Jurierqualität sichern: Willy Witthaut über die digitale Eichdebatte der ZEIT DEBATTE Heidelberg

Datum: 5. November 2014
Redakteur:
Kategorie: Jurieren, Mittwochs-Feature, ZEIT DEBATTE

Auf der ZEIT DEBATTE Heidelberg wurden einige Maßnahmen zur Sicherung der Jurierqualität umgesetzt. Ich möchte im Folgenden kurz vorstellen, welche Maßnahmen wir, die Chefjuroren des Turniers, ergriffen haben, um die Chefjuror*innen der kommenden Turniere dazu anzuregen ähnliches zu tun und unsere Ideen weiterzuentwickeln.

Was ist und soll die Eichdebatte?

Als ich mit dem Debattieren anfing, gab es regelmäßig auf Turnieren im Format der Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD) eine Eichdebatte. Mit der Einführung des Mainzer Systems, welches auf OPD-Turnieren vier bzw. fünf Vorrunden erlaubt, wurde ein anderes Problem gelöst: Mehr Runden versprachen ein gerechteres Ergebnis, da der Break damit weniger von einzelnen Juror*innen abhing. Die Folge war, dass im Zeitplan die Eichdebatte dafür oftmals gestrichen wurde.

Juroren bei der Arbeit. © Jöran Beel

Juroren bei der Arbeit. © Jöran Beel

Bei einer digitale Eichdebatte, ein Vorschlag von Daniil Pakhomenko, bewerten Juror*innen eines anstehenden Turniers eine Debatte im Vorfeld als „Hausaufgabe“. Die Ergebnisse werden gesammelt und die Chefjury verkündet ihr eigenes Ergebnis etwas später.

Zwei Ziele verfolgt die digitale Eichdebatte:

  1. Die Chefjuror*innen gewinnen eine Einschätzung über die Spannweite der Punkte und das Punkteniveau einzelner Juror*innen. Denn (leider) ist das Verständnis hinsichtlich einer durchschnittlichen Rednerleistung in vielen verschiedenen Clubs sehr unterschiedlich. Ein faires Panel soll verhindern, dass ein Team nur von sogenannten reinen Niedrig- bzw. Hochpunktern juriert wird.
  2. Wie bei der normalen Eichdebatte bekommen die Juror*innen eine eigene Einschätzung der Punkte haben die Chance, Fragen an die Chefjury zu stellen.

Wie setzt man eine digitale Eichdebatte um?

Wir gingen in zwei Schritten vor: Zuerst haben wir eine Debatte aufgenommen, sie online gestellt, eine Maske für das Eintragen der Punkte erstellt und drei Wochen vor dem Turnier eine Nachricht an die Teilnehmer*innen des Turniers versandt. In einem zweiten Schritt haben wir die Debatte gemeinsam juriert. Normalerweise wird die Punktespanne der Chefjury angegeben, wir haben uns jedoch dazu entschieden, lange zu jurieren und zu einem einheitlichen Ergebnis zu kommen. Das hat deswegen funktioniert, da wir uns sehr schnell einig waren. Wir wollten den Teilnehmer*innen ermöglichen, Fragen zu einzelnen Kategorien zu stellen. Eine Woche vor Start des Turniers verkündeten wir das Ergebnis. Zu Beginn des Turniers wurden sie abermals vorgestellt.

Mit welchen Problemen und Herausforderungen hatten wir zu kämpfen?

