen, in denen man künftige Organisatoren juriert. Sie gewinnen zu lassen und im Feedback ihre intellektuelle Überlegenheit zu lobpreisen, nimmt die allermeisten Menschen zuverlässig für einen ein (Spr 19.6). Natürlich muss man dafür über seinen Schatten springen und kann nicht wie sonst Punkte nach Sympathie verteilen. Doch wie für jede lohnende Karriere im Spätkapitalismus muss man eben auch für diese schmerzliche persönliche Opfer bringen.

Hat man sich schon eigene Debattiererfolge ergaunert, steht einem noch ein anderer Weg offen: aggressive Selbstvermarktung. Eine bewährte Methode hierfür ist der klassische ‚Ups-da-ist-mir der-Debattierpokal-aus-Versehen-aus-der-Tasche-gefallen-Trick‘. Falls man einen solchen Pokal noch nicht sein eigen nennen kann, sollte man versuchen Dominik oder Joschka zu überreden, ein Team mit einem zu bilden. Den auf die jüngere Geschichte gestützten Prognosen zufolge beschert das einem recht zuverlässig den gewünschten Pokal und ist Zeugenaussagen zufolge auch insgesamt eine recht angenehme Erfahrung.

In jedem Fall ist es ratsam sich anzugewöhnen, alle Debattiererfolge selbstverständlich mit zu erwähnen, wenn immer man von sich selbst redet, was man oft und ausführlich tun sollte. So leitete ich beispielsweise die meisten meiner Sätze ein mit: „Ich als Teil des fünftbesten Teams auf dem Schwarzwaldcup 2016 bin der Meinung, dass…“ und mag meine damalige Beziehung auch daran zerbrochen sein, so bin ich doch Chefjuror geworden und Erfolg spricht für sich selbst.

Themenfindung

Hat man die erste Hürde genommen und ist Chefjurierender, gilt es als solcher an Popularität zu gewinnen, denn diese ist der Treibstoff, welcher einen die CJ-Karrierleiter hinaufkatapultiert. Popularität ist am einfachsten zu haben, indem man Themen stellt, welche als ausgeglichen und interessant gelobt werden. Das naheliegende Problem ist, dass es Arbeit bedeutet, tatsächlich ausgeglichene und interessante Themen zu konstruieren. Und wenn wir arbeiten wollen würden, wären wir schließlich nicht zum Debattieren gegangen, sondern zu Model-UN. Glücklicherweise kann man viel auf Mitchefjurierende abzuwälzen. Damit dies reibungslos gelingt, sollte man den Organisatoren kompetente, aber nicht zu selbstsichere Mitchefjurierende empfehlen. Letzteres verkauft man den Organisatoren dabei am besten als Nachwuchsförderung. Wenn man dann ausreichend geübt im deutschen und österreichischen Traditionssport des Ich-habe-so-viel-zu-tun Jammerns ist, fällt es meist leicht, andere einen Großteil der Arbeit erledigen zu lassen.

Ausgeglichenheit von Themen

Für die Themen, die man trotzdem selbst erstellen muss, gibt es drei einfache Tricks, um Unausgeglichenheit zu kaschieren. Nehmen wir z.B. das in dieser Hinsicht mangelhafte Thema: „DHG Schulen sollten ausschließlich konfessionellen Religionsunterricht anbieten.“ Der erste Trick, den man anwenden kann, ist Verklausulierung. Je schwieriger das Thema zu verstehen ist, desto schwieriger wird es auch für die Debattierenden die Unausgeglichenheit des Themas festzustellen. Eine bessere Formulierung wäre deshalb: „DHG primären und sekundären Bildungseinrichtungen sollte bestimmt sein, religiöse Unterrichtseinheiten in toto einem Modus zu unterwerfen, der sie an spezifische Ausformungen dogmatischer Glaubensgebäude koppelt.“ Ein willkommener Nebeneffekt ist, dass das Verwenden von Fachvokabular und Fremdsprachen eindeutig signalisiert, dass man der Bildungsaristokratie angehört und sich nichts vom gemeinen Pöbel sagen lassen muss – ein Trick,der im Übrigen auch im akademischen Raum nutzbringend zur Anwendung gebracht werden kann.

Der zweite Trick ist das Wiederherstellen von Ausgeglichenheit durch behutsame Erweiterung des Ausgangsthemas. Dies ist eine kinderleichte Übung. Man nehme die Seite, die auf einen automatischen ersten Platz zu enteilen droht, und binde ihr einen Klotz ans Bein. Bezogen auf das Beispielthema könnte das so aussehen: „DHG primären und sekundären Bildungseinrichtungen sollte bestimmt sein, religiöse Unterrichtseinheiten in toto einem Modus zu unterwerfen, der sie an spezifische Ausformungen dogmatischer Glaubensgebäude koppelt, wenn die Alternative inkludiert, dass die körperliche Züchtigung von Kindern erlaubt bleibt.“ Schlagartig ist allen, die das Thema als opplastig verunglimpfen wollten, der Wind aus den Segeln genommen.

