Dessislava Kirova über den Jurorentest für die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft

Datum: 23. April 2014
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature

Dieses Jahr wird es im Vorfeld der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft (DDM) einen Test für die Juroren geben. Im deutschsprachigen Debattieren ist das eine Premiere. Dessislava Kirova, gemeinsam mit Andrea Gau und Michael Saliba Teil des Chefjurorenteams der DDM, erklärt, was es damit auf sich hat.

Als Chefjurorenteam haben wir eine Aufgabe: den sportlichen Teil des Turniers für die Redner und Rednerinnen möglichst perfekt zu machen. Dazu arbeiten wir hart an zwei Dingen: faire und spannende Themen sowie standardisierte und nachvollziehbare Jurierungen. Dabei sind wir aufeinander angewiesen – die Chefjury und alle teilnehmenden Jurorinnen und Juroren müssen zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Eine der wichtigsten Aufgaben einer Chefjury ist die kompetente Verwaltung des Jurorenpools. Es gilt, alle anwesenden Juroren nach deren Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen.

Das Beste, was einem Team passieren kann, nachdem es eine Debatte verloren hat, ist, ein faires und nachvollziehbares Feedback zu bekommen. Um die Eichung zu verbessern und möglichst von Runde eins an die besten Panels zusammenzusetzen, möchten wir dieses Jahr vorab einen Jurorentest durchführen. In diesem Artikel möchten wir euch unser Konzept dazu vorstellen. Bitte zögert nicht, eure Fragen oder Anmerkungen mit uns in der Kommentarfunktion zu teilen; wir gehen sehr gerne darauf ein.

Woher kommt das und was ist der Sinn?

Juroren, Finale, Berlin IV Debates Conference 2014, (c) Matthias Carcasona

Die Finaljury beim Berlin IV 2014 (c) Matthias Carcasona

Seit geraumer Zeit hat sich der Jurorentest auf großen internationalen Turnieren wie der Europa- und der Weltmeisterschaft durchgesetzt. Die Gründe dafür sind vor allem pragmatischer Natur; das Ziel ist, möglichst schnell die bestmöglichen Panels zu identifizieren. Die Grundherausforderung ist die Größe dieser Turniere (800 Redner auf Weltmeisterschaften), die es selbst den erfahrensten Chefjuroren sehr schwer macht, alle angereisten Juroren zu kennen und deren Erfahrung einzuordnen. Die einzige Informationsquelle über Juroren ist das Feedback im Laufe des Turniers. Dies ist besonders problematisch vor der ersten Runde, da ohne Kompetenzeinordnung unbekannte Juroren fast zwangsläufig unangemessen eingesetzt werden. Zudem kommen ohne Vorabschätzung unbekannte Juroren frühestens nach zwei oder drei Runden in das Blickfeld der Chefjury. Wertvolle Zeit geht also verloren, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass kompetente Juroren aus dem Raster fallen. Um es kurz zu machen: Die fehlende Vorabinformation schadet der Jurierqualität des Turniers. Daher gibt es einen Jurorentest. Die DDM ist zwar etwas kleiner als eine Weltmeisterschaft, aber auch wir stehen vor ähnlichen Herausforderungen.

Der Jurorentest dient der Eichung, damit alle DDM-Juroren und Redner auf dem gleichen Stand sind. Die Redner sollen nach den gleichen Regeln und Kriterien juriert werden; die Juroren sollen sich sicher darin fühlen, was der Turnierstandard ist. Somit werden Willkür, Vieldeutigkeit oder Unsicherheit möglichst minimiert.

Der Jurorentest hilft uns einzuschätzen, wer das Jurierbriefing gelesen hat und den vorgesehenen Standard umsetzen kann. Natürlich kennen wir viele von euch bereits und haben mit einigen von euch schon zusammen juriert. Wir bauen auf diese Erfahrung und dieses Wissen, möchten aber nicht, dass dies das einzige Kriterium ist. So sollen Juroren, die wir nicht kennen oder mit denen wir noch nie juriert haben, eine Möglichkeit bekommen, uns von Anfang an aufzufallen, indem sie beispielsweise eine gute Begründung für ihr Ranking geben.

Wie genau wird das ablaufen?

