Was ist eigentlich das RWI-Wirtschaftsgespräch?
Vor wenigen Wochen, am 29.11.2022, war der VDCH das dritte Mal zu Gast beim Wirtschaftsgespräch des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Doch was machen die Debattant:innen da eigentlich und wie kommt es?
Die Geschichte beginnt vor vielen Jahren im Vorstandsjahr 2018/19 (Lokstein/Hortmann/Heckendorf/Leicht). Damals war der VDCH insbesondere bestrebt, das Debattieren weiter in die Öffentlichkeit zu tragen. Gerade recht kam deshalb eine Anfrage des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung aus Essen, ob man nicht im Rahmen von dessen jährlichem „Wirtschaftsgespräch“ eine Art Kooperation finden könnte? Das Wirtschaftsgespräch war damals geprägt von Vorträgen von Fachleuten aus der Wirtschaft und das RWI wollte die Veranstaltung gerne mit einem lebendigeren Format aktiver und partizipativer gestalten.
So entwickelte der VDCH-Vorstand eine Konzeption angelehnt ans Format der Tübinger Debatte (Link), die für Showdebatten mit inhaltlichem Schwerpunkt besonders geeignet ist und zudem eine Partizipation des Publikums nicht nur ermöglicht, sondern vorsieht. Da auf der einen Seite jeweils ein:e Expert:in zum jeweiligen Fachthema reden würde, wurde ein:e Redner:in pro Seite gewählt: Ein:e VDCH-Debattant:in alleine gegen den oder die Expert:in. Die Themenwahl war der schwierigste Punkt im Konzept: Hier galt es drei Interessen zu vereinen, nämlich das Interesse der Veranstalter – VDCH und RWI – an einer spannenden Debatte, das Interesse des jeweiligen Gasts an der eigenen Position und das Interesse des VDCHs, keine einseitige Debatte zugunsten des jeweiligen Gasts. Ein ausgeglichenes Thema zu finden, das allen drei Interessen gerecht wird, ist keine so einfach Angelegenheit, insbesondere, wenn RWI und der jeweilige Gast das schwer abschätzen können. Deshalb übernahm der VDCH-Vorstand auch die Federführung und modifizierte Themenvorschläge so lange, bis sie schließlich allen Seiten ausreichend gerecht wurden.
Mit diesem Konzept kam es dann im November 2019 zum ersten Wirtschaftsgespräch unter Beteiligung des VDCHs.
Als erstes debattierte Prof. Dr. Isabel Schnabel (seit 2014 Wirtschaftsweise; seit 2020 EZB-Direktorin) gegen Julia Engel (VDCH – Mainz/Kiel) zum Thema „Sollen Sparer für marode Banken in anderen europäischen Ländern haften?“ (Link).
In der zweiten Debatte redete Jan Ehlert (VDCH – Tübingen) gegen Valerie Holsboer (ehem. Vorstand der Bundesagentur für Arbeit) zum Thema „Braucht die digitalisierte Arbeitswelt ein bedingungsloses Grundeinkommen?“ (Link).
In der dritten Debatte trat Prof. Dr. Dr. hc. Christoph M. Schmidt (RWI-Präsident, bis 2020 Vorsitzender der Wirtschaftsweisen) gegen Anton Leicht (VDCH – Münster) zum Thema „Soll die Politik einen CO²-Preis einführen?“ (Link) an.
Auch das Publikum beteiligte sich rege. Das neue Konzept kam bei den Mitgliedern des RWI sehr gut an und wurde mehrfach gelobt. Insofern kamen auch beide Seiten überein, das Format fortzusetzen.
Dann kam die Corona-Pandemie dazwischen. 2020 gab es deshalb kein Wirtschaftsgespräch unter VDCH-Beteiligung.
Im November 2021 kam dann die Fortsetzung. Wieder gab es drei Debatten im Format 1 gegen 1.
In der ersten Debatte stritten Dr. Nicola Brandt (Leiterin des OECD Berlin Centre) und Jonas Frey (VDCH – Oxford/St. Gallen) über das Thema „Soll das Ehegattensplitting abgeschafft werden?“ (Link).