Auslöser von Frust und Enttäuschung: Unausgewogene Themen

Zuletzt kann man noch, wenn man wirklich sichergehen möchte, das Thema inhaltlich vernebeln. Je unklarer das Thema wird, desto mehr wird sich das Endergebnis einer Normalverteilung annähern und mit dieser wiederum kann man hinterher allen Kritikern überlegen grinsend im Gesicht herumwedeln. Man schraube zu diesem Zweck einfach den Präzisionsgrad der Formulierung herunter und garniere das Ganze mit ein paar inhaltlichen Abwegen, auf die man unschuldige Debattierende locken kann. Angewendet auf das Beispiel würde dies bedeuten: „DHG panafrikanische Bildungseinrichtungen sollten ermahnt werden, religiöse Unterrichtseinheiten in toto einem Modus zu unterwerfen, der sie an spezifische Ausformungen dogmatischer Glaubensgebäude anlehnt, wenn die Alternative inkludiert, dass die körperliche Züchtigung von Kindern wahrscheinlich erlaubt bleibt.“ In drei einfachen Schritten haben wir aus einem relativ unausgeglichenem Thema etwas gezaubert, dass niemand für seine Unausgeglichenheit kritisieren würde.

Um als Chefjurierender wirklich beliebt zu werden, müssen Themen aber nicht nur durch ihre Ausgeglichenheit bestechen, sondern auch Interesse wecken. Zu diesem Zweck kann man sich der Aufmerksamkeitsökonomie des Internets etwas abschauen. Es muss sexy, kontrovers und gefährlich klingen. Dies kann in den allermeisten Fällen durch das Hinzufügen von einigen wenigen Worten erreicht werden, welche man organisch in die Formulierung einfügt. Tun wir das, so liest sich unser finales Thema wie folgt: „DHG panafrikanische Bildungseinrichtungen SEX sollten ermahnt werden, religiöse Unterrichtseinheiten in toto einem Modus zu unterwerfen, CANCELCULTURE der sie an spezifische Ausformungen dogmatischer Glaubensgebäude anlehnt, wenn MANGELNDE BEWEGUNG BEI GLEICHZEITIG SCHLECHTER ERNÄHRUNG die Alternative inkludiert, dass die körperliche Züchtigung von Kindern wahrscheinlich erlaubt bleibt.“

Public Relations

Nun kann es natürlich sein, dass einige Leute verwirrt nachfragen, was denn nun gemeint sei. In einer solchen Situation antwortet man schlicht: „Das ist Sache der eröffnenden Regierung.“ Optimalerweise paart man das mit einem abschätzig-mitleidigen Blick. Dabei sollte man sich bemühen, den Anschein zu erwecken, diesen Blick eigentlich verbergen zu wollen, doch die kolossale Dummheit der Frage bezwang in diesem Fall leider die eigene Selbstbeherrschung. Dies in der richtigen Mischung verlässlich hinzukriegen, ist eine schauspielerische Herausforderung und ich empfehle, es im Spiegel zu üben.

Assistent Subokaj – © Privat

Ärgerlicherweise gibt es Menschen, die sich von all dem nicht beeindrucken lassen. Doch die verlässlich letzte Verteidigungslinie gegen Kritik bleibt einem erfreulicherweise noch: Die anderen sind schuld – in diesem Fall die anderen Chefjurierenden. Denn wenn sich Schuld nicht mehr leugnen lässt, so kann man sie immer noch anderen zuschieben. Manchmal muss man halt jemanden ins Knie schießen, um der metaphorischen Zombiehorde zu entkommen. Dabei ist jedoch Fingerspitzengefühl geboten. Niemand mag jemanden, der anderen ins Knie schießt, um selbst zu entkommen. Deshalb schießt der geübte Knieschütze im Verborgenen. Man sagt nicht direkt, dass das fragliche Thema anderen zuzuschreiben ist. Man suggeriert es lediglich. Wird ein Thema bemängelt, kann man beispielsweise erwähnen, dass Nachwuchsförderung nicht nur Vorteile habe und dabei vielsagend eine Augenbraue heben. Natürlich beeilt man sich hinterher zu versichern, dass Nachwuchsförderung sich auf jeden Fall lohne, man schon zu viel gesagt habe und selbstverständlich alle Chefjurierenden gemeinsam die Verantwortung für alle Themen tragen. Dabei jedoch lässt man einen Hauch Erschöpfung in den Subtext einfließen, der versichert, dass man hart für bessere Themen gekämpft habe, aber sich einfach nicht habe durchsetzen können. Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig von sich zu weisen, ist kein einfacher Drahtseilakt, doch besonders für alle die später in die Politik wollen, eine wertvolle Fähigkeit.

Dieserart gerüstet, sollten eurer Chefjurierendenkarriere nur noch eure eigenen Skrupel im Weg stehen. Alle Abschnitte, die euch nicht gefallen haben, sind von meinem Assistenten Subokaj verfasst worden, der die volle Verantwortung übernimmt.

Jakobus Jaspersen/jm.

Jakobus Jaspersen ist seit vielen Jahren bei der Rederei Heidelberg aktiv. Er gewann mehrere Turniere, darunter die ZEIT DEBATTE Tübingen 2017, den Schwarzwaldcup 2019 sowie das Ironmanturnier 2020, und war Finalist der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaften 2016, 2017 und 2018. Als Chefjuror war er u.a. verantwortlich für die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft 2020, die Adventsdebatten Jena 2019 und die Campus-Debatte Leipzig 2019.

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

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2 Kommentare zu “Aprilscherz: Der Weg zum erfolgreichen Chefjurierenden”

  1. René G. (Rederei Heidelberg) sagt:

    die teils fehlerhafte Verwendung von „dass“ bzw „das“ untergräbt die ansonsten professionellen Ausführungen des Autors.

  2. Anton L. sagt:

    Ich sehe den Prozess zur DDM 2020 plötzlich in einem ganz anderen Licht.

Kommentare sind geschlossen.

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