Der Jurorentest besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil gilt es, eine Videodebatte zu jurieren, zu einem Ranking zu kommen und dieses kurz zu begründen. Im zweiten Teil müssen Multiple-Choice-Fragen beantwortet werden, die sich vor allem um die Regeln und Besonderheiten von British Parliamentary Style (BPS) drehen. Die Fragen basieren auf einem Jurierbriefing, das wir vorab veröffentlichen werden. Dieses wird neben den Regeln von BPS auch unsere Auslegung bestimmter Streitfragen erläutern, wie beispielsweise die Handhabung von Zwischenrufen oder neues Material in der Zusammenfassungsrede.

Wer den Jurorentest nicht macht, wird sehr wahrscheinlich zu Beginn des Turniers nicht als Hauptjuror gesetzt werden können. Das ist keine Abstrafung, aber die verantwortungsvolle Rolle des Hauptjurors kann nur schwer vergeben werden, wenn wir nicht wissen, inwieweit die aktuellen Regeln gelesen und verstanden wurden. Der Jurorentest und das Briefing werden rechtzeitig vor der DDM veröffentlicht und alle Juroren müssen den Test bis zu einer bestimmten Frist machen. Wir werten die Antworten aus und stufen die Juroren dementsprechend ein. Wir veröffentlichen dann natürlich auch eine Auflösung und auf der DDM wird es am Freitag die Gelegenheit geben, noch offene Fragen zu klären.

All diejenigen, die so einen Jurorentest zum ersten Mal machen, brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ihr werdet genügend Zeit haben und die Ergebnisse werden natürlich streng vertraulich behandelt. Beim Jurieren der Debatte kommt es nicht darauf an, das einzig richtige Ergebnis zu finden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es mehr als ein plausibles und begründbares Ranking gibt. Es kommt darauf an, das Ergebnis, zu dem ihr gekommen seid, nachvollziehbar zu begründen. Die Videodebatte wird extra für den Test aufgenommen und wird Debattierer zeigen, die nicht an der DDM teilnehmen, das heißt Mitglieder des Organisationsteams.

Wie werden die Juroren eingestuft?

Es gibt zwei Rollen für Juroren: Hauptjuroren (Chairs) und Nebenjuroren. Dabei genießen die ersteren etwas mehr Ansehen und gelten als die erfahreneren. Viele Debattierer empfinden es als Aufstieg, wenn sie eine Debatte chairen dürfen, und nehmen es als „Abstufung“ wahr, als Nebenjuror eingesetzt zu werden, wenn sie bereits gechairt haben. Die Realität in den Augen der Chefjuroren sieht viel nuancierter aus. Hauptjuroren zeichnen sich durch gute Kommunikation beim Feedbackgeben aus und haben die Fähigkeit, eine Diskussion zielgerichtet und produktiv zu leiten.

Das heißt, dass jemand ein sehr guter Juror sein kann, weil er aufmerksam zuhört, mitschreibt und sich produktiv in die Jurierdiskussion einbringt. Aber er ist vielleicht noch nicht so gut darin, das alles in ein Feedback umzusetzen. Manchmal kann es sein, dass alle Juroren in einem Panel in ihrer Fähigkeit, ein gutes Urteil zu fällen, gleich gut sind, aber einer von ihnen etwas mehr Erfahrung darin hat, Feedback zu geben. Manchmal wird ein fortgeschrittener Juror als Hauptjuror gesetzt und bekommt einen erfahrenen Nebenjuror an die Seite, damit er nicht alleine ist und, wenn nötig, kompetente Hilfe beim Feedback bekommen kann. Diese Konstellation kommt auch vor, wenn Chefjuroren sich andere Juroren anschauen möchten, über die sie gutes Feedback bekommen haben. Sie möchten dann meistens schauen, ob dieser Juror auch als Hauptjuror eingesetzt werden kann. Der Jurorentest hilft uns, ein besseres Bild von jedem einzelnen Juror zu bekommen, der auf die DDM fährt. So können wir die bestmöglichen Panels zusammensetzen.