Als zweites debattierten Katharina Schüller (Vorständin der Deutschen Statistischen Gesellschaft und Geschäftsführerin von STAT-UP) und Jan-Gunther Gosselke (VDCH – St. Gallen) zum das Thema „Gehört der Mathematik-Unterricht in der Grundschule abgeschafft?“ (Link).
Die dritte Debatte übernahmen Prof. Dr. Dr. hc. Christoph M. Schmidt (RWI-Präsident, bis 2020 Vorsitzender der Wirtschaftsweisen) und Chiara Throner (VDCH – Tübingen) und debattierten die Frage „Nein zur Erhöhung der Pendlerpauschale – ein Ausgleich der CO2-Bepreisung muss anders erfolgen!“ (Link).
Und nun, vor wenigen Wochen, ging das Format bereits in die dritte Runde! Dieses Mal gingen die Themen stärker vom Wirtschaftsschwerpunkt weg hin zu einem Ethik-Schwerpunkt.
Dieses Mal übernahmen die erste Debatte Claudia Nemat (Vorstandsmitglied für Technologie und Innovation, Deutsche Telekom AG) und Alena Haub (VDCH – Mainz) zum Thema „Ist ein digitales Gewissen kein Luxusanliegen?“ (Link).
In der zweiten Debatte folgen Prof. Dr. Dr. hc. Christoph M. Schmidt (RWI-Präsident, bis 2020 Vorsitzender der Wirtschaftsweisen) und Christopher Gack (VDCH- Hamburg) zum Thema „Müssen wir mehr und länger arbeiten?“ (Link).
Als drittes debattierten Prof. Dr. Christiane Woopen (Direktorin des Center for Life Ethics) und Angélique Herrler (VDCH – Köln/Heidelberg) die Frage „Sollen Vereine mit Suizid keine Gewinne erzielen dürfen?“ (Link).
Das Format scheint sich also über die Jahre bewährt zu haben und zeigt besonders schön, wie junge Menschen aus den Debattierclubs durch die beim Debattieren gelernten Fähigkeiten durchaus in der Lage sind, sich auch gegen absolute Koryphäen auf einem Fachgebiet zu behaupten. Es bleibt zu hoffen, dass wir noch viele weitere spannende Debatten dieser Art zu sehen bekommen. Vielleicht sind sie ja auch Vorbild oder Inspiration für einzelne Debattierclubs, die gerne bei sich etwas Ähnliches Veranstalten möchten?
Das Mittwochs-Feature: Mittwochs veröffentlicht die Achte Minute ab 10.00 Uhr oftmals ein Mittwochs-Feature, worin eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt gestellt wird. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.
lok.
Grundsätzlich schöner Überblick über die Gesprächsreihe, vielen Dank dafür!
Ich habe zwei Bemerkungen zu Formulierungen, die ich als nicht sehr wertschätzend gegenüber verschiedenen (ehemaligen) VDCH-Vorstandsmitgliedern empfinde.
„Präsidentschaft Lokstein“ fokussiert aus meiner Sicht ziemlich stark auf den Präsidenten und macht damit die viele Arbeit unsichtbar, die die anderen Vorstandsmitglieder damit hatten, das Debattieren in die Öffentlichkeit zu tragen. Wenn man zusätzlich zum Vorstandsjahr 2017/18 noch Vorstandsmitglieder nennen will, dann doch einfach alle, die Zeit hat man m. M. n. schon. (z. B. „im Vorstand um Lennart, Tove, Maya und Anton.“) So kann man nochmal die viele Arbeit aller Beteiligten würdigen. (War das Vorstandsjahr 2017/18 nicht außerdem der Vorstand um Bene, Sabine, Gwecke und Habakuk?).
