Entwicklungshilfe im Norden Europas – Manuel Adams über eine Berliner Trainingsmission in Oslo

Datum: 21. September 2011
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Kategorie: Themen

Norwegen ist eines dieser Streberländer, die einfach jede Statistik gewinnen müssen. Niemand ist reicher, gebildeter, friedlicher oder gerechter. Die einzige Entwicklungshilfe, die dieses Land noch brauchte, lag auf dem Gebiet der Debatte.

Das Berliner Engagement in Skandinavien begann eher privat mit der Gründung der Oslo Debating Society durch Filip Bubenheimer – eine Verbindung, die dieses Jahr im Rahmen des Berlin Humboldt IV aufgegriffen wurde. Norwegen und Schweden waren die Partnerländer im eingeworbenen EU-Projekt, und auch alle übrigen Skandinavier (Definitionen variieren) durften kostenlos teilnehmen.

Die Berlin Debating Union leistet Aufbauhilfe im Norden Europas. Der deutsche Hauptstadtclub debattiert, trainiert und tauscht Tipps aus mit Debattanten aus der norwegischen Hauptstadt. (Foto: Manuel Adams)

Zur weiteren Aufbauunterstützung reiste nun am vergangen Wochenende eine Handvoll Berliner in die norwegische Hauptstadt, um sowohl mit den Gastgebern also auch den Vereinsoberen aus Stockholm Debattier- und Organisationerfahrung aus Berlin, Bremen, Köln, Magdeburg, Südafrika und den USA zu teilen. Die Location war gediegen – insbesondere für ein studentisches Wohnheim. Außen einem königlichen Sommersitz ähnlich, ist das Blindern Studenterhjem innen ein holzgetäfelter Club mit einem Klavier in jedem zweiten Raum und Drucken mit den Unterschriften Chagalls  und Picassos an den Wänden. Katakomben verbinden die Flügel des Anwesens und dort unten liegende Orte wie das Valhall, ein dunkler und feuchter Kellerraum, in dem Bierflaschen nach rauschendem Konsum an die steinerne Wand geschleudert werden, bieten einen attraktiven Kontrast.

Auf dem Programm standen Gespräche über den Stand der Dinge in den nordischen Clubs und dementsprechend angepasste Ratschläge hinsichtlich Mitgliederwerbung und -bindung, Turnierteilnahme und -ausrichtung, Finanzierung und sonstiger organisatorischer Fragen. Hier entstand die Idee, dass ein Turnier in Oslo Whisky als Teilnehmerbeitrag erheben könnte. Während nämlich die allgemeinen Lebenshaltungskosten in Oslo um rund zwei Drittel über denen Berlins liegen, ließe sich eine Flasche Hochprozentiges dank des staatlichen Alkoholmonopols problemlos sogar zum Dreifachen des deutschen Einkaufspreises an die Kommilitonen weiterverkaufen. Wer braucht da noch Sponsoren?

Debattiert wurde auch – unter anderem die Frage, ob Prostitution ein würdigeres Gewerbe sei als das Verkaufen von Burgern bei McDonald’s. Im Mittelpunkt standen jedoch intensive Trainingseinheiten, wobei eine besonderen Anklang fand: Ein Team erhält ein Thema, worauf es sich unter Beobachtung der Trainer fünf Minuten lang auf eine siebenminütige Antragsrede vorbereitet, die einer der beiden dann vor allen anderen hält. Unmittelbar danach entscheidet das Los, wer – quasi kalt – in die Rolle des Oppositionsführers schlüpfen darf oder muss. Im Anschluss darf sich noch ein freiwilliger Zweiter versuchen, der meint besser opponieren zu können. Die beiden Oppositionsreden sowie die Nutzung der kurzen Vorbereitungszeit und der Ansatz der Regierung werden dann diskutiert mit dem Ziel, allgemeine Probleme zu entdecken und vor dem nächsten Ernstfall zu lösen.

Das Kulturprogramm jenseits der Rundumversorgung von Blindern kam recht kurz. Der Fußmarsch nach Ankunft entlang augenscheinlicher Osloer Sehenswürdigkeiten fiel eher knapp aus und eher versehentlich stolperte man in die Finalprobe der Suche nach dem norwegischen Superstar, die höchst unerwartet im Audimax der Universität bestritten wurde.

Das Ergebnis jedoch ist sehr zufriedenstellend: Tipps und Tricks kamen sehr gut an und die Vorstellung von einer Turnierausrichtung als beinahe unmögliche Herkulesaufgabe ist einigermaßen überwunden. So denkt man an der Stockholm School of Economics jetzt recht konkret über ein gemeinsames Turnier mit dem zum Wintersemester den Betrieb aufnehmenden Club in Helsinki nach. Zurück in Berlin behalten wir das spätsommerliche Oslo in bester Erinnerung, wünschen den Kollegen im Norden allen Erfolg und freuen uns auf ihre Turniere.

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2 Kommentare zu “Entwicklungshilfe im Norden Europas – Manuel Adams über eine Berliner Trainingsmission in Oslo”

  1. Henrik sagt:

    Ich freue mich auf die kommenden Turniere in Skandinavien … da komme ich doch gern nochmal zum Jurieren, oder so, vorbei … 🙂

Kommentare sind geschlossen.

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