Bei der ersten digitalen Eichdebatte waren wir unter  Zeitdruck, da die Idee erst kurz vor dem Turnier an uns herangetragen wurde. Innerhalb weniger Tage mussten wir eine Debatte aufnehmen. Dadurch wurden wir allerdings auch auf technische Tücken aufmerksam:

  1. Finden und Aufnehmen der Debatte: Es ist schwierig, Debattanten zu finden, die sich von ganz VDCH-Land jurieren lassen. Sensibilität ist wichtig: Die Videos waren nur über einen Link einsehbar und wurden nach dem Turnier gelöscht. Außerdem kündigten wir an, dass wir es als Chefjury nicht dulden würden, sollte über die Teilnehmer*innen der Eichdebatte öffentlich hergezogen werden. Für die Aufnahme benötigten wir eine Kamera und ein Mikro für Zwischenrufe und Zwischenfragen.
  2. Pflicht und Sanktion: Die Eichdebatte erfüllt dann ihren Sinn, wenn (fast) alle Juror*innen des Turniers mitmachen. Das ist bei ZEIT DEBATTEN schwieriger als bei der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft. Die Anmeldung der Juror*innen ist gekoppelt an die Teamanmeldung und nicht unabhängig. Daher kennen die Ausrichter*innen oftmals nur die Kontaktdaten des Clubs und nicht die der jurierenden Personen. Oft nehmen teilnehmende Clubs kurzfristig Änderungen vor und bennen die Juror*innen erst spät.
    Um das Problem zu adressieren, versuchten wir, moralisch Druck aufzubauen. In der Kommunikation mit den Teilnehmer*innen haben wir betont, dass die Hausaufgabe dem Turnier dient. Von Sanktionen haben wir bewusst abgesehen, zumal es viele arbeitstätige Juror*innen gibt, denen eine Teilnahme an der digitalen Eichdebatte aus zeitlichen Gründen schwer fällt. Ein Ranking der Juror*innen erstellten wir nicht, da dies nur gekoppelt an eine individuelle Begründung der Punkte möglich gewesen wäre. Zudem befürchteten wir, dass ein Ranking Juror*innen abschrecken würde, die Eichdebatte zu jurieren, aus Sorge, bei einer schlechten Leistung nicht gut gesetzt zu werden.

Waren die Ergebnisse hilfreich?

Willy im Finale der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2014. © DDM Berlin 2014 // Matthias Carcasona

Willy im Finale der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2014. © DDM Berlin 2014 // Matthias Carcasona

Mit einer Teilnahme von etwa 20 Juror*innen haben wir eine gute Quote für den Testlauf erreicht. Etwas enttäuschend ist dennoch, dass wir von ein paar Juroren nicht einmal eine Rückmeldung bekommen haben.

Insgesamt konnten wir die Ergebnisse verwenden – sie bestätigten sich im Verlauf des Turniers. Juror*innen, die tendenziell hoch oder niedrig punkten, wurden bei den Setzungen explizit berücksichtigt. Beschwerden wie „Wir haben nur Niedrigpunkter bzw. andere Hochpunkter gehabt“ kamen bei uns nicht an. Jedoch ist hier Vorsicht geboten: Eine Eichdebatte allein kann dies nicht garantieren. Sven [Hirschfeld], Tobi [Kube], ich und insbesondere Sascha [Schenkenberger], unser Tabmaster, verwendeten viel Zeit darauf, die Setzungen so zu organisieren, dass Teams jeweils andere Haupt- und Nebenjuror*innen erlebt haben.

Was würden wir künftigen Chefjuror*innen raten?

Es kommen immer wieder Ideen auf, Juror*innen-Datenbanken zu erstellen. Ich bin kein Freund dieser Idee und glaube aus folgenden Gründen, dass die digitale Eichdebatte nur für das jeweilige Turnier verwendet werden sollte:

  1. Eine Eichdebatte ist kein Juror*innen-Test: Da bei einer Eichdebatte keine Begründungen aufgezeichnet werden, kann man Juror*innen nicht als schlecht oder gut einschätzen. Gerade in OPD ist die Begründung der Punkte der entscheidende Faktor.
  2. Eine Eichdebatte ist eine Einzelleistung: Aufgrund eines Ergebnisses kann man Juror*innen schwer als generell niedrig- bzw. hochpunktend einstufen. Daraus eine Datenbank zu erstellen wäre viel zu prägend und stigmatisierend.