Ich finde außerdem die Formulierung „Damals war der VDCH insbesondere bestrebt, das Debattieren weiter in die Öffentlichkeit zu tragen“ unglücklich. Sie kann definitiv als ein mehr oder weniger subtiler Angriff auf alle drei Nachfolgevorstände gelesen werden. Das „insbesondere“ impliziert denke ich, dass die Nachfolgevorstände aus Sicht von Lennart nicht genug für Öffentlichkeitsarbeit getan haben/nicht genug tun. Das halte ich zum einen inhaltlich für Quatsch. Zum anderen finde ich es, selbst wenn es zuträfe, keinen guten Umgang Leuten ihr Ehrenamt mit versteckten Angriffen in AM Artikeln zu danken.
Ich hoffe, ich verstehe die Formulierung einfach falsch. Falls dem so ist, stell doch bitte einfach einmal klar, dass du das nicht so gemeint hast, Lennart, wie es bei mir (und vielleicht auch anderen?) angekommen ist.
Insgesamt finde ich sollten wir an jeder möglichen Stelle maximal wertschätzend über die ehrenamtliche Arbeit insbesondere von VDCH-Vorständen reden. Seit ich in der Szene bin, reden wir immer über einen Mangel an Engagement. Hat bestimmt auch mit dieser Art von Kommunikation zu tun…
Hallo Georg, vielen Dank für die Rückmeldung. Wow! Das ist ja sehr viel direkte Kritik für einen Kommentar, der kritisiert, dass man einen Artikel als implizite Kritik verstehen könnte.
Dann mal der Reihe nach:
Beim Vorstandsjahr hast du Recht, vielen Dank für den Hinweis – den habe ich direkt aufgenommen.
Zur Benennung der Vorstandsjahre nach Präsidentschaften: Das scheint mir gängige Praxis an allen Stellen gewesen zu sein, die mir bislang mit Bezug zu Vorstandsjahren begegnet sind. Ich habe die Kritik aber aufgenommen und den gesamten Vorstand eingebaut und werde darauf bei künftigen Artikeln der gesamten Redaktion achten.
Die Formulierung „insbesondere“ legt einen inhaltlichen Schwerpunkt nahe. Das war damals der Schwerpunkt und so kam z.B. das Wirtschaftsgespräch neu dazu. Heute ist meines Wissens der Schwerpunkt „die Clubs wiederaufbauen“ und das finde ich richtig so. Ein „insbesondere“ beinhaltet keine Wertung über die Öffentlichkeitsarbeit nachfolgender Vorstände und kein Urteil, sondern eine Beschreibung allein des damaligen Vorstandsjahres. Ich habe es beim Redigieren übrigens extra aufgenommen, weil ich Sorge hatte, die gleiche Formulierung ohne das „insbesondere“ könnte sich in deinem Sinne missverständlich lesen. Dann klingt es für mich zumindest nämlich urteilend. Was wäre denn deiner Meinung nach eine sinnvollere Formulierung? Ich bin ja für Vorschläge offen, aber auch hinter der gewählten steckten Gedanken!
Ich finde aber auch was problematisch:
Nämlich erstens, dass du das da ohne jeder Basis reinliest. Man kann auch Böswilligkeit suchen, wo keine ist, wenn man es denn will.
Und zweitens, dass du mir sehr direkt unterstellst, mit „keine[m] guten Umgang Leuten ihr Ehrenamt mit versteckten Angriffen in AM Artikeln zu danken“.
Auch die Achte Minute und dieser Artikel basieren auf Ehrenamt. Geschrieben wurde er übrigens auch, um die Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen und die Reden der Debattant:innen beim Wirtschaftsgespräch zu würdigen. Mit deinem Kommentar praktizierst du ziemlich genau, was du mir ohne Grundlage unterstellst. Nur, dass dein Kommentar in meinen Augen sehr direkte Anfeindungen enthält. Du schreibst „Ich hoffe, ich verstehe es falsch“, hättest mich aber auch einfach auf WhatsApp anschreiben und fragen können, meine Nummer hast du bekannterweise. Das hast du aber nicht getan sondern dich bewusst für diesen Weg entschieden.
Übrigens reden wir auch seit ich in der Szene bin – 2013 – und vorher über einen Mangel an Engagement und es hat sehr genau mit der Art von Kommunikation zu tun, die du gerade an den Tag gelegt hast.