Dessislava Kirova/hug/kem

 Mittwochs-Feature

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

Dessislava Kirova ist Chefjurorin der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2014 in Berlin. Sie war Chefjurorin mehrerer deutschsprachiger und internationaler Turniere, darunter die Europameisterschaft 2013 in Manchester, das Paris Open 2013 sowie die ZEIT DEBATTEN Münster 2012 und Stuttgart 2011. In Chennai wurde sie Debattierweltmeisterin 2014 in der Kategorie English as a Second Language. Sie war Präsidentin der Berlin Debating Union von 2010 bis 2012 und Teil des Organisationskomitees der WUDC Berlin 2013.

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6 Kommentare zu “Dessislava Kirova über den Jurorentest für die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft”

  1. Lennart Lokstein sagt:

    Klingt super. 🙂

  2. Teresa W. (MS) sagt:

    Danke für die Einführung, ich halte die Durchführung eines Juriertests generell für sinnvoll und freue mich, dass es für die DDM dieses Jahr auch einen geben wird.

    Erst das Süßholz, jetzt die Fragen 😉 Wann wird das Jurierbriefing zur Verfügung gestellt? Bis wann wird es die Möglichkeit geben den Test zu machen?

    Hintergrund für die Fragen: wir halten unsere Ausscheidungsdebatte in Münster erst am 10.05. ab. Falls der letztmögliche Termin zum Ausfüllen des Tests vor diesem Datum liegen sollte, müssen wir entsprechend all unseren Teams sagen, dass sie den Test vorsorglich ausfüllen sollen, für den Fall, dass sie nicht einen der Teamplätze ergattern und als Juroren/Jurorinnen mitfahren.

    Ich weiß nicht, ob das ein rein münsterspezifisches Problem darstellt. Aber ich denke für alle anderen ist es auch immer etwas Feines ein Datum zu wissen 🙂

  3. Dessislava sagt:

    Es freut mich wirklich sehr positives Feedback von euch beiden zu bekommen:-) Die genauen Daten stehen noch nicht auf den Tag fest, aber das Jurierbriefing und der Test sollen Mitte Mai veröffentlicht werden. Für den Test wird es mindestens eine Woche Zeit geben, wir werden ihn aber spätestens am 1. Juni schließen müssen, damit wir genug Zeit zum Korrigieren haben – und die Leute sollen ja auch den ein oder anderen Tag VOR der DDM haben, um die veröffentlichte Auflösung anzuschauen. D.h. wir versuchen euch so viel Zeit wie möglich zu geben, die einzige Einschränkung ist unsere Kapazität zum Auswerten.

  4. Katharina KaTe sagt:

    Ich möchte mich Lennart und Teresa mit ihrem positiven Feedback anschließen! Einzige Bitte, die ihr sicherlich bedacht habt: Bei der Woche Bearbeitungszeit wäre es sehr gut, wenn diese in jedem Fall ein Wochenende umfasst, damit alle diejenigen, die unter der Woche aufgrund von Uni und/oder Job ausgelastet sind, in Ruhe an dem Test teilnehmen können 🙂
    LG nach Berlin

  5. Eine wirklich tolle Idee! Da sind wir sicherlich alle sehr gespannt 🙂 Vielleicht setzt sich das dann ja sogar in Zukunft bei noch mehr Turnieren durch. Zumindest bei Zeitdebatten wäre das eine Überlegung wert!

  6. Dessislava sagt:

    Liebe Katherina, das wird auf jeden Fall der Fall sein. Unser Ziel ist es sogar zwei WE in dem Zeitfenster zu haben; genau aus dem Grund, den du nennst: Leute arbeiten oder haben mit der Uni viel um die Ohren und wir möchten, dass jede/r den Test in Ruhe machen kann.

    Lieber Christian, das hoffen wir auch 🙂 Es bedeutet natürlich etwas mehr Aufwand, der ist aber geringer als mancher denken würde und es lohnt sich auf jeden Fall, weil es die Arbeit des CJ-Teams verbessert. Man kann ja auch immer am Umfang drehen und muss nicht jedes Mal eine Videodebatte haben; beide Teile des Tests testen ja unterschiedliche Dinge. Wir werden das Ganze nach der DDM auswerten und unsere „Erkenntnis“ für zukünftige CJ-Teams festhalten.

Kommentare sind geschlossen.

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