Und das Fazit…

Der Aufwand ist groß und sollte nicht unterschätzt werden. Daher ist von einer Umsetzung bei Turnieren im Rahmen der Freien Debattierliga abzusehen. Für OPD-ZEIT-DEBATTEN macht die Regelung dennoch sehr viel Sinn. Insgesamt kommen bessere Panels dem gesamten Turnier zugute. Um das Projekt in Zukunft weiterhin erfolgreich umzusetzen, sind zwei Aspekte wichtig:

  1. Disziplin: Juror*innen müssen den Test ernst nehmen und sich anderthalb Stunden lang damit beschäftigen. Wenn nicht (fast) alle Juror*innen den Test machen, ist eine digitale Eichdebatte nicht zielführend.
  2. Technische Umsetzung: Wichtig ist eine hohe Qualität bei der Aufnahme. Je besser die Qualität, desto besser wird die Eichdebatte angenommen, wahrgenommen und bearbeitet. Die Ergebnisse bilden besser die Punktespanne ab und Juror*innen können sich selbst besser einschätzen.

Wir sind der festen Überzeugung, dass sich Arbeit und Kreativität auszahlen. Es gibt viele Maßnahmen, die das Jurieren auf Turnieren verbessern können. Der Aufwand lohnt sich! Probiert Dinge aus, entwickelt Dinge weiter! Das Jurieren, die Sicherung der Jurierqualität und Maßnahmen, die Teilnehmer*innen mit einzubeziehen, sind im Interesse von uns allen. Daher sollten wir ständig daran arbeiten, diese weiterzuentwickeln.

Willy Witthaut/ama/hug

Mittwochs-Feature

Das Mittwochs-Feature: Jeden Mittwoch ab 10.00 Uhr stellt das Mittwochs-Feature eine Idee, Debatte, Buch oder Person in den Mittelpunkt. Wenn du selbst eine Debatte anstoßen möchtest, melde dich mit deinem Themen-Vorschlag per Mail an team [at] achteminute [dot] de.

Willy Witthaut war Chefjuror der ZEIT DEBATTEN Heidelberg 2014, Mainz 2014 und Hamburg 2013, der Westdeutschen Meisterschaft 2013 sowie zahlreichen Turnieren der Freien Debattierliga. Er ist Deutschsprachiger Vizemeister 2014 und Sieger mehrerer Turniere, darunter die ZEIT DEBATTEN Dresden 2014 und Magdeburg 2012. In der Amtszeit 2011/2012 war er Präsident des Debattierclubs Johannes Gutenberg e.V. Mainz. Für den Bereich Equity und Fairness ist er Vorstandsbeirat des Verbandes der Debattierclubs an Hochschulen e.V. Derzeit studiert er Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.

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1 Kommentare zu “Jurierqualität sichern: Willy Witthaut über die digitale Eichdebatte der ZEIT DEBATTE Heidelberg”

  1. Alex Ropertz (Tübingen) sagt:

    Finde ich eine gute Sache! Klar ist das auch etwas Aufwand für alle Beteiligten und auch ich „musste“ mir die Zeit nehmen, die Eichdebatte zu jurieren, aber wenn dadurch gerechtere Ergebnisse zustande kommen, ist allen geholfen.
    Herauszustellen ist aber auch der Aspekt der verbesserten Selbsteinschätzung, der oben schon angesprochen wurde. Auch das wird vielleicht die Jurierqualität zusätzlich steigern. Dem dienen auch die erweiterten Feedbackbögen für die Juroren, bei denen explizit positive und negative Aspekte der Jurierung bzw. des Feedbacks genannt werden und die später anonymisiert an die Juroren ausgegeben werden. So wie jeder Redner sich über Feedback freut, sollte sich auch jeder Juror darüber freuen und sich das zu Herzen nehmen. Das sollte mMn auf jeden Fall beibehalten werden.

Kommentare sind geschlossen.

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